Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Kommerzielles Produkt mit Arduino Nano


von Peter S. (petermitb)


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Hallo Zusammen,

ich bin neu hier und arbeite schon seit einiger Zeit mit Arduino + 
Zubehör, wie Sensoren, Bluetooth-Modules etc.

Von Grund auf bin ich Medizintechniker, jedoch kein grundlegender 
Programmierer - wohl eher Allrounder, was Freud und Leid zugleich ist.
Als viele Andere hier (womöglich) brauche ich für alles bei dem Thema 
Mikrocontroller mehr Zeit aber bin da sehr ehrgeizig und geduldig bei 
der Sache. Den Fortschritt spürt man :)

Im Rahmen meines Berufs und den Menschen mit denen ich dort zu tun habe, 
nämlich Menschen die aufgrund von Krankheiten oder Verunfallung eine 
gravierende Bewegungseinschränkung haben, habe ich schon vor einiger 
Zeit (ca. 2 Jahren) beschlossen ein Projekt zu starten, welches sich nun 
in der Finalisierung befindet und ich möchte es gerne vermarkten.

Die Menschen, die ich treffe, sitzen meist in einem Elektrorollstuhl und 
neben der Nutzung des Joysticks für das Fahren, sind auch Taster für die 
Steuerung von Zusatzfunnktionen des Stuhls oder auch anderen Geräten 
notwendig. So werden bei einem Patienten durchaus mal 3-4 Taster 
notwendig, die er jedoch nur schwer oder gar nicht bedienen kann. 
Wünschen tun sich die Patienten noch viel mehr, da es einfach mehr 
Möglichkeiten bietet - eben auch eine Form der Freiheit in diesem 
Rahmen.

Nun habe ich ein Interface entwickelt, bei dem man mit einem Taster am 
Eingang bis zu 8 Ausgänge steuern kann. Es ist möglich mit dem Taster 
sowohl den Ausgang zu wechseln, als auch einen Schaltbefehl an das 
angeschlossene Endgerät zu geben (z. B. Elektrollstuhl EIN/AUS oder 
Moduswechsel von Fahren in Sitzverstellung).
Eines der Features ist, dass man neben einem herkömmlichen Taster auch 
einen von mir entwickelten Näherungssensor an einem extra Eingang 
anschließen kann (ToF-Sensor). Er bietet die Möglichkeit lichtunabhängig 
auch ein Schaltsignal ohne Berührung auszulösen, wenn beispielsweise nur 
noch eine Kopfbewegung beim Patienen möglich ist.
Weiter befindet sich im Interface ein Relativdrucksensor, der bei 
Unterdruck den Modus wechselt und bei Überdruck den aktiven Modus dann 
schaltet. Die Platinen lasse ich übrigens bei JLCPCB herstellen in 
ENIG-RoHS.

Zu guter Letzt befindet sich ein HC-05 Bluetooth Modul auf der Platine, 
welches mit einer von mir programmierten App verbunden werden kann. Die 
App bietet nochmals 4 verschiedene Steuerungsmöglichkeiten, wie 
Direktwahl der 8 Buttons auf dem Display, 1-Tasten-Steuerung, Scan Modus 
und eine Sprachsteuerung, bei der Wunschbefehle auf die Taster 
gespeichert werden können. Weiter kann man von der Buttonebene in die 
Telefonebene der App springen, wo die Buttons dann nicht mehr das 
Interface schalten, sondern per Sprache oder Direktwahl mit den Fingern 
bis zu 8 verschiedene Anrufe getätigt werden können.


Viele der aufgezählten Sachen, sind in den letzten zwei Jahren 
dazugekommen aber jetzt habe ich erstmal einen Schlussstrich gezogen und 
mit mir vereinbart, dass es universell genug für die Anwender ist.

Ich kenne den Markt sehr gut und weiß was fehlt oder gewünscht wird. Ich 
bin nach der Vermarktung auch gewillt, das Interface weiterzuentwickeln 
oder komplett mit neuen Ideen zu starten aber das ist Zukunftsmusik.


Das Projekt mache ich, wie herauszulesen, nicht hauptberuflich, sondern 
nebenbei privat, wobei ich alles notwendige in die Wege leiten würde, um 
die Vermarktung durchführen zu können.
Ich bin im Unternehmen als Paragraphenreiter bekannt und habe durch die 
Ausbildung viel über das Medizinproduktegesetz gelernt, daher sind mir 
viele Anforderungen bewusst - jedoch habe ich immer das Gefühl, dass da 
noch etwas fehlt.

Nun das Produkt ist zweifelsohne als Medizinprodukt nach §3 Abs. 1 MPG 
einzuordnen. Ebenso fällt das Produkt in die Medizinprodukteklasse 1 
mit geringem Risiko. In diesem Fall darf ich als Hersteller selbt das 
Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Dies habe ich auch schon 
gemacht, zumindest damit begonnen das Dokument zu erstellen (30 Seiten). 
Dort befindet sich alles von Auswahl der Rechtsgrundlage über 
Produktklassifizierung bis hin zu Zeichnugen von Platine und Gehäuse, 
3D-Modellen, Angaben zu den einzelnen Bauteilen und die dazugehörigen 
Zertifikate wie z. B. RoHS oder die Laserklasse beim ToF-Sensor. Ich 
hatte sogar beim Gewerbeaufsichtsamt angerufen, da die Beschreibung in 
der Medizinprodukterichtlinie für das Konformitätsbewertungsverfahren 
teilweise schwammig formuliert ist. Selbst die konnten mir 
beispielsweise nicht sagen, welche Zeichnungen genau rein müssen. Sie 
sagten nur "so viel wie möglich, um das Produkt zu beschreiben". Weiter 
habe ich eine FMEA-Risikoanalyse erstellt, da ich das zufällig in meinem 
Job vor meinem Jetzigen gemacht habe.

Was eben jetzt noch fehlt, ist meiner Meinung nach die standesgemäße 
Anmeldung als Medizinprodukt, eine EMV-Prüfung und die Registrierung bei 
der ear (WEEE-Richtlinie). Auch dort hatte ich schon angerufen und die 
sagten mir, dass bei eventuell geringen Stückzahlen ich von den Gebühren 
befreit werden kann und mich nur registrieren und die Verkaufszahlen 
monatlich melden muss (Härtefallantrag heißt das).

Und jetzt habe ich so viel erzählt und frage mich trotzdem: "Reicht 
das", was ich da verbaut habe? Kann ich ein NanoV3-Modul nutzen und ein 
HC-05? Ich arbeite schon so lange mit den gleichen Modulen für diverse 
Tests über die ganze Entwicklungszeit und hatte noch keinerlei Probleme. 
Ein Argument für ein JA. Andererseits spricht man bei Arduinos oder 
Arduino-ähnlichen Boards und Zubehör immer von Bastlerware (zumindest 
habe ich das schon öfter gehört).
Muss ich meine Entwicklung hard- und softwaretechnisch mehr 
professionalisieren, wenn das vorhandene Material es tut?

Ob ich meine Sachen wegen der Arduino-Ressourcen offenlegen muss, ist 
mir gleichgültig. Sollen es andere Nachbauen. Zum Erfolg, denke ich, 
gehört letztlich mehr, wie das passende Hardwaredesign, der Zugang zum 
Markt und eben zumindest Grundwissen bei den Rechtsgrundlagen, gerade im 
Medizinproduktebereich. Mir hat mal ein Patentanwalt gesagt: "Bis die 
Anderen das Nachgemacht haben, sind Sie bei der Fertigstellung der 
Weiterentwicklung oder eines neuen, besseren Produkts". Sehr ehrlich wie 
ich finde.

Gerne würde ich Eure Meinung dazu einmal hören. Ich habe mich vorher ein 
wenig umgelesen und lese oft zurecht plumpe Antworten auf noch plumpere 
Fragen. Mit der Ausführlichen Beschreibung möchte ich einfach zeigen, 
dass ich alles sehr ernst nehme und nach vielen Überlegungen und 
Entwicklungsphasen, sowie viel geleisteter Vorarbeit in allen Richtungen 
und Versuchen rund um das Projekt, nun die Entscheidung getroffen habe, 
das durchziehen zu wollen.

Was mir letztlich Bammel bereitet ist eine EMV-Prüfung. Dort endet mein 
Wissen und meine Erfahrung komplett - zumindest bis jetzt. Am besten 
möchte man ja ohne Störungen durch den EMV-Prozess durchkommen. Wobei 
darauf zu achten ist, weiß ich leider nicht.

Viele Grüße

von minifloat (Gast)


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Peter S. schrieb:
> Was mir letztlich Bammel bereitet ist eine EMV-Prüfung.

Peter S. schrieb:
> Kann ich ein NanoV3-Modul nutzen und ein HC-05?

Das ist der Punkt, wo es Probleme geben könnte. Aber, du bist ja 
Paragraphen-Reiter. Welche EMV-Anforderungen gibt es bei einem 
Medizinprodukt der von dir beschriebenen Klassifizierung? Welche Normen 
und Vorschriften und Richtlinien und Standards gelten für dein Produkt?

Es geht sicher nicht nur um potentielle 
Störaussendungen(Leitungsgebunden und Elektromagnetische Strahlung), 
sondern auch um Resistenz gegenüber Einstrahlung(auch Leitungsgebunden 
und Elektromagnetische Strahlung).

Doof ist, dass die Messungen und Erprobung bei einem zertifizierten 
Labor stattfinden müssen. Sonst hast du nachher ein Nachweisproblem.

Zumal die von dir verwendeten Module aus gesicherter Quelle mit fester 
kontrollierter oder nachgewiesener Qualität kommen müssen. Der Einsatz 
eines Keramikkondensators technisch augenscheinlich gleicher Daten, aber 
anderer Hersteller kann dir EMV und Produktsicherheit verhageln.

Peter S. schrieb:
> Ob ich meine Sachen wegen der Arduino-Ressourcen offenlegen muss, ist
> mir gleichgültig.

Welche Software auf der Kiste läuft und wie sie entstanden ist, 
interessiert erstmal niemand. Muss man die eigenen Sourcen tatsächlich 
offenlegen? Welche Lizenz gilt für die Nutzung der Arduino-Libraries, 
die du verwendest?

So mal als grobe Eckpunkte... mfg mf

von Peter S. (petermitb)


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Hi minifloat,

vielen Dank für deine schnelle Antwort.

Also generell bin ich nicht "underdressed", wenn ich für meinen Zweck 
ein, aus gesicherter Qualität hergestelltes Modul, wie das NanoV3 
verwende?

Bei Arduino direkt müsste ich ja eine gesicherte Qualität erhalten oder 
nicht? Aktuell nutze ich für den Prototypen ein "Chinduino", da ich kein 
original Nano von Arduino besitze. Auf Arduino in der 
Kleinserienfertigung umzusteigen, bezüglich der Qualität wäre das 
geringste Problem, außer dass der Einkaufspreis in die Höhe geht.

Ich nutze zwei Libraries. Die Wire.h und eine für den ToF-Sensor. Beide 
sind augenscheinlich nachzulesen auch für den kommerziellen Bereich 
nutzbar.

Nach der Fertigstellung des Protoypen steige ich dann nochmal richtig in 
den Papierkrieg ein, was Richtlinien und Anforderungen angeht. Was ich 
auch noch nicht genau überblicke ist, welche verpflichtenden 
Anforderungen neben der Medizinprodukterichtlinie greifen könnten, da es 
ein elektronisches Modul ist.

Viele Grüße

von Ben (Gast)


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Bei einer Neuentwicklung würde ich nicht mehr auf das HC-05 Modul 
setzen, sondern auf etwas aktuelleres wie z.B das HM-10 Modul. Das hätte 
den Vorteil, dass es auch von Apple Geräten bedient werden kann und 
nicht nur Android.
Der Nachteil ist, das Mobilgerät muss Bluetooth 4.0 LE unterstützen 
(sollte jedes Gerät unterstützen das nicht älter als 5-7 Jahre ist)

Ben

von Stefan F. (Gast)


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Peter S. schrieb:
> Also generell bin ich nicht "underdressed", wenn ich für meinen Zweck
> ein, aus gesicherter Qualität hergestelltes Modul, wie das NanoV3
> verwende?

Arduino Nano Module gibt es in sehr guter Qualität. Deswegen sind sie 
prinzipiell kein No-Go. Problem ist aber (wie minifloat schron schrieb), 
dass du keine sichere Quelle hast, die dir garantieren kann, dass sie 
immer genau gleich gefertigt werden.

Diese Garantie und auch Erfahrung mit Kommerziellen 
Produkten/Zertifizierungen bekommst du aber bei sehr ähnlichen Produkten 
von chip45.com. Schau dich mal dort um.

Was das HC-05 Modul angeht: Ich halte es für billigsten Chinaschrott. 
Funktioniert nur, wenn es gut gelaunt ist. Schau Dir lieber mal die 
Bluetooth Module der Firma Rayson an (z.B. das BTM238).

von Pat (Gast)


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Wenn Du schon eine Platine erstellst, kannst Du doch den einen Atmega 
noch zu deinem Design hinzufügen. Das Design ist eher unkritisch und so 
hast Du die ganze Lieferkette im Blick. Beim HM-10 ist es schon etwas 
trickiger. Ich habe damals ein paar BLE Gadgets entwickelt. Diese 
mussten dann natürlich auch durch die Zertifizierung, aus dem Bauch 
heraus kann man hier (wir haben es direkt in Asien machen lassen) mit 
4k€ Rechnen. Dann hat man alle passenden Zertifikate und ist auf der 
sicheren Seite. Dieser Preis gilt jedoch für "normale" Geräte, ich weiss 
nicht wie es hier bei den Medizinischen Geräten aussieht.

von Peter S. (petermitb)


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Stefanus F. schrieb:
> Arduino Nano Module gibt es in sehr guter Qualität. Deswegen sind sie
> prinzipiell kein No-Go. Problem ist aber (wie minifloat schron schrieb),
> dass du keine sichere Quelle hast, die dir garantieren kann, dass sie
> immer genau gleich gefertigt werden.


Denkst du das ist bei Arduino wirklich so? Die Originalen werden doch 
immer mehr in professionellen Anwendungen verbaut und Arduino an sich 
ist mittlerweile ja auch ein Name und der Preis, naja, würde ich sagen, 
setzt eine ausreichend gute Qualität voraus.



Ich danke Euch für die Beiträge. Jo also was das HC-05 angeht, stimme 
ich zu - mehr oder weniger Chinaschrott und obwohl es funktioniert mir 
trotzdem ein Dorn im Auge ist.

Was ich nun gefunden habe, da ich mich nach langer Zeit mal wieder auf 
der Arduino Homepage aufgehalten habe, ist das Arduino Nano 33 BLE, was 
Bluetooth integriert hat.

Hat jemand Erfahrung damit?

Viele Grüße

von svensson (Gast)


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Moin,

zufällig habe ich auf einem Poster gesehen, daß in einem Meßgerät für 
einen Satelliten ein Arduino Nano verbaut wurde. So schlecht kann der 
also nicht sein, denn die ESA prüft sogar die Taschentücher...
Daher würde ich den Original-Arduino nehmen, keinen Nachbau. Und die 20€ 
dürften kaum ins Gewicht fallen.

Kannst Du nicht des BT- oder WLAN-Interface weglassen? Dann sollte doch 
eine EMV kein Problem darstellen.

von Peter S. (petermitb)


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Hi svensson,

das ist interessant. Ja ich meine, wenn die Qualitätsstandards in einem 
Prozess sichergestellt werden bei der Herstellung, sind die Module für 
Hersteller aller Art einfach attraktiv. Warum Zeit investieren, für das 
was es fertig gibt - sprechen wir von einfachen Anwendungen.

Nein das BT ist eines der Hauptmerkmale vom Produkt bezüglich der 
Smartphone-App. Daher macht das leider keinen Sinn, da ich eine wichtige 
Funktion des Projektes dann weg lassen müsste.

Gruß

von svensson (Gast)


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Gut, dann mit BT.

Aber bedeutet das nicht auch, daß Apps für die gängigen OS der 
Smartphones geschrieben werden müssen, die dann durch deren "Shops" 
verkauft werden?

Die Apps müssten dann ja ständig an die geänderten Versionen der OSe 
angepaßt werden. Hoffentlich müssen die nicht zertifiziert werden durch 
den OS-Hersteller.

Wenn für die Apps irgendwelche Frameworks verwendet werden (wovon 
auszugehen ist, da sicherlich nciht alles selbst programmiert werden 
soll), sind die dann womöglich Teil des "Medizinprodukts"?

Auf jeden Fall sollte eine GmbH gegründet werden, die das Gerät 
vertreibt...

von Stefan F. (Gast)


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Peter S. schrieb:
> Denkst du das ist bei Arduino wirklich so? Die Originalen werden doch
> immer mehr in professionellen Anwendungen verbaut

Oha, du hast Recht. Ich hatte dabei Arduino Klone aus Asien im Sinn.

von Peter S. (petermitb)


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Hi Stefanus,

habe mir jetzt als Änderung ein Arduino Nano 33 BLE gekauft. Dort ist 
ein NINA B306 Bluetooth Modul verbaut, was auch eine globale Zulassung 
hat. Ich denke Arduino legt seine Module direkt für die 
Marktzugänglichkeit aus. Heute mehr als früher sicherlich.

Somit würden die beiden Qualitätsmängel (China-Produkte) behoben worden 
sein.

Ein komplettes Modul ist halt viel einfacher beim Zusammenbau. Ich 
fertige das händisch, da es um wirkliche Kleinmengen geht. Die Branche 
betrifft ja nicht jeden Menschen, sondern Menschen mit den Beschriebenen 
Umständen. Das ist ein geringer Prozentanteil in der Gesellschaft. 
Dennoch ein großer Markt. Im ersten Jahr könnte man 10-20 solcher Module 
vorbereiten und im Lager halten. Wie es sich entwickelt sieht man dann.

Viele Grüße

von spess53 (Gast)


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Hi

>Die Originalen werden doch
> immer mehr in professionellen Anwendungen verbaut

Wo?

MfG Spess

von Stefan F. (Gast)


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Peter S. schrieb:
> Ein komplettes Modul ist halt viel einfacher beim Zusammenbau. Ich
> fertige das händisch, da es um wirkliche Kleinmengen geht.

Dito

Ich wünsche Dir Erfolg bei der Zulassung. Bei meinen Projekten ging es 
immer um zulassungsfreie Umgebungen bzw. wo ein Hauselektriker die 
Verantwortung übernahm.

von Peter S. (petermitb)


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Hi,

vielen Dank, sehr nett! Wenn sich etwas ergibt, melde ich es und teile 
gern meine Erfahrungen.

Gruß

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Peter S. schrieb:
> Was mir letztlich Bammel bereitet ist eine EMV-Prüfung.

Mit keinem Wort habe ich von dir etwas über die Erfüllung der DIN EN 
60601-1 gelesen. Vergessen?

von Peter S. (petermitb)


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Hallo Joe,

laut VDE-Verlang nur für Medizinprodukte zur Behandlung, Überwachung 
oder Diagnose mit genau einem Anschluss am Versorgungsnetz.

"Diese Norm gilt für die Basissicherheit und die wesentlichen 
Leistungsmerkmale von medizinischen elektrischen Geräten und 
medizinischen elektrischen Systemen mit einem Anschluss an ein 
Versorgungsnetz, das zur Diagnose, Behandlung oder Überwachung eines 
Patienten nach Herstellerangaben bestimmt ist. Diese Geräte/Systeme 
übertragen Energie zum oder vom Patienten und stehen in körperlichem 
oder elektrischen Kontakt mit dem Patienten."

Quelle: 
https://www.vde-verlag.de/normen/0750127/din-en-60601-1-vde-0750-1-2007-07.html

Daher trifft die Norm denke ich nicht auf mein Gerät zu.

von Bernd (Gast)


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minifloat schrieb:
> Welche Software auf der Kiste läuft und wie sie entstanden ist,
> interessiert erstmal niemand.

Das stimmt nur, wenn eine beliebige Fehlfunktion der Software nicht zu 
einer Gefährdung des Patienten, des Bedieners (in diesem Fall die 
gleiche Person) oder unbeteiligten führen kann. Wenn es so ist, dann 
müsstest du es zumindest schriftlich Nachweisen. Da die Software aber 
den Rollstuhl zumindest ein- und ausschalten kann, halte ich das für 
unwahrscheinlich.
Und dann wird es richtig interessant: Wie hoch ist beispielsweise das 
Risiko, dass der Rollstuhl bei einer Fehlfunktion der Software gegen 
eine Wand fährt (damit ist nicht gemeint, wie hoch die 
Wahrscheinlichkeit einer Fehlfunktion der Software ist, sondern die 
Wahrscheinlichkeit dass bei einer Fehlfunktion dieses Risiko auftritt).
Wenn der Rollstuhl nur auf freiem Feld benutzt wird, ist die 
Wahrscheinlichkeit gering. Wenn er in Gebäuden benutzt wird, ist sie 
sehr hoch. Wie groß ist in so einem Fall der Schaden für den Patient? 
Wenn er mit max. 1 km/h fährt ist er gering. Wenn er mit 6 km/h fährt 
ist her hoch. Falls der Patient nur angeschnallt unterwegs ist, könnte 
man das vielleicht noch auf mittel reduzieren. Wahrscheinlichkeit und 
Schaden wird multipliziert und das Ergebnis bewertet. Das muss für alle 
Risiken durchgeführt werden.
Dann muss schriftlich beschrieben werden, wie verhindert wird, dass es 
zu den jeweiligen Fehlfunktionen der Software kommen kann. Tests, 
Watchdogs, Codereviews, Softwareentwicklungsprozess, Buglisten für 
verwendete Bibliotheken... Kann ich jetzt leider nicht alles aufzählen, 
ist aber der gleiche oder ein höherer Aufwand, wie die Entwicklung der 
Software selbst.
Ich entwickle Software für Medizingeräte.

Bernd

von A. N. (bastelmaniac)


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An dem Punkt von Bernd möchte ich mich auch anschließen.

Ich habe zwar nicht primär mit Medizintechnik zu tun. Aber ich bekomme 
mit, wie kritisch Medizintechnik bezgl. Zulassung, auch von den 
offiziellen staatlichen Stellen, behandelt wird.

Wie weißt du nach, dass dein Modul nicht den Rollstuhl negativ 
beeinflusst oder Fehler dazu führen, dass Rollstuhlfahrer unbeabsichtigt 
in den nächsten Fluss, vor den nächsten LKW usw. fahren?

Was sagen denn die Hersteller der Rollstühle?

Ich kenne Bereiche in der Medizintechnik, wo die jeweiligen Firmen es 
schon kritisch beäugen, wenn der Anwender sein Produkt durch folieren 
oder anmalen verändert.

von svensson (Gast)


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Fehlfunktionen der Software könnten in gewissem Umfang vielleicht durch 
Hardware aufgefangen werden? Z.B. Funktionen sperren sich gegenseitig.

In jedem Fall würde ich eine "Notfallabschaltung" vorsehen, die dafür 
sorgt, daß die Originalsteuerung so arbeitet als wäre keine Erweiterung 
angebaut.

In seinem Fall wird es vermutlich noch schlimmer, denn wenn ich es 
richtig verstanden haben, dann hat sein Modul eine Schnittstelle zur 
eigentlichen Steuerung?

Vielleicht wäre es denkbar, daß er mit dem Rollstuhlhersteller Kontakt 
aufnimmt, um seine Erweiterung "offiziell" andocken zu dürfen. Gerade 
die Software, die ja hier vermutlich den eigentlichen Wert darstellt, 
läßt sich in einem µC doch hervorragend schützen.

von Bernd (Gast)


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Fällt mir gerade noch ein: Bezüglich der Module ist es eigentlich egal, 
ob sie aus China, der EU oder Deutschland kommen. Sie müssen für den 
Einsatz in Medizinprodukten zugelassen sein. Entweder der Hersteller 
weist das nach und legt seinen Produkten eine Konformitätserklärung bei, 
was sich natürlich im Preis niederschlägt oder du weist es selbst nach. 
Zum Beispiel dass bei der Herstellung nur bleifreies Lot verwendet 
wurde.
Bei der EMV ist normalerweise die Störstrahlung die größere Hürde. 
Gemessen wird nur oberhalb 30 MHz. Bluetooth und WLAN sind kein Problem, 
weil es sich ja um gewünschte und zulässige Abstrahlung handelt, sondern 
die Oberwellen der Taktversorgung.

Bernd

von Peter S. (petermitb)


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Hallo an die Letzten Kommentierer,

das Fahren des Rollstuhls darf damit nicht stattfinden, das wird aus der 
späteren Dokumentation und der Einweisung ersichtlich (MPBetreibV, MPG, 
Gebrauchsanweisung). Es geht auch nicht primär um Elektrorollstühle, 
jedoch findet der Einsatz hier oft statt, da es um genau diese Anwender 
geht.

Der Nachweis, dass Module, wie ein Original-Arduino für 30€ eine 
CE-Konformitätserklärung und weitere Erklärungen wie RoHS-Konformität 
hat, ist wohl zu schaffen.

Dieses Modul ist nichts weiter als ein erweiterter Taster mit multiplen, 
wechselbaren Ausgängen und variablen Eingängen für diverse Spezialtaster 
auf dem Markt. Die potentialfreien 3,5mm Klinkenausgänge an meinem 
Interface, finden das Gegenstück an den vorgesehenen Klinkeneingängen am 
Elektrorollstuhl. Die sind generell für Taster gemacht worden, wenn der 
Anwender, das normale Joystick-Bedienteil nicht im Ganzen steuern kann.
Somit wird mein Modul mit dafür vorgesehenen Schnittstellen am 
Elektrorollstuhl verbunden.

Wie in meinem Einführungstext beschrieben, gibt es in meinem 
Konformitätsbewertungsverfahren auch eine FMEA-Risikoanalyse, die alle 
möglichen Risiken betrachtet (von Hard- bis Software) und durch 
geeignete Maßnahmen verringert werden. Das kann z. B. das Beschreiben 
eines Risikos, bei einer diversen Tätigkeit sein (z. B. das Betreiben 
meines Moduls als Fahreinheit für den Rollstuhl, was ausdrücklich 
untersagt wird >>> die Referenz in der Risikoanalyse wäre dann der 
Hinweis in der Gebrauchsanweisung). Ich schaffe ohne eine zusätzliche 
Programmierung am Elektrorollstuhl, keine Anbindung zur Änderung und 
eine Programmierung ist nur durch ein Dongle möglich. Somit hat der 
Anwender keine Möglichkeit, dass der Rollstuhl damit fahrbar ist. Ich 
als Hersteller gebe die Zweckbetimmung an und sorge für ein 
funktionierendes und für getestete Geräte geeignetes Modul. Der 
Betreiber hingegen ist in der Verantwortung dann das Modul gemäß der 
Zweckbestimmung zu nutzen. Beachtet er Diese nicht, haftet, wenn es 
sauber dokumentiert wurde, nicht der Hersteller. Wenn der 
Rollstuhlhersteller schreibt, dass man sich mit dem Elektrorollstuhl 
nicht weniger als 10m zu einem See nähern darf und der Anwender es 
trotzdem macht, ist der Hersteller nicht mehr haftbar.

Jeder Elektrorollstuhl wird im Übrigen mit diversen 
On-Board-Erweiterungsmöglichkeiten versehen, da sonst die Individualität 
eines Herstellers verloren geht. Elektrorollstuhl ist nur 50% - die 
anderen 50% bestehen aus einem Sonderbau des Sanitätshauses für die 
Anpassung (Sitzschale, Taster, Sondersteuerungen etc.).

Eine Zulassung durch eine staatliche Stelle ist mir bei Medizinprodukten 
der Klasse 1 nicht bekannt. Es muss lediglich als Medizinprodukt beim 
DIMDI und BfArM registriert werden, sowie bei der ear. In der Klasse 1 
brauche ich kein CE-Kennzeichen mit vierstelliger Nummer.

Ich weiß, dass ein Medizinprodukt ein Medizinprodukt ist aber hier 
handelt es sich dennoch nicht um Spritzenpumpen oder ein Röntgengerät, 
sondern um einen multiples Modul, um 3,3V DC zu schalten, damit der 
Patient den Rollstuhlmodus wechseln kann, oder einen Linken Mausklick am 
PC durchführt. Dafür gibt es Medizinprodukteklassen und da lässt man die 
Hersteller selbst zertifizieren.

Ich finde es immer ein bisschen Schade, dass in manchen Kommentaren so 
ein Unterton dabei ist, dass es unmöglich sei, so ein Ding zu 
entwickeln. Ich rede nicht vom Inhalt der Kommentare, sondern rein vom 
Unterton. Wenn der Elektrorollstuhl als Gesamtes Euch fremd ist, dann 
bleibt doch mal entspannt. Ich arbeite nun seit Jahren damit und kenne 
die meisten Hersteller. Wie in meinem Text oben zu lesen, ich will hier 
nicht schnell eine Platine löten und ich denke so hört es sich auch 
nicht an.

Grüße

von svensson (Gast)


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>Die potentialfreien 3,5mm Klinkenausgänge an meinem
>Interface, finden das Gegenstück an den vorgesehenen Klinkeneingängen
>am Elektrorollstuhl. Die sind generell für Taster gemacht worden

Das klingt doch sehr gut. Das Interface ist also bereits da.

Sieht also so aus als wäre es möglich, zumindest für mich als Laien auf 
diesem Gebiet.

Schade, wenn es sich angehört hat als wäre es unmöglich, aber heutzutage 
wird es einem kleinen innovativen Anbieter wahrlich nicht leicht 
gemacht. Die überbordende Bürokratie läßt grüßen...

von TBR (Gast)


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Hallo!

Ich habe nach den Stichworten "FEMA" und "Arduino gegoogelt und bin bei 
diesem äußerst interessanten thread gelandet.
Ich bin beruflich mit dem Thema Functional Safety (Funktionale 
Sicherheit) beschäftigt und wollte in meiner Freizeit den Nachweis 
führen, daß es nicht möglich ist mit einem Arduino eine 
sicherheitskritische Applikation zu implementieren. (Oder das Gegenteil 
zu zeigen)
Ich denke, daß man spätestens beim Nachweis der systematischen Eignung 
den Nachweis nicht erbringen kann.
Mein Interesse hat dabei seinen Ursprung in der IEC 61508, die sich doch 
von den Medizintechnikprodukten unterscheidet. Das eingangs Geschrieben 
soll also nicht dazu dienen die Anstrengungen von Peter S. schlecht zu 
machen, im Ggenteil ich finde das ein extrem interessantes Projekt!

Leider hört der thread dann mit Oktober 2019 auf. Es wäre spannend mehr 
über das Projekt und vor allem die Beurteilung durch das 
Gewerbeaufsichtsamt zu erfahren.

Beste Grüße!

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