Hallo Zusammen, ich bin neu hier und arbeite schon seit einiger Zeit mit Arduino + Zubehör, wie Sensoren, Bluetooth-Modules etc. Von Grund auf bin ich Medizintechniker, jedoch kein grundlegender Programmierer - wohl eher Allrounder, was Freud und Leid zugleich ist. Als viele Andere hier (womöglich) brauche ich für alles bei dem Thema Mikrocontroller mehr Zeit aber bin da sehr ehrgeizig und geduldig bei der Sache. Den Fortschritt spürt man :) Im Rahmen meines Berufs und den Menschen mit denen ich dort zu tun habe, nämlich Menschen die aufgrund von Krankheiten oder Verunfallung eine gravierende Bewegungseinschränkung haben, habe ich schon vor einiger Zeit (ca. 2 Jahren) beschlossen ein Projekt zu starten, welches sich nun in der Finalisierung befindet und ich möchte es gerne vermarkten. Die Menschen, die ich treffe, sitzen meist in einem Elektrorollstuhl und neben der Nutzung des Joysticks für das Fahren, sind auch Taster für die Steuerung von Zusatzfunnktionen des Stuhls oder auch anderen Geräten notwendig. So werden bei einem Patienten durchaus mal 3-4 Taster notwendig, die er jedoch nur schwer oder gar nicht bedienen kann. Wünschen tun sich die Patienten noch viel mehr, da es einfach mehr Möglichkeiten bietet - eben auch eine Form der Freiheit in diesem Rahmen. Nun habe ich ein Interface entwickelt, bei dem man mit einem Taster am Eingang bis zu 8 Ausgänge steuern kann. Es ist möglich mit dem Taster sowohl den Ausgang zu wechseln, als auch einen Schaltbefehl an das angeschlossene Endgerät zu geben (z. B. Elektrollstuhl EIN/AUS oder Moduswechsel von Fahren in Sitzverstellung). Eines der Features ist, dass man neben einem herkömmlichen Taster auch einen von mir entwickelten Näherungssensor an einem extra Eingang anschließen kann (ToF-Sensor). Er bietet die Möglichkeit lichtunabhängig auch ein Schaltsignal ohne Berührung auszulösen, wenn beispielsweise nur noch eine Kopfbewegung beim Patienen möglich ist. Weiter befindet sich im Interface ein Relativdrucksensor, der bei Unterdruck den Modus wechselt und bei Überdruck den aktiven Modus dann schaltet. Die Platinen lasse ich übrigens bei JLCPCB herstellen in ENIG-RoHS. Zu guter Letzt befindet sich ein HC-05 Bluetooth Modul auf der Platine, welches mit einer von mir programmierten App verbunden werden kann. Die App bietet nochmals 4 verschiedene Steuerungsmöglichkeiten, wie Direktwahl der 8 Buttons auf dem Display, 1-Tasten-Steuerung, Scan Modus und eine Sprachsteuerung, bei der Wunschbefehle auf die Taster gespeichert werden können. Weiter kann man von der Buttonebene in die Telefonebene der App springen, wo die Buttons dann nicht mehr das Interface schalten, sondern per Sprache oder Direktwahl mit den Fingern bis zu 8 verschiedene Anrufe getätigt werden können. Viele der aufgezählten Sachen, sind in den letzten zwei Jahren dazugekommen aber jetzt habe ich erstmal einen Schlussstrich gezogen und mit mir vereinbart, dass es universell genug für die Anwender ist. Ich kenne den Markt sehr gut und weiß was fehlt oder gewünscht wird. Ich bin nach der Vermarktung auch gewillt, das Interface weiterzuentwickeln oder komplett mit neuen Ideen zu starten aber das ist Zukunftsmusik. Das Projekt mache ich, wie herauszulesen, nicht hauptberuflich, sondern nebenbei privat, wobei ich alles notwendige in die Wege leiten würde, um die Vermarktung durchführen zu können. Ich bin im Unternehmen als Paragraphenreiter bekannt und habe durch die Ausbildung viel über das Medizinproduktegesetz gelernt, daher sind mir viele Anforderungen bewusst - jedoch habe ich immer das Gefühl, dass da noch etwas fehlt. Nun das Produkt ist zweifelsohne als Medizinprodukt nach §3 Abs. 1 MPG einzuordnen. Ebenso fällt das Produkt in die Medizinprodukteklasse 1 mit geringem Risiko. In diesem Fall darf ich als Hersteller selbt das Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Dies habe ich auch schon gemacht, zumindest damit begonnen das Dokument zu erstellen (30 Seiten). Dort befindet sich alles von Auswahl der Rechtsgrundlage über Produktklassifizierung bis hin zu Zeichnugen von Platine und Gehäuse, 3D-Modellen, Angaben zu den einzelnen Bauteilen und die dazugehörigen Zertifikate wie z. B. RoHS oder die Laserklasse beim ToF-Sensor. Ich hatte sogar beim Gewerbeaufsichtsamt angerufen, da die Beschreibung in der Medizinprodukterichtlinie für das Konformitätsbewertungsverfahren teilweise schwammig formuliert ist. Selbst die konnten mir beispielsweise nicht sagen, welche Zeichnungen genau rein müssen. Sie sagten nur "so viel wie möglich, um das Produkt zu beschreiben". Weiter habe ich eine FMEA-Risikoanalyse erstellt, da ich das zufällig in meinem Job vor meinem Jetzigen gemacht habe. Was eben jetzt noch fehlt, ist meiner Meinung nach die standesgemäße Anmeldung als Medizinprodukt, eine EMV-Prüfung und die Registrierung bei der ear (WEEE-Richtlinie). Auch dort hatte ich schon angerufen und die sagten mir, dass bei eventuell geringen Stückzahlen ich von den Gebühren befreit werden kann und mich nur registrieren und die Verkaufszahlen monatlich melden muss (Härtefallantrag heißt das). Und jetzt habe ich so viel erzählt und frage mich trotzdem: "Reicht das", was ich da verbaut habe? Kann ich ein NanoV3-Modul nutzen und ein HC-05? Ich arbeite schon so lange mit den gleichen Modulen für diverse Tests über die ganze Entwicklungszeit und hatte noch keinerlei Probleme. Ein Argument für ein JA. Andererseits spricht man bei Arduinos oder Arduino-ähnlichen Boards und Zubehör immer von Bastlerware (zumindest habe ich das schon öfter gehört). Muss ich meine Entwicklung hard- und softwaretechnisch mehr professionalisieren, wenn das vorhandene Material es tut? Ob ich meine Sachen wegen der Arduino-Ressourcen offenlegen muss, ist mir gleichgültig. Sollen es andere Nachbauen. Zum Erfolg, denke ich, gehört letztlich mehr, wie das passende Hardwaredesign, der Zugang zum Markt und eben zumindest Grundwissen bei den Rechtsgrundlagen, gerade im Medizinproduktebereich. Mir hat mal ein Patentanwalt gesagt: "Bis die Anderen das Nachgemacht haben, sind Sie bei der Fertigstellung der Weiterentwicklung oder eines neuen, besseren Produkts". Sehr ehrlich wie ich finde. Gerne würde ich Eure Meinung dazu einmal hören. Ich habe mich vorher ein wenig umgelesen und lese oft zurecht plumpe Antworten auf noch plumpere Fragen. Mit der Ausführlichen Beschreibung möchte ich einfach zeigen, dass ich alles sehr ernst nehme und nach vielen Überlegungen und Entwicklungsphasen, sowie viel geleisteter Vorarbeit in allen Richtungen und Versuchen rund um das Projekt, nun die Entscheidung getroffen habe, das durchziehen zu wollen. Was mir letztlich Bammel bereitet ist eine EMV-Prüfung. Dort endet mein Wissen und meine Erfahrung komplett - zumindest bis jetzt. Am besten möchte man ja ohne Störungen durch den EMV-Prozess durchkommen. Wobei darauf zu achten ist, weiß ich leider nicht. Viele Grüße
Peter S. schrieb: > Was mir letztlich Bammel bereitet ist eine EMV-Prüfung. Peter S. schrieb: > Kann ich ein NanoV3-Modul nutzen und ein HC-05? Das ist der Punkt, wo es Probleme geben könnte. Aber, du bist ja Paragraphen-Reiter. Welche EMV-Anforderungen gibt es bei einem Medizinprodukt der von dir beschriebenen Klassifizierung? Welche Normen und Vorschriften und Richtlinien und Standards gelten für dein Produkt? Es geht sicher nicht nur um potentielle Störaussendungen(Leitungsgebunden und Elektromagnetische Strahlung), sondern auch um Resistenz gegenüber Einstrahlung(auch Leitungsgebunden und Elektromagnetische Strahlung). Doof ist, dass die Messungen und Erprobung bei einem zertifizierten Labor stattfinden müssen. Sonst hast du nachher ein Nachweisproblem. Zumal die von dir verwendeten Module aus gesicherter Quelle mit fester kontrollierter oder nachgewiesener Qualität kommen müssen. Der Einsatz eines Keramikkondensators technisch augenscheinlich gleicher Daten, aber anderer Hersteller kann dir EMV und Produktsicherheit verhageln. Peter S. schrieb: > Ob ich meine Sachen wegen der Arduino-Ressourcen offenlegen muss, ist > mir gleichgültig. Welche Software auf der Kiste läuft und wie sie entstanden ist, interessiert erstmal niemand. Muss man die eigenen Sourcen tatsächlich offenlegen? Welche Lizenz gilt für die Nutzung der Arduino-Libraries, die du verwendest? So mal als grobe Eckpunkte... mfg mf
Hi minifloat, vielen Dank für deine schnelle Antwort. Also generell bin ich nicht "underdressed", wenn ich für meinen Zweck ein, aus gesicherter Qualität hergestelltes Modul, wie das NanoV3 verwende? Bei Arduino direkt müsste ich ja eine gesicherte Qualität erhalten oder nicht? Aktuell nutze ich für den Prototypen ein "Chinduino", da ich kein original Nano von Arduino besitze. Auf Arduino in der Kleinserienfertigung umzusteigen, bezüglich der Qualität wäre das geringste Problem, außer dass der Einkaufspreis in die Höhe geht. Ich nutze zwei Libraries. Die Wire.h und eine für den ToF-Sensor. Beide sind augenscheinlich nachzulesen auch für den kommerziellen Bereich nutzbar. Nach der Fertigstellung des Protoypen steige ich dann nochmal richtig in den Papierkrieg ein, was Richtlinien und Anforderungen angeht. Was ich auch noch nicht genau überblicke ist, welche verpflichtenden Anforderungen neben der Medizinprodukterichtlinie greifen könnten, da es ein elektronisches Modul ist. Viele Grüße
Bei einer Neuentwicklung würde ich nicht mehr auf das HC-05 Modul setzen, sondern auf etwas aktuelleres wie z.B das HM-10 Modul. Das hätte den Vorteil, dass es auch von Apple Geräten bedient werden kann und nicht nur Android. Der Nachteil ist, das Mobilgerät muss Bluetooth 4.0 LE unterstützen (sollte jedes Gerät unterstützen das nicht älter als 5-7 Jahre ist) Ben
Peter S. schrieb: > Also generell bin ich nicht "underdressed", wenn ich für meinen Zweck > ein, aus gesicherter Qualität hergestelltes Modul, wie das NanoV3 > verwende? Arduino Nano Module gibt es in sehr guter Qualität. Deswegen sind sie prinzipiell kein No-Go. Problem ist aber (wie minifloat schron schrieb), dass du keine sichere Quelle hast, die dir garantieren kann, dass sie immer genau gleich gefertigt werden. Diese Garantie und auch Erfahrung mit Kommerziellen Produkten/Zertifizierungen bekommst du aber bei sehr ähnlichen Produkten von chip45.com. Schau dich mal dort um. Was das HC-05 Modul angeht: Ich halte es für billigsten Chinaschrott. Funktioniert nur, wenn es gut gelaunt ist. Schau Dir lieber mal die Bluetooth Module der Firma Rayson an (z.B. das BTM238).
Wenn Du schon eine Platine erstellst, kannst Du doch den einen Atmega noch zu deinem Design hinzufügen. Das Design ist eher unkritisch und so hast Du die ganze Lieferkette im Blick. Beim HM-10 ist es schon etwas trickiger. Ich habe damals ein paar BLE Gadgets entwickelt. Diese mussten dann natürlich auch durch die Zertifizierung, aus dem Bauch heraus kann man hier (wir haben es direkt in Asien machen lassen) mit 4k€ Rechnen. Dann hat man alle passenden Zertifikate und ist auf der sicheren Seite. Dieser Preis gilt jedoch für "normale" Geräte, ich weiss nicht wie es hier bei den Medizinischen Geräten aussieht.
Stefanus F. schrieb: > Arduino Nano Module gibt es in sehr guter Qualität. Deswegen sind sie > prinzipiell kein No-Go. Problem ist aber (wie minifloat schron schrieb), > dass du keine sichere Quelle hast, die dir garantieren kann, dass sie > immer genau gleich gefertigt werden. Denkst du das ist bei Arduino wirklich so? Die Originalen werden doch immer mehr in professionellen Anwendungen verbaut und Arduino an sich ist mittlerweile ja auch ein Name und der Preis, naja, würde ich sagen, setzt eine ausreichend gute Qualität voraus. Ich danke Euch für die Beiträge. Jo also was das HC-05 angeht, stimme ich zu - mehr oder weniger Chinaschrott und obwohl es funktioniert mir trotzdem ein Dorn im Auge ist. Was ich nun gefunden habe, da ich mich nach langer Zeit mal wieder auf der Arduino Homepage aufgehalten habe, ist das Arduino Nano 33 BLE, was Bluetooth integriert hat. Hat jemand Erfahrung damit? Viele Grüße
Moin, zufällig habe ich auf einem Poster gesehen, daß in einem Meßgerät für einen Satelliten ein Arduino Nano verbaut wurde. So schlecht kann der also nicht sein, denn die ESA prüft sogar die Taschentücher... Daher würde ich den Original-Arduino nehmen, keinen Nachbau. Und die 20€ dürften kaum ins Gewicht fallen. Kannst Du nicht des BT- oder WLAN-Interface weglassen? Dann sollte doch eine EMV kein Problem darstellen.
Hi svensson, das ist interessant. Ja ich meine, wenn die Qualitätsstandards in einem Prozess sichergestellt werden bei der Herstellung, sind die Module für Hersteller aller Art einfach attraktiv. Warum Zeit investieren, für das was es fertig gibt - sprechen wir von einfachen Anwendungen. Nein das BT ist eines der Hauptmerkmale vom Produkt bezüglich der Smartphone-App. Daher macht das leider keinen Sinn, da ich eine wichtige Funktion des Projektes dann weg lassen müsste. Gruß
Gut, dann mit BT. Aber bedeutet das nicht auch, daß Apps für die gängigen OS der Smartphones geschrieben werden müssen, die dann durch deren "Shops" verkauft werden? Die Apps müssten dann ja ständig an die geänderten Versionen der OSe angepaßt werden. Hoffentlich müssen die nicht zertifiziert werden durch den OS-Hersteller. Wenn für die Apps irgendwelche Frameworks verwendet werden (wovon auszugehen ist, da sicherlich nciht alles selbst programmiert werden soll), sind die dann womöglich Teil des "Medizinprodukts"? Auf jeden Fall sollte eine GmbH gegründet werden, die das Gerät vertreibt...
Peter S. schrieb: > Denkst du das ist bei Arduino wirklich so? Die Originalen werden doch > immer mehr in professionellen Anwendungen verbaut Oha, du hast Recht. Ich hatte dabei Arduino Klone aus Asien im Sinn.
Hi Stefanus, habe mir jetzt als Änderung ein Arduino Nano 33 BLE gekauft. Dort ist ein NINA B306 Bluetooth Modul verbaut, was auch eine globale Zulassung hat. Ich denke Arduino legt seine Module direkt für die Marktzugänglichkeit aus. Heute mehr als früher sicherlich. Somit würden die beiden Qualitätsmängel (China-Produkte) behoben worden sein. Ein komplettes Modul ist halt viel einfacher beim Zusammenbau. Ich fertige das händisch, da es um wirkliche Kleinmengen geht. Die Branche betrifft ja nicht jeden Menschen, sondern Menschen mit den Beschriebenen Umständen. Das ist ein geringer Prozentanteil in der Gesellschaft. Dennoch ein großer Markt. Im ersten Jahr könnte man 10-20 solcher Module vorbereiten und im Lager halten. Wie es sich entwickelt sieht man dann. Viele Grüße
Hi >Die Originalen werden doch > immer mehr in professionellen Anwendungen verbaut Wo? MfG Spess
Peter S. schrieb: > Ein komplettes Modul ist halt viel einfacher beim Zusammenbau. Ich > fertige das händisch, da es um wirkliche Kleinmengen geht. Dito Ich wünsche Dir Erfolg bei der Zulassung. Bei meinen Projekten ging es immer um zulassungsfreie Umgebungen bzw. wo ein Hauselektriker die Verantwortung übernahm.
Hi, vielen Dank, sehr nett! Wenn sich etwas ergibt, melde ich es und teile gern meine Erfahrungen. Gruß
Peter S. schrieb: > Was mir letztlich Bammel bereitet ist eine EMV-Prüfung. Mit keinem Wort habe ich von dir etwas über die Erfüllung der DIN EN 60601-1 gelesen. Vergessen?
Hallo Joe, laut VDE-Verlang nur für Medizinprodukte zur Behandlung, Überwachung oder Diagnose mit genau einem Anschluss am Versorgungsnetz. "Diese Norm gilt für die Basissicherheit und die wesentlichen Leistungsmerkmale von medizinischen elektrischen Geräten und medizinischen elektrischen Systemen mit einem Anschluss an ein Versorgungsnetz, das zur Diagnose, Behandlung oder Überwachung eines Patienten nach Herstellerangaben bestimmt ist. Diese Geräte/Systeme übertragen Energie zum oder vom Patienten und stehen in körperlichem oder elektrischen Kontakt mit dem Patienten." Quelle: https://www.vde-verlag.de/normen/0750127/din-en-60601-1-vde-0750-1-2007-07.html Daher trifft die Norm denke ich nicht auf mein Gerät zu.
minifloat schrieb: > Welche Software auf der Kiste läuft und wie sie entstanden ist, > interessiert erstmal niemand. Das stimmt nur, wenn eine beliebige Fehlfunktion der Software nicht zu einer Gefährdung des Patienten, des Bedieners (in diesem Fall die gleiche Person) oder unbeteiligten führen kann. Wenn es so ist, dann müsstest du es zumindest schriftlich Nachweisen. Da die Software aber den Rollstuhl zumindest ein- und ausschalten kann, halte ich das für unwahrscheinlich. Und dann wird es richtig interessant: Wie hoch ist beispielsweise das Risiko, dass der Rollstuhl bei einer Fehlfunktion der Software gegen eine Wand fährt (damit ist nicht gemeint, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Fehlfunktion der Software ist, sondern die Wahrscheinlichkeit dass bei einer Fehlfunktion dieses Risiko auftritt). Wenn der Rollstuhl nur auf freiem Feld benutzt wird, ist die Wahrscheinlichkeit gering. Wenn er in Gebäuden benutzt wird, ist sie sehr hoch. Wie groß ist in so einem Fall der Schaden für den Patient? Wenn er mit max. 1 km/h fährt ist er gering. Wenn er mit 6 km/h fährt ist her hoch. Falls der Patient nur angeschnallt unterwegs ist, könnte man das vielleicht noch auf mittel reduzieren. Wahrscheinlichkeit und Schaden wird multipliziert und das Ergebnis bewertet. Das muss für alle Risiken durchgeführt werden. Dann muss schriftlich beschrieben werden, wie verhindert wird, dass es zu den jeweiligen Fehlfunktionen der Software kommen kann. Tests, Watchdogs, Codereviews, Softwareentwicklungsprozess, Buglisten für verwendete Bibliotheken... Kann ich jetzt leider nicht alles aufzählen, ist aber der gleiche oder ein höherer Aufwand, wie die Entwicklung der Software selbst. Ich entwickle Software für Medizingeräte. Bernd
An dem Punkt von Bernd möchte ich mich auch anschließen. Ich habe zwar nicht primär mit Medizintechnik zu tun. Aber ich bekomme mit, wie kritisch Medizintechnik bezgl. Zulassung, auch von den offiziellen staatlichen Stellen, behandelt wird. Wie weißt du nach, dass dein Modul nicht den Rollstuhl negativ beeinflusst oder Fehler dazu führen, dass Rollstuhlfahrer unbeabsichtigt in den nächsten Fluss, vor den nächsten LKW usw. fahren? Was sagen denn die Hersteller der Rollstühle? Ich kenne Bereiche in der Medizintechnik, wo die jeweiligen Firmen es schon kritisch beäugen, wenn der Anwender sein Produkt durch folieren oder anmalen verändert.
Fehlfunktionen der Software könnten in gewissem Umfang vielleicht durch Hardware aufgefangen werden? Z.B. Funktionen sperren sich gegenseitig. In jedem Fall würde ich eine "Notfallabschaltung" vorsehen, die dafür sorgt, daß die Originalsteuerung so arbeitet als wäre keine Erweiterung angebaut. In seinem Fall wird es vermutlich noch schlimmer, denn wenn ich es richtig verstanden haben, dann hat sein Modul eine Schnittstelle zur eigentlichen Steuerung? Vielleicht wäre es denkbar, daß er mit dem Rollstuhlhersteller Kontakt aufnimmt, um seine Erweiterung "offiziell" andocken zu dürfen. Gerade die Software, die ja hier vermutlich den eigentlichen Wert darstellt, läßt sich in einem µC doch hervorragend schützen.
Fällt mir gerade noch ein: Bezüglich der Module ist es eigentlich egal, ob sie aus China, der EU oder Deutschland kommen. Sie müssen für den Einsatz in Medizinprodukten zugelassen sein. Entweder der Hersteller weist das nach und legt seinen Produkten eine Konformitätserklärung bei, was sich natürlich im Preis niederschlägt oder du weist es selbst nach. Zum Beispiel dass bei der Herstellung nur bleifreies Lot verwendet wurde. Bei der EMV ist normalerweise die Störstrahlung die größere Hürde. Gemessen wird nur oberhalb 30 MHz. Bluetooth und WLAN sind kein Problem, weil es sich ja um gewünschte und zulässige Abstrahlung handelt, sondern die Oberwellen der Taktversorgung. Bernd
Hallo an die Letzten Kommentierer, das Fahren des Rollstuhls darf damit nicht stattfinden, das wird aus der späteren Dokumentation und der Einweisung ersichtlich (MPBetreibV, MPG, Gebrauchsanweisung). Es geht auch nicht primär um Elektrorollstühle, jedoch findet der Einsatz hier oft statt, da es um genau diese Anwender geht. Der Nachweis, dass Module, wie ein Original-Arduino für 30€ eine CE-Konformitätserklärung und weitere Erklärungen wie RoHS-Konformität hat, ist wohl zu schaffen. Dieses Modul ist nichts weiter als ein erweiterter Taster mit multiplen, wechselbaren Ausgängen und variablen Eingängen für diverse Spezialtaster auf dem Markt. Die potentialfreien 3,5mm Klinkenausgänge an meinem Interface, finden das Gegenstück an den vorgesehenen Klinkeneingängen am Elektrorollstuhl. Die sind generell für Taster gemacht worden, wenn der Anwender, das normale Joystick-Bedienteil nicht im Ganzen steuern kann. Somit wird mein Modul mit dafür vorgesehenen Schnittstellen am Elektrorollstuhl verbunden. Wie in meinem Einführungstext beschrieben, gibt es in meinem Konformitätsbewertungsverfahren auch eine FMEA-Risikoanalyse, die alle möglichen Risiken betrachtet (von Hard- bis Software) und durch geeignete Maßnahmen verringert werden. Das kann z. B. das Beschreiben eines Risikos, bei einer diversen Tätigkeit sein (z. B. das Betreiben meines Moduls als Fahreinheit für den Rollstuhl, was ausdrücklich untersagt wird >>> die Referenz in der Risikoanalyse wäre dann der Hinweis in der Gebrauchsanweisung). Ich schaffe ohne eine zusätzliche Programmierung am Elektrorollstuhl, keine Anbindung zur Änderung und eine Programmierung ist nur durch ein Dongle möglich. Somit hat der Anwender keine Möglichkeit, dass der Rollstuhl damit fahrbar ist. Ich als Hersteller gebe die Zweckbetimmung an und sorge für ein funktionierendes und für getestete Geräte geeignetes Modul. Der Betreiber hingegen ist in der Verantwortung dann das Modul gemäß der Zweckbestimmung zu nutzen. Beachtet er Diese nicht, haftet, wenn es sauber dokumentiert wurde, nicht der Hersteller. Wenn der Rollstuhlhersteller schreibt, dass man sich mit dem Elektrorollstuhl nicht weniger als 10m zu einem See nähern darf und der Anwender es trotzdem macht, ist der Hersteller nicht mehr haftbar. Jeder Elektrorollstuhl wird im Übrigen mit diversen On-Board-Erweiterungsmöglichkeiten versehen, da sonst die Individualität eines Herstellers verloren geht. Elektrorollstuhl ist nur 50% - die anderen 50% bestehen aus einem Sonderbau des Sanitätshauses für die Anpassung (Sitzschale, Taster, Sondersteuerungen etc.). Eine Zulassung durch eine staatliche Stelle ist mir bei Medizinprodukten der Klasse 1 nicht bekannt. Es muss lediglich als Medizinprodukt beim DIMDI und BfArM registriert werden, sowie bei der ear. In der Klasse 1 brauche ich kein CE-Kennzeichen mit vierstelliger Nummer. Ich weiß, dass ein Medizinprodukt ein Medizinprodukt ist aber hier handelt es sich dennoch nicht um Spritzenpumpen oder ein Röntgengerät, sondern um einen multiples Modul, um 3,3V DC zu schalten, damit der Patient den Rollstuhlmodus wechseln kann, oder einen Linken Mausklick am PC durchführt. Dafür gibt es Medizinprodukteklassen und da lässt man die Hersteller selbst zertifizieren. Ich finde es immer ein bisschen Schade, dass in manchen Kommentaren so ein Unterton dabei ist, dass es unmöglich sei, so ein Ding zu entwickeln. Ich rede nicht vom Inhalt der Kommentare, sondern rein vom Unterton. Wenn der Elektrorollstuhl als Gesamtes Euch fremd ist, dann bleibt doch mal entspannt. Ich arbeite nun seit Jahren damit und kenne die meisten Hersteller. Wie in meinem Text oben zu lesen, ich will hier nicht schnell eine Platine löten und ich denke so hört es sich auch nicht an. Grüße
>Die potentialfreien 3,5mm Klinkenausgänge an meinem >Interface, finden das Gegenstück an den vorgesehenen Klinkeneingängen >am Elektrorollstuhl. Die sind generell für Taster gemacht worden Das klingt doch sehr gut. Das Interface ist also bereits da. Sieht also so aus als wäre es möglich, zumindest für mich als Laien auf diesem Gebiet. Schade, wenn es sich angehört hat als wäre es unmöglich, aber heutzutage wird es einem kleinen innovativen Anbieter wahrlich nicht leicht gemacht. Die überbordende Bürokratie läßt grüßen...
Hallo! Ich habe nach den Stichworten "FEMA" und "Arduino gegoogelt und bin bei diesem äußerst interessanten thread gelandet. Ich bin beruflich mit dem Thema Functional Safety (Funktionale Sicherheit) beschäftigt und wollte in meiner Freizeit den Nachweis führen, daß es nicht möglich ist mit einem Arduino eine sicherheitskritische Applikation zu implementieren. (Oder das Gegenteil zu zeigen) Ich denke, daß man spätestens beim Nachweis der systematischen Eignung den Nachweis nicht erbringen kann. Mein Interesse hat dabei seinen Ursprung in der IEC 61508, die sich doch von den Medizintechnikprodukten unterscheidet. Das eingangs Geschrieben soll also nicht dazu dienen die Anstrengungen von Peter S. schlecht zu machen, im Ggenteil ich finde das ein extrem interessantes Projekt! Leider hört der thread dann mit Oktober 2019 auf. Es wäre spannend mehr über das Projekt und vor allem die Beurteilung durch das Gewerbeaufsichtsamt zu erfahren. Beste Grüße!
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