Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Datenblatt von Schrittmotor verstehen und Treiber finden


von Sebastian M. (meeresgott)


Lesenswert?

Hallo zusammen,

ich habe zehn Schrittmotoren vom Typ 42BYGHW609 geschenkt bekommen. Ich 
habe bisher noch nie mit Schrittmotoren gearbeitet und wollte mir das 
Datenblatt mal anschauen. Ich habe folgendes gefunden:

1. 
http://www.promoco-motors.com/products/StepperMotors/42BYGHW%20Series.pdf
2. 
https://www.openimpulse.com/blog/wp-content/uploads/wpsc/downloadables/42BYGHW609-Stepper-Motor-Datasheet1.pdf
h3. 
https://www.my-home-fab.de/en/documentations/technical-descriptions/technical-data-for-nema-17-42byghw609

Ich verstehe leider ein paar der Angaben nicht. Im 2. Datenblatt ist ein
"Rate Voltage (Ur)", "Rate Current (ir)" und Phase Resistance(Rp) 
gegeben.

Ur = 3,4V
ir = 1,7A
Rp = 2Ohm

Uri gilt also auch hier bisher nichts "neues":
Ur = ir*rp = 1,7A * 2Ohm = 3,4V

Was ich allerdings nicht verstehe ist der Graph auf der ersten Seite. 
Dieser Zeigt N/cm gegen PPS auf und oben rechts ist folgendes Vermerkt:

"42BYGHW609 1.7A 24V Halft Step Constant Current Driver"

Und diese Angabe Verstehe ich nicht. Ich bin davon Ausgegangen, dass ich 
den Motor mit 3,4V betreiben soll. Wie kann man jetzt an den Motor 24V 
anlegen und "nur" auf 1.7A kommen? Müssten da nicht eigentlich 12A 
fließen? Übersehe ich hier was?

von Johannes S. (Gast)


Lesenswert?

Sebastian M. schrieb:
> Übersehe ich hier was?

Ja, den Chopperbetrieb.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Chopper-Steuerung

von Wolfgang (Gast)


Lesenswert?

Sebastian M. schrieb:
> Und diese Angabe Verstehe ich nicht. Ich bin davon Ausgegangen, dass ich
> den Motor mit 3,4V betreiben soll.

Wie kommst du da drauf?
Das erzeugte Magnetfeld, das für die treibende Kraft zuständig ist, ist 
proportional zum Strom. Du willst den Motor also sinnvollerweise mit dem 
angegebenen Strom (rated current) betreiben, um den Motor auszunutzen. 
Rated Voltage ist der falsche Ansatz.

von Sebastian M. (meeresgott)


Lesenswert?

Um also einen Schrittmotor mit 24V und den Vorzügen einer 
Chopper-Steuerung zu verwenden (hatte mich schon gefragt, wie ich an 
3,4V mit dem Strom außerhalb eines Labor Netzteils komme und es mir 
umständlich vorgestellt). Kann ich einfach einen Treiber wie den A4988 
verwenden auf 1.7A einstellen (mit Kühler, da > 1A) und mit 24V 
betreiben?

Wolfgang schrieb:
> Wie kommst du da drauf?
> Das erzeugte Magnetfeld, das für die treibende Kraft zuständig ist, ist
> proportional zum Strom. Du willst den Motor also sinnvollerweise mit dem
> angegebenen Strom (rated current) betreiben, um den Motor auszunutzen.
> Rated Voltage ist der falsche Ansatz.

Um ehrlich zu sein bin ich einfach Naiv davon ausgegangen, dass sich ein 
Schrittmotor zumindest eine Spule vom Ihm so verhält wie ein Widerstand, 
da ja nur DC Spannung drauf gibt und somit keinen komplexen Anteil 
erhält. Dachte einfach, dass es egal ist ob 3,4V oder 1,7A da der 
Widerstand 2Ohm ist. Aber das scheint dann wohl doch nicht ganz so zu 
funktionieren.

von MaWin (Gast)


Lesenswert?

Sebastian M. schrieb:
> Wie kann man jetzt an den Motor 24V anlegen und "nur" auf 1.7A kommen

Durch einen stromregelnden Mikroschritttreiber, wie heute üblich.
Die 24V erlauben, dass der Strom trotz der Motorinduktivität schnell 
steigt, hat er 2.4A (Spitzenstrom von 1.7Arms) erreicht, schaltet der 
Chopper ab damit der Strom nicht weiter steigt.

Dein Mikroschritttreiber muss also auf 2.4A einstellbar sein, wenn du 
volles Frehmoment und Tempo laut Datenblatt erreichen willst, dabei wird 
der Motor aber auch 70 HradC wärmer.

von Theor (Gast)


Lesenswert?

Das hat, vereinfacht gesagt, damit zu tun, dass der Strom auch (d.h. 
nicht nur) vom Last-Drehmoment abhängig ist.

Mit diesem Treiber wird versucht unabhängig vom Last-Drehmoment den 
maximalen Strom von 1,7A durch die Spule zu treiben. Je höher das 
aufzubringende Drehmoment ist, desto höher ist der effektive 
"Widerstand" der Spule.

Das scheint zunächst ein Widerspruch zu sein, denn der ohmsche 
Widerstand ist doch mit 20Ohm angegeben. Aber die zu bewegende Last 
erhöht, in einem übertragenen Sinn, diesen Widerstand.

Eine Konstantstromquelle (darum handelt es sich hier im wesentlichen) 
kann den Strom, bei höher werdendem Widerstand nur konstant halten, in 
dem sie die Spannung erhöht. Das ist Dir vermutlich schon bekannt. Daher 
die "zu hohe" Spannung.

Achtung: Diese Antwort ist in verschiedener Hinsicht vereinfacht und 
oberflächlich.

von Sebastian M. (meeresgott)


Lesenswert?

MaWin schrieb:
> Die 24V erlauben, dass der Strom trotz der Motorinduktivität schnell
> steigt, hat er 2.4A (Spitzenstrom von 1.7Arms) erreicht, schaltet der

Und man muss mit dem Spitzenstrom rechnen. Gut, dass du das nochmal 
erwähnt hast. Also ist meine Idee mit dem A4988 auch schon hinfällig.

Theor schrieb:
> Mit diesem Treiber wird versucht unabhängig vom Last-Drehmoment den
> maximalen Strom von 1,7A durch die Spule zu treiben. Je höher das
> aufzubringende Drehmoment ist, desto höher ist der effektive
> "Widerstand" der Spule.

Vielen dank, glaube zumindest jetzt eine Ahnung zu haben, wieso es 
funktioniert.

von Wolfgang (Gast)


Lesenswert?

Sebastian M. schrieb:
> Um ehrlich zu sein bin ich einfach Naiv davon ausgegangen, dass sich ein
> Schrittmotor zumindest eine Spule vom Ihm so verhält wie ein Widerstand,
> da ja nur DC Spannung drauf gibt und somit keinen komplexen Anteil
> erhält.

Eine Spule verhält sich wie eine Spule. Bei Bewegung in einem Magnetfeld 
wird in der Spule eine Spannung induziert. Und jede Änderung des Stromes 
(z.B. beim Umschalten des Bestromungsmusters durch den Treiber) 
induziert ebenfalls eine entgegengerichtete Spannung(Selbstinduktion). 
Damit deine anliegende Spannung trotzdem den Strom aufbauen kann, muss 
sie also größer als die induzierte Spannung sein. Mit 24V 
Betriebsspannung schaffst du eine Reserve, damit das auch bei höheren 
Schrittfrequenzen noch klappt. Wieviel Drehmoment der Motor dann noch 
aufbauen kann, zeigen die Graphen auf zweiten Seite.

von Sebastian M. (Gast)


Lesenswert?

Wolfgang schrieb:
> Eine Spule verhält sich wie eine Spule. Bei Bewegung in einem Magnetfeld
> wird in der Spule eine Spannung induziert.

Ich weiß nicht, was ich für ein Brett vor dem Kopf gehabt habe aber der 
Aspekt war mir am Anfang des Threads nicht aufgefallen. Irgendwie dachte 
ich einfach an die Induktivitäten die man verwendet für Schwingkreise 
nicht aber, dass Energie aus dem System genommen wird via Magnetismus 😅 
einfach Gedanklich verrannt



Habe mich mal ein wenig umgeschaut, was es für Treiber gibt die 
Stromtechnik in Frage kommen und da ist mir sofort der TB6600 
aufgefallen.



Allerdings scheint er nicht ganz so 100% tig zu passen, da man bei 
diesem nur 2A mit peak 2.2A oder 2.5A mit Peak 2.7A einstellen kann.
Wie sähe da die bessere Konfiguration aus? Meine Intuition würde sagen 
ich solle lieber 2A nehmen um den Motor zu schonen und der Treiber würde 
dann halt weniger Strom durch lassen. Liege ich mit der Vermutung 
richtig oder würde der Motor den Treiber kaputt machen, da dieser mehr 
ziehen möchte als eingestellt ist?



Ich bin auch auf den DM542 gestoßen bei dem man einen Strom von 2.37A 
(Peak) einstellen kann. Wo ich mich jetzt Frage damit das 2,404A  Peak 
von 1.7A oder ein anderes Meinen. Beim TB6600 steht schließlich 2.0A mit 
Peak 2.2A aber 2.0*sqrt(2) sind ungleich 2.2A wäre also möglich, dass 
die bei dem DM542 ein anderes Peak meinen? Oder habe ich mich jetzt 
komplett verlaufen?

dm542: 
https://www.amazon.de/dp/B07L3YHW67/ref=cm_sw_r_cp_apa_fabc_YnRZFb29RP6E4
 TB6600:
https://de-m.banggood.com/TB6600-Upgraded-Stepper-Motor-Driver-Controller-for-4A-9~40V-TTL-32-Micro-Step-2-or-4-Phase-of-42-or-57-Stepper-Motor-3D-Printer-CNC-Part-p-1453122.html

von Maxe (Gast)


Lesenswert?

Sebastian M. schrieb:
> Wolfgang schrieb:
>> Eine Spule verhält sich wie eine Spule. Bei Bewegung in einem Magnetfeld
>> wird in der Spule eine Spannung induziert.
>
> Ich weiß nicht, was ich für ein Brett vor dem Kopf gehabt habe
> [...]
> nicht aber, dass Energie aus dem System genommen wird via Magnetismus

Das ist aber nicht der Knackpunkt. Auch bei lastfreiem Betrieb, also im 
Leerlauf, ist die Drehzahl durch die Spannung begrenzt. Wie Wolgang im 
weiteren geschrieben hat geht es um die Selbstinduktion. Die 
Antriebskraft ist naemlich etwa proportional zum Strom, der Strom muss 
aber beim Ueberschreiten jedes Schrittes umgedreht werden. Die 
Selbstinduktion wirkt dagegen. Die PPS im Diagramm (habs nicht 
angeschaut), sind wohl Pulse pro Sekunde. Bei einem Schrittmotor mit 200 
Schritten/Umdrehung hat man bei einer Drehzahl von 1000u/min= 16,6u/s 
schon 3200 Schritte pro Sekunde, der Strom muss 3200 mal pro Sekunde 
umgepolt werden und soll auch noch die gewuenschte Stromstaerke 
erreichen. Mit 5V reicht die Zeit dazu nicht.

von michael_ (Gast)


Lesenswert?

Sebastian M. schrieb:
> Und man muss mit dem Spitzenstrom rechnen. Gut, dass du das nochmal
> erwähnt hast. Also ist meine Idee mit dem A4988 auch schon hinfällig.

Kannst du nehmen.
Der Motor wird nur nicht seine volle Leistung erreichen können.
Wenn es für deine Anwendung reicht, geht es.

von MaWin (Gast)


Lesenswert?

Sebastian M. schrieb:
> würde der Motor den Treiber kaputt machen, da dieser mehr ziehen möchte
> als eingestellt ist?

Nein, umgekehrt, der Treiber macht den Motor (durch Überhitzung) kaputt, 
wenn er erst bei zu hohem Strom begrenzt.

Weniger Strom vom Treiber durch den Motor zu schicken ist immer möglich, 
das Drehmoment sinkt entsprechend.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.