Forum: HF, Funk und Felder Hybridkoppler ohne Abschlusswiderstand


von Vicky M. (vicky_m)


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Hallo alle zusammen,

bei einer kleinen Youtube Videolehrstunde bin ich auf eine für mich 
unerklärbare Konstruktion gestoßen. In dem Video geht es um einen 77GHz 
Automotive FMCW Radar. In diesem ist ein Branchline Coupler verbaut. 
Jedoch hat dieser im Video ein Tor nicht abgeschlossen.

Warum das? So funktioniert der Coupler doch nur eingeschränkt? Hat es 
etwas mit der dubios gekrümmten Leitungslänge zu tun?

Ich danke für eure Hilfe um mehr Licht ins dunkle zu bringen.

Beste Grüßen

Link zum Video:

https://www.youtube.com/watchv=8af9YVIqhRk&list=LL90fcDb7WCjBXpuJH3TOTmQ&index=279

von Volker M. (Gast)


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Vicky M. schrieb:

> Warum das? So funktioniert der Coupler doch nur eingeschränkt? Hat es
> etwas mit der dubios gekrümmten Leitungslänge zu tun?

Nein, es hat nichts mit der Krümmung zu tun. Nach der Erklärung im Video 
dient der Koppler nur dazu, ein von links unten eingespeistes Signal auf 
zwei Signalpfade aufzuteilen. Bezogen auf DIESE Einspeisung ist das Tor 
links oben ENTKOPPELT, deshalb ist es für DIESE Anregung egal ob man das 
entkoppelte Tor abschliesst.

Der Abschluß des Tors links oben wäre relevant für die von rechts 
einfallenden Signale.

Warum man für die Funktion als Splitter einen Branchline-Koppler gewählt 
hat bleibt allerdings unklar, dafür hätte auch andere Lösungen 
gegegeben.

Viele Grüße
Volker

von Vicky M. (vicky_m)


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Hm, ja das leuchtet mir ein, jedoch ist die Performance ohne 50Ohm 
Abschlusswiderstand immer schlechter als mit.

Außer intern wurde per Via mittels einem vergrabenen Widerstand 
abgeschlossen. Find es dennoch seltsam.

von Volker M. (Gast)


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Vicky M. schrieb:
> jedoch ist die Performance ohne 50Ohm
> Abschlusswiderstand immer schlechter als mit.

Nein, das stimmt so pauschal nicht. Für den genannten Signalfluß 
(Anwendung als Leistungsteiler) hat der Widerstand KEINE Auswirkung, 
weil es für diese Einspeisung das ENTKOPPELTE Tor ist. Der Abschluß dort 
wird erst relevant, wenn ein Signal von einem der rechten Tore einfällt.

Für den normalen Anwendungsfall, wo man Branchline verwendet, will man 
den Widerstand schon haben, das ist unstrittig. Ich designe seit 25 
Jahren beruflich solche HF-Schaltungen, wir haben Herleitung und 
Berechnung der Koppler gelernt, vielleicht magst du mir in dem Punkt 
vertrauen.

von Ralph B. (rberres)


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Vicky M. schrieb:
> Hm, ja das leuchtet mir ein, jedoch ist die Performance ohne 50Ohm
> Abschlusswiderstand immer schlechter als mit.

an dem rechten oberen Tor tritt nur die reflektierte Leistung des  am 
linken Tor angeschlossnen Vebraucher auf.

Wenn man so will, kann man es auch als Richtkoppler betrachten, was hier 
aber nicht der eigentliche Verwendugszweck ist.


Ich hoffe das ich mich hier jetzt nicht irre.

Ralph Berres

von Volker M. (Gast)


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Ralph B. schrieb:

> Wenn man so will, kann man es auch als Richtkoppler betrachten, was hier
> aber nicht der eigentliche Verwendugszweck ist.

Genau richtig.

Dieses Tor, wo im Foto der 50 Ohm fehlt, nimmt die Reflektion der 
nachfolgenden Stufe auf. Also dann, wenn der 50 Ohm montiert ist. Das 
ist das Interessante am Branchline bei dieser Konfiguration, wenn an 
beiden Toren rechts identische Last angeschlossen ist: am Eingang (links 
unten) sieht man gute Anpassung, die Reflektion läuft auf das andere Tor 
(links oben).

Ich habe mal ein Bild angehängten von einem alten 1800MHz PA-Design, was 
ich in den 1990ern mit Branchline-Kopplern gebaut hatte. Da sieht man, 
wie man trotz schmalbandiger Anpassung der einzelnen PA-Zweige der 
Eingang (Port 1) breitbandig gut angepasst ist, weil die Reflektion der 
beiden (identischen) Zweige an Tor 3 ankommt (dort 50 Ohm Abschluß). 
Sowas wäre also eine Motivation für Branchline anstatt Splitter, wenn 
man Tor 3 mit 50 Ohm abschliesst.

Vielleicht waren die nachfolgenden Stufen hier bei 77GHz Radar aber so 
gut angepasst, daß man den Widerstand letztlich weglassen konnte.

__

PS: Nicht wundern über die runde Bauform, das ist wirklich ein 
Branchline nur in rund, kein Ratrace-Koppler.

von Tobias P. (hubertus)


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Hey Volker

das sieht hübsch aus. Wozu sind die R und C noch drin, weshalb hast du 
die C mit so Schleifen angebunden? (oder sind das gar keine echten C 
sondern Leitungen?)

von Volker M. (Gast)


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Hi Tobias,

das ist einfach nur die DC-Ankopplung für Gate-Bias und Drainstrom. Die 
Serien-C im Signalpfad trennen die beiden Transistorstufen bezüglich DC.

Die beiden Transistoren sind MGF0907.

Die Schleifen sind Lambda/4-Leitungen, die transformieren den 
HF-Kurzschluß am DC-Speisepunkt außen (100pF nach Masse) in einen 
HF-Leerlauf im Anschlußpunkt an den Signalpfad.

Viele Grüße
Volker

von Tobias P. (hubertus)


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Hi Volker
ah ja und die SMD-9 und SMD-8 sind dann wohl deine Transistoren.
Danke für das Vorzeigen dieses schönen Designs. Sowas will ich schon 
lange auch mal bauen.

Grüsse
Tobias

von Robert M. (r0bm)


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Vicky M. schrieb:
> Hm, ja das leuchtet mir ein, jedoch ist die Performance ohne 50Ohm
> Abschlusswiderstand immer schlechter als mit.

Die Anpassung und die Isolation der Ausgangsports sind ohne 
Abschlußwiderstand bescheiden. Vermutlich war nur die Leistungsteilung 
von Interesse? Die Leistung wird beim dargestellten Koppler ungleich auf 
den Ausgangsports verteilt.

Der Leitungsstummel am 50 Ohm Port scheint mir irgendeine Funktion 
(schmalbandige Anpassung?) zu erfüllen, sonst hätte man diesen weglassen 
können.

Volker M. schrieb:
> Ich habe mal ein Bild angehängten von einem alten 1800MHz PA-Design, was
> ich in den 1990ern mit Branchline-Kopplern gebaut hatte.

Beide Koppler besitzen anscheinend transformierende Eigenschaften. Warum 
wird im Eingangskoppler zuerst hochtransformiert um danach für den 
Gate-Anschluß wieder heruntertransformieren zu müssen?

von Volker M. (Gast)


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Robert M. schrieb:

> Die Leistung wird beim dargestellten Koppler ungleich auf
> den Ausgangsports verteilt.

Du meinst wegen der senkrechten schmalen Leiterbreiten im Foto, die ich 
nicht so genau beachtet hatte? Ja, sieht so aus als ob das nicht 50 Ohm 
ist.

Daß der "Stummel" ein Funktion hat, um eine bestimmte Phasenbedingung 
für die Reflektion einzustellen, klingt plausibel.

> Beide Koppler besitzen anscheinend transformierende Eigenschaften.

Nein, das sind normale 50 Ohm Branchlinekoppler. Allseits auf 50 Ohm 
angepasst.

von Robert M. (r0bm)


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Volker M. schrieb:
> Du meinst wegen der senkrechten schmalen Leiterbreiten im Foto, die ich
> nicht so genau beachtet hatte? Ja, sieht so aus als ob das nicht 50 Ohm
> ist.

Ja, die Impedanz der senkrechten Leitungen liegt deutlich über 50 Ohm.

Volker M. schrieb:
> Nein, das sind normale 50 Ohm Branchlinekoppler. Allseits auf 50 Ohm
> angepasst.

Die Querzweige des Kopplers werden in der Zeichnung unterschiedlich 
breit dargestellt, weshalb ich annahm, dass die Ausgangsports keine 50 
Ohm haben.

von Vicky M. (vicky_m)


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Hallo,

ich hätte aus Interesse noch eine weitere Frage. Wenn man den oben 
aufgezeigten Port doch mit einem Abschlusswiderstand (50Ohm) abschließen 
möchte, welche Designregeln gibt es da?

Sehr gute Masseanbindung durch viele Vias?
Das Pad zur Masse auf dem der Widerstand gelötet wird sollte so kurz wie 
möglich gehalten werden?

Vielen Dank euch allen

von Volker M. (Gast)


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Mit den Vias ist es bei diesen Frequenzen schwierig, je nach 
Substratdicke. Und weil der Strom den kürzesten Weg nimmt helfen viele 
Vias auch nur bedingt. Angehängt ist ein Vergleich, den ich zu dem Thema 
mal gerechnet hatte für eine Seminar zur PCB-Smulation.

Da wir für den 50 Ohm keine DC-Masse benötigen würde ich hier einen 
Radial Stub nutzen. Damit kannst du auch ohne Via einen "perfekten" 
HF-Ground für den 50 Ohm erzeugen, bei der Betriebsfrequenz.

von Vicky M. (vicky_m)


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Hallo Volker,

erst einmal vielen Dank dir für deine super Antworten hier. Auch deine 
letzte Grafik war absolut tip top. Ich lerne gerade viel dazu.

Wenn ich darf, würde ich dir noch eine Frage stellen.

Volker M. schrieb:
> Da wir für den 50 Ohm keine DC-Masse benötigen würde ich hier einen
> Radial Stub nutzen. Damit kannst du auch ohne Via einen "perfekten"
> HF-Ground für den 50 Ohm erzeugen, bei der Betriebsfrequenz.

Warum benötigen wir keine DC-Masse? Ist es nicht von Vorteil den Koppler 
an Ground anzuschließen über einen Abschlusswidestand?

Wenn ich zum Beispiel den Koppler oben mit deinem 50Ohm Abschluss 
abschließe, habe ich jetzt verstanden das ich das auf zwei/drei Arten 
machen kann.

Einmal hart durch Vias zu Ground. Jedoch habe ich dann das Problem das 
ich durch die Vias einen induktiven Anteil mit hinein bekomme und diese 
eine gewisse Länge haben und sich damit die Referenzebene ein 
verschiebt.

Zweite Möglichkeit, einen Radialen Stub verwenden um ausschließlich die 
HF mittels einer lambda/4-Stichleitung kurzzuschließen. Das ist jedoch 
nur sehr schmalbandig umsetzbar. Jedoch wäre hierbei noch zwei radiale 
Stubs möglich (Butterfly) um die Bandbreite zu erhöhen.


Dritte Möglichkeit, mit radialen Stubs die HF bei der Betriebsfrequenz 
kurzschließen und mit einem weiteren Via die DC auf Ground legen. Das 
wäre doch der optimale Abschluss, oder?

Die dritte Möglichkeit habe ich mal in einem Bild angehangen.

: Bearbeitet durch User
von Volker M. (Gast)


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Vicky M. schrieb:

> Warum benötigen wir keine DC-Masse? Ist es nicht von Vorteil den Koppler
> an Ground anzuschließen über einen Abschlusswidestand?

Ja, aber HF-Ground genügt völlig. DC muss uns hier nicht interessieren. 
Für die HF können wir mit dem Radial Stub eine sehr ideale (aber 
frequenzabhängige) HF-Masse realisieren, ganz ohne Durchkontaktierung.

Der "Massepunkt" ist dann an der Spitze des Radial Stub.

> Einmal hart durch Vias zu Ground. Jedoch habe ich dann das Problem das
> ich durch die Vias einen induktiven Anteil mit hinein bekomme und diese
> eine gewisse Länge haben und sich damit die Referenzebene ein
> verschiebt.

Ja genau, du hast dann 50 Ohm plus parasitäre Induktivität. Das Via 
wirkt an dieser Stelle (zwischen Widerstand und rückseitiger Masse) 
nicht als Leitungslänge, sondern macht Induktivität, deshalb ist es 
leider nicht nur eine Referenzverschiebung.

> Zweite Möglichkeit, einen Radialen Stub verwenden um ausschließlich die
> HF mittels einer lambda/4-Stichleitung kurzzuschließen.

Einfach Radial Stub ohne weitere Leitungen. Wir wollen hier ja nicht 
hochohmig einspeisen, sondern eine HF-Masse realisieren. Der 
"Massepunkt" ist dann an der Spitze des Radial Stub, da kommt der 
Widerstand dran.

> Dritte Möglichkeit, mit radialen Stubs die HF bei der Betriebsfrequenz
> kurzschließen und mit einem weiteren Via die DC auf Ground legen. Das
> wäre doch der optimale Abschluss, oder?

Sowas birgt die Gefahr, daß durch die Leitungslängen irgendwo komische 
Resonanzen auftreten. Aber wenn man die 50 Ohm auch bei DC haben wollte 
(wofür ich hier keinen Grund sehe) dann kann man sowas versuchen.

von Vicky M. (vicky_m)


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Super, vielen Dank das hat mir sehr geholfen.

Und falls man mehr Bandbreite braucht kann man ja zwei Radialstubs 
verwenden. Ich versuche das die Tage mal in einer Simulationssoftware 
aus. Bin gespannt.

Erwarten müsste ich ja das S11 in meinem Betriebsfrequenzbereich gut 
angepasst ist und S21 eine hohe Dämpfung aufweist, oder?

von Volker M. (Gast)


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Vicky M. schrieb:
> Erwarten müsste ich ja das S11 in meinem Betriebsfrequenzbereich gut
> angepasst ist und S21 eine hohe Dämpfung aufweist, oder?

Ich kenne deine Testanordnung als 2-Port nicht, wenn du von S21 
schreibst.

Um die Breitbandigkeit des Abschluß zu testen hatte würde ich es als 
1-Port vermessen. Hier mal quick & dirty im EM-Simulator zusammengebaut 
mit Zielfrequenz 10GHz auf 0.51mm RO4003. Mit dem Radial Stub musste ich 
etwas rumprobieren, ursprünglich lag der Anpassungspunkt zu tief in der 
Frequenz. Widerstand ist 0402 mit 50 Ohm, im 3D-Modell recht realistisch 
modelliert.

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