Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Wie mikroskopische Prozesse im Transistor quantitativ beschreiben?


von Gunnar (Gast)


Lesenswert?

Servus, könnt ihr einem Physikstudiums-Abbrecher auf die Sprünge helfen, 
wo ich eine möglichst knappe und dabei halbwegs vollständige 
Beschreibung finde, welche mikroskopischen Prozesse im Inneren eines 
Transistors eine Rolle spielen?
Da es um eine mikroskopische Beschreibung geht, denke ich dass diese 
erst einmal universell für bipolar- und FE-Transistoren gilt. Korrigiert 
mich, wenn nicht.
Ich bin mit meinem halben Physikstudium hier sozusagen der Einäugige 
unter den Blinden und soll für unser Labor eine Simulation bestimmter 
Prozesse erstellen, die eng mit den Prozessen in Transistoren 
zusammenhängen. Dabei geht es nicht um Ersatzschaltbilder, wie sie in 
SPICE zur Anwendung kommen, sondern ausgehend von den 
Diffusionsgleichungen der Ladungsträger, ihrer Mobilität usw. sowie den 
makroskopischen Dimensionen der Halbleiter sollen Effekte wie 
Spannungsfestigkeit, Sperrströme, Frequenzgang usw. simuliert werden.
Ich erwarte hier natürlich keine Lösung unseres sehr oberflächlich 
beschriebenen Problems. Aber kennt ihr zufällig ein Buch, das die 
benötigten Gleichungen beschreibt, insbesondere diejenigen, die z.B. für 
den Frequenzgang eines Transistors relevant sind?

von Nichtverzweifelter (Gast)


Lesenswert?

Gunnar schrieb: (verknappt)
> knappe und vollständige Beschreibung (der)
> (detaillierten) Prozesse im Inneren eines Transistors

Vergiss es! Füllt ganze Bibliotheken.

knapp und vollständig schliesst sich per se gegenseitig aus!
"komplex" statt "knapp" trifft es. Du willst ja eine "mikroskopische" 
(Grösseneinteilung der...) Betrachtungsweise.

Hier nur jeweils ein paar Suchbegriffe:

"Frequenzgang": Millerkapazität, Basis-Bahnwiderstand (komplex), 
dynamische Sperrschichtkapazität; im Schaltbetrieb: 
Sperrverzögerungszeit (lastabhängig, temperaturabhängig! ); trivial: 
"Ausräumzeit der Ladungsträger".

"Mobilität der Ladungsträger": "High Electron Movability 
Transistors"=HEMT, im Gegensatz dazu die klassischen Transistoren 
herkömmlicher Bauart-en (Mehrzahl!).
Da die Wirkungsweise des klassischen Bipolartransistors eine völlig 
andere ist, als die der HEMT-Transistoren (sitzen in jedem 
Satschüssel-LNB), hättest Du das Diplom für das erfolgreich absolvierte 
Physikstudium bereits dafür verdient, die "High Electron Movability" mal 
eben so knapp und trotzdem vollständig zu beschreiben. Ein Bayer 
gebürtigaus Krummennaab hat genau dafür einen Preis erhalten.
"uralt": Annäherung an die theoretischen Vorgänge ... über die 
"Randschichttheorie" von Halbleiterdioden, hier: Dicke der Sperrschicht 
(ladungsträgerfreien Zone) in Abhängigkeit von der Sperrspannung, 
langsame, eingeschränkte Beweglichkeit der "Löcher"(Elektrondefekt)

Sag mal, will Dich jemand "abschiessen"? Mit diesem Auftrag?

von Wolfgang (Gast)


Lesenswert?

Gunnar schrieb:
> Da es um eine mikroskopische Beschreibung geht, denke ich dass diese
> erst einmal universell für bipolar- und FE-Transistoren gilt. Korrigiert
> mich, wenn nicht.

Die genutzten mikroskopischen und quantenmechanischen Effekt bei BJT und 
FET sind recht verschieden. FETs sind eher mit Röhren verwandt. Das 
sieht man schon an der ganz anderen Kennlinien, verglichen mit einem 
BJT.

von Mani W. (e-doc)


Lesenswert?

Nichtverzweifelter schrieb:
> Sag mal, will Dich jemand "abschiessen"? Mit diesem Auftrag?

Scheint so...

von Egon D. (Gast)


Lesenswert?

Gunnar schrieb:

> Dabei geht es nicht um Ersatzschaltbilder, wie sie in
> SPICE zur Anwendung kommen, sondern ausgehend von den
> Diffusionsgleichungen der Ladungsträger, ihrer Mobilität
> usw. sowie den makroskopischen Dimensionen der Halbleiter
> sollen Effekte wie Spannungsfestigkeit, Sperrströme,
> Frequenzgang usw. simuliert werden.

Das war ungefähr der Inhalt des neunsemestrigen
Diplomstudiums "Physik/Mikroelektronik" in Chemnitz.

von J. S. (engineer) Benutzerseite


Lesenswert?

Egon D. schrieb:
> Das war ungefähr der Inhalt des neunsemestrigen
> Diplomstudiums "Physik/Mikroelektronik" in Chemnitz.

So in etwa. Ich habe auch Richtung Halbleiterelektronik studiert. Wir 
haben bei der Schrödingergleichung angefangen und die Energiezustände in 
Metallen und HL-Kristallen berechnet. Dann kam man zu der 
Besetzungstatistik und zum Ferminiveau, dann mittels unterschiedlicher 
Dotierungen und Betriebsfällen zu Gleichgewichten und unterschiedlichen 
Arten der Injektion und so zu ersten Gleichtungen für die Beweglichkeit 
und die Lebensdauer von Ladungen - je nach Bandzustand und 
differentiellen Stromdichten.

Irgendwann kamen dann mal später die Transistormodelle und der Aufbau 
von PMOS-Transistoren, FETs, Bipolar und Solarzellen, Fotozellen und 
Peltier. Ich erinnere mich noch, dass die Gleichungen für den 
MOS-Transistor über 5 Din A4 Seiten gingen.  Noch später kamen die 
daraus abgeleiteten Transistorgleichungen, die die Normalos lernen, die 
keine Halbleiterelektronik hatten. Diese sind dann wieder überraschend 
kurz :-) Auf dem Weg zu diesen Gleichungen wird nämlich stetig 
vereinfacht, Restglieder weggelassen und linearisiert, um wieder was 
Berechenbares zu erhalten.

Ein kompletter Transistor in einem 3D-Modell mit Dotierung ging damals 
mit einer Micro-VAX im Sekundentakt zu berechnen, d.h. man erhielt als 
Ergebnis alle 20-30 Sekunden einen Punkt in der Kennlinie. Das 
sogenannten SPICE-LEVEL 2 Modell des MOS ging so rund 4-5 
Größenordnungen schneller  (warum wohl :-) )

Ich habe vor einigen Jahren mal eine Berechnung angestellt, wie viel man 
Rechnen muss, um Transistoren in Echtzeit zu berechnen, als es darum 
ging, deren Verhalten in Echtzeit mitzumodellieren. Einen Auszug dazu 
hatte ich ja hier mal gepostet (mit Bezug zur Modellierung von 
Kennlinien mit FPGAs zur Nutzung in der Musik) siehe 
Modellierung analoger Schaltungen. Das Original kann ich aus 
rechtlichen Gründen nicht liefern.

Daran kann man aber sehen, wie aussichtslos es ist, Elektronik aus 
Halbleitern in Echtzeit genau zu simulieren, wenn man wirklich die 
Parameter verwenden will, die die Physik uns gibt. Das waren in den 
damals verwendeten Modellen mindestens 30 und heute hat man sicher noch 
ein bischen mehr. Man muss das immer anwendungspezifisch vereinfachen, 
weglassen und sehr viel trimmen.

Modelle in unterschiedlicher Konfiguration stecken u.a. hier drin:
https://web.archive.org/web/20050319041625/http://home.arcor.de/juergen.schuhmacher/japarameters.html
(in Form von ABM SPICE Blöcken)

sowie hier:
http://www.96khz.org/htm/ladderfiltermodul.htm
(verbesserte Transistor- und Diodenmodelle in 2D)

in einfacherer Form auch hier:
http://www.96khz.org/htm/guitardistorsionvhdl.htm

und in meinen Analogmodellen der Oszillatoren meines VA-Synths. Diese 
sind mehrfach angefasst worden, optimiert und getrimmt, damit wirklich 
ein OP-ähnliches Verstärkungsverhalten herauskommt, inklusive Sättigung 
und Verstärkungs-Bandbreite-Produkt, die in etwa der Realität 
entsprechen.

In diesem Modellen steckt sehr viel Dynamik, was Rechenbedarf angeht, 
z.B. gibt es das Ladder-Filter mit kompletten Transistoren in einer 
Version mit Temperatur, Spannung und Ladungspumpen, welche den erwähnten 
FPGA komplett füllen. Und in Echtzeit geht das auch nur, weil ich mit 
768kHz abtaste, filtere und alles Detailverhalten überhalb von 200kHz 
kille. Schon da wandert das Modell aber schon in dem HF-Verhalten 
20%-30% von dem Ideal weg. Gehe ich weiter runter, wie das bei Audio 
eigentlich gemacht wird, also auf 192kHz summieren sich die kleinen 
Restdifferentiale in Richtung 50%-70%. D.h. man hat überwiegend schon 
ein abweichendes Verhalten.

Man kann sich überlegen, wie genau die noch viel stärker vereinfachten 
Modelle in SPICE oder den Software-Audio-Plugins sind. :-)

: Bearbeitet durch User
von Nichtverzweifelter (Gast)


Lesenswert?

Sehr interessant!

Mich "gruselt" gerade für den Gunnar (TO), weil er etwas weniger vom 
leitenden Zustand, mehr aber vom Sperrzustand geschrieben hat:
- Spannungsfestigkeit
- Sperrströme.
Letztere stark temperaturabhängig.

Daher schliesse ich für mich ab mit der Behauptung:"Unmöglich"

Freilich kann er mit der Einfachstgleichung Ic zu Ib anfangen, aber 
gerade das soll er ja nicht. Die Forderung, geradezu beliebige 
Nebenschauplätze (Sperrströme), beliebige Transistoren (Bipolar, MOSFET, 
J-FET, anreicherungstyp, verarmungstyp, H.E.M.T...) in ein einziges 
Universalmodell zu quetschen, kurz und knapp, MUSS erfolglos bleiben.

von Nichtverzweifelter (Gast)


Lesenswert?

Gunnar hat aber auch nicht geschrieben, worauf "sie" eigentlich 
hinauswollen, in ihrem Projekt...

Ein wenig mehr Info könnte helfen.

von Fpgakuechle K. (Gast)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Gunnar schrieb:
>  Aber kennt ihr zufällig ein Buch, das die
> benötigten Gleichungen beschreibt, insbesondere diejenigen, die z.B. für
> den Frequenzgang eines Transistors relevant sind?

Ich würde mal bei Möschwitzer  und andere Literatur zur Halbkeiterphysik 
anfangen.
https://www.google.com/search?q=M%C3%B6schwitzer+Buch&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwig2OWAk6TsAhVB_aQKHTL4B5AQ_AUoA3oECBMQBQ&biw=2560&bih=1336

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf hat sich meines Wissens mit der 
Ermittlung von Eigenschaften aus Dotierungsprofilen befasst, ansosnten 
mal beim Institut für Materialwissenschaft in Darmstadt nachfragen.

Anbei ein Auszug vom Halbleiterhersteller, als Fingerzeig, was die wie 
berechnen.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


Lesenswert?

Mit dieser kindgerechten Beschreibung wurde mir um 1967 die Funktion des 
(Germanium-)Transistors erklärt:
http://ee.old.no/library/EE20-split-de.pdf
Seiten 13-18 jeweils obere Hälfte, es fängt an mit Löchern und 
Elektronen.

knapp aber alles andere als vollständig.

von Gunnar (Gast)


Lesenswert?

Nichtverzweifelter schrieb:
> Gunnar schrieb: (verknappt)
>> knappe und vollständige Beschreibung (der)
>> (detaillierten) Prozesse im Inneren eines Transistors

Nein, das schrieb ich nicht, sondern:
"*möglichst* knappe und dabei halbwegs vollständige
Beschreibung finde, welche mikroskopischen Prozesse"

> "Frequenzgang": Millerkapazität, Basis-Bahnwiderstand (komplex),
> dynamische Sperrschichtkapazität; im Schaltbetrieb:
> Sperrverzögerungszeit (lastabhängig, temperaturabhängig! ); trivial:
> "Ausräumzeit der Ladungsträger".

Kannst du mir ein Buch empfehlen, das erklärt, woraus sich diese 
Parameter quantitativ ergeben?

Wir können uns auf Bipolartransistoren beschränken, da unsere 
Untersuchungen diesem Aufbau am Ähnlichsten sind. Details zum 
Forschungsprojekt darf ich natürlich nicht bekanntgeben. (Wer damit ein 
Problem hat, möge sich einfach aus der Diskussion heraushalten, sorry). 
Sagen wir einfach, Ziel ist, die genannten Eigenschaften eines 
Bipolartransistors aus seinem Aufbau (chemische Elemente, 
Dotierungsgrad, Ladungsträgerdichte, Abbessungen der Schichten, ...) 
herzuleiten.
Mein Fehler, wenn FETs auch auf mikroskopischer Ebene deutlich anders 
aufgebaut sind als BJTs.

> Sag mal, will Dich jemand "abschiessen"? Mit diesem Auftrag?

Das kann ich nich ausschließen. Ich denke einfach, hier möchten sich 
einige nicht die Blöße geben zu sagen, sie wissen nicht, wie es weiter 
gehen soll. Vielleicht soll ich als Sündenbock herhalten, was mir dann 
aber auch am Allerwertesten vorbei geht, weil ich Alternativen habe. 
Trotzdem interessiert mich das Thema sehr, würde mich also über 
zielführende Literaturangaben freuen.

Danke
Gunnar

von physicist (Gast)


Lesenswert?

Das klingt leider wirklich arg naiv. Sagt Dir TCAD etwas? Z.B. von 
Silvaco? Das macht in etwa was Du willst aber man muss die Grenzen 
kennen. Preis: lass mal den Vertreter kommen, Einarbeitungszeit: >>6 
Monate je nach Vorkenntnissen.

von Gunnar (Gast)


Lesenswert?

Noch eins zur Klarstellung, es geht nicht darum, irgendwelche 
parametrisierten Ib-Ic Kennlinien oder andere an Messungen zu fitten und 
daraus die Parameter des Fits zu bestimmen.
Sondern die Parameter dieser Kurven sollen anhand der physik-basierten 
Simulation der Halbleiter vorhergesagt werden (unter anderem).

Es geht auch nicht darum, ganze elektronische Schaltungen mit 3, 10 oder 
100 Bauteilen zu simulieren, die dieses Element enthalten. Einzig und 
allein das Verhalten des Halbleiterelements abhängig von zeitabhängigen 
Potentialen soll vorhergesagt werden.

von Gunnar (Gast)


Lesenswert?

physicist schrieb:
> Das klingt leider wirklich arg naiv. Sagt Dir TCAD etwas? Z.B. von
> Silvaco? Das macht in etwa was Du willst aber man muss die Grenzen
> kennen. Preis: lass mal den Vertreter kommen, Einarbeitungszeit: >>6
> Monate je nach Vorkenntnissen.

Danke. TCAD ist hier nicht bekannt, soweit ich weiß. Du hast recht, die 
Aufgabe deckt den Bereich Device<->Process Simulation der 
TCAD-Beschreibung ab. Wir sollen aber eher die zugrundeliegenden 
Gleichungen validieren, also keine fertig implementierte Lösung 
einsetzen. Es soll vermutlich auf Ansys Workbench hinauslaufen, wo ich 
die Prozesse implementieren soll.

von physicist (Gast)


Lesenswert?

Gunnar schrieb:
> Wir sollen aber eher die zugrundeliegenden
> Gleichungen validieren, also keine fertig implementierte Lösung
> einsetzen.

Das klingt jetzt so, als ob ihr in die Halbleiter-Grundlagenforschung 
einsteigen wollt (so ne Art bells lab in neu?). Vielleicht solltet ihr 
dann erstmal ein Rudel Halbleiter-Physiker nach dem ersten oder zweiten 
Post-Doc einstellen...

von Nichtverzweifelter (Gast)


Lesenswert?

Guten Morgen Gunnar, ja ich hatte auch ausdrücklich vermerkt, dass ich 
Dein Zitat verknappt, verkürzt wiedergebe.

For dramatization purposes ;-) , wie im Film.
Also, bitte nicht böse nehmen.

Gunnar schrieb:
> Ziel ist, die genannten Eigenschaften eines Bipolartransistors aus
> seinem Aufbau (chemische Elemente, Dotierungsgrad, Ladungsträgerdichte,
> Abbessungen der Schichten, ...) herzuleiten

und genau den, den "internen" Aufbau verraten Dir heutige Hersteller 
kaum "detailliert".

Daher mal eine eingrenzende Frage: Nützt in diesem Zusammenhang die 
Betrachtung historischer Transistoren?

Beispiel: Auf die uralten Germaniumtransistoren OC71 im Glasröhrchen, 
aussen mattschwarz lackiert, war "Valvo" ganz stolz, beschrieb in 
bebilderten Propagandaschriften den Herstellungsprozess 
(Legierungstransistor), die Indiumkügelchen, den Formierstrom, den 
Lacküberzug, Passivierung, Prüfverfahren.

Transistorgenerationen später gab es,
2. Beispiel MESA Transistoren, schnell, "hot", angesagt, UHF-tauglich, 
auch wieder ausführlich beschrieben.

Wieder Generationen später HEXFETs, auch schon 2, 3 Jahrzehnte her. 
Schnell und kräftig gleichzeitig, zwei gern gegenläufige Eigenschaften. 
Also was Neues, verlustarm, schnell, sehr niederohmig. Vorteil: kaum 
HotSpot-Bildung. Damals gerne ausführlich propagiert, in 
Fachzeitschriften behandelt, am Markt gut eingeführt.

Heute habe ich den Eindruck, dass sich die Hersteller (wegen 
Chinaplagiaten) nicht mehr so gern in die Karten schauen lassen.

Müssen es also "neue", zeitgemässe, lieferbare, "übliche" Transistoren 
sein, oder nicht?

Oder genügt gar eine rein theoretische Betrachtung ohne jeden 
apparativen Messaufbau a la "Legierungstransistor ist langsam, weil..." 
oder "Diffusionstypen sind schneller, weil die zu durchlaufende 
Basiszone konstruktiv dünner ist als bei..."

von Gunnar (Gast)


Lesenswert?

physicist schrieb:
> Gunnar schrieb:
>> Wir sollen aber eher die zugrundeliegenden
>> Gleichungen validieren, also keine fertig implementierte Lösung
>> einsetzen.
>
> Das klingt jetzt so, als ob ihr in die Halbleiter-Grundlagenforschung
> einsteigen wollt (so ne Art bells lab in neu?). Vielleicht solltet ihr
> dann erstmal ein Rudel Halbleiter-Physiker nach dem ersten oder zweiten
> Post-Doc einstellen...

Ja, danke für die strategische Hilfestellung. Das ist aber nicht mein 
Aufgabenbereich.
Ist dir eventuell Literatur bekannt, mit der sich das Rudel 
Halbleiter-Physiker beschäftigt hat?

von Gunnar (Gast)


Lesenswert?

Nichtverzweifelter schrieb:
(verkürzt)
> Guten Morgen Gunnar, ja ich hatte auch ausdrücklich vermerkt, dass
> ich
> Dein Zitat verfälscht wiedergebe.
> Also, bitte nicht böse nehmen.
Schon ok, hilft nur kein Stück weiter.

>
> Gunnar schrieb:
>> Ziel ist, die genannten Eigenschaften eines Bipolartransistors aus
>> seinem Aufbau (chemische Elemente, Dotierungsgrad, Ladungsträgerdichte,
>> Abbessungen der Schichten, ...) herzuleiten
>
> und genau den, den "internen" Aufbau verraten Dir heutige Hersteller
> kaum "detailliert".

Wir brauchen auch nicht den Aufbau irgendwelcher kommerziellen 
Halbleiter. Die von uns verwendeten Elemente werden nach unseren 
Vorgaben gefertigt.

> Daher mal eine eingrenzende Frage: Nützt in diesem Zusammenhang die
> Betrachtung historischer Transistoren?

ja

> Müssen es also "neue", zeitgemässe, lieferbare, "übliche" Transistoren
> sein, oder nicht?

Es geht überhaupt nicht um bereits vorhandene Transistoren, sondern nur 
um die zugrundeliegenden Prozesse.

> Oder genügt gar eine rein theoretische Betrachtung ohne jeden
> apparativen Messaufbau a la "Legierungstransistor ist langsam, weil..."
> oder "Diffusionstypen sind schneller, weil die zu durchlaufende
> Basiszone konstruktiv dünner ist als bei..."

ja, allerdings brauchen wir Gleichungen (quantitativ!), mit denen wir 
unsere Elemente simulieren können. Konzeptionelle oder vergleichende 
Beschreibungen allein helfen kaum, wenn sich daraus keine Bewegungs- 
oder Transportgleichungen formulieren lassen.

von physicist (Gast)


Lesenswert?


von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


Lesenswert?

Mir ist noch der Begriff Gummel-Poon eingefallen, aber das ist eher eine 
"makroskopische" oder verhaltensbeschreibende Modellierung.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ersatzschaltungen_des_Bipolartransistors#Gummel-Poon-Modell

von Gunnar (Gast)


Lesenswert?

physicist schrieb:
> https://tcadcentral.com/Software.html
>
> --> Bibliography

Danke, TCAD ist anscheinend ein gutes Stichwort. Die existierenden 
Open-Source Implementierungen klären hoffentlich etliche meiner Fragen.
Soweit ich sehe, werden die Prozesse hauptsächlich als Diffusion 
beschrieben. Was ist mit Frequenzen, bei denen sich die Ladungsträger um 
weniger als die freie Weglänge schwingen? Werden diese in irgendwelchen 
TCAD-Produkten berücksichtigt (wenn ja, welche)?

von Elias K. (elik)


Lesenswert?

Literatur:
Reisch: Elektronische Bauelemente
Sze: Physics of Semiconductor Devices
Sze: Semiconductor Devices: Physics and Technology
Kwok Ng: Complete Guide to Semiconductor Devices

Die meisten konzentrieren sich eher auf den MOSFET, da dieser die 
letzten Jahrzehnte der Standard in der Mikroelektronik war.

Auch empfehlenswert ein Blick auf das BSIM3v3 Modell für integrierte 
planare MOSFETs. Dafür gibt es die Doku online. Für die neueren Modelle 
nicht mehr. Die Gleichungen in dem Modell orientieren sich an den 
physikalischen Vorgängen.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


Lesenswert?

Elias K. schrieb:
> Sze: Physics of Semiconductor Devices

Das Buch kann ich auch empfehlen, auch wenn es technisch nicht mehr auf 
dem aktuellen Stand ist.

> Sze: Semiconductor Devices: Physics and Technology
> Kwok Ng: Complete Guide to Semiconductor Devices

Das scheinen wohl die entsprechend aktualisierten Versionen des obigen 
Buches zu sein. Wie steht auch so schön in der Beschreibung:

"This classic reference provides detailed information on the underlying 
physics and operational characteristics of all major bipolar, unipolar, 
special microwave, and optoelectronic devices. It integrates nearly 
1,000 references to important original research papers and review 
articles, and includes more than 650 high-quality technical 
illustrations and 25 tables of material parameters for device analysis."

Übersetzt heißt das natürlich: "Wenn Du dieses Buch durchgelesen hast 
und meinst, die Inhalte auch nur ansatzweise verstanden zu haben, 
täuschst Du Dich. Erst nach dem Lesen und Verstehen der 23.000 Seiten an 
Primärliteratur darfst Du ganz vorsichtig Deinen Status von 'Anfänger' 
auf 'Fortgeschrittener" wechseln."

von Mohandes H. (Firma: مهندس) (mohandes)


Lesenswert?

Christoph db1uq K. schrieb:
> Mit dieser kindgerechten Beschreibung wurde mir um 1967 die Funktion des
> (Germanium-)Transistors erklärt:
> http://ee.old.no/library/EE20-split-de.pdf

Ist doch eine gute kind/jugendgerechte Erklärung.

Auch tolle Titelseite: Flugzeuge, Raumschiffe, ...

Erinnert mich an den Kosmos 'Radiomann', den ich Mitte der 60er bekam. 
Transistor war ein OC612. Mit diesem Kasten (und folgenden) war meine 
Leidenschaft zu Elektronik und Funktechnik geweckt - die bis heute 
andauert! In dem Moment wo ich im Kopfhörer das erste Mal mit einem 
selbstgebauten Radio Stimmen und Musik hörte war mein Schicksal 
besiegelt ...

von J. S. (engineer) Benutzerseite


Lesenswert?

Gunnar schrieb:
> "*möglichst* knappe und dabei halbwegs vollständige
> Beschreibung finde, welche mikroskopischen Prozesse"

Das sind aber sich widersprechende Forderungen. Z.b. zeigt das von 
Küchle gelinkte Dokument eben schon eine recht übersichtliche 
Darstellung von Formeln, bei denen ich aber 2 direkt als stark 
vereinfacht identifiziere. Das ist weit weg von "mikroskopisch".

Man muss sich vor Augen halten, dass Silizium ein eigentlich schlechter 
Leiter ist und bei Leitungsvorgängen einen Haufen an kapazitiven 
Feldeffekten aufwirft und das schon im gleichmäig dotierten Gebiet. 
Daher gibt es da Stromverdrängung, Oberflächeneffekte, Feldreflektionen 
die stark von der 3D-Geometrie abhängen. Selbst bei einer scheinbar 
konstanten Stromdichte führt das schon zu Gleichungen die nur noch 
numerisch lösbar sind. Und die Stromdichten sind nicht gleich, weil die 
Dotierung nicht gleich ist und schnell ändernde Ströme noch zu Moden- 
und Welleneffekten führen. Ab 10 MHz/mm wird es spannend.

Ja und dann haben wir noch die Übergänge von Leiter zu Halbleiter und 
den dort auftretenden Generations- Rekombinationseffekten.

Christoph db1uq K. schrieb:
> Mit dieser kindgerechten Beschreibung wurde mir um 1967 die Funktion des
> (Germanium-)Transistors erklärt:
Garagenmodell? Ich bevorzuge ein von mir erdachtes Theatermodell. Die 
Gänge ausserhalb des Saals sind die Leitungen mit den Elektronen 
(Menschen). Der Saal selber mit seinen Sitzplätzen ist der Halbleiter. 
Stehende Personen (Elektronen im Leitungsband) können durch die Reihen 
laufen und sitzende Personen (im Valenzband) rücken langsam von Platz zu 
Platz und geben das "Loch" weiter. Damit erklärt sich die bessere 
Leitungsfähigkeit, wenn Personen aufstehen und den Quantenzustand 
wechseln und es erklärt die erforderliche Generationsrate an der Seite 
zum Gang, wenn Elektron-Loch-Paare erzeugt werden, indem sich Personen 
hinsetzen bzw alle sitzenen aufstehen müssen, nachdem sie durchgerückt 
sind.

Christoph db1uq K. schrieb:
> Gummel-Poon

Ja, der hier in der Tat einfach und parametrisch. Den habe ich hier 
verwurstet:
http://www.96khz.org/htm/ladderfiltermodul.htm

von Wolfgang (Gast)


Lesenswert?

Gunnar schrieb:
> Ist dir eventuell Literatur bekannt, mit der sich das Rudel
> Halbleiter-Physiker beschäftigt hat?

Wenn das halbwegs aktuell sein soll, wird das als Firmen Know How eher 
nicht in einem dicken Wälzer nachzulesen sein, sondern in firmeninternen 
Berichten.

von J. S. (engineer) Benutzerseite



Lesenswert?

Andreas S. schrieb:
> Erst nach dem Lesen und Verstehen der 23.000 Seiten an
> Primärliteratur darfst Du ganz vorsichtig Deinen Status von 'Anfänger'
> auf 'Fortgeschrittener" wechseln."

Naja, es kommt wohl am Ende darauf an, wie genau die Modelle sein 
müssen. Wenn man sich auf den jeweiligen HL-Typ und Anwendungsfall 
beschränkt, reduziert sich das Ganze wahrscheinlich auf 1% und die paar 
100 Seiten kann man sicher mal lesen. Habe ich auch schon machen müssen. 
Sind halt jedesmal andere.

Es kommt auch sehr darauf an, welche Effekte man simulieren will. 
Beispiel Diodenmodell, da kommt es sehr auf Erwärmung und Sättingung im 
Grenzbereich an, sofern der bei der konkreten Schaltung erreicht wird.

Wenn man das für den Zweck "Audio" berechnen will, kann man mit einem 
sehr einfachen Modell auskommen, dessen Funktion sich mit nur zwei 
Multiplizierern bauen lässt und stückweise / ausschnittweise verlängern 
verwenden lässt, z.B. mit fortgesetztem linearen Verhalten ab dem Punkt, 
wo die Steigung = 1 ist, (also der Gradient stimmt) oder mit Sättigung 
(Steigung geht exakt auf Null).

Das Modell erzeugt in der Tat die typischen Halbleiter-spezifischen 
starken Verzerrungen in der 3.Oberwelle und die relativ hohen 
Verzerrungen bei geringer Aussteuerung.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


Lesenswert?

Jürgen S. schrieb:
> Andreas S. schrieb:
>> Erst nach dem Lesen und Verstehen der 23.000 Seiten an
>> Primärliteratur darfst Du ganz vorsichtig Deinen Status von 'Anfänger'
>> auf 'Fortgeschrittener" wechseln."
>
> Naja, es kommt wohl am Ende darauf an, wie genau die Modelle sein
> müssen. Wenn man sich auf den jeweiligen HL-Typ und Anwendungsfall
> beschränkt, reduziert sich das Ganze wahrscheinlich auf 1% und die paar
> 100 Seiten kann man sicher mal lesen. Habe ich auch schon machen müssen.
> Sind halt jedesmal andere.

Es ging bei meiner Formulierung nicht um die Anforderungen des TE, 
sondern um eine Übersetzung der Inhaltsbeschreibung eines der genannten 
Lehrbücher. Und dort wird ja ausdrücklich auf die nahezu 1.000 zitierten 
Quellen hingewiesen.

Der Anspruch des TEs bestand ja aber auch darin, dank reduzierter 
physikalischer Vorkenntnisse ein um so vollständigeres einheitliches 
Modell für alle Halbleiterbauelemente zu erstellen. Wenn ich als 
Medizinstudent schon Probleme hätte, mir den Citratzyklus zu 
verinnerlichen, könnte ich genauso sagen: "Ach, dann breche ich eben 
mein Medizinstudium ab und arbeite künftig als Endokrinologe."

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.