Forum: Haus & Smart Home Kabelschellen und Biegeradius bei Datenleitungen


von Mathias B. (Gast)


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Hallo Leute,

Ich habe mir heute mal dieses Video hier von einem Elektriker 
angeschaut: https://youtu.be/EWnuIbv2BwU

Der Typ erzählt dort, dass man keine Kabelschellen verwenden darf, wenn 
man Datenkabel (also Coax und Cat) verlegt. Ebenso muss man den 
Biegeradius beachten, sonnst würde das Kabel nicht „gescheit“ 
funktionieren.

Ich frage mich, in wie weit es richtig ist.
Ich habe bei mir im Haus z.T. 10GbE über Kupfer. Und das Kabel wurde 
ebenso mit Kabelschellen verlegt. Ergebnis: Endgerät zu Endgerät 
schaffen 9,8GbE. Und bei der Installation wurde auch der Biegeradius 
definitiv nicht immer eingehalten. Ich wüsste auch nicht, wieso sich 
etwas an der Cat7 Leitung verändern sollte.

Und bei Coax sieht es doch genauso aus. Ich habe zum Einen noch nie 
davon gehört, dass man das Dielektrikum im Kabel irgendwie durch eine 
Kunststoff-Kabelschellen quetschen kann. Und ich kann mir kaum 
vorstellen, dass dies irgendwelche Auswirkungen hat. In der Regel sind 
die ganzen Signale, die wir so haben, absolut übersteuert für unsere 
heutige digitale Empfangstechnik DVB-C/-S. Deshalb kann ich mir nicht 
vorstellen, dass nur durch das quetschen der Leitung etwas auf ein Mal 
nicht funktioniert.

Wie ist euere Meinung dazu?

von Onkel Hotte (Gast)


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Nagelschellen und nicht einhalten von Biegeradien sind handwerklicher 
Pfusch. Denke nicht in "Strom", denke in "HF", dann wirds klar.

von Mathias (Gast)


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Onkel Hotte schrieb:
> Denke nicht in "Strom", denke in "HF", dann wirds klar.

Ist denn eine Cat Leitung überhaupt eine HF Leitung?
Was passiert denn, wenn ich eine Cat7 Leitung mit Kabelschellen 
befestige?

Beitrag #6514638 wurde vom Autor gelöscht.
von Hubert G. (hubertg)


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Mathias schrieb:
> Was passiert denn, wenn ich eine Cat7 Leitung mit Kabelschellen
> befestige?

Solange du Schellen mit der passenden Größe verwendest, passiert gar 
nichts.

von Sebastian R. (sebastian_r569)


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Der Biegeradius darf nur nicht zu klein sein, weil dann bei den 
Geschwindigkeiten die Daten durch die Fliehkräfte aus der Kurve fliegen. 
Gibt aber verschiedene Möglichkeiten, das zu kompensieren.

(Ich hoffe, diesen Insider kenne nicht nur ich :D)

von Mathias (Gast)


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Sebastian R. schrieb:
> (Ich hoffe, diesen Insider kenne nicht nur ich :D)

Ist seit Snowden nur leider nicht so ganz witzig, da Realität.

von pulsewidthmodul (Gast)


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Mathias schrieb:
> Ist denn eine Cat Leitung überhaupt eine HF Leitung?

Es kommt darauf an, wie man HF definiert. CAT7 ist bis 600 MHz 
spezifiziert, CAT7A sogar bis 1 GHz. Das Problem bei Nagelschellen und 
auch bei zu kleinem Biegeradius ist, dass man die Verdrillung der Leiter 
im Kabel verändert und sich an dieser Stelle HF-Mässig die Impedanz 
ändert. An solchen Stoßstellen werden Signale reflektiert und das ganze 
Signal wird negativ beeinflusst.

In der Regel sind das dann die Fehler die zu zufälligem Fehlverhalten 
des Netzwerkes führen.

von Vril (Gast)


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Mathias B. schrieb:
> Ich habe bei mir im Haus z.T. 10GbE über Kupfer. Und das Kabel wurde
> ebenso mit Kabelschellen verlegt. Ergebnis: Endgerät zu Endgerät
> schaffen 9,8GbE.

10GbE?
Also unter 400GbE käme bei mir nix ins Haus!

LOL

Duck und weg

von never ever (Gast)


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von Reinhard S. (rezz)


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Mathias B. schrieb:
> Und bei Coax sieht es doch genauso aus. Ich habe zum Einen noch nie
> davon gehört, dass man das Dielektrikum im Kabel irgendwie durch eine
> Kunststoff-Kabelschellen quetschen kann. Und ich kann mir kaum
> vorstellen, dass dies irgendwelche Auswirkungen hat.

Also ein Messgerätehersteller nennt Nagelschellen als klassische 
Fehlerquelle.

von Mathias (Gast)


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pulsewidthmodul schrieb:
> Es kommt darauf an, wie man HF definiert. CAT7 ist bis 600 MHz
> spezifiziert, CAT7A sogar bis 1 GHz.

Es kommt ja nicht darauf an, wie die Leitung spezifiziert ist, sondern 
das Protokoll, was man auf der Leitung fährt. 1GbE sind es 250 MHz, 
10GbE sind 500 MHz.

pulsewidthmodul schrieb:
> Das Problem bei Nagelschellen und
> auch bei zu kleinem Biegeradius ist, dass man die Verdrillung der Leiter
> im Kabel verändert und sich an dieser Stelle HF-Mässig die Impedanz
> ändert. An solchen Stoßstellen werden Signale reflektiert und das ganze
> Signal wird negativ beeinflusst.

Ja, aber wie hoch ist denn der negative Einfluss? So rein vom Gedanken 
dürfte Gedöns wie ein PoE Injector am Ende einer Leitung eine weitaus 
größere Leitungsstörung darstellen, als 20 Kabelschellen entlang der 
Leitung.

pulsewidthmodul schrieb:
> In der Regel sind das dann die Fehler die zu zufälligem Fehlverhalten
> des Netzwerkes führen.

Wieso führt das zu einem zufälligem Fehlverhalten im Netzwerk? Wenn es 
zu vielen Übertragungsfehlern im Netzwerk kommt, die auf Layer 1 Fehler 
zurück zu führen sind, schrauben die PHY die Geschwindigkeit herunter, 
so wird dann aus 1GbE auf einmal 100MBit. Grade erst bei einem defekten 
Netzwerkkabel zwischen Dose und AP erlebt. Der AP ist ständig auf 
100MBit zurückgefallen. Ursache war ein schrottiges Cat5E Kabel.

von Matthias L. (limbachnet)


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Reinhard S. schrieb:
> Also ein Messgerätehersteller nennt Nagelschellen als klassische
> Fehlerquelle.

Eine ins Messgerät genagelte Schelle ist wohl eine offensichtliche 
Fehlerquelle.     SCNR.

Ich denke, dass hier auch einiges an Hersteller-Absicherung im Spiel 
ist. Der Hersteller spezifiziert seine Leitungen als tauglich für 
soundsoviel MHz bei soundsowenig Einstrahlung bzw. Abstrahlung, 
soundsoviel Dämpfung pro Meter bei diversen Frequenzen und so weiter.

Diese Werte einzuhalten ist jetzt nicht sooooo trivial, daher ist 
nachvollziehbar, wenn der Hersteller auch die Rahmenbedingungen 
detailliert vorgibt.

In der Praxis latscht auf der Baustelle jemand vor dem Einziehen ein 
paar Mal übers Kabel, der Biegeradius in der Zimmerecke ist dezent 
unterschritten, das Messprotokoll - soweit vorhanden - zeigt trotzdem 
nur leichte Mängel und funktionieren tut's problemlos. Meistens. Und 
wenn nicht, dann ist zumindest der Leitungs-Hersteller aus dem 
Schneider, wenn seine böse deformierte Strippe aus der Wand gezogen 
wurde...

von Gustl B. (-gb-)


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Mathias B. schrieb:
> von einem Elektriker

Da habe ich folgende Erfahrung gemacht:

Der Großteil ist sehr kompetent. Ein kleinerer Teil ist nur teilweise 
kompetent (z. B. alles mit Strom aber hat wenig Ahnung von Netzwerk, 
...) und gibt zu wenn er von etwas keine Ahnung hat. Dann gibt es ein 
paar die wollen Geld verdienen und behaupten dazu einfach etwas um mehr 
verkaufen zu können. Sowas wie "Nein in dieses alte Leerrohr kann man 
keine Zwei Netzwerkkabel einziehen, die würden sich stören, da schlagen 
wir noch einen Kanal." Habe die Kabel dann selber eingezogen, 
funktioniert. Oder "Das ist ein Schlafzimmer, da sollte der Strom 
komplett abschaltbar sein und auch nicht um das Bett herum laufen, da 
schläft man sonst schlecht."
Und dann gibt es welche, aber auch nur wenige, die haben keine Ahnung 
und behaupten irgendwas statt zuzugeben, dass sie keine Ahnung haben. 
Mir wollte einer mal erzählen, dass man im Netzwerk keine zwei Switches 
hintereinander schalten darf (also kaskadieren).
Das sind aber alles recht kleine Gruppen, der Großteil hat Ahnung und 
macht gute Arbeit. Über den liest man aber leider nix weil sich da eben 
keiner beschwert.

von Onkel Hotte (Gast)


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Matthias L. schrieb:
> [...] und funktionieren tut's problemlos. Meistens.

Eben, meistens. Bei einer völlig unvorhersehbaren Mischung beliebig 
vieler Netzwerkgeräte von beliebig vielen Herstellern können beliebig 
viele (seltsame) Fehler auftreten. Natürlich nur sporadisch, sonst wärs 
zu einfach. Viel Spaß beim Suchen.

Zu enge Knicke, Quetschungen und sogar Abzweige in Kabeln kann man 
problemlos messen. Ob's stört, hängt von der Nutzfrequenz ab. 50 Hz sind 
kaum anfällig, bei einigen 100 Mhz sieht das schon ganz anders aus. 
Deswegen bringen viele Schlitzeklopper auch keine gescheiten Netze hin.

Wer es genauer wissen will, googelt nach "Impulsreflektometer" und 
schaut sich dazu noch die Messmöglichkeiten professionellen Equipments 
an.

Ich bleibe dabei: Nagelschellen und enge Biegeradien sind 
Heimwerker-Murks.

von Walter K. (walter_k488)


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Am besten die Netzwerkkabel in einzeln geerdete StaPa Rohre rein ;-)

von Gustl B. (-gb-)


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Onkel Hotte schrieb:
> Ich bleibe dabei: Nagelschellen und enge Biegeradien sind
> Heimwerker-Murks.

Hm, ob "Murks" oder nicht würde ich nicht an solchen einfachen Regeln 
wie "Nagelschelle oder nicht", "enger Biegeradius oder nicht" 
festmachen.

Solche einfachen Regeln sind aber trotzdem sehr sinnvoll, denn wenn man 
sich daran hält, ist man mit Sicherheit auf der sicheren Seite. Aber 
wenn man weiß was man da tut und das Thema verstanden hat, dann kann man 
diese Regeln auch je nach Situation ignorieren.

Das ist eben ein weicher Übergang von "funktioniert immer ohne Fehler" 
hin zu "funktioniert nie". Und das hat auch teilweise große Bereiche.

Ich meine als Beispiel, fiktiv könnte es ja so sein:
Biegeradius > 2 cm -> keine Fehler
Biegeradius <= 2cm ... > 0.5 cm -> funktioniert, hat aber Fehler
Biegeradius <= 0.5 cm -> funktioniert nie.

Da wäre es jetzt völlig egal ob der Biegeradius 10 cm oder 3 cm ist, es 
funktioniert in beiden Fällen fehlerfrei. Das Problem ist, man kennt 
meistens die Grenze nicht und genau da sind einfache Regeln hilfreich. 
Wenn man aber diese Grenze kennt oder gut abschätzen kann, dann kann man 
da auch näher ran gehen.
Aber: So Sachen wie Signaldämpfung summieren sich auf. Wenn man also 
viele kleine Biegeradien hat, dann kann es sein, dass das Probleme macht 
obwohl jede dieser Biegungen einzeln für sich noch keine Fehler 
verursacht hätte.
Daher auch diese Faustregel:
Wenn man Platz/Zeit/Geld/ ... hat, dann lieber auf Nummer sicher gehen 
und das beim ersten Anlauf richtig machen.

Cool wäre ja ein Nachschlagewerk in dem drinnen steht wo so Grenzen 
sind. Also minimaler Biegeradius bei Cat5e z. B. oder eher die 
hinzugefügte Dämpfung oder S_11. Das ist aber schwer für so viele 
verschiedenen Anwendungsfälle zu messen, das hängt ja von vielen 
Parametern ab. Beim Biegeradius vermutlich wie genau die Adern eines 
verdrillten Paares in diesem Kabelabschnitt räumlich orientiert sind.

von Arno (Gast)


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Zu vernünftigen Kabeln gibt es eine Angabe des minimalen Biegeradius. 
Oberhalb dessen funktioniert immer.

Zum Beispiel hier: 
https://cdn-reichelt.de/documents/datenblatt/E910/LAPP_2170474_DB_EN.pdf 
10x Durchmesser.

Ja, über Zertifizierungswahn und Papierflut ärger ich mich auch. Aber 
soviel Dokumentation darf dann doch sein.

MfG, Arno

von Local Area Notwork (Gast)


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Nun, an meiner neu bezogenen Technik-Schule damals in der ersten Hälfte 
90'er Jahre wunderte sich der Sysop warum das 10bT LAN nie über 60% der 
nominelle Bandbreite/Datendurchsatz kam. Mit teurem, geliehenem 
LAN-Analysator nachgewiesen.
Es stellte sich heraus dass die Schule zur Verkabelung eine "Licht 
Elektriker Klitsche" beauftragt hatte, dessen "Fachkräfte" die LAN-Kabel 
(CAT5, 10bT) zwecks ordentlichem Aussehen überall schön orthogonal in 90 
grad Winkeln zurecht gekloppt hatten...
Wie das halt so ist, wenn Aufträge bei halbstaatlichen Institutionen 
winken und diese über Seilschaften zustande kommen.

Jeder Knicks und jeder Schlag verformt die weiche Isolation der 
twistedpairs (Dialektik) und das stellt ein (kleiner oder grosser) 
Impedanzsprung dar. Je höher die Frequenzen, desto stärker entstehen an 
solchen Stellen Reflexionen der Signale. Diese Reflexionen überlagern 
sich dann dem originalsignal, welches dann abgeschwächt bis unkenntlich 
am Empfänger eintrifft. Klar wird es wiederholt, aber das kostet halt 
Zeit ergo Datendurchsatz/Bandbreite.
Willst Du das in deinem LAN?

von Local Area Notwork (Gast)


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*Dielektrische Eigenschaften

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