Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Warum uneinheitliche Angabe von max. Belastung bei Bauteilen?


von konrad (Gast)


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Die maximale Belastung von Bauteilen wird manchmal über den max. Strom, 
manchmal über die max. Spannung und manchmal über die max. Leistung 
angegeben. Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es eigentlich nur 
zwei Mechanismen die ein Bauteil zerstören können: Überhitzung (also zu 
viel Leistung) oder man überschreitet eine Durchbruchspannung (zB bei 
Dioden oder Kondensatoren).

Nun sollte man aber eine Leistung immer auch in eine anliegende Spannung 
umrechnen können. Warum gibt man also nicht immer einfach die maximal 
zulässige Spannung für ein Bauteil an?

Um Gedanken zur Spule vorwegzunehmen: Bei einer idealen Spule kann (bei 
"aufgeladenem" Magnetfeld und Gleichstrombetrieb die über der Spule 
abfallende Spannung null werden. Allerdings würde eine ideale Spule auch 
nicht thermisch überlasten, dafür muss sie schon einen gewissen realen 
Widerstand aufweisen (der für die maximale Last bekannt sein sollte) und 
mit dem man eine maximale Spannung berechnen kann. Warum wird hier also 
manchmal der max. Strom und manchmal die max. Leistung angegeben, aber 
nie eine maximale Spannung? Natürlich würde hier ein zu großer Strom zB 
einen Ferritkern irgendwann in Sättigung bringen wodurch eine Spule 
eventuell kein lineares Verhalten mehr zeigt, aber bei den angegebenen 
maximalen Werten geht es ja immer um die Zerstörung des Bauteils und 
nicht um die "ordnungsgemäße" Funktion für eine spezielle Anwendung.

Danke im voraus!

: Verschoben durch Moderator
von Einer K. (Gast)


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Ich verstehe den Wunsch, die Weltsicht zu vereinfachen.
Kann dir aber keine Weltformel liefern, welche das ermöglicht.

von Theor (Gast)


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konrad schrieb:
> [...]
> Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es eigentlich nur
> zwei Mechanismen die ein Bauteil zerstören können: Überhitzung (also zu
> viel Leistung) oder man überschreitet eine Durchbruchspannung (zB bei
> Dioden oder Kondensatoren).
> [...]

Das ist leider eine sehr unvollständige Darstellung.

Es gibt bei einem Bauteil verschiedene physikalische Mechanismen, die 
potentiell zerstörerisch sind.  Ebenso verschiedene pyhsikalische 
Gründe, warum ein Bauteil zwar nicht zerstört wird, aber nicht mehr wie 
spezifiziert funktioniert.

Man könnte zwar theoretisch jede Angabe einer Spannung in eine 
äquivalente Leistung umrechnen (falls das Bauteil ohmsche Anteile hat), 
aber das ist in vielen Fällen garnicht messbar. Z.B. kann man 
Überschlagsspannungen eines Widerstands in eine Leistung umrechnen, aber 
beim Messen hat der Widerstand garkeine Zeit diese Leistung auch in 
Wärme umzusetzen. Wie will man das nun also kontrollieren?

Es liegt auch einfach nicht nahe, einen Prozess wie einen Durchschlag 
als Umsetzung von Leistung in Wärme zu betrachten. Denn er bedeutet, 
etwa am Beispiel eines Widerstandes nicht, dass der Widerstand als 
eine Wirkung hat, sondern sein Aufbau und die Umgebung in der er sich 
befindet. Da fliesst Strom durch Luftstrecken oder etwa dem 
Träger-Material des Widerstandes

Und weiter: Wenn auch theoretisch möglich, widerspricht es der sinnlich 
wahrnehmbaren Erfahrung (mal Messungen mit einbezogen). Was man sieht, 
ist der Durcchschlag mit Funkenstrecke und Rauch.

Analoges gilt für andere maximale Werte wie für andere Bauteile.

Allgemein gesehen, wird der der Wert genannt, der als sozusagen Erste 
Ursache für die Fehlfunktion verantwortlich ist. (Das ist nicht immer 
ganz klar festzulegen, aber in vielen Punkten gibt es da Konsenz). Z.B. 
Leistung bewirkt Wärme, bewirkt Zerstörung des Materials - das 
wesentliche Maß ist die Leistung. Hingegen: Spannung bewirkt Ionisation, 
bewirkt Stromfluss, wieder Wärme und Zerstörung - das wesentliche Maß 
ist die Spannung.

Kurz: Das hat schon seinen Sinn.

von Ursel (Gast)


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konrad schrieb:
> Nun sollte man aber eine Leistung immer auch in eine anliegende Spannung
> umrechnen können.

Ähm, nein? Das gilt nur für einen Widerstand. Für alle anderen Bauteile 
nicht.

konrad schrieb:
> dafür muss sie schon einen gewissen realen
> Widerstand aufweisen (der für die maximale Last bekannt sein sollte) und
> mit dem man eine maximale Spannung berechnen kann.

Unsinn, weil eine Induktivität im Wesentlichen eben eine solche ist und 
damit der Strom nicht von der Spannung abhängig ist, sondern vom 
zeitlichen Integral der Spannung.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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konrad schrieb:
> Nun sollte man aber eine Leistung immer auch in eine anliegende Spannung
> umrechnen können. Warum gibt man also nicht immer einfach die maximal
> zulässige Spannung für ein Bauteil an?

Weil das je nach Bauteil entweder gar nicht funktioniert oder zumindest 
total unpraktisch wäre.

Beispiel 1: Diode. Spannungsangabe funktioniert nicht. Die Kennlinie ist 
einerseits sehr steil (kleine Spannungsänderung führt zu großer 
Stromänderung) und unterliegt andererseits großen Exemplarstreuungen. 
Temperaturabhängig ist sie auch noch.

Beispiel 2: Widerstand. Betrachten wir mal ein Widerstandssortiment der 
gleichen Bauform. Sagen wir SMD 0805. Die haben alle das gleiche 
Wärmeableitvermögen und damit die gleiche maximale Verlustleistung (und 
das gleiche Diagramm für die notwendige Reduktion der Verlustleitung bei 
höheren Temperaturen).

Würden wir statt der Verlustleistung eine maximale Spannung angeben, 
dann würde wir für jeden Widerstandswert einen anderen Spannungswert 
bekommen. Und ein anderes Diagramm. Das wäre vollkommen sinnlos. Als 
Bonus darfst du noch über die erlaubte Spannung am 0Ω Widerstand 
nachdenken.

von GEKU (Gast)


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konrad schrieb:
> Nun sollte man aber eine Leistung immer auch in eine anliegende Spannung
> umrechnen können. Warum gibt man also nicht immer einfach die maximal
> zulässige Spannung für ein Bauteil an?

Wie soll das z.B. bei einer Zenerdiode funktionieren?

von Harald W. (wilhelms)


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Ursel schrieb:

> konrad schrieb:
>> Nun sollte man aber eine Leistung immer auch in eine anliegende Spannung
>> umrechnen können.
>
> Ähm, nein? Das gilt nur für einen Widerstand. Für alle anderen Bauteile
> nicht.

...und auch für einen Widerstand als Bauteil wenig sinnvoll, da dann
für jeden einzelnen Widerstand dieser Spannungswert errechnet werden
müsste und ins Datenblatt gedruckt werden müsste. Damit wäre das
Datenblatt für einen Widerstand mehrere Seiten lang und recht unüber-
sichtlich. Von einem Anwender von Widerständen als Bauteil sollte man
schon erwarten können, das er diese einfache Berechnung selbst durch-
führen kann.

von Wolfgang (Gast)


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konrad schrieb:
> Überhitzung (also zu viel Leistung) oder man überschreitet eine
> Durchbruchspannung (zB bei Dioden oder Kondensatoren).

Du hast bei deiner Auflistung noch eine überhöhte Stromdichte vergessen, 
die bei gegebener Geometrie auf Angaben zu maximalem Strom hinaus läuft.

Und je nach Betriebszustand kann ein anderer Parameter begrenzend sein.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Man sollte nicht vergessen, dass die Werte im Datenblatt die Werte sind, 
fuer welche der Hersteller einsteht. Wenn man sich etwas naeher mit der 
Materie befasst sind auch andere Betriebsmodi moeglich, welche dann 
nicht mehr gedeckt sind, das Bauteil aber trotzdem nicht zerstoeren.

- ein 5W Drahtwiderstand kann in Fluessigkeiten wie Oel, Aethanol oder 
dergleichen auch kontinuierlich mit 30W belastet werden.

- ein 1W Drahtwiderstand vertraegt bei Heliumtemperaturen (4K) auch 80W

- ein 0.5W Dickfilmwiderstand von 50 Ohm kann mit 350V 100ns/1s gepulst 
werden.

- ein 1W Pin switch kann 100W pulse von 100ns/1ms reflektieren. Schalten 
darf er dann allerdings nicht.

von c-hater (Gast)


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konrad schrieb:

> Die maximale Belastung von Bauteilen wird manchmal über den max. Strom,
> manchmal über die max. Spannung und manchmal über die max. Leistung
> angegeben. Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es eigentlich nur
> zwei Mechanismen die ein Bauteil zerstören können: Überhitzung (also zu
> viel Leistung) oder man überschreitet eine Durchbruchspannung (zB bei
> Dioden oder Kondensatoren).

Schon falsch. Es gibt viele verschiedene Mechanismen, die letzlich zu 
einer Zerstörung eines Bauteiles führen können. Je nach der Art des 
Mechanismus ist es eben sinnvoller, eine Spannung, einen Strom oder eine 
Leistung anzugeben. Oft kommt auch noch eine temporale Komponente dazu, 
was die Sache nicht vereinfacht.

> Nun sollte man aber eine Leistung immer auch in eine anliegende Spannung
> umrechnen können. Warum gibt man also nicht immer einfach die maximal
> zulässige Spannung für ein Bauteil an?

Nehmen wir mal eine 1N4148. Schon das Kurzdatenblatt von Vishay mit nur 
einer Seite Inhalt

https://www.google.de/url?q=https://www.vishay.com/docs/81857/1n4148.pdf

zeigt die Komplexität des Problems und die ganze Hoffnungslosigkeit 
deines schwachsinnigen Ansatzes...

Meinst du nicht auch, dass, wenn es einfacher ginge, die Hersteller den 
einfacheren Weg wählen würden? Da sind seit Jahrhzehnten erfahrene 
Ingenieure am Werk, während du was genau für Kompetenzen besitzt?

von Widerstand (Gast)


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Joggel E. schrieb:
> - ein 0.5W Dickfilmwiderstand von 50 Ohm kann mit 350V 100ns/1s gepulst
> werden.

Das sollte dann aber normalerweise im Datenblatt stehen. Zumindest, wenn 
nicht "RND" der "Hersteller" ist.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Nicht dass der Hersteller dafuer hinsteht. Wir machen das, weil's so 
geht.

Es sind vielleicht 2-3 Spinner auf der Welt, welche sowas damit machen.

von Georg (Gast)


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konrad schrieb:
> Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es eigentlich nur
> zwei Mechanismen die ein Bauteil zerstören können

Das ist garnicht die Frage. Wenn im Datenblatt ein Maximalwert steht, 
ist der einzuhalten, das können durchaus Werte für Temperatur UND 
Spannung UND Strom sein und noch mehr, z.B. 
Impulsanstiegsgeschwindigkeit usw. usw. Die sind ALLE einzuhalten.

Wenn du natürlich meinst, du wüsstest das aufgrund deiner Qualifikation 
besser, brauchst du dich nicht dran halten, du trägst dann auch die 
Konsequenzen. Es ist ja eine verbreitete Meinung dass Datenblätter nur 
für Angsthasen und Weicheier da sind. Für "Angstwiderstand" und 
ähnliches findet man hier im Forum unzählige Treffer.

Georg

von Michael J. (jogibaer)


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Hallo,

bei z.B. Transistoren gibt es SOA Diagramme,
werden allerdings nicht immer in allen Datenblättern angegeben.

Jogibär

von Sven S. (schrecklicher_sven)


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konrad schrieb:
> Warum wird hier also
> manchmal der max. Strom und manchmal die max. Leistung angegeben, aber
> nie eine maximale Spannung?

Es gibt schon Induktivitäten, bei denen die maximale Spannung angegeben 
wird, die an den Wicklungsenden anliegen darf.

von Wolfgang (Gast)


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Joggel E. schrieb:
> Man sollte nicht vergessen, dass die Werte im Datenblatt die Werte sind,
> fuer welche der Hersteller einsteht.

Dazu gibt er sogar noch die Bedingungen an, unter denen er diese Werte 
garantiert.

Und ja, auch zu Leistungsangaben bei Widerständen gehört eine Angabe der 
Umgebungsbedingungen inkl. Temperatur, Medium und Zirkulation.

von bcdtech (Gast)


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Es gibt nur noch wenig zu sagen, was nicht schon gesagt wurde.
Aber um Dir Dein scheinbar themenübergreifendes Mißverständnis
der Gesamtlage deutlich zu machen, fand ich noch einen Punkt:

konrad schrieb:
> aber bei den angegebenen maximalen Werten geht es ja immer um
> die Zerstörung des Bauteils und nicht um die "ordnungsgemäße"
> Funktion für eine spezielle Anwendung

Die "Absolut Maximum Ratings" sind Grenzwerte, deren Erreichen
nicht zur (sofortigen) Zerstörung führt. (Wobei jedoch meist
gemeint ist: "Dieser eine Wert. (Restliche Werte währenddessen
definiert als im empfohlenen (= "Normal-") Bereich, oder sogar
nur, falls weit darunter (Bedingungen nebenstehend in Zeile).)

Die "Recommended Operating Conditions" hingegen sind Werte,
die allesamt gleichzeitig zutreffen sollen bzw. dürfen, ohne
daß auch nur eine Spur von akuter Zerstörungsgefahr besteht,
und/oder nicht einmal eine längerfristige Degradationsgefahr.


Also: Keine Ahnung von BE, deren Eigenschaften und Anwendungen
(egal, wofür) zu haben, ist ja nicht schlimm (Ich meine damit:
Das kann man ja ändern... wenn man das will.) - aber wie kommt
man dann darauf, "am allg. Spezifikations-System zu zweifeln"?

Philosophieren (oder von anderen als praktisch bis grundlegend
erdachte /erarbeitete Zusammenhänge verbessern wollen) geht nur,
wenn man sich auskennt. Andernfalls macht man sich zum Affen. ;-)

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