Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Operationsverstärker verschiedene Kanäle


von DC (Gast)


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Servus,

folgende (wahrscheinlich für die meisten hier sehr banale) Frage zum 
Thema Operationsverstärker- ich lerne die verschiedenen Typen gerade 
alle an der Uni kennen, würde jetzt aber eine OP Schaltung auch gerne 
mal konkret zusammenlöten. Was mir die Uni Theorie nicht vermittelt: Wie 
wähle ich einen passenden OP aus? Ich habe mir für eine 
Verstärkerschaltung, die 5V auf 10V verändern soll, z.B. mal einen OP 
mit einer Versorgungsspannung ausgesucht, die für mich passt und mit 
einem Kanal. Die Pinbelegung macht dann für mich auch Sinn, es gibt 6 
Anschlüsse, u.a. V+, V-, Input invertierend, Input nichtinvertierend und 
output.

(1)
Verstehe ich das richtig, dass ich z.B. mit einem solchen Standard OP (1 
channel) im Endeffekt eine beliebige Verstärkerschaltung aufbauen kann, 
je nach dem ob ich den OP eben als Impedanzwandler, invertierender 
Verstärker, Integrierer etc. einsetze?

(2)
Warum gibt es dann so wahnsinnig viele verschieden OPs und vorallem 
wofür gibt es die OPs mit mehreren channeln? Die meisten OPS haben ja 
nicht nur einen Kanal und ich habe auch noch solche OPs herumliegen- 
könnte ich die auch verwenden und nur einen Kanal nutzen?

Wie findet man sich in dieser riesigen Auswahl zurecht?
Vielleicht kann mir einer einen groben Überblick geben,

Grüße,
DC

: Verschoben durch Moderator
von HildeK (Gast)


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(1) Ja, schon. Es gibt aber Grenzen und Unterschiede, z.B. Bandbreite, 
Slewrate, max./min. Versorgungsspannung und v.m.

(2) aus den genannten Gründen. OPAs mit mehreren Einheiten in einem 
Gehäuse sparen Platz. Es gibt schon Schaltungen, wo nicht nur einer oder 
zwei verbaut sind. Natürlich kannst du nur einen Kanal nutzen, es 
empfiehlt sich aber, die unbenutzten Eingänge nicht offen zu lassen und 
den freien OPA als z.B. Spannungsfolger zu schalten mit dem Eingang auf 
einem festen Potential.

DC schrieb:
> Wie findet man sich in dieser riesigen Auswahl zurecht?

Schau halt mal auf die Seiten einschlägiger Hersteller (Analog Devices, 
Texas Instruments u.a.). Dort gibt es oft eine parametrische 
Auswahlhilfe und du kannst erkennen, welche der wichtigsten Parameter 
dort aufgeführt sind und wie sie sich unterscheiden.

Ist halt so wie sonst im Leben auch. Ich will einmal nur zur Post oder 
zum Bäcker - da tut es das Fahrrad. Andere brauchen was um am Formel 1 
Rennen mitzufahren. Die Fahrzeuge unterscheiden sich dann schon ...

von DC (Gast)


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Alles klar,

danke für die Hilfe!
Texas Instruments hat tatsächlich eine gute Suchfunktion, das hilft mir 
weiter.

Grüße,
DC

von Der schreckliche Sven (Gast)


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DC schrieb:
> wofür gibt es die OPs mit mehreren channeln?

Weil statt beispielsweise vier Bauteilen nur eines bestückt werden muß.
Spart Zeit und Geld. Es geht um Platinen in millionenfacher Stückzahl.
Da hättest Du selber drauf kommen sollen.

Mit Abitur.

von Terence S. (takeshi)


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Das habe ich im Studium auch erlebt, das alles wurde bei uns Null 
vermittelt. Dass es so viele OPs gibt liegt daran, dass es so 
unglaublich viele Eigenschaften gibt, die Relevant sein können. Das 
siehst du auch, wenn du dir mal ein Datenblatt eines 
Operationsverstärkers anguckst.
Häufig ist es ein Kompromiss auf den Eigenschaften und dem Preis. Ich 
zähle mal ein paar auf, die meiner Meinung nach die wichtigsten sind.

- Ausgangsstrom: Der ist begrenzt, manche können nur ein paar mA, andere 
hunderte.

- Rail-Abstand des Ein- und Ausgangs: Die Ausgänge können nur Spannungen 
innerhalb der Versorgungsspannung erreichen, bei den meisten OPs gilt 
das auch für die Eingänge. Du erreichst aber nie die 
versorgungsspannung, sondern hast immer einen Abstand dazu. Bei einem 
billigen OP sind das gern mal 2 bis 3 V. Das heißt, versorgst du ihn mit 
±15 V, kannst du den Ausgang nur auf -12 bis +12 V bringen, nicht aber 
auf beispielsweise 14 V. Andere haben einen Abstand von 100 mV, du kämst 
also auch bis auf +14,9 V hoch oder auf -14,9 V herunter.
Als "Rail-to-Rail" beworbene OPs haben einen sehr geringen Rail-Abstand 
und können teilweise sogar Spannungen leicht außerhalb der Versorgung 
verwerten.
Der Rail-Abstand ist auch abhängig vom Ausgangsstrom.

- Unipolare oder bipolare Versorgung: Wurde bei mir durch die Blume 
immer vermittelt, gibt es aber nicht. Du kannst jeden OP bipolar oder 
unipolar versorgen. Wichtig ist nur, dass die Differenz zwischen den 
beiden Versorgungsanschlüssen nicht größer als die zulässige Spannung 
wird und dass sich Ein- und Ausgänge im zulässigen Bereich bewegen. Wenn 
du einen mit 0 V und +5 V versorgst, kannst du 0 V nie als 
Ausgangsspannung erreichen und auch am Eingang eventuell nicht 
auswerten. Wenn das aber durch die Schaltung nicht vorgesehen ist, ist 
das egal. Bei einem Rail-2-Rail-OP kommst du zumindest fast auf 0 V 
herunter und häufig reicht das.

- Input-Offset: Der OP regelt den Ausgang so, dass die beiden Eingänge 
das gleiche Potential haben. Dabei gibt es aber einen kleinen Fehler, 
der meist im Bereich von 5 mV (billig) oder sogar bis µV (teuer) liegt. 
Bei einer Verstärkung verstärkst du auch den Fehler mit. Heißt bei einer 
Verstärkung von 100 werden aus den 5 mV schon 500 mV.

- Gleichtaktunterdrückung (CMRR): Theoretisch hat die Differenz der 
Eingangsspannung und der Versorgungsspannung keinen Einfluss auf den 
Ausgang, real aber schon. Die Gleichtaktunterdrückung sagt dir, wie 
stark der Einfluss ist.

- Verstärkungsbandbreiteprodukt (GBP): Das wird im Studium häufig noch 
angesprochen, der Name sagt es schon. Multipliziere Verstärkung und 
Frequenz, das sollte unter der GBP liegen, andernfalls bricht die 
Verstärkung ein.

- Slew Rate: Die Anstiegsgeschwindigkeit des Ausgangs ist begrenzt.

Dann gibt es noch viele weitere wie Temperaturdrift, Rauschen, 
Eingangsstrom, Sättigungsverhalten, ... aber das ist nur sehr selten 
wichtig.

von Olaf (Gast)


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> Verstehe ich das richtig, dass ich z.B. mit einem solchen Standard OP (1
> channel) im Endeffekt eine beliebige Verstärkerschaltung aufbauen kann,

Die Teile heissen so wie sie heissen weil man damit beliebige 
Rechenoperationen durchfuehren kann. Also z.b auch multiplizieren und 
addieren. Aber natuerlich noch vieles mehr.

> Warum gibt es dann so wahnsinnig viele verschieden OPs und vorallem

Weil sich viele Eigenschaften gegenseitig ausschliessen. Es gibt z.b 
Operationsverstaerker die sehr schnell sind, andere brauchen extrem 
wenig Strom, beides gleichzeitig geht nicht. Ausserdem je besser und 
toller der OP ist um so teuerer ist er.

> und vorallem wofür gibt es die OPs mit mehreren channeln?

Das spart platz. Ich aber IMHO etwas auf dem Rueckzug seitdem es OPs in 
SOT23-5 oder kleiner gibt.

> ich habe auch noch solche OPs herumliegen-
> könnte ich die auch verwenden und nur einen Kanal nutzen?

Ja, allerdings solltest du die ungenuetzten Eingaenge dann auf irgendein 
Potential legen. Sonst empfangen sie hinterher Mittelwelle und stoeren 
in deiner Schaltung.

> Wie findet man sich in dieser riesigen Auswahl zurecht?
> Vielleicht kann mir einer einen groben Überblick geben,

Du willst unbedingt einmal das hier komplett durchlesen:

https://e2echina.ti.com/cfs-file/__key/telligent-evolution-components-attachments/00-52-01-00-00-04-59-46/OP-amp-for-everyone.pdf

Olaf

von Harald W. (wilhelms)


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Olaf schrieb:

> Die Teile heissen so wie sie heissen weil man damit beliebige
> Rechenoperationen durchfuehren kann. Also z.b auch multiplizieren und
> addieren.

Ach, und wie multiplizierst Du mit einem OPV?

von Olaf (Gast)


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> Ach, und wie multiplizierst Du mit einem OPV?

https://de.wikipedia.org/wiki/Analogmultiplizierer

Olaf

von Harald W. (wilhelms)


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Olaf schrieb:

>> Ach, und wie multiplizierst Du mit einem OPV?
>
> https://de.wikipedia.org/wiki/Analogmultiplizierer
>
> Olaf

Ein Analogmultiplizierer ist kein OPV! :-(

von Helmut L. (helmi1)


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Harald W. schrieb:
> Ein Analogmultiplizierer ist kein OPV! :-(

Man kann aber auch ueber den Umweg mittels Logarithmen multiplizieren.

Logarithmierer --->  Addierer -> Potenzierer
Logarithmierer ---^

von Udo S. (urschmitt)


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DC schrieb:
> Warum gibt es dann so wahnsinnig viele verschieden OPs

Warum gibt es so viele verschiedene PKW-Typen? Die bringen dich alle von 
A nach B.
Weil es viele unterschiedliche Hersteller gibt, die alle ein Stück vom 
Kuchen abhaben wollen und deshalb für jede erdenkliche Marktnische ein 
spezielles Fahrzeug / OP entwickeln und dem Kunden anpreisen.

Zusätzlich kommt dazu, dass OPs die früher erfolgreich waren und in 
großen Stückzahlen verkauft wurden z.T immer noch produziert werden, um 
damit bestehende Schaltungen/Designs zu reparieren oder auch weiter zu 
bauen.
Und das obwohl die selben Hersteller deutlich modernere OPs für den 
gleichen Einsatzzweck entwickelt haben.

Das ist so, als würde BMW immer noch zusätzlich den 02er produzieren, VW 
den Käfer und Mercedes vier verschiedene Modelle der E-Klasse angefangen 
mit dem W123er.

Beitrag #6615892 wurde vom Autor gelöscht.
von MaWin (Gast)


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DC schrieb:
> es gibt 6 Anschlüsse, u.a. V+, V-, Input invertierend, Input
> nichtinvertierend und output.

Wieso 6 ? Ich ahne langsam, warum die Professoren sich über den 
Bildungsstand der Jungstudenten beschweten. Nichtmal Zählen können sie.

DC schrieb:
> Warum gibt es dann so wahnsinnig viele verschieden OPs

Jeder Hersteller baut unterschiedlich schnelle, genaue, stromsparende, 
teure, klirrfaktorarme, ausgangstreiberleistungsfähige, spannungsfeste.
Du nimmst den am billigsten beschaffbaren, der deine Ansprüche erfüllt.

> und vorallem
> wofür gibt es die OPs mit mehreren channeln

Stereo ? Manchmal muss man mehrere hintereinander schalten, z.B. 2 x 
1:100 verstärken damit in der Verkettung 10000 rauskommt. Oder 
Eingangspuffer, Frequenzfilter, Ausgangstreiber.

von Lutz V. (lvw)


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Eine - meiner Meinung nach wichtige - Eigenschaft ist (so weit ich das 
sehe) noch nicht angesprochen worde: "Unity gain stable, yes/no".
Damit ist folgendes gemeint:
* Jeder OPV braucht eine DC-Gegenkopplung - und zwar nicht nur, um die 
Übertragungsfunktion (Verstärkung, Integrator, etc) einstellen zu 
können, sondern auch wegen eines stabilen Arbeitspunktes im 
quasi-lineraren Bereich der Übertragungs-Kennlinie.
* Diese Gegenkopplung hat nun viele "schöne" Eigenschaften (kann man 
nachlesen bei den Vorteilen der Gegenkopplung), aber eben auch einen 
gewissen Nachteil: Mit steigender Gegenkopplung wird die Schwingneigung 
erhöht - also die sog. "Stabilitäts-Reserve" (margin) verringert.
* Um nun den OPV auch mit voller Gegenkopplung als Eins-Verstärker 
(Puffer) verwenden zu können (das ist der kritischste Fall), haben die 
meisten OPV eine interne sog. "Frequenzkompensation", die so einen 
Betrieb sicherstellt. Das sind dann die Bauteile, die als "unity-gain 
stable) bezeichnet werden.
* Die Konsequenz ist aber eine relativ kleine Bandbreite (die erste 
Eckfrequenz der "offenen" Verstärkung unter 100 Hz zumeist.)
* Für breitbandige Anwendungen gibt es dann aber eben auch Verstärker, 
die mit weniger Gegenkopplung (also höheren geschlossenen 
Verstärkungswerten) betrieben werden müssen - dann lautete die Angabe: 
Stabil nur für Verstärkungen größer als 2 (oder ähnlich).
* So einen Verstärker könnte man aber auch durch externe 
Frequenzkompensation stabil für volle Gegenkopplung machen.

von Der schreckliche Sven (Gast)


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MaWin schrieb:
> DC schrieb:
>> es gibt 6 Anschlüsse, u.a. V+, V-, Input invertierend, Input
>> nichtinvertierend und output.
>
> Wieso 6 ? Ich ahne langsam, warum die Professoren sich über den
> Bildungsstand der Jungstudenten beschweten. Nichtmal Zählen können sie.

Schon der TAA761 hatte (nur) 6 Anschlüsse.

von Der schreckliche Sven (Gast)


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MaWin schrieb:
> Wieso 6 ?

Ja, wieso eigentlich so viele?
Es gibt sie auch mit nur fünf Anschlüssen.
Wo der sechste Anschluss wäre, ist halt eine Lücke.
Macht im Grunde genommen wieder sechs Anschlüsse.

Wir sind in einer rechteckigen Welt aufgewachsen, und können darum nur 
rechteckige ICs bauen.

von Helmut L. (helmi1)


Angehängte Dateien:

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Der schreckliche Sven schrieb:
> Wir sind in einer rechteckigen Welt aufgewachsen, und können darum nur
> rechteckige ICs bauen.

Frueher gab es auch runde ICs.

von DC (Gast)


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Danke euch allen! Alles sehr hilfreiche Antworten- Solche Dinge kommen 
an der Uni oft viel zu kurz, gerade in Corona Zeiten.

Grüße,
DC

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