Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Arcus Tangens Hyperbolicus


von Heinz (Gast)


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Liebe Kollegen!

Ich würde gerne eine analoge (!) Schaltung bauen, die mir den atanh vom 
Eingang gibt. Wenn ich das google finde ich nur µC oder Matlab Lösungen.

Liebe Grüße
Sandy

von Karadur (Gast)


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Evtl. kommst du so weiter: atanh=0,5 log((1+x)/(1-x)) für -1<x<1

von Nils (Gast)


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Da hast du viel glück. Ein zwei Transistor "Long Tailed Pair" bringt 
ziemlich exakt eine atanh Kurve raus.

von Helmut -. (dc3yc)


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Eine Schaltung, die den Arcus Tangens Hyperbolicus nachbildet, kann es 
nicht geben! Denn das Dingens heißt Area Tangens Hyperbolicus! Just my 
two cent...

von hsin (Gast)


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Im studium haben wir einen Analogmultiplizierer gebaut. Irgendeine 
OPV/tranistorkombination/diodenkombination lieferte eine einen 
Tangenshyperbolicus.

von Wolfgang (Gast)


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hsin schrieb:
> Im studium haben wir einen Analogmultiplizierer gebaut.

Dann mal raus mit den Fakten oder war dein Studium umsonst?

Mit einem Widerstands-Dioden-Netzwerk kann man vieles hinbiegen.

von Mohandes H. (Firma: مهندس) (mohandes)


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1. Analoge Lösung:

artanh(x) = 1/2·ln((1+x)/(1-x)) für |x|<1
artanh(x) = 1/2·ln((x+1)/(x-1)) für |x|>1

Addierer, Subtrahierer & Logarithmierer kannst Du alles mit OPs 
aufbauen. Multiplizierer & Dividierer indirekt über Logarithmieren. Das 
Ganze wäre ein ziemlicher Aufbau und ich bezweifele, daß Du damit die 
erforderliche Präzision erreichst. Probleme mit Offset, 
Schwingungsneigung, usw. Wäre aber interessant!

2. Digitale Lösung:

A/D-Wandler --> µ-Controller, Berechnung über Reihenentwicklung (Taylor) 
--> D/A-Wanler. Fertig! Im Idealfall alles in einem Chip.

artanh(x) = x + x^3/3 + x^5/5 + x^7/7 + ...

Berechnung so lange, bis die gewünschte Genauigkeit erreicht ist 
(Abbruch der Reihe). Die Genauigkeit wird ansonsten nur begrenzt durch 
die Auflösung des A/D- & D/A-Wanlers.

Im Studium habe ich mal an einem Analogrechner gearbeitet. Das war eine 
riesige Kiste. Ich kam mir vor wie im Raumschiff Orion. Die wichtigsten 
Funktionen waren als Black-Box ausgeführt. Unmengen von Patchkabeln zur 
Verdrahtung.

Analogrechner haben auch heute noch ihre Berechtigung, z.B. in der 
Strömungsmechanik oder zur Simulation von Regelkreisen.

von Mohandes H. (Firma: مهندس) (mohandes)


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Helmut -. schrieb:
> Eine Schaltung, die den Arcus Tangens Hyperbolicus nachbildet, kann es
> nicht geben! Denn das Dingens heißt Area Tangens Hyperbolicus! Just my
> two cent...

Hatte ich aber auch so in Erinnerung: arctanh. Wikipedia sagt 
tasächlich artanh ...

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Nils schrieb:
> Da hast du viel glück. Ein zwei Transistor "Long Tailed Pair" bringt
> ziemlich exakt eine atanh Kurve raus.

Das ist ein guter Ansatz. Allerdings erhält man damit erst einmal einen
tanh. Für den artanh muss noch die Umkehrfunktion gebildet werden, bsp.
mittels eines Opamps.

Die Schaltung im Anhang zeigt das Prinzip. Für den praktischen Einsatz
müsste man aber noch ein paar Dinge hinzufügen, damit

- der Offset des Eingangssignals 0 ist,

- die Skalierung des Eingangs- und Ausgangssignals den konkreten
  Anforderungen entspricht und jeweils über Potis abgeglichen werden
  kann,

- die Schaltung nicht schwingt (der Differenzverstärker hat um den
  Nullpunkt herum eine sehr hohe Verstärkung, was der Opamp nicht
  verträgt),

- und die Temperaturdrift kompensiert wird.

von 10 maß bier für die jungs vom sägewerk (Gast)


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Mohandes H. schrieb:
> Hatte ich aber auch so in Erinnerung: arctanh.

arcus = bogen ... area = fläche

von Watashi (Gast)


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@ Yalu

Klasse, fettes Lob!

von Percy N. (vox_bovi)


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Helmut -. schrieb:
> Denn das Dingens heißt Area Tangens Hyperbolicus!

Ich bin völlig Deiner Meinung,  nur scheinen die lieben Usaner es 
geschafft zu haben, eine Fläche als Bogenlinie aufzufassen, warum auch 
immer.

Dafür haben sie auch seit den 20er Jahren besonders leichtes Alu, ohne 
zweites "i".

von Percy N. (vox_bovi)


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Mohandes H. schrieb:
> Hatte ich aber auch so in Erinnerung: arctanh. Wikipedia sagt tasächlich
> artanh ...

Das sagt auch so ziemlich jedes brauchbare Mathebuch, nur nicht die 
Sprachdefinition der einen oder anderen (us-smerikanischen) 
Programmiersprache bzw Bibliothek.
Wenn man halt nicht weiß,  wie die geometridche Deutung aussieht, wird 
es nun einmal hin und wieder etwas "toleranter" in der Bezeichnung.

von Mohandes H. (Firma: مهندس) (mohandes)


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Percy N. schrieb:
> Das sagt auch so ziemlich jedes brauchbare Mathebuch.

Jaaa ... ich seh's ja ein! Das ist tatsächlich ein Fehler den ich fast 
mein ganzes Leben mit mir herumgetragen habe - als Kind falsch gelesen 
oder gehört ...

10 maß bier für die jungs vom sägewerk schrieb:
> arcus = bogen ... area = fläche

Ist logisch, man lernt nie aus.

Allerdings war ich als Kind saumäßig schlecht in Mathe. Damals bekam ich 
Nachhilfe, heute gebe ich selber Nachhilfe in Mathe. Irgendwann hat es 
'klick' gemacht. Wer sich also mit Mathematik quält - es ist nie zu 
spät!

von Mohandes H. (Firma: مهندس) (mohandes)


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Yalu X. schrieb:
> Die Schaltung im Anhang zeigt das Prinzip.

Das ist klasse!

von Purzel H. (hacky)


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Das waere die Standardfunktion fuer Neuronale Netzwerke ?

von Rainer V. (a_zip)


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Purzel H. schrieb:
> Das waere die Standardfunktion fuer Neuronale Netzwerke ?

nein, dafür nimmt man tanh, wegen der "bequemen" Ableitung.
Gruß Rainer

von Sandy (Gast)


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WOW, ihr seid genial!!!

So viele brauchbare Antworten für den arc ... area ....  für das Ding, 
das ich brauche ;)

Das hilft mir sehr weiter.

Sandy

von Sandy (Gast)


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Danke für die Schaltung!!!

von Peter D. (peda)


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Nils schrieb:
> Ein zwei Transistor "Long Tailed Pair" bringt
> ziemlich exakt eine atanh Kurve raus.

Da mußte ich erstmal nachschauen, was für eine komische Schaltung das 
sein soll. Aha, also ein emittergekoppeltes Transistorpaar. Wo da der 
lange Schwanz ist, erschließt sich mir aber nicht.
Die Amis denken sich manchmal schon seltsame Namen aus.
Eine Erklärung des Namens der Bootstrap-Schaltung konnte ich auch nicht 
finden.

von Nils (Gast)


Angehängte Dateien:

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Ja, es handelt sich um die simpelste Form der Differenzverstärker 
Schaltung aus zwei Transistoren.

Die hat als Übertragungsfunktion halt die nichtlinearität als Arctan, 
was gelegentlich recht nützlich sein kann. Macht sich gut als weicher 
Werte Limiter.

Habe Elektronik halt aus englischen Fachbüchern gelernt (macht es in der 
Praxis auch einfacher in der Kommunikation mit internationalen 
Kollegen).

Anbei mal eine Prinzipschaltung, die die Arctan Funktion der 
Eingangsspannung erzeugt.

Wie Yalu schon geschrieben hat muss man die nur per Opamp umkehren.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Peter D. schrieb:
> Eine Erklärung des Namens der Bootstrap-Schaltung konnte ich auch nicht
> finden.

Ein Schaltungstechnik Prof. hats mal so erklaert: Der Englischsprachige 
zieht sich nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf, sondern an seinen 
Schnuersenkeln (bootstraps). Von daher kommt der Name.

Gruss
WK

von Percy N. (vox_bovi)


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Dergute W. schrieb:
> Ein Schaltungstechnik Prof. hats mal so erklaert: Der Englischsprachige
> zieht sich nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf, sondern an seinen
> Schnuersenkeln (bootstraps). Von daher kommt der Name.

Dann hatte dieser Prof wohl nicht gedient und konnte kaum Englisch. 
Knobelbecher haben an den Seten der Schäfte Ledeschlaufen, mit denen man 
sie über den Fuß ziehen kann, die "Bootstraps". Solche Schlaufen gab es 
nämlich auch bei Stiefeln im angoiphonen Sprachraum.

Schnürsenkel hingegen sind "shoe laces".

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Moeglich. Oder ich habs verbaselt. Ist schon ne Weile her, und ich hatte 
dem nicht so ne Bedeutung beigemessen.

Gruss
WK

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Nils schrieb:
> Ja, es handelt sich um die simpelste Form der Differenzverstärker
> Schaltung aus zwei Transistoren.
>
> Die hat als Übertragungsfunktion halt die nichtlinearität als Arctan,
> was gelegentlich recht nützlich sein kann. Macht sich gut als weicher
> Werte Limiter.

Diese Übertragungsfunktion ist kein arctan, sondern ein tanh (wie Yalu 
X. schon schrieb).

von Mohandes H. (Firma: مهندس) (mohandes)


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Nils schrieb:
> Anbei mal eine Prinzipschaltung, die die Arctan Funktion der
> Eingangsspannung erzeugt.

Eberhard H. schrieb:
> Diese Übertragungsfunktion ist kein arctan, sondern ein tanh (wie Yalu
> X. schon schrieb).

Wäre ja interessant welche Mathematik dahinter steckt, daß diese zwei 
(emittergekoppelten) Transistoren ausgerechnet eine 
Tangens-hyperbolicus-Funktion erzeugen. Zufall wird das ja nicht sein.

: Bearbeitet durch User
von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Mohandes H. schrieb:
> Wäre ja interessant welche Mathematik dahinter steckt, daß diese zwei
> (emittergekoppelten) Transistoren ausgerechnet eine
> Tangens-hyperbolicus-Funktion erzeugen.

Das liegt am exponentiellen Verhalten des Basisstroms in Abhängigkeit 
von der Basis-Emitter-Spannung:

Damit kann man das Verhältnis der beiden Kollektorströme bzw. die 
Übertragungsfunktion bestimmen.

Allerdings ist hierzu etwa eine halbe DIN-A4-Seite Herleitung mit 
einigen geschickten Umformungen nötig, wobei diese allgemein bekannte 
Formel schließlich zum Erfolg führt:

von Rainer V. (a_zip)


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Eberhard H. schrieb:
> Allerdings ist hierzu etwa eine halbe DIN-A4-Seite Herleitung mit
> einigen geschickten Umformungen nötig

und das liest sich in einer mathematischen Arbeit dann so: "wie man 
sofort sieht" ...:-)
Gruß Rainer

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Eberhard H. schrieb:
> Allerdings ist hierzu etwa eine halbe DIN-A4-Seite Herleitung mit
> einigen geschickten Umformungen nötig,

Ganz so wild ist es gar nicht einmal. Ich würde aber statt mit den
Basisströmen gleich mit den Basis-Emitter-Spannungen rechnen, da
letztendlich ja nicht die Eingangsströme, sondern die Eingangsspannungen
von Interesse sind.

Unter Vernachlässigung des Early-Effekts gilt für die Kollektorströme
der beiden Transistoren:

I_S ist dabei der Sättigungssperrstrom, U_BE die Basis-Emitter-Spannung
und U_T die Temperaturspannung (s.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mathematische_Beschreibung_des_Bipolartransistors#Gro%C3%9Fsignalgleichungen).
I_S und U_T sollten jeweils für beide Transistoren möglichst gut
übereinstimmen, d.h. die Transistoren sollten vom gleichen Typ sein
(besser noch selektiert oder in einem gemeinsamen Fertigungsprozess
hergestellt worden sein) und thermisch gekoppelt sein, um eine
ausreichende Symmetrie zu gewährleisten.

Damit ist das Verhältnis der beiden Kollektorströme

U_D ist dabei die Eingangsdifferenzspannung.

Unter Vernachlässigung der Basisströme ist die Summe der beiden
Kollektorströme gleich dem Strom I_RE durch den gemeinsamen
Emitterwiderstand:


Einsetzen von (1) ergibt

Für die Differenz der Kollektorströme ergibt sich unter Verwendung von
(1) und (2)

(s.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tangens_hyperbolicus_und_Kotangens_hyperbolicus#Definitionen)

Da in der vorliegenden Anwendung einer der beiden Eingänge auf ein
festes Potential gelegt wird, ist die Spannung am gemeinsamen
Emitterwiderstand und damit auch I_RE näherungsweise konstant. Man kann
den Widerstand aber auch durch eine Konstantstromsenke ersetzen, wie es
bei den meisten Opamps getan wird.

Aus den beiden Kollektorströmen können über Kollektorwiderstände die
gewünschten Ausgangsspannungen für die Weiterverarbeitung gewonnen
werden. Alternativ kann man – wie bei Opamps üblich – mit einem
Stromspiegel direkt die Differenz der Kollektorströme bilden und den
Differenzstrom weiterverarbeiten.

Die Konstantstromsenke und der Stromspiegel haben gegenüber den
Widerstanden den Vorteil des geringeren Spannungsabfalls, was den
Aussteuerbereich der Schaltung vergrößert. Das ist bei der
artanh-Schaltung nicht ganz so wichtig, bei einem Opamp aber schon.

: Bearbeitet durch Moderator
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