Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Zusammenhang Impedanz und Signalanstiegszeit


von Thomas (Gast)


Lesenswert?

Guten Abend,

ich bin gerade auf folgende Seite gestoßen:

https://experience.molex.com/bytes-bits-frequencies-and-rise-time/

In dem vorletzten Absatz schreibt Herr Endres, dass er eine Impedanz Z0 
von 128ohm statt 139ohm gewählt hat, da es sich "nur" um USB Signale und 
nicht um 50ps-Signale (Signalanstiegszeit) handelt.

Wie hängt das zusammen?

Meine Erklärung: Die Pins der Setcker sind so dimensioniert, dass bei 
der höheren Impedanz (139ohm), die Kapazität geringer wird und dadurch 
die Bandbreite vergrößert werden kann (Z0 = Wurzel(L/C)).

Noch eine zweite Frage: Bei einer kritischen Leiterbahnlänge muss die 
Leiterbahnimpedanz eben an diese Steckerimpedanz angepasst werden, um 
die Reflektionen gering zu halten. Wird das dann brav einfach so gemacht 
oder gibt es noch andere Methoden?

Vielen Dank.

Grüße Thomas

: Verschoben durch Moderator
von Jakob (Gast)


Lesenswert?

Zo = Wellenwiderstand = Wurzel(L'/C') für f > 100 kHz
gilt für die Wellen-AUSBREITUNG, wird also vom mechanisch-
geometrischen-isolationsmaterialabhängigem Aufbau der Leitung
(oder von den Leiterbahnen auf dem Leiterplattenmaterial) vorgegeben.
Schalter und Verbindungselemente sollten auf ihrer Länge für die
Welle ein ähnliches Verhältnis von Wurzel(L'/C') zeigen.

Und "Länge" ist immer relativ zur Wellenlänge zu betrachten.
Ab etwa 10% der Wellenlänge werden Effekte schnell deutlich.

Je höher die Frequenz, desto kleiner die Wellenlänge: Desto mehr
macht sich der Einfluss eines kurzen Leitungsabschnitts mit der
falschen Impedanz Zo bemerkbar. Wobei 128 Ohm statt 139 Ohm,
also 10% Fehlanpassung in der UHF-Technik ("Sinüsse" ohne Oberwellen)
nicht sehr kritisch sind.

Bei 0,5 GHz Rechteck gegen 25 GHz Rechteck ist die Erklärung
nachvollziehbar.

Ansonsten gilt für sparsame Konstrukteure IMMER:
So genau, wie nötig - nicht so genau, wie möglich.

von Anja (Gast)


Lesenswert?

Thomas schrieb:
> Wie hängt das zusammen?

Die 139ohm wurden als lokale Steckerimpedanz (diskontinuität) an einer 
bestimmten Stelle mit einem Signal mit 50 ps risetime gemessen.

Je niedriger die tatsächliche RiseTime des Signals umso mehr wird diese 
Diskontinuität über eine längere Strecke "verschmiert" bzw. 
ausgemittelt. (tritt also nicht für diese RiseTime in Erscheinung).

Gruß Anja

von Jack (Gast)


Lesenswert?

Frage 0 (Zusammenhang) haben Anja und ich erklärt.

> Kapazität geringer wird und dadurch die Bandbreite vergrößert
wäre dann Frage 1:

Nein, bei Leitungen bewirkt ein kleineres C keine Erhöhung der
Bandbreite! L, C und R = Zo = Wurzel(L'/C') müssen nur auf der
ganzen Strecke im PASSENDEN Verhältnis vorliegen, weil nicht nur
Reflexionen unterdrückt werden sollen, sondern - besonders bei
Rechteck - die Grundfrequenz und die Oberwellen möglichst GLEICH
beeinflusst werden sollen.

Zusätlich Frage 2:
> Leiterbahnimpedanz eben an diese Steckerimpedanz angepasst werden,
> um die Reflektionen gering zu halten. Wird das dann brav einfach
> so gemacht oder gibt es noch andere Methoden?

Das wird in der HF-Technik mit lambda/4 Anpassleitungen gemacht.
Aber fast nur, wenn es vom Kabel (Leitung!) zur Antenne geht.
In der Impulstechnik ist das eher nicht die Regel.

von Thomas (Gast)


Lesenswert?

Danke für eure Antworten.

Nach mehrmaligen Lesen ist mir endlich aufgefallen, dass ich das wohl 
völlig falsch verstanden habe.

Ich hatte das so verstanden dass sich der Leitungswellenwiderstand in 
Abhängigkeit der Signalanstiegszeit ändert, was quatsch ist. Dieser ist 
ja intrinsisch und ändert sich in dem betrachteten Frequenzbereich nicht 
mehr. Auch hat Herr Endres in seinem Artikel die Wellenimpedanz für den 
Stecker nicht "gewählt", sondern er betrachtet die TDR Messung nur bis 
zu einer gewissen Signalanstiegszeit. Weil sich das für ihn relevante 
Frequenzspektrum der USB-Signale nur bis 1,2 GHz (fünfte Oberwelle) 
erstreckt, ist für ihn eine Betrachtung bis 7 GHz (0,35/50ps) nicht 
notwendig. Beispiel: Bei einer Signalanstiegszeit von 50 ps bzw. 7 GHz 
Sinus beträgt die Wellenlänge ca. 20 mm (FR4). D.h. ab einer 
impedanzmäßig fehlangepassten Strecke von 2 mm (10% von 20mm) werden 
Anomalien (Diskontinuität) in Form von Signalreflexionen so langsam 
deutlich. Bei 1,2 GHz dürfte die Strecke theoretisch 12,5 mm betragen. 
Würde man also einen 1,2 GHz Sinus in eine PCB Leitung (irgendeine 
Impedanz) mit einer Gesamtlänge von weniger als 12,5 mm zwischen Sender 
und Empfänger speisen, wäre eine Impedanzanpassung nicht notwendig. 
Hätte man hingegen ein 7 GHz Sinus und eine Gesamtlänge von wesentlich 
mehr als 2 mm und einen Stecker dazwischen, dann müsste man die 
Leiterbahnimpedanz an den Stecker anpassen. Sagen wir, eine 
Impedanzmessung mittels TDR ergäbe einen Peak von 140ohm bei 50ps 
risetime, dann müsste man die Leiterbahnimpedanz nach 140ohm auslegen. 
Alles rein theoretisch und spezielle Effekte außen vor.

Hab' ich euch und Herr Endres vorletzten Absatz jetzt einigermaßen 
richtig verstanden?

von Georg (Gast)


Lesenswert?

Thomas schrieb:
> TDR ergäbe einen Peak von 140ohm bei 50ps
> risetime, dann müsste man die Leiterbahnimpedanz nach 140ohm auslegen.

Grundsätzlich sollte Quellimpedanz = Wellenwiderstand der Leitung = 
Abschlusswiderstand sein. Wenn ein Stecker mit 139 Ohm vorgegeben ist 
muss man eben den Rest danach richten, allerdings sind Kabel mit 140 Ohm 
schwer zu bekommen, egal ob Twistet Pair oder Koax. Z.B. ein 90 Ohm 
Koaxkabel an einem 140 Ohm-Stecker bildet eine unerwünschte Stossstelle, 
die zu Reflexionen führt.

Georg

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.