Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik SOA-Beschreibung in Tietze/Schenk fehlerhaft?


von Peter M. (r2d3)



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Hallo,

ich wollte mir eine Excel-Datei/Funktion basteln, die mir nach Maßgabe 
einiger Parameter den maximal zulässigen Strom im Sinne der SOA bei 
gegebener Spannung Uce eines Bipolartransistors errechnet. Ein Teil 
dieser Funktion ist die Gerade/Hyperbel für den Durchbruch 2.Art.

Ausgerüstet mit dem Tietze/Schenk in der 15. Auflage lese ich da nun
über diesen:

Ic,max=~const./(Uce)^2

Das klingt gut, da brauche ich doch nur ein Wertepaare aus einer 
SOA-Grafik und schon kann ich mir die Konstante errechnen!

Ein Blick in das Datenblatt des abgekündigten BD249C von Bourns

https://www.mouser.de/datasheet/2/54/bd249-1159082.pdf

auf die Grafik auf Seite 4, Figure 4

zeigt mir die Wertepaare (30V/4A) und (60V/0,5A).

Aus dem ersten Punkt ergibt sich eine Konstante von 4A*30V^2= 3600 
V^2*A.

Zur Kontrolle noch mal den zweiten Punkt nehmen und siehe da:
const= 0,5A * 60V^2= 1800 V^2*A.

Irgendwie passen die Angaben im Datenblatt nicht zur Formel, denn dann 
hätten die Konstanten für jeden Punkt in etwa den gleichen Wert annehmen 
müssen.

Wenn man dann eine in der logarithmischen Welt eine Gerade durch diese 
beiden Punkte legt, Steigung m und Achsenabschnitt c bestimmt und das 
Ganze in die lineare Welt durch Potenzieren zurücktransformiert (siehe 
Formel.png), kommt bei dem Bourns-Transistor eine Funktion von

I=108000/V^3 zur Beschreibung der Hyperbel für den zweiten Durchbruch 
heraus.

Die Gelehrten aber schreiben:
[...Bei doppelt-logarithmischer Darstellung gehen die Hyperbeln in 
Geraden mit der Steigung -1 und -2 über...]

Das reale Datenblattleben suggeriert aber eine Steigung von -3.
(siehe meine abgeleitete Formel I=108000/V^3 oben)

So wie Tietze/Schenk das schreiben ist
Ic,max=~const./(Uce)^2

Bei meinem Bourns-Transistor scheint aber zu gelten:

Ic,max=~const./(Uce)^3

Und wer weiß, bei anderen Transistoren ergibt sich dann vielleicht eben 
auch:

Ic,max=~const./(Uce)^m

wobei m auch andere Werte annehmen kann, je nach Geradensteigung.

Wo ist jetzt mein Denkfehler?

(Die SOA-Grafik habe ich aus Versehen dreimal hochgeladen, weil es so 
aussah, als ob die nicht ankäme)

: Bearbeitet durch User
von BJT (Gast)


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Bitte Verzeih, aber bei Deinem Post komme ich selbst durcheinander.
Ich versuche mal, zu nennen, was mir ins allgemein ins Auge sticht
(keine Garantie auf Korrektheit/Vollstaendigkeit --- wie gesagt
gerate ich beim Durchlesen selbst immer wieder durcheinander...):

Feststellungen:

Das SOA Diagramm von T/S zeigt doch nicht einmal eine Linie entsprechend 
dem 2. Durchbruch. Und die Werte aus dem BD249 Datenblatt sind genau die 
jew. max. Punkte, die "Enden" also, der Linie des 2. Durchbruches. Deine 
Konstante entspricht doch auch gar nicht dem 2. Durchbruch. [Der 2. 
Durchbruch, also die 2. Linie mit der staerkeren Steigung rechts neben 
der Ptot Linie, ist auch gar nicht direkt aus anderen Parametern so 
ableitbar - vielmehr entspricht die in einem bestimmten Datenblatt 
eingefügte Linie den Ergebnissen ausgiebiger Meßreihen des Herstellers + 
minimale Verschiebung "nach links" + "Begradigung"... falls man mir da 
folgen kann. Zumindest kann man das imho höchstens abschaetzen, aber 
niemals "akkurat" berechnen.]

Ging/geht so nicht (aus genannten Gründen und wg. gemachten Fehlern).

Frage:

Was wolltest/willst Du überhaupt erreichen? Am laufenden Band diverse 
Transistoren ohne Datenblatt bzw. SOA Kurve aus den Angaben der max. 
Spannung + Strom eine SOA Kurve erstellen und (oder bevorzugt bei gerade 
solche Typen einen Arbeitspunkt (oder mehrere) nahe "Kante" herausfinden 
können)? Denn nicht nur daß imho Fehler und Gegenargumente gegen das von 
Dir versuchte sprechen --- ich verstehe nicht einmal genau, wozu Du das 
würdest machen wollen. Das soll aber keine Kritik sein - auch wenn ich 
mit aller Offenheit schreibe, was imho dagegenspricht, dann doch nur, um 
Deine Absichten zu erfahren/verstehen.

von Michael B. (laberkopp)


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Peter M. schrieb:
> Ausgerüstet mit dem Tietze/Schenk in der 15. Auflage lese ich da nun
> über diesen: Ic,max=~const./(Uce)^2

Nein, die Formel stimmt schlicht und einfach nicht, auch nicht ^3.

Aber die Diagramme stimmen auch nicht: Die Belastungskurve setzt eine 
unrealistisch gute Kühlung voraus.

von BJT (Gast)


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BJT schrieb:
> die Werte aus dem BD249 Datenblatt sind genau die
> jew. max. Punkte, die "Enden" also, der Linie des 2. Durchbruches.

Entschuldigung: Beim BD249C ist bei 60V natürlich nicht der Endpunkt.
Aber genau @ 30V/4A beginnt der "Knick", und auch 60V/0,5A liegt drauf.
Meine restliche Aussage bleibt.

von BJT (Gast)


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Michael B. schrieb:
> Nein, die Formel stimmt schlicht und einfach nicht, auch nicht ^3.

Angesichts der Variationen bei der Herstellung bleibt doch nur Messung.

von Dieter (Gast)


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Der Unterschied entsteht auf Grund eines weiteren Einflusses, der 
vermutlich nicht genannt wurde. Mit Zunahme der Temperatur, werden 
weitere Parameter des Halbleiters verändert. Das kann zum Beispiel die 
Spannungsfestigkeit sein, das einen Einfluß auf eine bestimmte 
Meßschaltung hat. Dadurch wird das meist nix mit der SOA Konstante.

von Peter M. (r2d3)


Angehängte Dateien:

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An alle:
Es geht um DC-Betrieb!

BJT schrieb:
> Bitte Verzeih, aber bei Deinem Post komme ich selbst durcheinander.
> Ich versuche mal, zu nennen, was mir ins allgemein ins Auge sticht
> (keine Garantie auf Korrektheit/Vollstaendigkeit --- wie gesagt
> gerate ich beim Durchlesen selbst immer wieder durcheinander...):
>
> Feststellungen:
>
> Das SOA Diagramm von T/S zeigt doch nicht einmal eine Linie entsprechend
> dem 2. Durchbruch.

Transistor-Datenblätter mit SOA-Diagramm zeigen den 2.Durchbruch aber 
schon.

> Konstante entspricht doch auch gar nicht dem 2. Durchbruch. [Der 2.

Ich habe keine Konstante, sondern zwei Parameter, Geradensteigung und 
Achsenabschnitt, die den 2. Durchbruch beschreiben.
Tietze/Schenk suggeriert mit der Festlegung der Geradensteigung auf -2, 
dass es nur einen Parameter, die Konstante gäbe.

> Durchbruch, also die 2. Linie mit der staerkeren Steigung rechts neben
> der Ptot Linie, ist auch gar nicht direkt aus anderen Parametern so
> ableitbar -

Deswegen gucke ich ja in das SOA-Diagramm. :)

> Ging/geht so nicht (aus genannten Gründen und wg. gemachten Fehlern).

Welche Fehler?
Wie geht es denn "richtig"?
Das Derating habe ich auch schon berücksichtigt, auch wenn ich mir bei 
der Formel nicht ganz sicher bin.

> Was wolltest/willst Du überhaupt erreichen? Am laufenden Band diverse

Ich möchte gerne bequem Messwerte-Paare von Spannung und Strom darauf 
prüfen, ob sie in der SOA liegen, ohne mit der Lupe und nichtlinearer 
Interpolation auf dem SOA-Diagramm mit seiner doppelt logarithmischen 
Darstellung arbeiten zu müssen.

> Transistoren ohne Datenblatt bzw. SOA Kurve aus den Angaben der max.

Da ich nicht hellsehen kann, muss ich schon in das Datenblatt gucken. :)
Die einzigen Werte zur Ermittlung der SOA-Kurve, die nicht numerisch 
dargestellt werden, sind die Parameter des 2.Durchbruchs.

BJT schrieb:
> Angesichts der Variationen bei der Herstellung bleibt doch nur Messung.

Wenn ein Hersteller harte Grenzen für Parameter angibt, dann ist die 
Bauteilstreuung darin schon berücksichtigt - sonst wäre eine solche 
Information ja sinnlos, oder?

Michael B. schrieb:
> Nein, die Formel stimmt schlicht und einfach nicht, auch nicht ^3.

Kannst Du mir denn sagen, wie der Zusammenhang formelmäßig lautet?

> Aber die Diagramme stimmen auch nicht: Die Belastungskurve setzt eine
> unrealistisch gute Kühlung voraus.

Den Derating-Effekt hatte ich schon eingebaut, wobei ich mir im Bereich 
des 2.Durchbruchs unsicher bin (siehe angehängte Datei "Derating.png").
Im Diagramm nicht eingezeichnet ist das Derating des Maximalstroms.
Das Derating ist für eine Temperatur von 100°C also +75K eingezeichnet.

Dieter schrieb:
> Der Unterschied entsteht auf Grund eines weiteren Einflusses, der
> vermutlich nicht genannt wurde. Mit Zunahme der Temperatur, werden
> weitere Parameter des Halbleiters verändert. Das kann zum Beispiel die
> Spannungsfestigkeit sein, das einen Einfluß auf eine bestimmte
> Meßschaltung hat. Dadurch wird das meist nix mit der SOA Konstante.

Der Tietze/Schenk beschreibt das Derating unter "2.6.1.2 Thermisches 
Verhalten bei statischem Betrieb" in seinen Auswirkungen nur auf Pmax 
und erwähnt keine Abweichungen zu "P2nd".

: Bearbeitet durch User
von Dieter (Gast)


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Umax ist klar.
Imax ist klar
Pmax=U*I I=Pmax/U ist klar eine Hyperbel.

Zum 2. Durchbruch siehe Seite 31
https://www.jade-hs.de/fileadmin/fb_ingenieurwissenschaften/Download/WE/Mechatronik/Elektronik/Renken/Download/LEK/Leistungselektronik_Kap2_V01.pdf
(spuckt google aus)

Und man sieht im Diagramm, dass das ganze nicht einfach subsummiert 
wird, sondern einfach nur ab einer bestimmten Zone, wo dieser Einfluß 
größer wird, einfach abschneidet.

von Peter M. (r2d3)


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Hallo Dieter!

Dieter schrieb:
> Umax ist klar.
> Imax ist klar
> Pmax=U*I I=Pmax/U ist klar eine Hyperbel.

jo, das ist alles simpel und erledigt.

> Zum 2. Durchbruch siehe Seite 31
> 
https://www.jade-hs.de/fileadmin/fb_ingenieurwissenschaften/Download/WE/Mechatronik/Elektronik/Renken/Download/LEK/Leistungselektronik_Kap2_V01.pdf

Leider keine Mehrinformation für mich, trotzdem danke!

> (spuckt google aus)
>
> Und man sieht im Diagramm, dass das ganze nicht einfach subsummiert
> wird, sondern einfach nur ab einer bestimmten Zone, wo dieser Einfluß
> größer wird, einfach abschneidet.

Danke, das erledigt in Excel ganz einfach die min()-Funktion, ich suche 
ja immer den kleinstmöglichen Wert aus Imax, Pmax/U und I2nd.

von Helmut S. (helmuts)


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Also bei dem Transistor (BUX85) passt die Formel vom Tietze-Schenk.

Imax=const/U^x  x ca. 2

Figure 5, SOA
https://www.onsemi.com/pub/Collateral/BUX85-D.PDF

: Bearbeitet durch User
von Peter M. (r2d3)


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Hallo Helmut S.,

Helmut S. schrieb:
> Also bei dem Transistor (BUX85) passt die Formel vom Tietze-Schenk.
>
> Imax=const/U^x  x ca. 2
>
> Figure 5, SOA
> https://www.onsemi.com/pub/Collateral/BUX85-D.PDF

danke für den Hinweis!

Aber hier gibt es keinen zweiten Durchbruch, bzw. liegt er jenseits der 
Leistungshyperbel/Gerade, so dass er nicht eingezeichnet wurde.

In so einem Fall brauche ich keine Excel-Datei, da reicht das Hirn. :)

von Jens G. (jensig)


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Michael B. (laberkopp) schrieb:

>Aber die Diagramme stimmen auch nicht: Die Belastungskurve setzt eine
>unrealistisch gute Kühlung voraus.

Ja, aber nur für rel. lange Impulse. Bei kurzen Einzelimpulsen ist es 
eher egal, wie die Wärme ausen abgeführt wird, da diese sich in den 
inneren Wärmekapazitäten des Bauteils verliert.

von Jens G. (jensig)


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Peter M. (r2d3) schrieb:

>Aber hier gibt es keinen zweiten Durchbruch, bzw. liegt er jenseits der
>Leistungshyperbel/Gerade, so dass er nicht eingezeichnet wurde.

>In so einem Fall brauche ich keine Excel-Datei, da reicht das Hirn. :)

Da haste noch paar schöne SOAs für's Hirn bzw. Excel:

http://www.b-kainka.de/Daten/Transistor/BU508.pdf

Ich glaube nicht, daß man den Tietze/Schenk in der Beziehung einfach auf 
beliebige reale BJT loslassen kann.

von Peter M. (r2d3)


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Jens G. schrieb:
> Da haste noch paar schöne SOAs für's Hirn bzw. Excel:

Fürwahr!

>
> http://www.b-kainka.de/Daten/Transistor/BU508.pdf
>
> Ich glaube nicht, daß man den Tietze/Schenk in der Beziehung einfach auf
> beliebige reale BJT loslassen kann.

[...Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor...]

Die zusätzliche Hyperbel/Gerade bringt mich ein wenig aus dem Konzept. 
:)

Danke Jens, mein bisheriger Wissensstand war, dass vier 
Geraden/Hyperbeln die SOA begrenzen!

von Peter M. (r2d3)


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Hallo zusammen,

im Nachgang zu dieser Forendiskussion möchte ich den Interessierten 
unter Euch meinen kurzen Emailwechsel mit Tietze/Schenk nicht 
vorenthalten:
1
Sehr geehrte Damen und Herren,
2
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nachdem ich eine Formel im SOA-Diagramm des Bipolartransistors nicht
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verstehen konnte, habe ich dazu eine Frage in einem Forum gestellt, die
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Antwortqualität war aber leider nicht zufriedenstellend.
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https://www.mikrocontroller.net/topic/472833
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Irgendwie passt Ihre Formel nicht zur Datenblattwirklichkeit.
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Können Sie das erläutern, oder handelt es sich hier um einen Fehler in
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der letzten Auflage?
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Mit freundlichen Grüßen
14
xxxxxx  xxxxxxx
15
Dipl. Wirtsch.-Inf.
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P.S.: Ich beschäftige mich mit Elektronik nur aus privater Neugier, mir
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fehlt die elektrotechnische Universitätsausbildung.

Prompt meldete sich einer der drei Autoren:
1
Sehr geehrter Herr xxxxxxxx,
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vielen Dank für den Hinweis!
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5
Die Darstellung im Buch ist korrekt, allerdings ist die Formel für den
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Durchbruch 2.Art missverständlich. Das Ungefähr-Zeichen bezieht sich nämlich
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nicht nur auf die Konstante im Zähler, sondern auch auf den Exponenten im Nenner.
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Die im Mikrocontroller-Forum gezeigte SOA des BD249 zeigt, dass der Exponent bei
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diesem Typ etwa bei 2,9 liegt (30V/4A, 100V/0,12A). Das ist ein sehr hoher Wert.
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Beim 2SC3858, einem Audio-Leistungstransistor, den ich früher öfter verbaut
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habe, beträgt der Exponent 2,3.
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Es scheint in der Tat so zu sein, dass der Exponent in der Regel größer als 2
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ist, während die Halbleiter-Fachliteratur (z.B. Sze: Physics of Semiconductor
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Devices) gegenteiliger Meinung ist. In der 17.Auflage des Buchs --- die 16. ist
17
schon im Druck --- werden wir einen Wertebereich für den Exponenten angeben.
18
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Mit freundlichen Grüßen
20
Eberhard Gamm
21
22
23
Dr.-Ing. Eberhard Gamm
24
Signal Processing Consultant

Vielleicht stellt die Differenz im Exponenten zwischen den theoretischen 
"2" und den genannten "2,3" und "2,9" einfach nur eine Sicherheitsmarge 
des Herstellers dar?

: Bearbeitet durch User
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