Forum: HF, Funk und Felder Netzfilter um Netzstörungen fernzuhalten


von Manuel F. (dobby)


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Hallo in die Runde.

Nachdem ich schon eine ganze Weile im Forum und im Internet gesucht 
habe, aber leider nicht fündig geworden bin frage ich einfach mal.

Ich will ein Netzteil für einen Funktionsgenerator aufbauen, was an sich 
kein Problem darstellt. Allerdings geistert mir das Thema EMV im Kopf 
rum. Ich weiß wie ein Netzfilter funktioniert und wie er aufgebaut ist. 
Nur habe ich über Netzfilter immer nur im Zusammenhang mit Störungen in 
Richtung Netz gelesen. Da ergibt es für mich Sinn. Man kennt z.B. bei 
Schaltnetzteilen die Schaltfrequenzen und es gibt da allerhand zu 
filtern.

Die Frage die sich mir jetzt stellt wie legt man einen Netzfilter aus um 
Auswirkungen vom Netz auf das Gerät zu filtern. Man muss ja von irgend 
einem Störspektrum ausgehen das gefiltert werden soll. Man könnte 
sicherlich das Netz anschauen und entsprechend den Filter auslegen aber 
das kann in einem anderen Teil der Republik schon wieder ganz anders 
aussehen.

Die 2. Frage ist ob ein Netzfilter überhaupt Sinn macht bei einem 
konventionell aufgebautem Netzteil soll heißen 50Hz Trafo + 
Gleichrichtung + Längsregelung. Rein logisch würde ich sagen ja, da die 
Anschlussleitungen zum Netzteil ja als Antenne wirken können und damit 
im Gerät auch die nachgeschaltete Elektronik beeinflussen/stören können.

Der bequemste Weg ist einen fertigen Netzfilter einzusetzen. Das wäre 
aber dem Erkenntnisgewinn nicht wirklich zuträglich.

Für ein paar Anmerkungen wäre ich sehr dankbar.

von Bernd (Gast)


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Manuel F. schrieb:
> Die 2. Frage ist ob ein Netzfilter überhaupt Sinn macht bei einem
> konventionell aufgebautem Netzteil soll heißen 50Hz Trafo +
> Gleichrichtung + Längsregelung. Rein logisch würde ich sagen ja, da die
> Anschlussleitungen zum Netzteil ja als Antenne wirken können und damit
> im Gerät auch die nachgeschaltete Elektronik beeinflussen/stören können.
Die niederfrequenten Störungen kommen i.d.R. über die Leitung.
Bei EMV-Tests wird von 150 kHz bis 30 MHz leitungsgebunden gemessen.

> Der bequemste Weg ist einen fertigen Netzfilter einzusetzen. Das wäre
> aber dem Erkenntnisgewinn nicht wirklich zuträglich.
Wenn Du keinen Zugriff auf entsprechende Messtechnik hast, wird es 
schwer die Wirkung des Netzfilters nachzuweisen.

Ich würde eine fertige Kombination aus Schalter + Sicherung + Netzfilter 
+ Kaltgerätebuchse nehmen und über andere Dinge nachdenken.

von Manuel F. (dobby)


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Danke für die schnelle Antwort.

Bernd schrieb:
> Die niederfrequenten Störungen kommen i.d.R. über die Leitung.
> Bei EMV-Tests wird von 150 kHz bis 30 MHz leitungsgebunden gemessen.

Nur mal zum Verständnis. Also würde praktisch das Gerät mit einer 
standardisierten Störspannung beaufschlagt und danach geschaut, ob nach 
dem Filter das Störspektrum innerhalb der in den Normen festgelegten 
Grenzen bleibt?

Also ein HP Spectrum Analyzer von 20Hz - 40MHz wäre vorhanden.

von Bernd (Gast)


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Manuel F. schrieb:
> Also würde praktisch das Gerät mit einer
> standardisierten Störspannung beaufschlagt
Ja und

> und danach geschaut, ob nach
> dem Filter das Störspektrum innerhalb der in den Normen festgelegten
> Grenzen bleibt?
nein.
In der entsprechenden Norm (EN 61000-4-6) wird eine Einteilung 
empfohlen:
a) alles paletti
b) Funktion gestört, fängt sich von selbst wieder
c) Funktion gestört, Nutzer muß Reset o.ä. drücken
d) Gerät kaputt

Was davon zulässig ist, oder nicht, mußt du als Entwickler oder dein 
Auftraggeber festlegen.
https://www.archiv.swisstmeeting.ch/tl_files/images/EMV_2015/EMV_S2_R2_Fuhrer.pdf

Außerdem kann man noch auf ESD, Burst, Surge etc.pp. testen:
https://www.beam-verlag.de/app/download/27833413/HF-Praxis+4-2017+I.pdf

Dann hatte ich bei den Frequenzen etwas durcheinander gebracht:
Störimmunität wird lt. Norm bis 80 MHz (bei kleinen Prüfobjekten ggf. 
bis 230 MHz) gemessen.

Die 30 MHz kamen aus der Norm für leitungsgebundene Störaussendung.

Ich würde das Netzteil erstmal bauen und dann schauen, wieviel von 50 
bzw. 100 Hz Netzbrumm hinten herauskommt.

von Nabu (Gast)


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Netzfilter sind übrigens in der Regel Tiefpassfilter, das funktioniert 
in beide Richtungen. Relevant ist in dieser Hinsicht eventuell, auf 
welcher Seite die Angelegenheit kapazitiv auf PE gelegt wird (falls 
überhaupt).
Ich verwende oft solche und konsorten: 
https://www.schaffner.com/products/download/product/datasheet/fn-2080-multi-stage-high-performance-emcemi-filter/

von Hans (Gast)


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Kleines addendum:

für z.B. Beleuchtungsgüter gibt's Emissionsgrenzwerte ab 9kHz => 
Messungen von 9k-30MHz

Es gibt dann noch die IEC61000-4-16 und IEC61000-4-19

Damit wäre quasi von DC weg definiert wie man Immunität gegenüber 
Störungen testet.

Das mit der Hersteller/Entwickler/.. legt fest was i.O. geht gibts nicht 
mehr. Normen in denen das noch erlaubt ist kannst du (aus europäischer 
Sicht) als veraltet ansehen (auch wenn sie erst 2019 herausgekommen 
sind)...

Ausnahme wäre nur es gibt keine Produktnorm.

Die -4-16 und -4-19 sind übrigens nicht in der IEC61000-6-1 oder der 
IEC61000-6-2 referenziert. Ergo ergibt sich für dich nur dann die 
Notwendigkeit das zu testen wenn du meinst das könnte kritisch sein oder 
der zutreffende Produktstandard es fordert.

Signalgeneratoren könnte man in der CISPR11 sehen (entspricht EN55011). 
Dazu gibt's keine Störfestigkeitsnorm => IEC61000-6-1 wäre genug.

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von oszi40 (Gast)


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Manuel F. schrieb:
> ein paar Anmerkungen

https://de.wikipedia.org/wiki/Netzfilter#/media/Datei:Netzfilter_schaltplan.svg

Jetzt werde einige Pillepalle rufen, aber für manche Geräte, die eine 
erdfreie Messung erfordern, wird das mit dem Filter nicht so einfach.

von Bernd (Gast)


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Hans schrieb:
> IEC61000-4-16
DC bis 150 kHz aber nur anwendbar, wenn die Leitungen länger als 20 m 
werden, oder?

Hans schrieb:
> Das mit der Hersteller/Entwickler/.. legt fest was i.O. geht gibts nicht
> mehr. Normen in denen das noch erlaubt ist kannst du (aus europäischer
> Sicht) als veraltet ansehen (auch wenn sie erst 2019 herausgekommen
> sind)...
Ok. Wer legt fest, welcher Prüfschärfegrad gefordert wird?

> Signalgeneratoren könnte man in der CISPR11 sehen (entspricht EN55011).
> Dazu gibt's keine Störfestigkeitsnorm => IEC61000-6-1 wäre genug.
Das wären dann 3V AC von 150 kHz bis 80 MHz mit 80% und 1 kHz 
AM-Modulation, richtig?

von Hans (Gast)


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Bernd schrieb:
>> IEC61000-4-16
> DC bis 150 kHz aber nur anwendbar, wenn die Leitungen länger als 20 m
> werden, oder?

Naja, das ist jetzt diskussionswürdig da ziemlich dumm geschrieben... so 
ein AC-Netz ist länger als 20m.
Dagegen kann man halten, dass die Anschlussleitung kürzer ist...
Nachdem das aber eine der Smartmeter-legitimierungs-normen ist 
(Smartmeter sind cool => alle müssen mit 120dbµV auf der Leitung leben 
können), sollte man das nicht so eng sehen.

Bernd schrieb:
> Hans schrieb:
>> Das mit der Hersteller/Entwickler/.. legt fest was i.O. geht gibts nicht
>> mehr. Normen in denen das noch erlaubt ist kannst du (aus europäischer
>> Sicht) als veraltet ansehen (auch wenn sie erst 2019 herausgekommen
>> sind)...
> Ok. Wer legt fest, welcher Prüfschärfegrad gefordert wird?

Die Produktnorm. Zumindest ist das der (irgendwo verständliche) Wunsch 
der EU-Kommission damit alle Hersteller die gleichen Vorgaben erfüllen 
müssen.

Was aber wiederum dem gesamten Konzept des CE widerspricht...

Bernd schrieb:
>> Signalgeneratoren könnte man in der CISPR11 sehen (entspricht EN55011).
>> Dazu gibt's keine Störfestigkeitsnorm => IEC61000-6-1 wäre genug.
> Das wären dann 3V AC von 150 kHz bis 80 MHz mit 80% und 1 kHz
> AM-Modulation, richtig?

Würde aus meiner Sicht reichen.

Weil's mich jetzt interessiert hat, habe ich mal bei Keysight eine 
CE-Erklärung ergoogelt:
https://regulations.about.keysight.com/DoC/DoC_33210A_20A_Nermal_Casper_RevD.pdf

Freundlicherweise stehen da bei der IEC61326-1 (das scheint die passende 
Produktnorm zu sein) auch die referenzierten Grundnormen mit Pegel 
dabei.

Mit CISPR11 Class A Group 1 würde ich mir aber das Ding nicht kaufen...

Echt spannend Emission Industrie und Störfestigkeit Haushalt :)

73

von Bernd (Gast)


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Hans schrieb:
>>> IEC61000-4-16
>> DC bis 150 kHz aber nur anwendbar, wenn die Leitungen länger als 20 m
>> werden, oder?
> Naja, das ist jetzt diskussionswürdig da ziemlich dumm geschrieben... so
> ein AC-Netz ist länger als 20m.
> Dagegen kann man halten, dass die Anschlussleitung kürzer ist...
Das wäre meine Interpretation. Die Gebäudeinstallation habe ich ja als 
Gerätehersteller nicht zu verantworten.


>> Ok. Wer legt fest, welcher Prüfschärfegrad gefordert wird?
> Die Produktnorm.
Wie findet man denn die raus? Ich kann doch nicht alle Normen kaufen, 
nur um dann festzustellen, das die passende nicht dabei ist. Und auch 
auf der Auslegestelle kann mir doch keiner garantieren, das ich nicht 
eine Norm übersehen habe.
Man kann zwar bei der Konkurrenz schauen, aber das ist ja unsportlich 
;-)


> Freundlicherweise stehen da bei der IEC61326-1 (das scheint die passende
> Produktnorm zu sein) auch die referenzierten Grundnormen mit Pegel
> dabei.
>
> Mit CISPR11 Class A Group 1 würde ich mir aber das Ding nicht kaufen...
>
> Echt spannend Emission Industrie und Störfestigkeit Haushalt :)
Tatsächlich. Class B Group 1 wäre angemessen.

von Hans (Gast)


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Bernd schrieb:
> Das wäre meine Interpretation. Die Gebäudeinstallation habe ich ja als
> Gerätehersteller nicht zu verantworten.

Naja, das interessiert die Störung aber herzlich wenig ;)

Für dich zählt nur, ob das Störphänomen auftritt oder nicht.
Wenn da steht ab 20m relevant, dann müsstest du am AC Netz eigentlich 
davon ausgehen, dass es zutrifft... wobei diese Norm teilweise schon 
ziemlich an der Realität vorbei ist...  Gut, dass in den allermeisten 
Basic-Publications (fast) nix auf die Notwendigkeit solcher Tests 
hinweise :)

Bernd schrieb:
>>> Ok. Wer legt fest, welcher Prüfschärfegrad gefordert wird?
>> Die Produktnorm.
> Wie findet man denn die raus? Ich kann doch nicht alle Normen kaufen,
> nur um dann festzustellen, das die passende nicht dabei ist. Und auch
> auf der Auslegestelle kann mir doch keiner garantieren, das ich nicht
> eine Norm übersehen habe.
> Man kann zwar bei der Konkurrenz schauen, aber das ist ja unsportlich
> ;-)

www.iec.ch :)

Bei den Generics (61000-6-x) bist du meist schon gut dabei. Da fehlen 
dir aber (u.A.)  die Betriebsmodi. Bei den EMV Tests für CE könnte man 
da etwas schummeln und sich (vernünftige) worst-case Szenarien dafür 
überlegen.

Ansonsten ist das garnicht wenig Arbeit sich durch den Normen-Dschungel 
zu kämpfen...
Füllt meinen Arbeitstag eigentlich ganz gut aus :)

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