Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik BLDC - Stromerhöhung bei Verringerung der Spannung


von PeachPii (Gast)


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Guten Tag,
ein Kollege hat eben über einen BLDC-Motor eine bestimmte Aussage 
getroffen, zu der ich gerne eure Meinung hören würde, da ich mich in der 
Thematik nicht so gut auskenne.
Er meinte, dass der Motor bei 9 V nicht solange bei 60 °C betrieben 
werden kann, wie bei 12 V, da bei 9 V der Strom größer ist. Ist diese 
Aussage korrekt?

Ich weiß nur, dass der Strom ~ I und Drehzahl ~ V ist. Sagen wir ich 
reduziere die Spannung auf 9 V, dann müsste sich der Strom erhöhen, 
damit in der Summe wieder die Volle Leistung raus kommt. Aber ist das 
auch so?
Ich weiß nicht, ob der Aktuator intern bei bestimmten Spannungen 
umgeschaltet wird, aber sagen wir der Widerstand bliebe konstant, dann 
würde ich davon ausgehen, dass bei der Verringerung der Spannung sich 
auch der Strom und somit auch die Gesamtleistung verringern würde, 
richtig?
Dann könnte ich mir nur vorstellen, dass er damit meinte, dass der 
Aktuator es bei 9 V nicht mehr schafft, da sich die Leistung verringert 
und nicht, weil er wegen der erhöhten Stromaufnahme überhitzt?
Was meint ihr dazu?

von Jens M. (schuchkleisser)


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Evtl. ist da eine Regelung drin, die eine bestimmte Drehzahl oder ein 
Drehmoment einstellen will.
Die würde dann bei 12V weniger PWM = weniger Strom einstellen als bei 
9V, und das wäre der Effekt.

Modellbauer machen ähnliche Aussagen, da liegts auch dran, das die das 
Getriebe anpassen und so 12V = Drehzahl gegen 9V = Drehmoment tauschen, 
also den Motor mehr belasten: weniger Spannung und trotzdem heißer.

Normal jedenfalls macht der nackte Motor das nicht, weniger Spannung 
bedeutet so oder so weniger Strom und damit weniger Leistung.

von Markus M. (adrock)


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Kann es nur mal so aus der Modellbausicht sagen: Wenn die Spannung 
geringer ist, ist auch der Strom und somit die Leistung (und Wärme) 
geringer.

Sollte es jedoch so sein, dass der BLDC-Motor mit der niedrigeren 
Spannung die gleiche mechanische Leistung erbringen soll wie mit der 
höheren, muss zwangsläufig der Strom höher werden. Wenn der Motor 
geregelt wird, wird das durch ein anderes PWM Tastverhältnis während der 
Kommutation passieren.

Ich meine der Wirkungsgrad ist bei niedrigerer Spannung schlechter und 
somit die Verlustleistung (=Wärme) höher.

von Jens M. (schuchkleisser)


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Markus M. schrieb:
> Ich meine der Wirkungsgrad ist bei niedrigerer Spannung schlechter und
> somit die Verlustleistung (=Wärme) höher.

Fast: Der Strom ist es, der die Wärme an den ohmschen Anteilen der 
Spulen und Transistoren erzeugt.
Ist also auch für den ESC schlechter.

: Bearbeitet durch User
von PeachPiii (Gast)


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Super, danke für die Antwort. Wenn sich die Aussage auf den nackten 
Motor bezogen hätte, hätte mich das auch sehr verwundert.
Ich frag mich nur gerade wie das genau mit dem PWM Signal funktioniert. 
Sagen wir es liegen 12 V an, dann wird eine gewisse Pulsweise abgegeben. 
Daraus ergibt sich im Mittel eine gewisse Spannung. Das heißt, dass 
maximal eine Spannung von konstant 12 V erreicht werden kann oder?
Nur wenn z.B. jetzt nur noch 9 V habe, ergäbe sich bei einem PWM signal 
im Mittel ein Wert der kleiner als 9 V ist und maximal ein wert von 9 V. 
Das heißt, auch wenn ich die Pulsweite bei einer maximalspannung von 9 V 
verringere, würde ich doch niemals auf eine so große effektive Spannung 
kommen, wie als würden 12 V anliegen oder? Vielleicht habe ich da auch 
einen Denkfehler. Somit könnte ich durch änderung der Pulsweite bei 9 V 
auch nicht den Strom über einen Wert bekommen, der größer ist als bei 12 
V?

von hinz (Gast)


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PeachPii schrieb:
> Er meinte, dass der Motor bei 9 V nicht solange bei 60 °C betrieben
> werden kann, wie bei 12 V, da bei 9 V der Strom größer ist. Ist diese
> Aussage korrekt?

Bei gleicher Wellenleistung ist das völlig richtig.

von Harald W. (wilhelms)


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PeachPii schrieb:

> Ich weiß nur, dass der Strom ~ I und Drehzahl ~ V ist.

Der Strom ist normalerweise davon abhängig, wieviel Drehmoment
Dein "mechanischer Verbraucher" benötigt. Normalerweise wird
das Drehmoment geringer, wenn Du eine geringere Drehzahl hast.

von Michael B. (laberkopp)


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PeachPii schrieb:
> Ist diese Aussage korrekt?

Nein.

BLDC Motoren werden immer mit Regelung betrieben, es wird die effekjtive 
Spannung an den Spulen von der Elektronik genau zur aktuellen Drehzahl 
passend eingestellt, damit genau der Strom fliesst, der für die aktuelle 
Belastung nötig ist.

Täte die Elektronik das nicht, käme der Motor aus dem Tritt, würde nicht 
drehen.

Dabei ist es egal, ob die Elektronik 9V oder 12V als 
Eingangsgleichspannung erhält. Die Eingangsgleichspannung ist niemals 
die effektive Spulenspannung beim BLDC.

Bei also gleichem Motor und einer Elektronik die weder bei 9V noch bei 
12V kaputt geht, ist es egal, ob man mit 9V oder 12V versorgt. Der Motor 
wird in beiden Fällen gleich warm, er wird vor allem durch den Strom 
durch die Wicklungen warm, und der hängt wiederum von der Belastung der 
Welle ab. Je mehr Kraft der Motor haben muss, um so wärmer wird er auch, 
und wenn er zu warm wird, sinkt die Lebensdauer der Mechanik oder geht 
gleich kaputt.

von Jens M. (schuchkleisser)


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PeachPiii schrieb:
> Vielleicht habe ich da auch
> einen Denkfehler. Somit könnte ich durch änderung der Pulsweite bei 9 V
> auch nicht den Strom über einen Wert bekommen, der größer ist als bei 12
> V?

Ja, und Richtig! ;)
Du könntest bei 12V-Betrieb mit 50% PWM fahren, bei 9V aber mit anderem 
Ritzel und 90%.
Effektivspannung ist dann höher, Strom also auch, Leistung und Wärme am 
Ende dann ebenfalls.

von Schlimmer (Gast)


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Michael B. schrieb:
> PeachPii schrieb:
>> Ist diese Aussage korrekt?
>
> Nein.
>
> BLDC Motoren werden immer mit Regelung betrieben, es wird die effekjtive
> Spannung an den Spulen von der Elektronik genau zur aktuellen Drehzahl
> passend eingestellt, damit genau der Strom fliesst, der für die aktuelle
> Belastung nötig ist.

Im "Ankerstellbereich" der als BLDC emulierten DC-Maschine kann die 
Drehzahl maximal so groß werden, bis die Gegen-EMK die 
Versorgungsspannung des Inverters erreicht (Das ist bei 9V eben früher 
als bei 12V). Genau dann wäre aber das verfügbare Drehmoment Null. Daher 
appliziert man Feldschwächung bzw. Benutzt Vorzündung. Ein Teil des 
Stroms wird nun nur dazu benutzt, die Gegen-EMK zu drücken, um noch ein 
Quäntchen Drehmoment-bildenden Strom in die Maschine zu bekommen. Der 
Strom zur Feldschwächung bewirkt mechanisch gesehen aber nur Verluste...

von C. U. (chriull)


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PeachPii schrieb:
> Er meinte, dass der Motor bei 9 V nicht solange bei 60 °C betrieben
> werden kann, wie bei 12 V, da bei 9 V der Strom größer ist. Ist diese
> Aussage korrekt?

Michael B. schrieb:
> Nein.
>
> BLDC Motoren werden immer mit Regelung betrieben, es wird die effekjtive
> Spannung an den Spulen von der Elektronik genau zur aktuellen Drehzahl
> passend eingestellt, damit genau der Strom fliesst, der für die aktuelle
> Belastung nötig ist.

Genau.
Die "grundlegenden" Eigenschaften des BLDC Motors sind die Gegen-EMK U = 
kv * Umdrehungen und das Drehmoment M = km * I. (Wobei kv = k / km ist, 
mit je nach verwendeten Einheiten unterschiedlichem Faktor k)
Die Motorregelung ist, neben der BLDC Ansteuerung (Kommutierung) ein 
"normaler" Stepdown Konverter.
Die drei Motorwicklungen und die 3 Halbbrücken des Inverters (ESC) kann 
man zum grundlegenden Verständnis vereinfachen - Die Kommutierung 
(Steuerung des BLDCs) ist für die Fragestellung ja nicht relevant.
Für den Motor nimmt man eine Reihenschaltung aus Gleichspannungsquelle 
(U=kv * Umdrehungen), dem Innenwiderstand und der Inktuktivität der 
Motorwicklung.
Über z.B.: einen Mosfet wird jetzt die Batteriespannung "zerhackt" ("PWM 
Signal"), und über eine Freilaufdiode wird sichergestellt, dass der 
Spulenstrom beim Abschalten weiterfließen kann.
Ich hatte das mal vor längerer Zeit in LT-Spice simuliert - V2, R2, L1 
ist das vereinfachte Ersatzschaltbild des Motors, M2 der "Zerhacker" und 
D2 die Freilaufdiode.

V(n001) ist die Batteriespannung (über den "Innenwiderstand" R1), 
V(n003) die Spannung an den Motorklemmen (über V2, R2 und L1) und 
V(p002) die Spannung über V2 und R2.
Der Motorstrom ist I(R2), der Strom über die Batterie -I(R2).

Im "statischen" Zustand hat man dann (grob) U-Batterie-Mittelwert * 
I-Batterie-Mittelwert = U-Motor-Mittelwert * I-Motor-Mittelwert.

Bis auf den "kleineren" Arbeitsbereich gibt es keinen Unterschied 
zwischen Ansteuerung mit 9V oder 12V (solange nicht wie in vorigen Posts 
erwähnt andere Getriebe verwendet werden).
Der Arbeitsbereich des Motors (maximales Drehmoment über Umdrehungen) 
ergibt sich aus der maximalen Drehzahl ohne Last n=U_Batterie/kv und dem 
maximalen Drehmoment bei Stillstand M=I max * km. I_max wird (grob) nur 
durch die Innenwiderstände der Batterie und des Motors begrenzt. 
Zwischen diesen beiden Punkten liegt die Begrenzungsgerade für den 
möglichen Arbeitsbereich des Motors. (ohne Berücksichtigung einer 
thermischen Überlast oder ob die Motorwicklung Imax überleben...)
Mit 12V liegt diese Begrenzungsgerade halt etwas höher als mit den 9V. 
Solange man im "9V Arbeitsbereich" bleibt sind zwischen 12V und 9V 
Versorgung die einzigen Unterschiede das unterschiedliche PWM 
Tastverhältnis und der geringere Batteriestrom bei 12V.

von Peter D. (peda)


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Michael B. schrieb:
> BLDC Motoren werden immer mit Regelung betrieben, es wird die effekjtive
> Spannung an den Spulen von der Elektronik genau zur aktuellen Drehzahl
> passend eingestellt, damit genau der Strom fliesst, der für die aktuelle
> Belastung nötig ist.

Nö.
Lüfter mit BLDC-Motor lassen sich sehr wohl über die Spannung steuern. 
Die Drehzahl ist bei geringer Spannung deutlich geringer und damit die 
Erwärmung natürlich auch.

von Markus M. (adrock)


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Michael B. schrieb:
> PeachPii schrieb:
>> Ist diese Aussage korrekt?
>
> Nein.
>
> BLDC Motoren werden immer mit Regelung betrieben, es wird die effekjtive
> Spannung an den Spulen von der Elektronik genau zur aktuellen Drehzahl
> passend eingestellt, damit genau der Strom fliesst, der für die aktuelle
> Belastung nötig ist.
>
> Täte die Elektronik das nicht, käme der Motor aus dem Tritt, würde nicht
> drehen.

Es gibt durchaus BLDC "Steller". Diese sind im Modellbau sogar eher der 
Normalfall (Multicopter, Schiffe, Autos, Flugzeuge).

Vorgegeben wird dabei die effektive Spannung (über PWM) an den Spulen. 
Die Kommutierung wird anhand der realen Drehzahl angepasst, mit einem 
gewissen Vorlauf ("Timing"). Die Drehzahl wird allerdings bei Belastung 
nicht gehalten. Das ist dann ein zusätzliches Feature ("Governor"), wird 
insbesondere bei RC Helis verwendet, da dort Drehzahlschwankungen 
unerwünschte Effekte haben.

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