Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Maximum aus Schrittmotor holen


von gzuz (Gast)


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Moin zusamnmen,

ich bin Maschinenbauer und was Elektrotechnik angeht ein Laie. Ich muss 
einen Schrittmotor (Nema 17, 2.1A, -> Stepperonline 17HS24-2104S) mit 
einem DM542T via Labornetzteil (bis 36V, 5A) antreiben. Dabei soll das 
Maximum an Leistung (Drehmoment, Drehzahl) herausgeholt werden.

Dabei habe ich zunächst die Schritte am Treiber aufs Minimum eingestellt 
(400 PPS) und den Strom auf 2A RMS, 2.84A Peak und via Labornetzteil 12V 
angelegt. Das ganze dann via Arduino Mega und Accelstepper angesteuert. 
Dabei ist mir aufgefallen, dass das Labornetzteil immer nur 0,8A 
anzeigt. Ich habe dann  am Treiber den Strom eine Stufe höher gestellt 
und konnte damit den Strom erhöhen, allerdings nicht wie es die 
Anleitung vorgibt. Wenn ich 24V anlege halbiert sich der Strom.

Ich habe das Gefühl, dass der Steppermotor nicht seine maximale Leistung 
liefert und außerdem sehr schnell warm wird. Warum verändert sich der 
Strom wenn ich die Spannung änder? Sollte der Treiber nicht - egal 
welche Spannung anliegt, den Strom entsprechend der Treibereinstellung 
z.B. auf  2A regulieren? Drehen tut der Schrittmotor wie ich es erwarte, 
daher sollte die Verkabelung stimmen.

von Patrick L. (Firma: S-C-I DATA GbR) (pali64)


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Weil U*I=Watt
und Watt= Leistung und die leistung macht irgendwann auch Warm, ganz 
banal gesagt.
Wenn du 12V und 1A hast, sind das 12Watt Leistung
wenn du 24V und 1A hast, sind das 24Watt Leistung
Also doppelt so viel bei gleicher Ampere Zahl  ;-)
Also ergo hat wohl deine Endstufe die Leistungsgrenze erreicht 
(Vielleicht kannst du die ja irgend wo ändern?

: Bearbeitet durch User
von gzuz (Gast)


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Ich kann am Treiber den Strom einstellen. Allerdings haben die 12V oder 
24V vom Netzteil doch erstmal nichts damit zu tun was der Motor an 
Spannung bekommt, oder? Laut Datenblatt kann der Nema 17 2,1A/Phase bei 
3.36 V. In der Drehmomentkurve ist die Rede von 24V. Da er Bipolar ist 
kann sollte es einer maximalen Leistung von 3,36V * 2,1A* 2Phasen = 
14,1W haben. Wenn das Labornetzteil also auf 12V und ca. 1,1A kommt 
sollte mein Motor die maximale Leistung erreichen? Welchen Vorteil hat 
dann eine größere Versorgungsspannung? Ich habe oft gelesen das in 
Industrieanwendungen 48V genutzt werden, was bei mir zu 0,3A führen 
würde.

von Irgend W. (Firma: egal) (irgendwer)


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gzuz schrieb:
> Laut Datenblatt kann der Nema 17 2,1A/Phase bei
> 3.36 V. In der Drehmomentkurve ist die Rede von 24V. Da er Bipolar ist
> kann sollte es einer maximalen Leistung von 3,36V * 2,1A* 2Phasen =
> 14,1W haben.
> Welchen Vorteil hat dann eine größere Versorgungsspannung?

Das sind erstmal nur statischen Werte. Dynamisch sieht das etwas anders 
aus.
Die Dinger haben eine verhältnismäßige große Induktivität und die hat 
nun mal was dagegen, wenn sich sie Spannung ändert. Um diese Änderung zu 
beschleunigen legt ein guter Treiber temporär eine höhere Spannung an 
bis quasi der Sollstrom erreicht ist und reduziert dann die Spannung 
wieder bis zur nächsten Änderung. Den Strom den dir dein Netzteil 
anzeigt ist ja nur einen ungefähren Mittelwert und nicht der 
tatsächliche Wert zu jedem Zeitpunkt. Wenn du dir den Strom mal mit 
einem Oszi anschaust siehts du wie stark hier die Änderungen sind.

Was verstehst du unter "maximum"?
- Maximales Haltemoment?
- Maximales Drehmoment bei einer bestimmten Schrittfrequenz?
- Maximale Schrittfrequenz?
- oder?

Das mit dem Warm werden ist eigentlich normal, wenn die das Ding mit 
seinen Grenzwerten betreibst. Die volle Leistung wird ja auch im 
Stillstand umgesetzt um das Haltemoment zu erzeugen. Wenn es dir im 
Stillstand zu Warm wird und du das maximale Haltemoment garnicht 
benötigst helfen Treiben mit entsprechender Ruhestromabsenkung. 
Ansonsten hilft nur kühlen...

von Egon D. (Gast)


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gzuz schrieb:

> Ich kann am Treiber den Strom einstellen. Allerdings
> haben die 12V oder 24V vom Netzteil doch erstmal nichts
> damit zu tun was der Motor an Spannung bekommt, oder?

Richtig.


> Laut Datenblatt kann der Nema 17 2,1A/Phase bei 3.36 V.
> In der Drehmomentkurve ist die Rede von 24V. Da er
> Bipolar ist kann sollte es einer maximalen Leistung
> von 3,36V * 2,1A* 2Phasen = 14,1W haben.

Ja -- aber Achtung: Das ist die elektrische Leistungs-
aufnahme im STILLSTAND .

Im Stillstand hat der Motor zwar ein Haltemoment, aber
da die Drehzahl gleich Null ist, ist auch die abgegebene
mechanische Leistung gleich Null (!!).


> Wenn das Labornetzteil also auf 12V und ca. 1,1A kommt
> sollte mein Motor die maximale Leistung erreichen?

Nein.

Die Schrittmotorheinis (Anwesende natürlich ausgenommen)
glauben, dass sie die ersten auf der Welt sind, die
rotierende elektrische Maschinen bauen.

Daher wird bei Schrittmotoren nicht einfach Nennspannung,
Nennstrom, mechanische Nennleistung angegeben wie bei
allen anderen Elektromotoren, sondern die dauerhaft
zulässige Verlustleistung (!).
Der größte Teil der Verlustleistung sind die sogenannten
I^2*R-Verluste ("I-Quadrat-Err-Verluste") -- in Deinem
Fall die o.g. 14,1W. Wenn Nennstrom (2.1A) durch beide
Wicklungen fließt, fallen diese Verluste IMMER an, egal,
wie schnell sich der Motor dreht, oder ob er stillsteht.


> Welchen Vorteil hat dann eine größere Versorgungsspannung?

Der Motor kann mechanische Leistung abgeben :)

Ein sich drehender Motor erzeugt in den Wicklungen eine
Gegenspannung, die um so höher ist, je schneller sich der
Motor dreht.
Mechanische Nutzleistung kann der Motor nur abgeben, wenn
die von außen angelegte Spannung HÖHER ist als diese
Gegenspannung -- sonst kann kein Strom durch die Wicklungen
getrieben werden, und schon gar nicht der Nennstrom.

Deshalb braucht die Treiberkarte genügend Spannungsreserve
nach oben.

Die am Netzteil angezeigte Leistungsaufnahme kann somit
durchaus deutlich höher als 14W werden -- die 14W sind
thermische Verluste, und das, was darüber hinausgeht,
ist mechanische Leistung an der Motorwelle.


> Ich habe oft gelesen das in Industrieanwendungen 48V
> genutzt werden,

Kann sein, ja.


> was bei mir zu 0,3A führen würde.

Nur im Stillstand bzw. bei relativ niedrigen Drehzahlen.

Lass' den Motor schneller drehen, und die Stromaufnahme
wird steigen.

Ach so, noch eine Falle: Der am Netzteil angezeigte Strom
ist der Speisestrom für Deinen Antrieb; der hat nichts
direkt mit den fließenden Wicklungsströmen zu tun --
ebensowenig, wie die eingestellte Netzteilspannung einen
direkten Rückschluss auf die Wicklungsspannung zulässt.
(Genauere Erklärung bei Bedarf).

Die zugeführte Speiseleistung -- also U*I -- ist aber
eine verwertbare Angabe, denn der Energieerhaltungssatz
gilt (immer noch, glaube ich :)

HTH

von Helge (Gast)


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Der maximale Strom durch die spulen gibt das maximal mögliche 
Haltemoment bzw. drehmoment vor. Der Steppertreiber ist eine Art 
schaltregler. Wenn zum halten oder langsam drehen z.B. 2A vorgegeben 
sind, erzeugt der die auch. Im stehenden Motor wirkt das aber nur gegen 
den ohmschen Widerstand der Spulen, daher braucht das noch wenig 
Leistung.

Dreht der Motor schneller, bietet die Anordnung sowohl den Strom durch 
den Widerstand der Spulen als auch die abgegebene Motorleistung. Bei 
höherer Drehzahl ist das Leistungsmaximum erreicht, wenn der Motorstrom 
immer noch 2A ist und gleichzeitig die Spannung an den Spulen annähernd 
der Betriebsspannung entspricht. In dem Moment zieht das ganze auch die 
eingestellten 2A aus dem Metzteil. Wird das Leistungsmaximum 
überschritten, fällt die entnehmbare Leistung und der aufgenommene 
Strom.

von Prokrastinator (Gast)


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Wie meine Vorposter, nur anders erklärt.
Die hohe Spannung brauchst Du nur für die Geschwindigkeit.
Je kleiner die ist, umso länger dauert das bis sich der gewünschte und 
über den Treiberbaustein geregelte Strom in der Induktivität der 
Motorspule einstellt.
Wäre die Spannung kleiner, würde der Motor schon noch die gleiche 
Leistung bei niedriger Drehzahl bringen, bei höherer Drehzahl aber nicht 
mehr den gewünschen Motorstrom erreichen, weil der Induktive Widerstand 
der Wicklung sich dem entgegenstellt.

Der Treiber wird schon auf den Strom regeln, den Du eingestellt hast.
Das Labornetzteil sieht aber nicht den Motorstrom. Es sieht die Leistung 
die in die komplette Motorregelung rein geht, und da gilt eben P=U*I.
Also wenn Du die Spannung erhöhst, sinkt der Strom am Labornetzteil, 
weil die Leistung gleichbleibt.

Du kannst einen einfachen Test machen, um zu sehen ab welcher Drehzahl 
die Spannung nicht mehr reicht.
Spannung am Labornetzteil Konstant, Strom beobachten.
Drehzahl des Motors langsam erhöhen, bis der Strom abfällt.
Da ist die Grenze, ab der die Sapnnung nicht mehr reicht um rechtzeitig 
den Strom im Motor zu erreichen.
Ist die Belastung jetzt größer als der Motor noch mechanische Leistung 
bringt, verliert der Schritte, macht schlimme Geräusche und ruckt vor 
sich hin.

Um die maximal mögliche leistung rauszuholen, kann man ausgefuchste 
Treiber nehmen, z.B. von Trinamic.
Richtig konfiguriert, können die auch ohne Encoder halbwegs gut erkennen 
ab wann Strittverlust droht (Stall guard) und können den Strom so 
niedrig wie möglich einstellen, damit dir Luft bleibt den bei Bedarf 
auch kurzfristig über die Kenndaten zu erhöhen.

Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen max Motorleistung und 
Microstepping. Ich glaube im Vollschritt hat man die max mechanische 
Leistung. Vielleicht mag hier jemand dazu was erhellendes sagen und 
Größenordungen benennen.

von gzuz (Gast)


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wow, so viele Antworten. Vielen lieben Dank, ich habe einiges gelernt. 
Ich werde mich noch mal in Ruhe hinsetzen und das neue Wissen 
einbgringen. Mal sehen was ich da so erreiche. Ich teste verschiedene 
3D-gedruckte Getriebe und will mal sehen was da so möglich ist. Es macht 
auch viel Spaß die Steuerung umzusetzen, aber Elektrotechnik kam einfach 
zu kurz im Studium.

Super Forum!

von Michael W. (Gast)


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Vielleicht wäre es besser einen Elektroingenieur an die Aufgabe 
dranzustellen? Soll keine Kritik sein, aber das ist eher eine Elektro- 
als eine Mechanoaufgabe. Vielleicht zieht ihr einen E-InG hinzu. Solche 
Ansteuersachen, sind nicht so easiy, und die Chips/Treiber machen das 
bei Weitem nicht automatisch optimal.

Wahrscheinlich hast du eine Menge Oberwellen und Schwingungen in den 
Wicklungen und auch auf der Motorachse. Mal gemessen?

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