Forum: Platinen "Polarität" von Spulen


von Johnny (Gast)


Lesenswert?

Hallo,

beachtet ihr beim Bestücken die Polarität von Spulen? Also den Beginn 
der Wicklung, der z.B. bei Schaltreglern ans "heiße Ende" gehört, also 
an den Schalttransistor. Denn in der Theorie werden ja damit Störungen 
minimiert.

Oder ist das alles Kokolores und da es ohnehin kaum etwas bringt (Was 
sind eure Erfahrungen? Messungen?), wird einfach drauflosbestückt?

Wie ist das allgemein bei Bestückern? Achten die auf sowas? Wie sehe ich 
bei SMD-Spulen den Wicklungsbeginn überhaupt? Bei manchen habe ich schon 
winzige Markierungen auf der Unterseite gesehen, die aber auf dem Tape 
munter durcheinander waren. Ich meine aber, die Beschriftung war immer 
gleich ausgerichtet.

JLCPCB hat ja in der Vorschau bei Spulen +- Markierungen... soweit so 
schlecht. Was ist davon der Wicklungsbeginn??

von ... (Gast)


Lesenswert?

Strom fliesst immer von oben nach unten.
Also muss das positivere Potentail an der Spule oben liegen.

von Johnny (Gast)


Lesenswert?

Ähm, nein, wenn ich dich richtig verstehe. Es gibt Fälle, da wird Plus 
geschaltet, es gibt aber auch Fälle, da wird Minus geschaltet.

von Gerhard O. (gerhard_)


Lesenswert?

Bei Power Ferritspulen konzentrieren sich die magnetischen Feldlinien 
hauptsächlich innerhalb des Ferritkerns und da spielt die Polarität der 
Spulenwicklung überhaupt keine Rolle weil nur die Polarität des 
eigentlichen Magnetfelds von Belang ist. Auch bei linearen 
Ferritdrosseln spielt das keine Rolle weil sich das Magnetfeld beim 
Stromfluß in einer Richting aufbaut und beim Ausschalten in umgekehrter 
Richtung entlädt sofern ein Stromfluß (durch Diode) dann überhaupt 
möglich ist.

Nur die aktuelle magnetische Polarität (Nord/Süd) des induzierten 
Magnetfelds ist von der Polarität des Stromfluß abhängig und die 
Wicklungsrichtung relativ zum Stromfluß und nicht von Anfang und Ende 
der Wicklung. Siehe auch hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Korkenzieherregel

Es ist normalerweise besser abgeschirmte Spulen für Leistungsanwendungen 
zu verwenden weil ungeschirmte Spulen im Schaltbetrieb ein großes 
störendes EM-Feld erzeugen können.

Langer Rede kurzer Sinn: es macht normalerweise überhaupt nichts aus.

Zur Perspektive:

Spulenpolaritäten spielen nur bei Spannungswandlertransformatoren 
zueinander eine maßgebliche Rolle und bestimmen die Art der 
Energieübertragung je nach Wandlerprinzip (Durchfluß- oder 
Sperrwandler). In beiden Fällen bestimmt nur die Stärke des aufgebauten 
Magnetfeld im Trafo den Leistungsumsatz und nicht der Betriebsstrom der 
Elektronik.

https://de.wikipedia.org/wiki/Sperrwandler
https://de.wikipedia.org/wiki/Eintaktflusswandler

Beim Sperrwandler fließt Sekundär-Strom durch die Sekundärwicklung beim 
Abschalten des Primärstromfluß und beim Flusswandler während des 
Stromfluß. Beim Durchflußwandler müssen Primär- und Sekundärwicklung 
dieselbe Wicklungspolarität haben. Energieübertragung wird durch 
Tastverhältnis reguliert.

Bei selbstschwingenden Gegentaktwandlern ist auch die Polarität der 
bifilar gewickelten Rückkopplungswicklung von Belang.

https://core.ac.uk/download/pdf/51448891.pdf

von Johnny (Gast)


Lesenswert?

Meine Bedenken gehen mehr in Richtung E-Feld. Immerhin wechselt der eine 
Spulenpol sehr schnell von VCC nach GND und wieder zurück. Und das als 
Rechteck. Nicht ohne Grund soll ja auch die Spule möglichst nah an 
Transistor und Diode liegen und nicht noch mit 10cm Leiterbahn.

von Maik F. (Firma: ibfeew) (mf_hro)


Lesenswert?

Hallo,
deine Bedenken sind theoretisch richtig.
An der "heißen" Seite der Spule springt die Spannung halt sehr deutlich 
rechteckförmig, wenn man die Spule jetzt so plaziert, daß der 
Wicklungsdraht dieser Spulenseite gleich unten an der Spule anfängt und 
nicht erst nach oben führt, dann minimiert man die Fläche, die an der 
das Potential springt und dmait auch die Abstrahlung.
Auf einem Seminar (Würth?) wurde auch mal eine Folie zu Messungen mit 
den beiden unterschiedlichen Montagevarianten gezeigt. Ja, es gab 
Unterschiede. Sie waren aber nicht so groß, daß ich mir bei normalen 
SMD-Spulen Gedanken mache.
Sieht anders aus bei großen gewickelten Trafos/Speicherdrosseln  mit 
Ferritkernen, da achte ich seitdem sehr wohl darauf, den kürzesten 
Wicklungsweg direkt an den Mosfetanschluß zu bringen. Da ist der 
UNterschied aber auch eher in cm statt mm zu messen.
Schönen Abend noch, Maik

von Zero V. (Firma: Freelancer) (gnd)


Lesenswert?

Johnny schrieb:
> Oder ist das alles Kokolores und da es ohnehin kaum etwas bringt (Was
> sind eure Erfahrungen? Messungen?

https://www.we-online.de/web/de/electronic_components/news_pbs/blog_pbcm/blog_detail-worldofelectronics_109450.php

Leider haben die wenigsten Hersteller eine Markierung.

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


Lesenswert?

Hallo Johnny.

Johnny schrieb:

> beachtet ihr beim Bestücken die Polarität von Spulen? Also den Beginn
> der Wicklung, der z.B. bei Schaltreglern ans "heiße Ende" gehört, also
> an den Schalttransistor. Denn in der Theorie werden ja damit Störungen
> minimiert.

Das ist nicht nur theoretisch so. ;O) Aber mit Spulenpolarität hat das 
nur wenig zu tun.

> Oder ist das alles Kokolores und da es ohnehin kaum etwas bringt (Was
> sind eure Erfahrungen? Messungen?), wird einfach drauflosbestückt?

Bei EMV muss immer der konkrete Einzelfall betrachtet werden. Weil 
Bauteildetails und Leiterbahnführung mit hineinspielen.
>
> Wie ist das allgemein bei Bestückern? Achten die auf sowas? Wie sehe ich
> bei SMD-Spulen den Wicklungsbeginn überhaupt? Bei manchen habe ich schon
> winzige Markierungen auf der Unterseite gesehen, die aber auf dem Tape
> munter durcheinander waren. Ich meine aber, die Beschriftung war immer
> gleich ausgerichtet.
>
> JLCPCB hat ja in der Vorschau bei Spulen +- Markierungen... soweit so
> schlecht. Was ist davon der Wicklungsbeginn??

"Eigentlich" ist die Polarität bei Spulen egal, aber es gibt Ausnahmen.
z.b. wenn mehrere Spulen zusammenarbeiten, d.h. magnetisch oder 
galvanisch gekoppelt sind, und der Phasenbezug eine Rolle spielt.

Das "eine Rolle" spielen kann auch ein ungewünschter parasitärer Effekt 
sein, der je nach Richtung des Magnetfeldes mehr oder weniger störend 
ist.

Das zeigt aber auch, dass hier nicht nur "Anfang" und "Ende" gemeint 
sind, sondern auch der Wickelsinn mit hineinspielt. Hat eine Spule einen 
entgegengesetzten Wickelsinn, so stellt das Vertauschen von Anfang und 
Ende den originalen Zustand wieder her.

Ein weiterer Punkt sind Spulen für Hochspannung, wo zwecks 
Isolationsmanagement die Spule in Teilspulen mit Zwischenisolierung 
aufgeteilt ist, oder die Lagenisolierung betrachtet werden muss. Hierbei 
sind vor allem "Anfang" und "Ende" wegen des unterschiedlichen 
Isolierverhaltens wichtig. Trozdem sollten die einzelnen Scheiben einer 
Scheibenwicklung alle den gleichen Wickelsinn haben, damit sie nicht 
gegeneinader arbeiten.

Und natürlich muss bei Großtransformatoren für den Inrush current und 
bei NF/HF-Übertragern auf die parasitären Wicklungskapazitäten geachtet 
werden.
Die können sich an Anfang und Ende einer Wicklung auch unterschiedlich 
aufaddiert haben.

Bei SMD Spulen sind das aber eher selten zu beachtende Punkte.

Speziell für extremere HF Anwendungen gibt es aber auch z.B. konische 
einlagige Spulen, um z.B. bei einem Bias-T die parasitäre Kapazität an 
der Einkoppelstelle zu minimieren. Für Filter gibt es ähnliche Ideen, um 
die Güte der Filter zu steigern.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von Kevin K. (nemon) Benutzerseite


Lesenswert?

Johnny schrieb:
> Wie ist das allgemein bei Bestückern? Achten die auf sowas? Wie sehe ich
> bei SMD-Spulen den Wicklungsbeginn überhaupt? Bei manchen habe ich schon
> winzige Markierungen auf der Unterseite gesehen, die aber auf dem Tape
> munter durcheinander waren. Ich meine aber, die Beschriftung war immer
> gleich ausgerichtet.
Im Datenblatt von Spulen findet sich die Orientierung der Spule auf der 
Reel, oder dem Tray. Die Pick & Place-Maschine entnimmt die einzelne 
Spule aus der Verpackung und bestückt sie bei einer Serienfertigung 
immer in der gleichen Orientierung. Du kannst im Layout deine Spule um 
180 ° drehen, dann wird sie von der Maschine später auch um 180 ° 
gedreht bestückt.

von Kevin K. (nemon) Benutzerseite


Lesenswert?

Nachtrag
Das kann man sich auch bei SMD-Widerständen zu Nutze machen, in dem man 
alle Widerstände so orientiert auflötet, dass der aufgedruckte Wert bei 
"normalem Halten" der Platine bei allen horizontal orientierten 
Widerständen direkt ablesbar ist und man für alle vertikal 
positionierten den Kopf immer nur nach links neigen muss.

von Siegbert (Gast)


Lesenswert?

Kevin K. schrieb:
> Das kann man sich auch bei SMD-Widerständen zu Nutze machen, in dem man
> alle Widerstände so orientiert auflötet

Könnte man meinen, bei Widerständen habe ich schon häufiger gesehen, das 
diese im Gurt (Tape) nicht immer die gleiche Orientierung aufweisen. Hat 
mich auch gewundert, ich habe es aber einfach akzeptiert.

Interessant wäre mal eine Doku über den kompletten Herstellungsprozess 
bis zum reeling. Wir haben Anfang der 2000er im Auftrag eines 
Halbleiterherstellers, ICs gegurtet, das Zeug kam kistenweise als 
Schüttgut an, etwa 1 LKW pro Woche. Natürlich wurden die ICs nicht 
manuell ausgerichtet, dafür hatten wir Sondermaschinen mit selbst 
entwickelter AOI, erstaunlicherweise war der transportbedingte Ausschuss 
(verbogene Pins) relativ gering (<5%), der Ausschuss wurde dann wenn 
möglich manuell zurechtgebogen und noch mal durch die Maschine inkl. AOI 
mit 3D Komplanarität gejagt.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.