Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug Berechnung von Radumdrehungen bei indirektem Antrieb über Reibung


von Jim B. (logicgate)


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Hallo zusammen,

ich würde gerne einmal folgende Idee diskutieren, um auszuschließen das 
ich keinen Denkfehler gemacht habe. Es geht hierbei um ein 
Simulationsmodell einer Roboters mit vier Räder, welche jeweils über 
einen DC-Motor angetrieben werden. Räder sind direkt am Ständer des 
Motors befestigt, somit kein Getriebe etc.

Folgendes überspitztes Szenario:
Im Simulationsmodell wird ein Rad durch einen Motor angetrieben. Das 
Drehmoment des Motors wird in die Kraft am Rad umgerechnet. Unter 
Berücksichtigung von Reibung (Haft-, Roll- und Gleit) wird die 
Beschleunigung bzw. Geschwindigkeit des Chassis durch alle vier 
Räder/Motoren berechnet. Keine Simulation von Schlupf.

Der Roboter hat nun eine fiktive Geschwindigkeit von 4 m/s. Nun soll das 
Fahrzeug bremsen. Die Motoren erzeugen einen Drehmoment entgegen der 
aktuellen Rotation, in diesem Szenario aber so stark, dass die Räder 
nach einiger Zeit blockieren. Alle Räder haben nun 0 RPM, der Roboter 
jedoch noch eine Geschwindigkeit von 2 m/s. Der Roboter gleitet bzw. 
rutscht somit.

Nun wird die Spannung der Motoren entfernt und die Ständer können frei 
drehen. Durch die Reibung müssten die Räder sich nun wieder anfangen zu 
drehen. Dies bildet mein Modell derzeit nicht ab und dies möchte ich 
abbilden. Ein ähnliches Szenario wäre ein klassischer Front- oder 
Heckantrieb, wo sich die anderen Räder auch anfangen zu drehen, ohne 
direkt angetrieben zu werden.

Die einfachste Variante wäre nun die aktuelle Geschwindigkeit zu nehmen 
und durch den Radumfang zu teilen. Dadurch würde der Reifen aber 
fälschlicherweise von einem zum nächsten Simulationsschritt (50 Hz) in 
der Geschwindigkeit springen, was falsch ist. Besser wäre es vom 
aktuellen Simulationsschritt t die zurückgelegte Distanz zum letzten 
Schritt t-1 zu berechnen und dann auf Basis des Umfangs die Umdrehung zu 
berechnen.

Lieber würde ich jedoch auch die Umdrehung auf Basis von Reibung und 
Kräften berechnen. Vor allem für den Fall, wenn die Räder wieder 
beginnen zu drehen und der Motor dann zeitlich bremst. Dann entstehen 
Kräfte die das Rad antreiben und zeitgleich stoppen möchten (z.B. 
Bremsen der vorderen Räder beim Heckantrieb). Hierzu fehlt mir jedoch 
das genaue Herangehen bzw. ich weiß gar nicht, ob es möglich ist. 
Folgende Gedanken habe ich mir dazu gemacht:

Die max. Haftreibung bestimmt wie viel Reibung max. die Beschleunigung 
der Räder "fließen" kann. Da in der Simulation das Rad immer maximal 
haftet, bevor es gleitet, würde stets die max. Haftreibung genommen. Die 
Kraft würde dann das Rad beschleunigen, so lange bis die Umdrehungen des 
Rades der Geschwindigkeit des Chassis entsprechen.

So grob skizziert wie ich mir das vorstellen würde. Leider hab ich 
keinen Begriff gefunden, welcher meinen Fall einheitlich beschreibt. 
Daher habe ich mir diese Situation mit meinem begrenzten Wissen 
bestmöglich hergeleitet.

Ich wäre nun sehr an konstruktiver Kritik, Hinweisen oder einer 
Bezeichnung für meinen Fall interessiert und danke jedem für die 
investierte Zeit! :)

von Teo (Gast)


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Beim Bremsen, ist der Boden doch auch nur ein masseloses Antriebsrad.

von A. S. (Gast)


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Jim B. schrieb:
> Dadurch würde der Reifen aber fälschlicherweise von einem zum nächsten
> Simulationsschritt (50 Hz) in der Geschwindigkeit springen, was falsch
> ist.

Nein. Das ist ok, da die Quantifizierung (Einteilung in 
Simulationsschritte) das erfordert.

Das Trägheitsmoment des Rades ist meist vernachlässigbar.

von Sebastian S. (amateur)


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Es klingt vielleicht komisch, aber es gibt keinen festen Zusammenhang 
zwischen Radumdrehungen und Strecke. Ausnahme: Auf dem Papier.
Selbst bei einem Schienenfahrzeug gibt es Toleranzen und spätestens nach 
einer Kurve stimmt nichts mehr.
Du hast es bestimmt schon mal "gerochen", wenn ein schwerer LKW eine 
enge Kurve nimmt. Vom Abrieb mal abgesehen.
Willst Du bei einem Fahrzeug, das sich auf Rädern (Schienen oder Ketten) 
bewegt, kannst aus der Bewegung der Räder nur in etwa etwas ablesen. 
Spätestens wenn Du keinen "homogenen" (konstanter Reibungskoeffizient) 
Untergrund hast kannst Du den Ansatz vergessen.
ALSO BRAUCHST DU EINE UNABHÄNGIGE WEGERFASSUNG.

von Jim B. (logicgate)


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A. S. schrieb:
> Nein. Das ist ok, da die Quantifizierung (Einteilung in
> Simulationsschritte) das erfordert.

Danke für die schnelle Antwort. Hätte nicht gedacht, dass diese triviale 
Herangehensweise akzeptabel ist. Da es sich um einen omnidirektionaler 
Antrieb handelt, muss ich mir - jetzt bei genauerer Betrachtung - 
überlegen wie ich die Umdrehung berechne. Aufgrund der Tatsache, dass 
der Roboter auch seitwärts fahren kann, ist es nicht so trivial die 
Geschwindigkeit in Umdrehungen umzurechnen. Müsste ich aber über 
bekannte Kinematik erledigen können, schaue ich mir nun an.

Sebastian S. schrieb:
> Untergrund hast kannst Du den Ansatz vergessen.
> ALSO BRAUCHST DU EINE UNABHÄNGIGE WEGERFASSUNG.

Habe ich. Ist ein Motion Capture System, welches meinem 
Simulationsmodell die notwendigen Informationen liefern soll um die 
Werte näherungsweise zu bestimmen.

Da es sich hierbei um einen Roboter auf nur einer Art von Untergrund 
handelt, sollte dies in diesem Fall ausreichend sein.

Natürlich entsteht dadurch kein allgemeingültiges Modell. Das ist aber 
auch nicht das Ziel.

: Bearbeitet durch User
von Sebastian S. (amateur)


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Wir haben unseren Studenten eine (Arbeits-)Plattform mit 4 genau 
definierten Rädern und 4 Schrittschaltmotoren gegeben und ihnen die 
Aufgabe gestellt: "Fahrt 5 Meter den Flur entlang und dann genau zum 
Ausgangspunkt zurück".
Das hat in keinem Fall geklappt. Auch nicht nach endlosen Fahr- und 
Bremsoptimierungen. Der Flur war etwa 20 Meter lang und enthielt keine 
Hindernisse. Auf dem Papier hat es immer geklappt. Selbst die endlose 
Berechnung von Korrekturfaktoren, anhand des beim ersten Mal 
zurückgelegten Weges, hat daran nichts geändert - keine Reproduktion.
Nach der Montage eines Sensors (Ultraschall, LIDAR, normaler Laser, 
Kamera und sogar eines Tastarmes) hat es dann meistens geklappt.

von Armin X. (werweiswas)


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Ich denke, den Schlupf wirst Du, wenn Du nicht gerade allerlangsamst 
beschleunigst nie richtig weg bekommen! Da reicht schon etwas mehr 
Feuchtigkeit wegen Temperaturänderung...
Unsere Regalbediengeräte werden daher entweder über Zahnschiene 
angetrieben und direkt über den Motorgeber gemessen oder im Fall von 
Schienen und Stahlrädern über einen Lasersensor und zweites Messsystem.
Bei Jog wird über den Motorgeber, im Automatikbetrieb mit Positionierung 
wird die Motorregelung über den Motorgeber und mit dem Laser zusätzlich 
die Distanz zum Ziel ausgewertet.
Alles Andere wäre auf Dauer zu ungenau.

: Bearbeitet durch User
von Jim B. (logicgate)


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A. S. schrieb:
> Nein. Das ist ok, da die Quantifizierung (Einteilung in
> Simulationsschritte) das erfordert.
>
> Das Trägheitsmoment des Rades ist meist vernachlässigbar.

So, kurzes Feedback: Klappt soweit zufriedenstellend und kann vorerst 
für meinen Anwendungsfall genutzt werden. Ich speichere für jedes Rad 
seine Teil-Geschwindigkeit, welche es der Gesamtgeschwindig beisteuert. 
Wenn das Rad nicht mehr gleitet berechne ich auf Basis dieser 
Teil-Geschwindigkeit die Umdrehung. Das bleibt nun solang bis ich merke, 
dass es zu ungenau ist.

Nun ist mir jedoch eine andere Situation aufgefallen, welche nicht über 
diese Lösung abgedeckt wird und dem Heck- und Frontantrieb-Beispiel 
ähnelt.

Fährt der Roboter in der Realität mit nur zwei der vier Räder dann 
drehen sich die anderen beiden ebenfalls minimal, auch wenn dieser von 
den Motoren eigentlich auf 0 RPM gehalten werden sollen.

Zwei Räder haben die Zielgröße 200 RPM, zwei 0 RPM. Effektiv haben die 
Räder jedoch zwischen 10-20 RPM, da die Regelung der Motoren wohl nicht 
ausreichend stark gegenarbeitet.

Dies würde ich nun ebenfalls versuchen abzubilden. Hier müsste ich dann 
vermutlich über die Reibung gehen, welche das Rad minimal antreibt 
während der Motor gegenarbeitet.

Sebastian S. schrieb:
> Das hat in keinem Fall geklappt.

Ich bin auch nicht zuversichtlich, dass meine Lösung perfekt wird. Sie 
muss praktisch nur einen nennenswerten Vorteil gegenüber reiner 
Kinematik bieten.

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