Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Gleichung umstellen von einfacher Schaltung


von Zero V. (Firma: Freelancer) (gnd)


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Hallo Leute,

es ist spät und ich war den ganzen Tag im EMV Labor und nun habe ich ein 
Brett vorm Kopf und komme alleine nicht weiter.
Ich möchte diese Formel nach u(t) umstellen:

i_s(t) = u(t)/R + 1/L * integral( u(t) * dt )

PS: es ist keine Hausaufgabe sondern nur Hobby.
Danke für eure Hilfe.

von Helmut S. (helmuts)


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Das sind zwei getrennte Terme

i_s(t) = i_s1(t) +i_s2(t)

i_s1(t) = u(t)/R

i_s2(t) = 1/L * integral( u(t) * dt )

Um is2_(t) zu berechnen musst du u(t) integrieren.

Wie sieht u(t) aus?

von Pink Shell (Gast)


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Könnte das eine Differentialgleichung sein? Manchmal lohnt sich ein 
Ansatz mit einer e-Funktion. Den Rest kannst Du selbst.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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D. C. schrieb:
> Ich möchte diese Formel nach u(t) umstellen:
>
> i_s(t) = u(t)/R + 1/L * integral( u(t) * dt )

Das ist geschlossen i.Allg. nicht möglich.

Eine Chance hast du evtl. dann,

- wenn i_s(t) eine einfache mathematische Funktion ist oder

- wenn von u(t) bekannt ist, dass es eine einfache mathematische
  Funktion ist, von der lediglich einige Parameter unbekannt sind.

Ist dies nicht der Fall, bietet sich evtl. eine numerisches Lösung an,
die dir bspw. Spice liefern kann.

Ist i_s(t) durch eine Messreihe gegeben, hängt die Qualität der
numerischen Lösung stark davon ab, wie sehr die Messwerte verrauscht
sind.

Hast du vielleicht ein konkretes Beispiel für i_s(t), R und L?

von Dieter (Gast)


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Durch Abbleiten wird daraus eine Differentialgleichung erster Ordnung, 
die gelöst werden kann.
https://lp.uni-goettingen.de/get/text/6512

Die Lösung muss man dann einsetzen in die Gleichung mit dem Integral und 
die "Spezielle Lösung" zu berechnen.

von Helmut S. (helmuts)


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Ich sehe gerade der Fragesteller will ja rückwärts u(t) berechnen, weil 
er i_s(t) gemessen hat. Da ziehe ich meine Anwort mit dem Integral 
zurück.

: Bearbeitet durch User
von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Nachtrag zu oben:

Die Lösung der obigen Integralgleichung lässt sich in folgende Form
bringen:

Damit hat man die Gleichung zwar nach U(t) umgestellt, aber die rechte
Seite enthält immer noch ein Integral, für das es keine allgemeingültige
geschlossene Lösung gibt. Diese gibt es nur für speziell ausgewählte
I_s(t).

Für eine numerische Lösung mittels Spice lässt man die Gleichung aber
besser in ihrer ursprünglichen Form stehen, denn dann entspricht sie
einfach einer Parallelschaltung von R und L.

: Bearbeitet durch Moderator
von Dieter (Gast)


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Mit wxmaxima kannst Du die Gleichungen auch mit Variablen lösen lassen.
https://wxmaxima-developers.github.io/wxmaxima/index.html

von LostInMusic (Gast)


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>Diese gibt es nur für speziell ausgewählte I_s(t).

Um die wichtigsten Fälle davon noch zu nennen: Das sind "I_s(t) 
konstant" und "I_s(t) sinusförmig". Für den ersten fällt wegen dI_s/dt = 
0 das Integral komplett weg - da ist man natürlich schnell fertig. Der 
zweite ist schon komplizierter - hier muss man zwischen dem 
Einschwingvorgang und der sogenannten stationären Lösung unterscheiden. 
Meistens ist nur die stationäre Lösung interessant, also das, was nach 
dem Abklingen des Einschwingvorgangs übrigbleibt. Man kann sie mit einem 
e-hoch-i-omega-t-Ansatz berechnen, mit omega als Kreisfrequenz der 
I_s-Schwingung.

Auch für "I_s(t) linear in t" und ein paar andere I_s(t)-Funktionen ohne 
jegliche praktische Relevanz kann man das Integral noch geschlossen 
lösen. Ein Blick in eine Integraltafel gibt darüber Auskunft.

Von sehr weitreichender Bedeutung ist jedoch ein etwas allgemeinerer 
Fall, nämlich "I_s(t) periodisch" mit beliebiger Signalform. Dann 
zerlegt man I_s(t) in seine Fourierreihe und berechnet die jeder 
einzelnen Partialschwingung entsprechende Lösung. Die Gesamtlösung 
ergibt sich dann als Summe aller dieser Partiallösungen. Das 
funktioniert, weil die Differentialgleichung linear ist.

von Zero V. (Firma: Freelancer) (gnd)


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Yalu X. schrieb:
> Nachtrag zu oben:
>
> Die Lösung der obigen Integralgleichung lässt sich in folgende Form
> bringen:
>
>
>
> Damit hat man die Gleichung zwar nach U(t) umgestellt, aber die rechte
> Seite enthält immer noch ein Integral, für das es keine allgemeingültige
> geschlossene Lösung gibt. Diese gibt es nur für speziell ausgewählte
> I_s(t).
>
> Für eine numerische Lösung mittels Spice lässt man die Gleichung aber
> besser in ihrer ursprünglichen Form stehen, denn dann entspricht sie
> einfach einer Parallelschaltung von R und L.

Interessant, wie hast du das gemacht?
i_s(t) ist eine Sprungfunktion.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


Angehängte Dateien:

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D. C. schrieb:
> Interessant, wie hast du das gemacht?

Nicht ich, sondern Maxima hat das gemacht :)

> i_s(t) ist eine Sprungfunktion.

Das vereinfacht die Sache ja gewaltig:

(unter der Annahme, dass der Spulenstrom anfänglich 0 ist)

Edit:

Der Vollständigkeit halber das Ganze noch in Simulation (s. Anhang).

: Bearbeitet durch Moderator
von Zero V. (Firma: Freelancer) (gnd)


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Super, vielen Dank.
Wie hast du die Umformung mit der e-Funktion gemacht?

von Jens U. (Gast)


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"Maxima, a Computer Algebra System" wieder etwas was sich im Stillen 
entwickelt hat und an mir bisher vorbei ging. Prima das!

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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D. C. schrieb:
> Wie hast du die Umformung mit der e-Funktion gemacht?

Hier ist eine Lösung ohne die Hilfe von Maxima für Leute, die – wie ich
– wenig Ahnung von Differentialgleichungen haben, aber immerhin ein 
wenig
differenzieren und integrieren können.

Gleichung von oben (das Funktionsargument (t) für I_s und U habe ich aus
Faulheit weggelassen):


Beide Seiten differenzieren (wegen konstantem I_s für t>0 wird die linke
Seite zu null):


Auflösen nach dt:


Integralzeichen vor beide Seiten:



Integrieren (K ist dabei die Integrationskonstante):

Nach U auflösen:

Bestimmung des Faktors e^-K:

Zum Zeitpunkt t=0, wenn der Spulenstrom noch 0 ist und damit I_s
vollständig durch R fließt, ist U=I_s·R, also


Einsetzen von e^-K in die vorletzte Gleichung liefert die gesuchte
Funktion für U:

Wer nicht gerne differenziert und integriert, kommt auch mit den
einschlägigen Formeln für RL-Glieder zum Ziel.

von LostInMusic (Gast)


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>Wie hast du die Umformung mit der e-Funktion gemacht?

Kurzanleitung:

Weil Du Dein Problem darstellen kannst als

besteht die Aufgabe darin, eine gewöhnliche, lineare, inhomogene 
Differentialgleichung erster Ordnung mit konstanten Koeffizienten für 
die Funktion y(x) zu lösen.

Der Dreh- und Angelpunkt dazu ist folgende wichtige Eigenschaft jeder 
linearen inhomogenen DG: Deren allgemeine Lösung setzt sich immer 
additiv zusammen aus der allgemeinen Lösung der zugehörigen homogenen DG 
sowie einer speziellen Lösung der inhomogenen DG - das verhält sich also 
genau wie bei linearen Gleichungssystemen. Um diese beiden Teile muss 
man sich separat kümmern (wobei die Lösung des ersten für den zweiten 
nützlich ist).

Zuerst die allgemeine Lösung der zugehörigen homogenen DG y(x) + k y'(x) 
= 0. Diese kann man direkt berechnen. Dazu benötigt man nur die 
Stammfunktion von y'/y + k, welche bekannt ist (nämlich ln(y) + kx). 
Damit kommt man auf die Lösung y_hom(x) = a e^(-kx), wobei a eine frei 
wählbare Konstante ist. Die Lösungsmenge der homogenen DG besteht also 
aus einer durch a parametrierten Funktionenschar (deshalb "allgemeine" 
Lösung). Der Wert von a wird sich später aus der Anfangsbedingung y(x0) 
= y0 ergeben, d. h. am Schluss wählt man aus der Funktionenschar 
diejenige Kurve aus, mit der die finale Lösungskurve durch den Punkt 
(x0, y0) verläuft.

Nun zum zweiten Teilproblem "spezielle Lösung der inhomogenen DG". An 
diese kommt man über einen Trick heran, den man "Variation der 
Konstanten" nennt. Man nimmt dazu die y_hom-Lösung a e^(-kx) und ersetzt 
die Konstante a durch eine Funktion F(x). Damit lässt man quasi zu, dass 
a variieren darf - daher der Name dieser Methode. Dieser "Trick" ist 
natürlich nicht aus der Luft gegriffen sondern hat seine mathematische 
Begründung, aber das würde hier zu weit führen.

Mit dem Variationsansatz F(x) e^(-kx) geht man nun in die inhomogene DG 
und findet dann heraus, dass er sie unter einer bestimmten Bedingung 
tatsächlich löst. Diese Bedingung ist, dass F(x) eine Stammfunktion von 
z(x) e^(kx) ist.

Nun baut man die Lösung per simpler Addition zusammen und erledigt den 
letzten Schritt: Die Bestimmung des Parameters a aus der 
Anfangsbedingung wie oben beschrieben. Danach wird man feststellen, dass 
in der y(x)-Formel der Differenzterm F(x) - F(x0) steht, welcher wegen 
der Stammfunktioneigenschaft von F gerade identisch ist mit dem Integral 
über z(x) e^(kx). Das führt auf die finale Form von y(x) mit dem 
Integral:

Für x0 = 0 vereinfacht sich das zu:

Das entspricht der Formel, die der Kollege weiter oben mit Maxima 
ausrechnen ließ.

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