Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Frequenzumrichter-Ausgang schalten (IGBT)


von Chucky4 (Gast)


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Hallo zusammen,

es gibt ja viele Frequenzumrichter die ein Schalten zwischen 
Umrichterausgang und Motor nicht aushalten. Manche Hersteller geben 
jedoch an, dass dies bei bestimmten Modellen erlaubt ist. Für mich 
stellt sich eigentlich die Frage, welche physikalischen Effekte hier 
eine Rolle spielen. Kennt hierzu jmd. eine gute Lektüre die sich mit 
dieser Thematik beschäftigt, gerne auch eine Dissertation. Mich würde 
interessieren was hier genau physikalisch passiert.
Einen guten Anfang habe ich mal mit diesem Link erhalten, es ist jedoch 
das obige Problem nicht erklärt: 
https://www.semikron.com/dl/service-support/downloads/download/semikron-applikationshandbuch-leistungshalbleiter-de-2015-08-04.pdf

Wie beispielswiese würde man eine Beschädigung des IGBTs in der 
Treiberschaltung verhindern und weshalb genau wird der IGBT dadurch 
zerstört?

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Dabei wird wohl der Anlaufstrom die grösste Rolle spielen. Eine 
Strombegrenzung kann man bei vielen FU einstellen, bei einigen aber auch 
nicht. Wird ein FU ohne Begrenzung auf einen Motor geschaltet, kann der 
Anlaufstrom die Tragfähigkeit der FU Endstufe überschreiten und 
zerstören.

von Chucky4 (Gast)


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Ist meine Annahme dann richtig dass ein Trennen des Motors während des 
Betriebes unkritisch für den Umrichter ist und nur ein Aufschalten 
kritisch ist?

Könnte man die physikalischen Effekt mit denen des Kurzschlussfall 2 
(Semikron-Handbuch PDF-Seite: 358) gleichsetzen?

Warum aber geben dann manche Hersteller an, dass ein Schalten des 
Ausganges unkritisch ist und andere wieder nicht? Denn ein 
Kurzschlussfall sollte immer vermieden werden. Und andererseits hat 
gewöhnlicherweise jeder eine Kurzschlussabschaltung drin.

Bei den Umrichtern die es uns aber zerlegt, ist eine Abschaltung via 
Fehlerstromerkennung durch Shunt vorhanden (Schaltplan ist vorhanden 
aber ich darf diesen leider nicht veröffentlichen!). Ist diese 
vielleicht zu langsam, da über Software implementiert oder schaltet 
dieser bei Kurzschluss vielleicht zu hart ab?

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Chucky4 schrieb:
> Ist meine Annahme dann richtig dass ein Trennen des Motors während des
> Betriebes unkritisch für den Umrichter ist und nur ein Aufschalten
> kritisch ist?

Normalerweise ja. Denn ein Frequenzumrichter schaltet ja im Rythmus der 
PWM den Motor aus und an und ist gegen die EMK des Motors normalerweise 
gefeit, weil die Endstufen Bodydioden haben, die die Gegen-EMK in die 
Versorgung ableiten.

Chucky4 schrieb:
> Ist diese
> vielleicht zu langsam, da über Software implementiert

Keine Ahnung. Aber viel Zeit ist meistens nicht da, vor allem, wenn die 
Endstufen auf Kante genäht sind. Wer da erstmal ein paar dutzend µs 
vertrödelt, ist oft zu spät. Sinnvoll ist es auf jeden Fall, Endstufen 
mit spezifizierten Bodydioden zu verbauen und nicht irgendwelche, die es 
gerade günstig gibt.

: Bearbeitet durch User
von Chucky4 (Gast)


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Matthias S. schrieb:
> Wer da erstmal ein paar dutzend µs
> vertrödelt, ist oft zu spät.

Ausschließen, kann ich dies leider nicht da ich nicht der Entwickler des 
FUs war. Aber ich hoffe einfach dass dies der damalige Entwickler 
beachtet hat. Dies zu prüfen wäre richtig aufwendig für mich, die 
Verzögerung der dazwischen geschalteten OPs hab ich schnell raus, aber 
die Software ist nicht wirklich ein Augenschmauss :) Zumindest ein Test 
von mehreren Kurzschlussfällen (Fall 1) hat zumindest keinen Defekt 
verursacht.


Matthias S. schrieb:
> Endstufen
> mit spezifizierten Bodydioden zu verbauen und nicht irgendwelche, die es
> gerade günstig gibt.

Die Bodydioden sind schon integriert. Da ein komplettes IGBT-Modul 
verwendet wurde.


Was mich wirklich interessieren würde, was muss ein FU-Hersteller bei 
der Dimensionierung beachten, um ein Schalten auf der Ausgangsseite zu 
erlauben?

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Ein Drehstrom-Asynchronmotor nimmt beim Hochlauf an starrer Spannung 
gerne mal den 10fachen Nennstrom auf. Daß der Frequenzumrichter das 
nicht besonders prickelnd findet, sollte klar sein.

Zweitens überwachen die meisten Umrichter den angeschlossenen Motor. 
Wenn man ihn einfach wegschaltet, bekommt man eine Fehlermeldung 
(Motorstrom untere Regelgrenze oder Unterbrechung).

Bestimmte Umrichter können es aber bzw. manche Fräsantriebe schalten den 
Motor für niedrige Drehzahlen auf Stern, bei hohen Drehzahlen wird auf 
Dreieck umgeschaltet. Ich könnte mir aber vorstellen, daß das vor dem 
Hochfahren des Motors oder kurzzeitig leistungslos umgeschaltet wird.

Es gibt auch keinen Grund, den Motor vom Umrichter zu trennen. Die 
besseren Geräte können alle sowas wie Notaus (Reglerfreigabe) oder 
Nothalt (Auswahl eines programmierten 0Hz mit sehr kurzer Rampenzeit), 
manche können auch eine Gleichstrombremsung.

von Vorn N. (eprofi)


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Ich denke eher, dass das Trennen des Motors problematisch ist:
Der entstehende Lichtbogen im Relay / Schütz erzeugt ein weites 
Frequenzspektrum und scharfe Transienten.
Die in der Induktivität gespeicherte Energie "will ja irgendo hin".
Umfangreiche VDR, Snubber oder Suppressor-Dioden etc. können die 
Endstufe etwas schonen. Dabei auf deren Kapazitäten achten. Bei 
Blitzschlägen passiert ähnliches.
Vorsicht, auch während des Verbindens kann es durch "Prellen" zu 
temporären Unterbrechungen kommen.

Erkläre bitte, warum Du den Motor galvanisch trennen willst.
Ben hat schon angedeutet, dass dies (zumindest aus elektrischer Sicht) 
meist unnötig ist, Stichwort: STO (safe turn off). Hierbei werden in 
Hardware (ohne Software, also nicht über den Prozessor - dieser könnte 
ja mal abstürzen) die Endstufentransistoren abgeschaltet (oft mit 
Sicherheitseingängen, d.h. zwei Eingänge, falls mal einer nicht 
reagieren sollte), damit sind die Motorausgänge potentialfrei. (Danach 
könnte man problemlos trennen).
Wir nutzen dieses Feature, wenn Motoren über Stecker verbunden sind.
Falls mal jemand den Stecker im Betrieb löst, schaltet ein voreilender 
Kontakt die Endstufe ab. Die Energie wird noch schnell über die 
Bodydioden in den Zwischenkreis abgeleitet.

> Ein Drehstrom-Asynchronmotor nimmt beim Hochlauf an starrer Spannung
> gerne mal den 10fachen Nennstrom auf. Daß der Frequenzumrichter
> das nicht besonders prickelnd findet, sollte klar sein.
Moderne Endstufen messen den Ausgangsstrom sehr schnell und reagieren 
entsprechend.

Die Problematik besteht nicht nur bei FU-AC-Motoren, sondern generell 
bei induktiven Lasten, z.B. Schrittmotoren. Dabei beachten, dass auch 
lange Kabel eine Induktivität haben.

Im sehr guten Semikron-PDF ist ja beschrieben, wie man 
Überspannungsschutz relalisieren kann (Kapitel 4.4.3 ff 
(Avalance-Dioden, Varistoren)).

: Bearbeitet durch User
von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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> Moderne Endstufen messen den Ausgangsstrom sehr schnell
> und reagieren entsprechend.
Genau das würde ich so pauschal nicht beschreiben.

Die billigen Typen probieren es trotz 10fachem Motorstrom trotzdem, ihre 
Anfahrrampe zu halten - bis das Silizium meint verdammt heiß hier drin, 
ich muß hier raus. Andere geben immerhin einen Fehler aus (Motor 
Überstrom oder Regelgrenze wenn sie ihre Rampe nicht halten können), 
dann kann die Maschine/Software entscheiden, wie sie damit umgeht und 
richtig gute können in Verbindung mit einem fähigen Programmierer ihre 
Anfahrrampe am Motorstrom ausrichten.

Schnelles Bremsen ist auch nochmal ein Thema für sich, bei viel 
rotierender Masse braucht man einen rückspeisefähigen Umrichter oder 
einen Bremswiderstand, damit die Zwischenkreisspannung nicht durch die 
Decke geht (die meisten Umrichter schalten in dem Fall einfach auf 
freien Auslauf). Wenn es wirklich um einen Nothalt geht, würde ich immer 
eine DC-Bremse bevorzugen, weil die Energie dann im Motor bleibt (dem 
normalerweise bei einem einmaligen Ereignis so schnell nichts passiert) 
und das System dadurch recht zuverlässig wird. Bei Servoantrieben mit 
permanenterregten Synchronmotoren (die Dinger verfügen dann auch über 
weitere Features wie eine Rotorlageerkennung) verwendet man dazu 
Bremsschütze (Reglerfreigabe weg und Kurzschlußbremsung).

von Chucky4 (Gast)


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Ich versuch mal die jeweiligen Fragen/Antworten durch meinen 
Wissensstand zu ergänzen, warum mir aber der FU um die Ohren fliegt (was 
passiert genau?) und was schaltungstechnisch notwendig ist um dies zu 
verhindern, hab ich immer noch nicht so ganz verstanden:

Ben B. schrieb:
> Ein Drehstrom-Asynchronmotor nimmt beim Hochlauf an starrer Spannung
> gerne mal den 10fachen Nennstrom auf

Dies sehe ich aber als unkritisch. Da der IGBT nur einen bestimmten 
maximalen Strom durchlässt bei Kurzschluss. Dieser IGBT hält laut 
Datenblatt 10 us bei 450 A aus. Der 10-fache Nennstrom liegt hier weit 
darunter (Nennstrom von Motor 5 bis 10 A)

Ben B. schrieb:
> Wenn man ihn einfach wegschaltet, bekommt man eine Fehlermeldung

Unser Umrichter wertet zumindest Phasenverlust aus. Dies wird über die 
Shunt-Messung realisiert. Meinst du dies? Diese Auswertung ist aber 
vergleichsweise sehr langsam (Langsam da dies als Schutz vor 
Fehlauslösungen dient).

Ben B. schrieb:
> manche Fräsantriebe schalten den
> Motor für niedrige Drehzahlen auf Stern, bei hohen Drehzahlen wird auf
> Dreieck umgeschaltet.

Bei FUs kenn ich diese Umsetzung so nicht. Dies macht man meines Wissens 
nur bei reiner Schützansteuerung um einen geringeren Anlaufstrom zu 
haben. Stichwort: Vorschrift bei 5,5 kW-Grenze!

Vorn N. schrieb:
> Der entstehende Lichtbogen im Relay / Schütz erzeugt ein weites
> Frequenzspektrum und scharfe Transienten.

OK, das versteh ich, aber was passiert dann deshalb? Anschalten aufgrund 
von Miller-Kapazität und ggf. deshalb High- und Low-Gate zur gleichen 
Zeit an?

Vorn N. schrieb:
> Die in der Induktivität gespeicherte Energie "will ja irgendo hin"

Das muss ja der Schütz verbraten. Dieser ist ja hochohmig zu diesem 
Zeitpunkt. Der IGBT bleibt niederohmig und auch wenn der IGBT gerade 
schaltet, schaltet dieser nicht schneller als im normalem Betrieb.

Ben B. schrieb:
> braucht man einen rückspeisefähigen Umrichter oder
> einen Bremswiderstand

Ausreichender Bremswiderstand ist vorhanden. Dies stellt kein Problem 
dar.

Vorn N. schrieb:
> Erkläre bitte, warum Du den Motor galvanisch trennen willst

Ich will nicht, ich muss! Es ist eine Bestandsanlage. Der Grund ist auch 
wirklich akzeptabel auch wenn ich selbst grundsätzlich gegen Schalten am 
Motorausgang bin. Es ist aus Preisgründen erforderlich! Ohne jetzt im 
Detail auf die Anlage einzugehen hier eine etwaige Beschreibung: Es sind 
ca. 200 Motore im Einsatz und nur 20 FUs. Es sind pro FU maximal 2 
Motoren gleichzeitig eingeschaltet. Es kann jedoch auf sehr viele 
verschiedene Motore umgeschalten werden über Schütze. Dies läuft 
automatisiert ab. Wenn umgeschalten wird ist der FU normalerweise aus! 
Da jedoch diese Umschaltung über Sensorik läuft, kann es unter Umständen 
passieren dass diese Sensorik kurz Fehlinformationen bekommt und deshalb 
kurz einen Motor trennt und kurz danach wieder zuschaltet (im laufendem 
FU-Betrieb). Dies kann leider nicht verhindert werden, außer durch eine 
sorgfältige Einstellung der Sensorik. Auch das verzögerte Schalten der 
Schütze ist hierbei prozesstechnisch unter keinen Umständen möglich 
sondern muss direkt durch die Sensorik übernommen werden (um die 
Notwendigkeit zu erklären, müsste ich wirklich viel zusätzlich 
erklären). Um eins vorweg zu nehmen: Es ist nicht möglich dass sich zwei 
verschiedene Umrichterausgänge über Schütze verbinden (diese Möglichkeit 
wird technisch unterbunden). Zu der Motorart: Es handelt sich hierbei um 
Drehstrom-Asynchronmotoren.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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> Bei FUs kenn ich diese Umsetzung so nicht.
Z.B. Mazak CNC-Bohr-/Fräszentren machen das.

Wenn Du es nicht vermeiden kannst, dann mach es doch einfach und hoffe 
das Beste... oder welche andere Wahl hast Du? Ich sehe da nur eine 
komplette Überarbeitung der Sensorik, damit keine Fehlsteuerungen 
passieren während die Motoren laufen.

Man könnte auch etwas bauen, was eine Änderung der Schaltzustände nur 
während des Stillstands zulässt und eine Zu/Abschaltung während des 
FU-Betriebes unterbindet. Dann würden Fehlsteuerungen der Sensorik kein 
Umschalten der Motoren bewirken.

Wofür werden die FUs gebraucht, also wieso ist kein direkter Betrieb der 
Motoren am 230/400V-Netz möglich?

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