Forum: Fahrzeugelektronik Frequenzumrichter/Inverter im Elektroauto warum so klein und billig?


von Leonard T. (leonardtatzig)


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Hallo liebe Community,

kann mir jemand erklären warum die Motorsteuerung(1) bis 20KW im 
Elektroauto so "billig" (~1100USD) und klein und leicht (4,5kg) ist?

IMHO besteht die ja aus einem VFD Frequenzumrichter und einem MPPT 
Solarinverter mit vorgeschaltetem Gleichrichter (wenn Rekuperation 
integriert ist). Beides sind jetzt nicht gerade Produkte die man mal 
eben so aus dem Hut zaubert und dann für einen Hammerpreis (kurz über 
den Produktionskosten) verkaufen kann geschweige denn so leicht 
hinbekommt.

Quellen:
(1) 
https://www.evwest.com/catalog/product_info.php?cPath=1&products_id=349&osCsid=mgf7gmclpuh1fob9pugvjhk1b7
sowie
(2) 
https://evwest.com/support/Basic%20Kit%20Schematic%20Hall%201238%201.5.pdf

von Markus E. (markus_e176)


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So "billig" ist der, weil die Einzelteile keine 300€ kosten, mit Montage 
und umgelegten Entwicklungskosten kommst du dann auf 500€ und dann 
wollen Curtis und alle Zwischenhändler noch was dran verdienen.

In großen Stückzahlen bekommt man den direkt von Curtis bestimmt auch 
70% günstiger...

Das Gewicht ergibt sich aus der Summe der Einzelkomponenten... 
Leiterplatte,Leistungshalbleiter und Zwischenkreis wiegen nicht soo 
viel. Das meiste Gewicht dürfte vom Kühlkörper kommen.
Konkurrenzprodukte, z.B. der hier 
https://www.semikron.com/de/produkte/produktlinien/skai/skai-3-lv.html
wiegen teilweise noch weniger (knappe 3kg).

von Leonard T. (leonardtatzig)


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Ist dann der große Preis-Gewichts-Unterschied zum Solar/Windinverter 
(nur für Akkus ohne Netznachbildung) der Wirkungsgrad oder etwas anderes 
(mein Bsp. oben war ja bis 20kw)?

von Markus E. (markus_e176)


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Den Zusammenhang zu Solar/Wind verstehe ich nicht ganz.
Die Teile oben sind dazu gedacht, einen (Antriebs-)Motor aus einer 
Batterie mit einem variablen Drehfeld zu versorgen.

Solarinverter machen aus der Energie der Solarzellen 50Hz Netzspannung, 
sodass diese eingespeist werden kann.
Der große Unterschied (bei gleicher Leistung) ist 1. der stationäre 
Einsatz und 2. die Spannung.
1. ermöglicht es, fast ohne Rücksicht auf Baugröße und Gewicht billiger 
zu bauen, sodass z.B. keine externe Wasserkühlung nötig ist.
2. macht es nötig, Leistungshalbleiter für höhere Spannungen (Batterie 
max. 72V, Netz ca. 400V) und viel stärkere Schutzschaltungen (Batterie 
nur Kfz-Normpulse bis 120V, Netz mehrere kV)zu verbauen.

Die beiden Einsatzfälle sind nur begrenzt vergleichbar, die 
Anforderungen jeweils komplett andere.
Auch die verkauften Stückzahlen werden sich um ein bis zwei 
Größenordnungen unterscheiden, wenn so ein Antriebsumrichter mal vom 
Fahrzeughersteller eindesigned ist.

von foobar (Gast)


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Mike's Electric Stuff hat mal den Inverter eines Renault Zoe 
auseinandergenommen[1].  Ich war ziemlich baff, wieviel Elektronik da 
drin ist.  Der mechanische Aufbau ist auch nicht ganz ohne (inkl 
Wasserkühlung).

Seine Erklärung zu deiner Frage: normalerweise würden die Spulen für die 
Leistung gern 30kg wiegen. Renault hat statt dessen die Wicklungen des 
Motors als Spulen für den Buck/Boost genommen[2].  Dadurch sind das 
relativ kompakte Teile, allerdings brummt nun das Auto beim Laden :-)


[1] https://www.youtube.com/watch?v=drS3sEsxOO8
    https://www.youtube.com/watch?v=argrHjADn8g
[2] Konzeptschaltbild bei 1:45 im ersten Video.

von Name: (Gast)


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Leonard T. schrieb:
> kann mir jemand erklären warum die Motorsteuerung(1) bis 20KW im
> Elektroauto so "billig" (~1100USD) und klein und leicht (4,5kg) ist?

Weil Leistungshalbleiter und Steuerelektronik schon seit 30 Jahren Stand 
der Technik sind und in hohen Stückzahlen gefertigt werden.

Das ist ja eine Fehlannahme der Petrolheads: Es gibt wenige Dinge, die 
ausgereifter und erprobter sind als Permanenterregte Synchronmotoren mit 
Frequenzumrichter. Das wird seit 30 Jahren in hohen Stückzahlen in der 
Industrie verwendet.
Da ist nichts neu dran!

Ich habe vor über 10 Jahren bei einem Hersteller solcher Antriebe 
gearbeitet, und die Motoren inklusive Umrichter hätte man 1:1 in ein 
Auto einbauen können, der größte Umrichter hatte 120kW, das würde locker 
reichen, und auch mit 400V Zwischenkreis konnte man die betreiben (also 
direkt an der Batterie).

Was die Rekuperation angeht: Dafür ist keine Hardware nötig, das macht 
die Software. Das ist lediglich eine Frage, in welchen Quadranten man 
den Antrieb betreibt, auch den Ladestrom für den Akku kann man in 
Software regeln.
Und die Erzeugung der PWM dafür und die Mathematik macht ein STM32 
problemlos. Der F4 kann beispielsweise zwei Synchronomtoren gleichzeitig 
steuern, er hat die nötigen Timer dafür schon in Hardware.

von IGBT (Gast)


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Leonard T. schrieb:
> kann mir jemand erklären warum die Motorsteuerung(1) bis 20KW im
> Elektroauto so "billig" (~1100USD) und klein und leicht (4,5kg) ist?

Unter dem Preis zahlen Automobilhersteller den E-Motor mit Getriebe 
inklusive dem Inverter. Allerdings müssen die Entwicklungskosten noch 
dazugerechnet werden.
Nur stehen da andere Stückzahlen als in der Solarbranche.
Auch sind die Entwicklungsziele wie Sicherheit, Lebensdauer, 
Bedienbarkeit sehr unterschiedlich. Abgesehen davon melkt man die Kuh, 
solange sie Milch gibt...

von Arno (Gast)


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Leonard T. schrieb:
> kann mir jemand erklären warum die Motorsteuerung(1) bis 20KW im
> Elektroauto so "billig" (~1100USD) und klein und leicht (4,5kg) ist?

Woran machst du fest, dass das billig ist?

Leonard T. schrieb:
> IMHO besteht die ja aus einem VFD Frequenzumrichter und einem MPPT
> Solarinverter mit vorgeschaltetem Gleichrichter (wenn Rekuperation
> integriert ist).

Ich vermute nicht, dass da ein Solarinverter drin ist, schon gar nicht 
mit vorgeschaltetem Gleichrichter. Das wird hardwareseitig ein 
"einfacher" vier-Quadranten-Steller für Drehstrommotoren sein, also drei 
Halbbrücken: 
https://www.ifr.ing.tu-bs.de/static/files/lehre/labore/rtp1/Skript_RegelungPMSM.pdf 
(Seite 3, PDF Seite 7) bzw. 
https://de.wikipedia.org/wiki/Vierquadrantensteller#/media/Datei:3-Fach-Halbbr%C3%BCcke_mit_FET.svg

Damit kann man schon rückspeisen in den Zwischenkreis, der im 
einfachsten Fall direkt mit der Batterie verbunden ist.

20kW, also beispielsweise ungefähr 72V*300A oder 400V*50A, da sind die 
Komponenten nicht sooo teuer (also teurer als ein BUZ11 o.ä. schon, aber 
es sind auch noch keine 15kV*1000A aus der Eisenbahntechnik).

Relativ große Stückzahlen (verglichen mit bespielsweise Sonder- oder 
Werkzeugmaschinen, nicht mit Verbrennungsmotoren), damit sind die 
Entwicklungskostenanteile gering.

Leonard T. schrieb:
> Beides sind jetzt nicht gerade Produkte die man mal
> eben so aus dem Hut zaubert und dann für einen Hammerpreis (kurz über
> den Produktionskosten) verkaufen kann geschweige denn so leicht
> hinbekommt.

Aber es ist auch keine Raketentechnik.

MfG, Arno

von Leonard T. (leonardtatzig)


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Vielen lieben Dank für die ganzen hilfreichen Antworten!!!

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