Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik RS485 über Wald- und Wiesenkabel


von Max (Gast)


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Hallo Elektroniker,

ich habe mal eine Frage zur Verkabelung eines RS485 Busses.
Im konkreten Fall geht es darum, dass ich über eine 8 polige 
Steuerleitung neben der Spannungsversorgung und ein paar 
"Schaltleitungen" auch Daten mittels RS485 übertragen will.
Die Leitung ist eine geschirmte 8 x 0.5mm² Gummischlauchleitung.

Bei meinem ersten Test mit 200m Kabel funktionierte das schonmal 
problemlos.

Aber wie verhält es sich mit der Terminierung?
Die 120R, die in den AppNotes (MAX485) richten sich doch aber eigentlich 
nach der Impedanz der Leitung, oder?

Bedeutet das, dass ich die Impedanz meiner Steuerleitung bestimmen 
müsste und den Widerstand dahingehend dimensionieren müsste?
Oder kann man die 120 Ohm zwischen A und B einfach lassen?

MFG, Max

von Harald W. (wilhelms)


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Max schrieb:

> ich habe mal eine Frage zur Verkabelung eines RS485 Busses.

M.W. kann eine RS485-Schnittstelle mit recht unterschiedlichen
Geschwindigkeiten betrieben werden. Das heisst, bei niedrigen
Geschwindigkeiten und moderaten Entfernungen spielt die Anpas-
sung noch keine Rolle. Je grösser die Geschwindigkeit und die
Länge sind, desto mehr spielt das Kabel eine Rolle. Für bessere
Übertragung würde ich dann eher CAT-Kabel verwenden und für die
beiden RS485 ein verdrilltes Paar.

von Mw E. (Firma: fritzler-avr.de) (fritzler)


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Nich ganz, die Flankensteilheit ist das Problem.
Diese sorgt für Reflektionen und daher gibts eine zur Kabelimpedanz 
angepasste Terminierung.

Wenn keine hohe Baudrate gefahren werden soll, dann sollten RS485 
Transceiver mit geringerer Flankenszeilheit genutzt werden.
Dann steht da was von "Slew-Rate-Limited" im DB, zB beim MAX483.

Trotzdem sollte ein Protokoll gefahren werden welches Bitfehler erkennt.
Minestens mit der Parity vom UART, besser noch eine CRC über ein Paket.

von Max (Gast)


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Moin Moin,

die Übertragungsgeschwindigkeit ist in diesem Fall 19200 baud.
Außerdem handelt es sich um eine Point-To-Point Verbindung. Es gibt also 
genaugenommen gar keinen Bus, sondern immer nur eine direkte Verbindung 
zwischen zwei Transceivern.

Impedanz Unkritisch?

von Max (Gast)


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Mw E. schrieb:
> Diese sorgt für Reflektionen und daher gibts eine zur Kabelimpedanz
> angepasste Terminierung.

Hmm... dann mal nur rein theoretisch:
CAT Kabel oder Koaxleitungen mit einer definierten Impedanz sind ja 
vermutlich dahingehend "kontrolliert". Bei der Fertigung dieser Kabel 
wird dann ja immer die gleiche Impedanz unterm Strich stehen.

Aber bei Steuerleitungen? Z.B. Ölflex Classic 110? Ist die Impedanz da 
nicht eher ein Zufallsprodukt?

von GHz N. (ghz-nerd)


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Zweidrahtleitungen landen geometriebedingt automatisch irgendwo in der 
Grössenordnung 100 Ohm (etwas niedriger wenn eng verdrillt und etwas 
höher wenn lose parallel...)
Eine Terminierung mit 100 ohm wird also Reflexionen in jedem Fall so 
weit reduzieren, dass sie kein Problem darstellen. Bei langen Leitungen 
kommen noch die Verluste dazu, was die Auswirkung reflektierter Wellen 
nochmals abmildert.

von Michael D. (nospam2000)


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Max schrieb:
> Daten mittels RS485 übertragen will.
> Die Leitung ist eine geschirmte 8 x 0.5mm² Gummischlauchleitung.

Es wäre gut, wenn du ein miteinander verdrilltes Adernpaar nutzen 
könntest, dann spielen Stör-Einkopplungen weniger eine Rolle und die 
Impedanz ist klarer.

Möglicherweise sind die 8 Adern paarweise verdrillt, dann du musst nur 
herausfinden welches die Paare sind. Falls nicht, muss es eben auch ohne 
gehen.

 Michael

von Jedzia D. (Firma: Rast und Ruh) (jedzia)


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Im konkreten Fall für ÖLFLEX CLASSIC 110 CY (?) sind ja alle 
Randbedingungen bekannt und dürften engen Toleranzen(VDE Reg. Nr. 7030) 
unterliegen.
Leider hat man keine paarweise verdrillten Adern und somit wirkt der 
Schirm nur gegen äußere Einflüsse. Aber 19200 Baud, 200m und 
symmetrische Übertragung sind ja recht gutmütige Rahmenbedingungen.

https://www.lappkabel.de/produkte/online-kataloge-shop/anschluss-und-steuerleitungen/vielseitige-anwendungen/pvc-mantel-und-nummerierte-adern/oelflex-classic-110-cy.html

von Stefan F. (Gast)


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Wenn die Terminierungswiderstände an beiden Enden des Kabels dem 
Wellenwiderstand des Kabels entsprechen, wird das Signal minimal 
verzerrt.

100 bis 120Ω passen zu Ethernet-, Telefon- und Klingel-Leitung. Den 
exakten Wert kann man sicher beim Hersteller das jeweiligen Kabels 
erfragen.

Oder ausmessen. Auf einem Oszilloskop kann man recht deutlich sehen, 
wenn der aktuelle Widerstand nicht passt.

von Harald W. (wilhelms)


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Stefan ⛄ F. schrieb:

> 100 bis 120Ω passen zu Ethernet-, Telefon- und Klingel-Leitung. Den
> exakten Wert kann man sicher beim Hersteller das jeweiligen Kabels
> erfragen.

Bei einem 8-poligen Kabel und zwei beliebigen Adern dieses Kabels
wird das schwierig. Da sollte man zumindest versuchen, zwei be-
nachbarte Adern zu verwenden.

von Stefan F. (Gast)


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Harald W. schrieb:
> Da sollte man zumindest versuchen, zwei be-
> nachbarte Adern zu verwenden.

Du meinst verdrillte Adernpaare, wie bei diesem Kabel: 
https://www.elektronik-kompendium.de/sites/kom/fotos/10082713.jpg

In manchen Kabel sind mehr als zwei Adern miteinander verdrillt, da 
nimmt man dann die gegenüberliegenden als Paar. Das ist hier sehr gut 
erklärt: 
http://bedienungsanleitung.elektronotdienst-nuernberg.de/impedanz.html

von Harald W. (wilhelms)


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Stefan ⛄ F. schrieb:

> Du meinst verdrillte Adernpaare, wie bei diesem Kabel:
> https://www.elektronik-kompendium.de/sites/kom/fotos/10082713.jpg

Das wäre der Idealfall, aber den gibts wohl nur bei CAT-Kabeln.
Ansonsten haben in mehrdrähtigen Kabeln alle Adern normalerweise
aber ihren festen Platz und werden nicht kreuz und quer geführt.
Das heisst, man kann sich zwei benachbarte Adern aussuchen, die
dann sowohl am Eingang als auch am Ausgang benachbart sind.

von Stefan F. (Gast)


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Harald W. schrieb:
> Das heisst, man kann sich zwei benachbarte Adern aussuchen, die
> dann sowohl am Eingang als auch am Ausgang benachbart sind.

Nein, man verwendet eben nicht benachbarte Adern, sondern 
gegenüberliegende.

Wie gesagt ist das dort erklärt: 
http://bedienungsanleitung.elektronotdienst-nuernberg.de/impedanz.html

 Wenn man das beim Telefon-Netz falsch macht, hörst du den Nachbarn 
sprechen. Bei Datenübertragungen ist der Effekt prinzipiell der gleiche: 
Die Symmetrie ist kaputt, und damit stören sie die Leitungen 
gegenseitig.

von Jürgen W. (Firma: MED-EL GmbH) (wissenwasserj)


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Du mußt die Frage aus der anderen Richtung stellen:

Was ist die Länge des Kabels und wie schnell willst Du übertragen?

Bei einer eff. Lichtgeschw. von 1,5E8m/sec (passt grob für PVC) im Kabel 
und einer Länge wie Deine 200m ist die Laufzeit 1333nsec. Nimm' eine 
Symboldauer 20x höher, also 27usec, und Du brauchst Dir um die 
Terminierung keine Gedanken zu machen - das wären im konkreten Fall 
37500Bd.

Wenn die Wellenlänge eines Symbols 1/10 oder mehr der Leitungslänge 
wird, dann kommst Du um die Terminierung nicht mehr herum - außer das 
Kabel ist stark verlustbehaftet.

Vergiß' aber eines nicht: Wenn das Kabel irgendwo im Boden liegt, dann 
verändert sich je nach Bodenbeschaffenheit die effektive 
Leitungsimpedanz (ist ja kein Koax-Kabel). D.h. es kann Dir passieren, 
daß das Ganze bei trockenem Boden super funktioniert und nach einem 
Dauerregen für ein paar Tage gar nix geht.

von Jedzia D. (Firma: Rast und Ruh) (jedzia)


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Verständnisfrage, Jürgen: Inwiefern soll die Permittivität umliegenden 
Wassers ein wie in diesem Fall abgeschirmtes Kabel beeinflussen? Oder 
irgendwie bei einem nicht abgeschirmten Kreis unterschiedlich auf eine 
Masche wirken, wo diese doch permanent und fest (eben als gebündeltes 
Leitungspaar) physikalisch vorliegt?

von Jürgen W. (Firma: MED-EL GmbH) (wissenwasserj)


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Jedzia D. schrieb:
> Verständnisfrage, Jürgen: Inwiefern soll die Permittivität
> umliegenden
> Wassers ein wie in diesem Fall abgeschirmtes Kabel beeinflussen? Oder
> irgendwie bei einem nicht abgeschirmten Kreis unterschiedlich auf eine
> Masche wirken, wo diese doch permanent und fest (eben als gebündeltes
> Leitungspaar) physikalisch vorliegt?

Sorry, hab' ich wohl übersehen: Ich hab' an ein normales 2-adriges Kabel 
gedacht, nicht an ein geschirmtes.

von georg (Gast)


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Max schrieb:
> Oder kann man die 120 Ohm zwischen A und B einfach lassen?

So grottenfalsch ist das nicht. Man könnte aber auch mit einem Oszi 
prüfen, ob eine saubere Signalform ankommt. Das könnte je nach den 
verwendeten Adern auch leicht unterschiedlich sein, aber wahrscheinlich 
innerhalb der Toleranzgrenzen.

Georg

von georg (Gast)


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Nachtrag:

Lapp gibt für verschiedene NICHT-Nachrichtenkabel Impedanzen von 70 .. 
150 Ohm an.

Georg

von Manuel X. (vophatec)


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Harald W. schrieb:
> Ansonsten haben in mehrdrähtigen Kabeln alle Adern normalerweise
> aber ihren festen Platz und werden nicht kreuz und quer geführt.
> Das heisst, man kann sich zwei benachbarte Adern aussuchen, die
> dann sowohl am Eingang als auch am Ausgang benachbart sind.

Manches Ölflex ist innen Spiralförmig aufgebaut.
Gewiss ist das beim 110 LT und beim 110 CY so. Beim Standard 110 müsste 
man mal nach schauen.


Anschaulich hier:

https://www.youtube.com/watch?v=nMGC2gXZ3FE


Ob das natürlich auswirkungen auf die Impedanz hat? Keine Ahnung. Wenn 
man "probleme" mit der Impedanz hat nimmt man eher selten 
Ölflex/YSLY/etc. ;)

von Max B. (maxmb) Benutzerseite


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1. die Adern werden bei dem Kabel kaum paarweise verdrillt sein. Nimm 
also zwei nebeneinander liegende Adern.

2. Die Lektüre dieses Blog-Artikels ist sinnig: 
https://e2e.ti.com/blogs_/b/analogwire/archive/2016/07/28/rs-485-basics-when-termination-is-necessary-and-how-to-do-it-properly

Da wird sehr schön erklärt wie schnell die Reflektionen abklingen und 
wann Sie als irrelevant angesehen werden können. Quintessenz daraus:

"Networks that do not need termination

One situation in which you don’t need termination networks is when the 
two-way loop time of the network is much greater than a single bit time 
(~<0.1×two-way loop delay). In such scenarios, the reflections will lose 
energy each time they reach an end of the network."

D. h in der Praxis:

Es wäre kein Abschlusswiderstand notwendig, wenn gilt Bitzeit > 10 * 
Schleifenzeit.

Schleifenzeit ist: 2*Länge in Meter*5ns = 2*200*5ns = 2µs

Bitzeit = 1/19200 = ~52µs

52µs > 10*2µs mithin braucht es gar keinen Abschlusswiderstand bei 
deiner Anwendung

3. Ich würde trotzdem Terminierung und Biasing verwenden. Zusätzlich 
etwas gegen Überspannungen tun. Da gibt es einen ganzen Sack voll RS485 
transceiver, die das schon drin haben (MAX13442E, LT1785 und weitere) 
alternativ kann man es selbst basteln.

Gruß,
Max

: Bearbeitet durch User
von georg (Gast)


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Max B. schrieb:
> you don’t need termination networks is when the
> two-way loop time of the network is much greater than a single bit time

Mein Englisch ist auch nicht mehr das, aber müsste das nicht eigentlich 
"smaller" heissen?

Georg

von Halla (Gast)


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Max schrieb:
> Die Leitung ist eine geschirmte 8 x 0.5mm² Gummischlauchleitung.

Wenn das Kabel nicht definiert ist bleibt nur individuelles Einmessen.
Per Oszi verschiedene Abschlüsse bewerten und/oder die Übertragungsrate 
mit verschiedenen Abschlüssen solange hoch drehen bis Fehler kommen.

von Max B. (maxmb) Benutzerseite


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georg schrieb:
> Mein Englisch ist auch nicht mehr das, aber müsste das nicht eigentlich
> "smaller" heissen?

Da hast du recht. Die Gleichung stimmt aber. Der Fehler ist auch im 
Kommentar auf der verlinkten Seite angemerkt worden. Ich hab nur auf die 
Gleichung geachtet..

Gruß,
Max

von Andi B. (andi_b2)


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Slew-Rate-Limited Treiber wie schon am Anfang geschrieben (MAX3072 & 
MAX3082 mag ich gerne) und du wirst bei deinen Rahmenbedingungen da 
niemals störende Reflexionen sehen. Egal ob du nun mit 120 Ohm oder 10 
kOhm abschließt.

von Jacko (Gast)


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Wie <GHz N. (ghz-nerd)>
schon schrieb, bist du mit 100...120 Ohm Terminierung schon
gut dabei. Nennenswerte Störungen gibt es meist erst ab
30...50% Fehlanpassung.

UND ... eine Terminierung dämpft auch Störungen durch
(kapazitiv eingekoppelte) Schaltsignale von den anderen Adern.

von M. K. (Gast)


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RS485 ist extrem gutmütig.
Schliess beide Seiten mit 120R ab und treib die Datenrate so hoch bis Du 
Übertragungsfehler bekommt.
Dann nehm die Hälfte und Du liegst nicht schlecht.
Ohne Fehlererkennung und Retransmission ist das aber immer ein Roulette 
Spiel.
Hängt aber auch davon ab was zugleich auf benachbarten leitungne los 
ist.

Ach ja, führ den GND mit.
Sonst holt der sich den GND Bezug über die Schutzbeschaltung bzw. die 
Transceiver.
Die Eingange können im allgemeinen irgendwo zwischen +12 / -7 V um GND 
wackeln.

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