Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frage zum Abtasttheorem


von AD (Gast)


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Guten Morgen,

ich würde gerne einen AD-Wandler dimensionieren und habe da eine Frage 
bzgl. des Abtasttheorems. Und zwar:

DasShannoon-Nyquist-Theorem besagt ja, dass die Abtastrate > f/2 sein 
soll. Warum wird dann aber in der Praxis meistens deutlich höher 
abgetastet ? Im Grunde kann ich doch jede Sinusschwingung der maximalen 
Frequenz mit 3 Abtastpunkten rekonstruieren.

VG

von Martin S. (sirnails)


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> DasShannoon-Nyquist-Theorem besagt ja, dass die Abtastrate > f/2 sein
> soll. Warum wird dann aber in der Praxis meistens deutlich höher
> abgetastet ?

Weil es halt praktikabel ist. Es gibt ja nicht immer genau die 
Abtastrate für genau die abzutastende Frequenz. Will man halt ein 
Signal mit 1 kHz abtasten, braucht man einen 2kHz ADC. Wenn es aber 
keine 2 kHz ADC gibt, nimmt man halt das nächsthöhere. Wenn man jetzt 
schon mit meinetwegen 4 kHz abtastet, dann wirft man entweder jeden 
zweiten Abtastwert weg, oder verwendet die eh schon vorhandenen Daten 
halt.

> Im Grunde kann ich doch jede Sinusschwingung der maximalen
> Frequenz mit 3 Abtastpunkten rekonstruieren.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9c/Nyquist_Aliasing.svg/370px-Nyquist_Aliasing.svg.png

Das sollte die Frage beantworten.

von Ralph B. (rberres)


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AD schrieb:
> Warum wird dann aber in der Praxis meistens deutlich höher
> abgetastet ?

man muss dem AD-Wandler einen Tiefpas vorschalten, welches garantiert, 
das eben keine Frequenzen an den AD-Wandler gelangen, welche das 
Abtasttheorem verletzen.

Der Tiefpass muss um so steiler sein, je näher die maximal zu 
digitalisierende Frequenz an die Abtastfrequenz kommt, und je breiter 
der Wertebereich des digitalen Datenstromes ist.

wenn du 20KHz mit einen AD-Wandler, welches 16Bit breit ist und mit 
44KHz abgetastet wird, abtasten willst, benötigst du einen Tiefpass, 
welches

bei 24KHz eine Dämpfung von 98db besitzt, aber 20KHz noch ungehindert 
durchlässt. Das sind enorme Flankensteilheiten, welche nur schwer zu 
erfüllen sind.

Um die 44KHz Abtastfrequenz entstehen zwei Seitenbänder ( 44KHz -20KHz = 
24KHz und 44KHz +20KHz = 64KHz). Das untere Seitenband ist nur noch 4KHz 
vom Eingangssignal entfernt, und sie darf sich auch beim Aussteuern von 
nur 1 LSB nicht überlappen.

Die 98db setzen sich zusammen aus den 16Bit mal 6db + 2db


Setzt man die Abtastfrequenz jetzt wesentlich höher, wird die 
Anforderung an den Tiefpass entsprechend entschärft.

Diese ganzen Delta sigma Wandler , welche heute im Audiobereich 
verwendet werden arbeiten mit Abtastfrequenzen von mehreren Megahertz. 
Da genügt als Tiefpassfilter dann oft ein Filter dritter Ordnung.


Ralph Berres

von Martin S. (sirnails)


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AD schrieb:
> Abtastrate > 2*f

So wird ein Schuh draus.

von AD (Gast)


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Alles klar, danke euch.

sofern meine mein Signal nur noch Anteile < 25 kHz enthält ist es also 
egal ob ich mit >50 kSps oder mit 1 MSps Sample. Die Nutzdaten wären 
nach meinem Verständnis ja die gleichen. Ich hatte nur gedacht dass ich 
da irgendwo etwas übersehen habe, sodass es doch Sinn macht deutlich 
höher abzutasten als f*2

Danke und VG

von Martin S. (sirnails)


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Du musst doppelt so schnell abtasten, wie deine höchste Frequenz ist, 
nicht das Nutzsignal! Das ist ein Unterschied.

Wenn zu große Frequenzen enthalten sind, können sich Interferenzen 
bilden!

von AD (Gast)


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Martin S. schrieb:
> Du musst doppelt so schnell abtasten, wie deine höchste Frequenz
> ist,
> nicht das Nutzsignal! Das ist ein Unterschied.

Ja eshalb hatte ich von Anteile im Signal gesprochen, besser wäre wohl 
Frequenzanteile gewesen.

Martin S. schrieb:
> Wenn zu große Frequenzen enthalten sind, können sich Interferenzen
> bilden!

Kannst du das genauer ausführen?

von Marek N. (Gast)


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Weil sich kein ideales Tiefpass mit unendlicher Flankensteilheit in der 
Praxis realisieren lässt. So ein Filter hätte eine unendlich lange 
Impulsantwort.

Also muss man die Abtastfrequenz entsprechend höher legen.
Einfaches Beispiel: Dein AD-Umsetzer tastet mit f_s ab und hat eine 
Auflösung von 10 Bit, ergo 60 dB Dynamikbereich. Also musst du dein 
Tiefpass so konstruieren, dass es bei f_s/2 mindestens 60 dB dämpft, um 
die höheren Frequenzen soweit zu unterdrücken, dass sie kein Aliasing 
verursachen.
Entweder durch ein steileres Filter (mehr Koeffizienten, längere 
Impulsantwort) oder aber durch Hochsetzen der Abtastfrequenz.

von AD (Gast)


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Okay, dieser Fall ist ja allerdings nur für Signale zu berücksichtigen, 
deren Frequnezanteile höher als f_sample/2 sein können. Sofern mein 
Signal (bzw. erzeugt durch einen Frequenzgenerator) ein sauberer Sinus 
mit 20 kHz ist, muss ist es egal ob ich mit 50 kSps oder 1 MSps abtaste. 
Darum ging es mir.

Sofern das Signal Frequnezanteile >f_sample/2 aufweist, muss gefiletrt 
werde. Je nach Güte des Filters muss demnach eine höhere Abtastfrequenz 
realisiert werden um bei f_sample/2 unter die Auflösungsgenauigkeit des 
ADC zu dämpfen.

von GEKU (Gast)


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AD schrieb:
> Warum wird dann aber in der Praxis meistens deutlich höher abgetastet ?

Weil die Filter weniger steil sein müssen und daher leichter 
realisierbar sind.

von Marek N. (Gast)


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AD schrieb:
> ein sauberer Sinus
> mit 20 kHz ist, muss ist es egal ob ich mit 50 kSps oder 1 MSps abtaste.

Durch Überabtastung kann man Signal-Rausch-Abstand gewinnen.

von Mario H. (rf-messkopf) Benutzerseite


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GEKU schrieb:
> Weil die Filter weniger steil sein müssen und daher leichter
> realisierbar sind.

Das ist auch ein Grund. Der eigentliche Grund ist der folgende: Das 
Abtasttheorem besagt lediglich, dass ein bandbegrenztes Signal mit 
Bandbreite kleiner B exakt rekonstruiert werden kann, wenn die 
Abtastfrequenz größer 2B ist, bzw. das Abtastintervall Δt < 1/(2B) ist 
(Nyquist-Bedingung). Die Rekonstruktion ist aber akausal. D.h., wenn man 
das Signal zu einem Zeitpunkt t rekonstruieren will, benötigt man alle 
Sampling-Punkte gleichzeitig. Ein DAC, der z.B. First Order Hold macht, 
kann das Signal nicht rekonstruieren, auch wenn die Nyquist-Bedingung 
erfüllt ist.

Man kann die Rekonstruktion auch explizit hinschreiben: Wenn x(t) das 
Signal ist, gilt

Man sieht, dass man zur Rekonstruktion des Signals zum Zeitpunkt t alle 
unendlich vielen Samplingpunkte (d.h. auch solche, die in der Zukunft 
liegen) benötigt.

Aus diesem Grund muss man in realen Abtastsystemen mit einer deutlich 
höheren Abtastfrequenz als 2B abtasten.

von HildeK (Gast)


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AD schrieb:
> Sofern mein
> Signal (bzw. erzeugt durch einen Frequenzgenerator) ein sauberer Sinus
> mit 20 kHz ist, muss ist es egal ob ich mit 50 kSps oder 1 MSps abtaste.
> Darum ging es mir.

Man geht hier aus von der Weiterverarbeitung bzw. Rückwandlung des 
abgetasteten Signals. Da ist es in so fern nicht egal, weil du 
wesentlich mehr Daten pro Zeiteinheit verarbeiten musst.
Wenn dein Nutzsignal keinerlei Frequenzanteile (0.0% Klirr!) hat, ja, 
dann kannst du das gewandelte Signal unverfälscht weiterverarbeiten oder 
auch rückwandeln.
Wenn jedoch dein Nutzsignal durch Klirr o.ä. Anteile oberhalb fa/2 
enthält, muss du ein Tiefpassfilter verwenden, das zwischen fa und 
fa-f_N (Nutzfrequenz) soviel Dämpfung macht, dass diese Störanteile 
soweit unterdrückt werden, dass sie nicht mehr als ein halbes LSB 
bewegen können.
Und dann ist es natürlich viel besser, einen gewissen Abstand zwischen 
f_N und fa/2 zu haben und die Abtastfrequenz höher zu legen, weil dann 
das Filter einfacher wird oder sogar überhaupt erst realisierbar.

Bei Audio z.B. wird meist deutlich höher abgetastet, auch mit größerer 
Wortbreite. Man kann dann das Filter auf den Nutzbereich auch in der 
digitalen Domain realisieren und die Verarbeitung von Zwischenschritten 
(Mischen von Einzelstimmen) mit weniger Verlusten realisieren und macht 
dann erst am Schluss die Dezimation auf die gewünschte 
Ausgangsabtastrate (CD: 44.1kHz).
Der Filteraufwand wird ja nach der Rekonstruktion erneut notwendig, denn 
z.B. bei der CD tauchen dann ab 22.05kHz wieder die Frequenzen unterhalb 
von Nutzband (20kHz) auf und die müssen wieder unterdrückt werden.

von Martin S. (sirnails)


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AD schrieb:
> Kannst du das genauer ausführen?

Abtastfrequenz und Signalfrequenz ergeben eine Überlagerung auf f, f1-f2 
und f1+f2. Stichwort Seitenband (wurde oben ja schon gesagt).

Du "mischst" Dir damit beim DAC-Wandeln Frequenzen aus f1-f2 voll in 
dein Nutzdatenband. Wenn Du aber die Abtastfrequenz deutlich höher 
bringst liegen f1-f2 außerhalb des Nutzdatenfrequenzbereiches.

(siehe 2tes Posting)

Das ist vollkommen egal, wenn Du, wie etwas oben schon erwähnt hast, 0% 
Klirrfaktor hast. In der Praxis gibt es das aber nicht.

von AD (Gast)


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Wirklich sehr kosturktive Beiträge bis jetzt, danke euch da wird einem 
einiges klarer!

Eine Abschließende Frage hätte ich noch. Wenn ihr ein ADC für die 
Messung einer Spannung "validieren" müsst, welche Faktoren haltet ihr in 
dem Fall für die wichtigsten? Mir würden folgende spontan einfallen:

- Phasenversatz (Übetragungsfunktion bei unterschiedlichen f)
- Klirrfakor
- Dämpfung der Eingangsamplitude
- INL / DNL

von Wolfgang (Gast)


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Martin S. schrieb:
> Wenn zu große Frequenzen enthalten sind, können sich Interferenzen
> bilden!

Ist das jetzt ein neues Wort für Aliasing?

von HildeK (Gast)


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AD schrieb:
> Wenn ihr ein ADC für die
> Messung einer Spannung "validieren" müsst,
Was heißt das? Was willst du überprüfen? Eine Gleich- oder 
Wechselspannung, die Frequenz, die Amplitude?

> welche Faktoren haltet ihr in
> dem Fall für die wichtigsten? Mir würden folgende spontan einfallen:
>
> - Phasenversatz (Übetragungsfunktion bei unterschiedlichen f)
bezüglich was?

> - Klirrfakor
im Signal oder durch die Verarbeitung hervorgerufen?

> - Dämpfung der Eingangsamplitude
dann ist zumindest dein Pegel mal falsch und falls sie frequenzabhängig 
ist, auch schwer herauszurechnen

> - INL / DNL
beide verursachen Fehler, wie problematisch das ist hängt davon ab, was 
du an dem Signal validieren willst - s.o.

von Marten Morten (Gast)


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AD schrieb:
> Mir würden folgende spontan einfallen:

Das hängt von der Anwendung ab. Texas Instruments hat mal auf über 30 
Seiten die Begriffe definiert, die sie zur Spezifikationen und 
Charakterisierungen ihrer ADCs verwenden.

http://www.ti.com/lit/pdf/sbaa147

Darin findest du einen Verweis auf

http://www.ti.com/lit/pdf/SLAA013

Das sind einfacherer Erklärungen der meist wichtigsten Parameter.

von Martin S. (sirnails)


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Wolfgang schrieb:
> Martin S. schrieb:
> Wenn zu große Frequenzen enthalten sind, können sich Interferenzen
> bilden!
>
> Ist das jetzt ein neues Wort für Aliasing?

Eigentlich ein altes:-)

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