Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frage zur Berechnung von Gegnkopplung


von Michael (Gast)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Ich beschäftige mich gerade mit einer Differenzverstärkerschaltung aus 
Bipolar-Transistoren (Anhang).

Gesucht ist der Kollektorstrom von Q2 in Abhängigkeit von U_B1 an Q1 (es 
soll also eine sehr vereinfachte spannungsgesteuerte Stromquelle 
darstellen).

Ich berechne das gerade sehr "blauäugig" in Octave. Wenn U_B1 negativer 
wird, sinkt der Strom durch T1, wodurch der Strom durch T2 steigen muss, 
was dazu führt dass die Emitterspannung sinken muss, was wiederum den 
Strom durch T1 erhöht. In Octave hab ich eine Schleife gemacht wo man 
beobachten kann wie sich die beiden Ströme "einschwingen" bis sie sich 
einem Wert nähern bei dem die Summe wieder zum Konstantstrom der 
Stormquelle wird... schön und gut, ist wahrscheinlich komplett falsch 
das so zu berechnen, deswegen wollte ich mal die Profis hier fragen wie 
das "akademisch" berechnet wird?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Spice zum Beispiel so ein 
"iteratives" Verfahren verwendet, oder? Müsste ich hier 
Differenzialgleichungen ansetzen oder wie macht man das denn richtig? 
Wäre echt nett wenn mir jemand helfen könnte!

von Dieter (Gast)


Lesenswert?

Loesrn von nichtlinearen Gleichungssystemen geht oft nur durch 
Iterationsverfahren. Deine Schleife macht vermutlich sowas.

von Helmut S. (helmuts)


Lesenswert?

Im Tietze-Schenk steht die Herleitung der Formel des 
Differenzverstärkers.
(Kapitel Differenzverstärker, Seite 366, Auflage 11)

Ic1 = (I1/2)*(1+tanh(Ud/(2*Ut)))

Ut = k*T/q
Ud Differenzspannung zwischen den Eingängen (dein UB)

: Bearbeitet durch User
von Michael (Gast)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

OK!
Danke für die Antworten! Ist schonmal beides sehr hilfreich. Ich werd 
mir den Tietze-Schenk mal raussuchen...

Ich hab mir noch Gedanken gemacht wie das ganze als System aussehen 
würde mit negativer Rückkopplung. Ist eigentlich ganz einfach und sollte 
so auch besser zu berechnen sein, oder?

von Michael (Gast)


Lesenswert?

I_C1 ist abhängig von UB1, I_C2 ist dann die Differenz von I_0 und I_C1, 
und dann kann man aus I_C2 ein neues U_E ausrechnen.

von Michael (Gast)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Ich find es gerade traurig, dass ich nach Jahren des Studiums immer nur 
LTI-Systeme kennenlernen durfte. Wie ich hier jetzt die 
Übertragungsfunktion anschreiben würde... keine Ahnung. :(

von Michael (Gast)


Lesenswert?

Aber die eigentliche Frage die ich hier lösen wollte ist ja: Wie hebt 
sich bei dieser Anordnung die Temperaturabhängigkeit heraus? Nur durch 
die Unterdrückung von Gleichtaktstörungen?

von Egon D. (Gast)


Lesenswert?

Michael schrieb:

> Ich find es gerade traurig, dass ich nach Jahren des
> Studiums immer nur LTI-Systeme kennenlernen durfte.

Das kann nicht eventuell damit zu tun haben, dass es
keine nichtlineare Systemtheorie gibt, die der linearen
an Einfachheit und Geschlossenheit auch nur annähern
ebenbürtig wäre?


> Wie ich hier jetzt die Übertragungsfunktion anschreiben
> würde... keine Ahnung. :(

Gar nicht.

Die Übertragungsfunktion linearer Systeme kann nur
VORHANDENE Spektralkomponenten verstärken oder
abschwächen.

Nichtlineare Systeme ERZEUGEN aber NEUE
Spektralkomponenten, die im Eingangssignal NICHT
VORHANDEN waren.

von Egon D. (Gast)


Lesenswert?

Michael schrieb:

> Aber die eigentliche Frage die ich hier lösen wollte
> ist ja: Wie hebt sich bei dieser Anordnung die
> Temperaturabhängigkeit heraus? Nur durch die
> Unterdrückung von Gleichtaktstörungen?

Nein.
Die entscheidende Größe ist die Steilheit. Die Steilheit
hängt (neben dem Kollektorstrom) noch von der Temperatur-
spannung ab; die Temperaturspannung ihrerseit hängt --
ÜBERRASCHUNG! -- von der Temperatur ab: U_T = k*T/e

von Michael (Gast)


Lesenswert?

ja aber die Temperatur führt doch zu einer gleich großen Änderung der 
Temperaturspannung an beiden Transistoren (im selben Gehäuse), was sich 
als Gleichtakt"störung" äußert, die hier unterdrückt wird, weil es ein 
Differenzverstärker ist, oder?

von Helmut S. (helmuts)


Lesenswert?

> Ist eigentlich ganz einfach und sollte so auch besser zu berechnen sein, oder?

Ein völlig unbrauchbarer Ansatz für den Differenzverstärker wegen der 
e-Funktion für IC(Ube). Verschwende keine Zeit damit sondern lies die 
Kapitel zum Thema Differenzverstärker im Tietze-Schenk.

von Egon D. (Gast)


Lesenswert?

Michael schrieb:

> ja aber die Temperatur führt doch zu einer gleich
> großen Änderung der Temperaturspannung an beiden
> Transistoren (im selben Gehäuse),

Ja.


> was sich als Gleichtakt"störung" äußert,

Jein.


> die hier unterdrückt wird,

Nein.
Die Transistorkennlinie ist eine Exponentialfunktion; die
Temperaturspannung steht im Argument. Die Temperaturdrift
der Arbeitspunkte hebt sich zwar auf, aber es gibt trotzdem
eine Temperaturabhängigkeit der Verstärkung.


> weil es ein Differenzverstärker ist, oder?

Für vollständige Kompensation müsste es aber eine
"Quotientverstärker" sein -- was es nicht ist.

Im Tietze/Schenk stehen alle Details dazu.

von Michael (Gast)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Hab mir heute die entsprechenden Kapitel im Tietze/Schenck 
durchgearbeitet und das hat echt sehr beim Verständnis geholfen... Danke 
nochmal! :)

Eine Frage hab ich aber trotzdem... Wenn der Einfluss der Temperatur im 
GLeichspannungsaussteuerbereich bleibt, dann heben sich die EInflüsse 
zwar durch die Differenzverstärkung heraus, es bleibt aber trotzdem der 
Einfluss der Temperaturspannung im Kollektorstrom (siehe Anhänge). Ich 
weiß schon, dass sich die Einflüsse auskreuzen, aber ohne 
Berücksichtigung der Temperatur kann ich den Strom trotzdem nicht 
berechnen. Was versteh ich hier nicht? :/

von Helmut S. (helmuts)


Lesenswert?

Der Differenzstrom bzw. die Verstärkung sinkt mit steigender Temperatur, 
weil Ut proportional zur Sperrschicht-Temperatur T ist.

Ic1 = (I1/2)*(1+tanh(Ud/(2*Ut)))
Ic2 = (I1/2)*(1-tanh(Ud/(2*Ut)))

Ut = k*T/q

T ist die absolute Temperatur. Das heißt man muss 273,15K zur Temperatur 
in °C dazuzählen.

: Bearbeitet durch User
von Egon D. (Gast)


Lesenswert?

Michael schrieb:

> Hab mir heute die entsprechenden Kapitel im Tietze/Schenck
> durchgearbeitet und das hat echt sehr beim Verständnis
> geholfen... Danke nochmal! :)

Sehr gut. Lob und Anerkennung!
Normalerweise folgt kein Schwein den Literaturempfehlungen,
die man hier gibt...


> Eine Frage hab ich aber trotzdem... Wenn der Einfluss der
> Temperatur im GLeichspannungsaussteuerbereich bleibt, dann
> heben sich die EInflüsse zwar durch die Differenzverstärkung
> heraus,

Weitgehend, ja.


> es bleibt aber trotzdem der Einfluss der Temperaturspannung
> im Kollektorstrom (siehe Anhänge). Ich weiß schon, dass sich
> die Einflüsse auskreuzen, aber ohne Berücksichtigung der
> Temperatur kann ich den Strom trotzdem nicht berechnen.

Warum nicht?

U_D ist die Differenz der Basisspannungen, d.h. die Eingangs-
spannung des Differenzverstärkers.
U_T ist klar; irgendeine sinnvolle Temperatur musst Du halt
annehmen. 298K bietet sich an ;)
I_0 ist der Kollektorruhestrom.
tanh ist der tangens hyperbolicus.


> Was versteh ich hier nicht? :/

Sag' Du's mir! :)
Sonst kann man Dir schlecht helfen...

von Michael (Gast)


Lesenswert?

Haha Danke mal für die Antworten. :D

Egon D. schrieb:
>>... ohne Berücksichtigung der
>> Temperatur kann ich den Strom trotzdem nicht berechnen.
>
> Warum nicht?
>
> U_D ist die Differenz der Basisspannungen, d.h. die Eingangs-
> spannung des Differenzverstärkers.
> U_T ist klar; irgendeine sinnvolle Temperatur musst Du halt
> annehmen. 298K bietet sich an ;)

Naja ganz einfach weil U_T im Tangens hyperbolicus vorkommt und das 
Ergebnis verändert, oder? Also kann ich den Strom I_C2 ja nur für eine 
bestimmte Temperatur berechnen und das Ergebnis ist eigentlich nicht 
temperaturunabhängig. Ich hab das Gefühl ich steh gerade voll auf der 
Leitung. :D

von Egon D. (Gast)


Lesenswert?

Michael schrieb:

> Egon D. schrieb:
>>>... ohne Berücksichtigung der
>>> Temperatur kann ich den Strom trotzdem nicht berechnen.
>>
>> Warum nicht?
>>
>> U_D ist die Differenz der Basisspannungen, d.h. die Eingangs-
>> spannung des Differenzverstärkers.
>> U_T ist klar; irgendeine sinnvolle Temperatur musst Du halt
>> annehmen. 298K bietet sich an ;)
>
> Naja ganz einfach weil U_T im Tangens hyperbolicus vorkommt
> und das Ergebnis verändert, oder?

Richtig.


> Also kann ich den Strom I_C2 ja nur für eine bestimmte
> Temperatur berechnen

Auch richtig.


> und das Ergebnis ist eigentlich nicht temperaturunabhängig.

Immer noch richtig!

Was glaubst Du, warum ich gestern daraufhingewiesen habe,
dass die Transistorkennlinie eine Exponentialfunktion ist,
so dass sich zwar die Temperaturdrift der ARBEITSPUNKTE
ungefähr kompensiert, aber trotzdem noch eine temperatur-
bedingte Änderung der VERSTÄRKUNG übrig bleibt?!

von Helmut S. (helmuts)


Lesenswert?

Michael schrieb:
> ...
> Naja ganz einfach weil U_T im Tangens hyperbolicus vorkommt und das
> Ergebnis verändert, oder? Also kann ich den Strom I_C2 ja nur für eine
> bestimmte Temperatur berechnen und das Ergebnis ist eigentlich nicht
> temperaturunabhängig. Ich hab das Gefühl ich steh gerade voll auf der
> Leitung. :D

Da nimmt man bei der Berechnung/Simulation einfach eine konstante 
Temperatur an, z B. T=300K. Wenn man weiß, dass man bei weit höherer 
Sperrschichttemperatur arbeitet, dann simuliert man halt nochmals mit 
T=350K oder noch höher. Die Verstärkung des Differenzverstärkers ist 
halt temperaturabhängig. Damit lebt man schon seit es Transistoren gibt.

von Michael (Gast)


Lesenswert?

Egon D. schrieb:
> Was glaubst Du, warum ich gestern daraufhingewiesen habe,
> dass die Transistorkennlinie eine Exponentialfunktion ist,
> so dass sich zwar die Temperaturdrift der ARBEITSPUNKTE
> ungefähr kompensiert, aber trotzdem noch eine temperatur-
> bedingte Änderung der VERSTÄRKUNG übrig bleibt?!

Genau deswegen...

Michael schrieb:
> und das Ergebnis ist eigentlich nicht
> temperaturunabhängig.

Oh Mann... Sorry ich hätt' mir alle Antworten nochmal durchlesen sollen. 
Aber ich habs verstanden! Vielen Dank!

Die Schaltung wird übrigens im Exponentiator des VCO-Moduls des "Formant 
Pro Synthesizer" von Elektor verwendet, deswegen versuch ich zu 
entschlüsseln was man sich dabei gedacht hat und wo die 
schaltungstechnischen Schwierigkeiten liegen.

Lese auch gerade, dass zusätzlich versucht wurde die Temperatur konstant 
zu halten, um die Schaltung eben unabhängig(er) von 
Temperaturschwankungen zu machen.

Es sollte sich zumindest herausstellen, dass der Strom I_C2 beim 
Differenzverstärker weniger von der Temperatur beeinflusst wird, als 
wenn man einen einzelnen Transistor verwendet, nehme ich an?

von Axel S. (a-za-z0-9)


Lesenswert?

Michael schrieb:
> Die Schaltung wird übrigens im Exponentiator des VCO-Moduls des "Formant
> Pro Synthesizer" von Elektor verwendet

Nein. Ein Exponentialkonverter ist kein Differenzverstärker.

Auch wenn viele Schaltungen zwei Transistoren verwenden, kann man das 
im Prinzip auch mit einem bauen. Den muß man dann aber 
thermostatieren. Gebräuchlich ist die Schaltung mit zwei Transistoren 
(monolithisches Paar bzw. Array). Hier kompensiert der zweite Transistor 
die temperaturabhängige U_be des anderen. Für die Temperaturkompensation 
der Steilheit wird typisch ein spezieller PTC verwendet.

Die kanonische Schaltung wird im Netz an gefühlt 1000 Stellen mal mehr 
mal weniger gut erklärt. Lies selber:

https://www.google.com/search?q=exponential+converter+thermal

von Klaus R. (klara)


Lesenswert?

Michael schrieb:
> ist wahrscheinlich komplett falsch
> das so zu berechnen, deswegen wollte ich mal die Profis hier fragen wie
> das "akademisch" berechnet wird?

Mit LTspice.
mfg Klaus

von Michael (Gast)


Lesenswert?

Axel S. schrieb:
> Die kanonische Schaltung wird im Netz an gefühlt 1000 Stellen mal mehr
> mal weniger gut erklärt. Lies selber:
>
> https://www.google.com/search?q=exponential+converter+thermal

WOW! Herzlichen Dank! Das paper ist genau was ich gesucht habe.

Aber warum ist die Schaltung kein Differenzverstärker? Wenn eine 
Spannungsdifferenz verstärkt wird nennt man das doch Differenzverstärker 
oder?

von Michael (Gast)


Lesenswert?

Michael schrieb:
> Aber warum ist die Schaltung kein Differenzverstärker?

Hab gerade gesehen warum das kein Differenzverstärker ist... Ich brauch 
eine Brille. Danke euch!

Beitrag #6163342 wurde vom Autor gelöscht.
Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.