Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Boost - Konverter: Verlustmessung der Drossel


von Markus B. (buxel_159)


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Hallo liebe Community,

gleich vorweg. Ich habe in einen der Beiträge gelesen, dass mein 
folgendes Problem schon des öfteren behandelt worden ist, leider habe 
ich keinen Beitrag gefunden. Entweder suche ich falsch, oder es gibt 
diese Beiträge nicht. Wahrscheinlich ersteres ;). Ich entschuldige mich 
schon vorweg.

Nun zu meinem Problem. Ich entwickle gerade für ein kleines Schulprojekt 
einen simplen Konverter (Boost - Topologie mit MOSFET und Diode, 
Discontinuous Mode). Dieser funktioniert auch soweit. Jetzt stehe ich 
aber vor dem Problem, dass ich für die größten Verlustträger die 
Einzelverluste der Bauelemente bestimmen muss. Aus diesem Grund habe ich 
eine Frage zur Vorgehensweise bei der Spule. Und zwar habe ich mit einem 
Oszilloskop den auftretenden Strom durch die Drossel und die anliegende 
Spannung gemessen. Mein Ansatz wäre jetzt, von Strom und Spannung den 
arithmetischen Mittelwert zu nehmen (über die gesamte Periode) und dann 
dementsprechend zu multiplizieren (Die Verluste müssten sich in einer 
kleinen Nullpunktverschiebung der Spannung erkenntlich machen. Sind bei 
mir ein paar mV). Leider hab ich damit eine Verlustleistung die mir 
persönlich sehr unrealistisch vorkommt. Deshalb wollte ich mich 
erkundigen, ob dieser Ansatz überhaupt richtig und zielführend ist. Oder 
habe ich da etwas nicht beachtet. Der Effektivwert beschreibt in diesem 
Fall nur die gesamte Scheinleistung, wenn ich mich nicht täusche.

Ich schreibe jetzt extra keine Kenndaten des Konverters in den Beitrag 
weil es mir um die Vorgehensweise bei diesem Thema geht.

Ich bedanke mich schon im Vorraus. Falls doch noch extra Daten benötigt 
werden, bitte Bescheidgeben. Danke.

von Elliot (Gast)


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Eine Spule ist kein einfacher Widerstand, deine Strom- und 
Spannungsmessung führt zu nichts. Wenn man an eine Spule eine Spannung 
legt, steigt der Strom mit der Zeit an und die dabei umgesetzte Energie 
wird zum Teil im Magnetfeld gespeichert.

Die Verluste in der Drossel kannst du mit dem Drahtverlusten (unter 
Berücksichtigung von Skineffekt und Proximityeffekt) und den frequenz-/ 
flußdichte-/ temperaturabhängigen Kernverlusten näherungsweise 
berechnen.

von Josef L. (Gast)


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Elliot schrieb:
> deine Strom- und Spannungsmessung führt zu nichts.

Der junge Mann hat die Begriffe "Periode", "Mittelwert" und 
"Nullpunktverschiebung" erwähnt, also dürfte klar sein, dass er zur 
Messung eine Wechselspannung benutzt. Wir wissen nur die Kurvenform 
nicht, ob Sinus oder Rechteck oder sonstwas.

Ich halte das Vorgehen für zielführend, wobei sich die Auswertung je 
nach Kurvenform unterscheidet. Abgesehen davon sind die Verluste (tan δ) 
abhängig von der gewählten Frequenz, wie bei jeder Spule, und bei einer 
Drossel mit Eisenkern noch dazu von der Spannungsamplitude, wegen der 
Sättigungseffekte im Kern.

von Markus B. (buxel_159)


Angehängte Dateien:

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Danke für eure Antworten. Ich lade im Anhang ein Oszi - Bild mit den 
Messwerten hoch, um Missverständnisse zu vermeiden. Vl. hilft das :) C4 
beschreibt den Strom und F1 die Spannung.

LG

von Achim S. (Gast)


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Markus B. schrieb:
> C4
> beschreibt den Strom und F1 die Spannung.

Dann würde ich sagen: für jeden einzelnen Zeitpunkt
- C4 und F1 multiplizieren (das ergibt die Momentanleistung p(t))
- das Integral über eine Periode bilden. Das ergibt die Energie, die in 
der einen Periode in der Spule hängen geblieben ist.

Kann aber schnell passieren, dass das Ergebnis von Messfehlern dominiert 
wird. Weil die an den Ausgang übertragene Leistung deutlich größer ist 
als die Verlustleistung der Spule. Und weil gleich die Fehlerbeiträge 
von 3 Messkanälen in die Rechnung eingehen. Wenn du vorab kalibrierst 
und den Strommesskopf nullst hilft das vielleicht etwas (und dass du das 
Oszi auf 12 Bit gestellt hast ist ebenfalls hilfreich).

von Dieter H. (kyblord)


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warum oszilliert die spannung so? sieht nicht legit aus

von Achim S. (Gast)


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Dieter H. schrieb:
> warum oszilliert die spannung so? sieht nicht legit aus

ist normal: Transistor und die Diode sperren, der Schwingkreis aus L und 
parasitären C oszilliert vor sich hin.

von Markus B. (buxel_159)


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Achim S. schrieb:
> Dann würde ich sagen: für jeden einzelnen Zeitpunkt
> - C4 und F1 multiplizieren (das ergibt die Momentanleistung p(t))
> - das Integral über eine Periode bilden. Das ergibt die Energie, die in
> der einen Periode in der Spule hängen geblieben ist.
>
> Kann aber schnell passieren, dass das Ergebnis von Messfehlern dominiert
> wird. Weil die an den Ausgang übertragene Leistung deutlich größer ist
> als die Verlustleistung der Spule. Und weil gleich die Fehlerbeiträge
> von 3 Messkanälen in die Rechnung eingehen. Wenn du vorab kalibrierst
> und den Strommesskopf nullst hilft das vielleicht etwas (und dass du das
> Oszi auf 12 Bit gestellt hast ist ebenfalls hilfreich).

Danke für den Tipp. Und danke für die zahlreichen Antworten :). Das mit 
dem Messfehlern habe ich mir auch gedacht. Den zeitlichen Versatz von 
Stromzange und Tastkopf habe ich kompensiert. Ein OSzi ist für solche 
Messungen, meiner Meinung nach sowieso nicht geeignet. Aber ich habe 
eine Messmethode ohne Oszi, mit der ich diese Nullpunktverschiebung der 
Spannung (als arithmetischen Mittelwert) ziemlich genau messen kann. Den 
Mittelwert des Stromes hätte ich vorläufig immer noch mit dem Oszi 
gemessen. Deshalb habe ich gehofft, dass das Ganze mit dem jeweiligen 
arithmetischen Mittelwerten von Strom und Spannung ansetzt werden darf. 
Ist das so möglich oder muss es die Methode mit der Momentanleistung 
sein?

von Xerxes (Gast)


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Hi.
Spulenverluste sind Kupferverluste plus Eisenverluste
Wuerth hat eine schöne App-Note geschrieben

o109002v410 AppNotes_ANP029_ExakteBestimmungVonSpulenverlusten_DE-1.pdf

von Achim S. (Gast)


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Markus B. schrieb:
> Deshalb habe ich gehofft, dass das Ganze mit dem jeweiligen
> arithmetischen Mittelwerten von Strom und Spannung ansetzt werden darf.
> Ist das so möglich

im allgemeinen: nein. als grobe Näherung: vielleicht. aber dein oszi 
sollte auch die richtige Rechnung mit Bordmitteln können.

von Markus B. (buxel_159)


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Xerxes schrieb:
> Hi.
> Spulenverluste sind Kupferverluste plus Eisenverluste
> Wuerth hat eine schöne App-Note geschrieben
>
> o109002v410 AppNotes_ANP029_ExakteBestimmungVonSpulenverlusten_DE-1.pdf

Danke für den Literaturtipp. Werde ich mir durchschauen. Vl. steht da 
etwas hilfreiches dabei :).

Achim S. schrieb:
> im allgemeinen: nein. als grobe Näherung: vielleicht. aber dein oszi
> sollte auch die richtige Rechnung mit Bordmitteln können.

Ich werde das so versuchen. Danke auf jeden Fall für die ganzen Tipps 
:).

von bn (Gast)


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Markus B. schrieb:
> ...kleines Schulprojekt  /  Jetzt stehe ich
> aber vor dem Problem, dass ich für die größten Verlustträger die
> Einzelverluste der Bauelemente bestimmen muss.

Kurze Frage: Geht's mehr um die Bestimmung als Berechnung, oder mehr
um das Ergebnis? Je nach genauem Ziel gäbe es untersch. Möglichkeiten.

von Markus B. (buxel_159)


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bn schrieb:
> Kurze Frage: Geht's mehr um die Bestimmung als Berechnung, oder mehr
> um das Ergebnis? Je nach genauem Ziel gäbe es untersch. Möglichkeiten.

An sich ist das Ergebnis wichtig. Ich habe bei mehreren Arbeitspunkten 
den Wirkungsgrad vermessen und versuche die Verluste nachzuvollziehen. 
Die Methodik ist nicht vorgeschrieben.

Lg

von noreply@noreply.com (Gast)


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Temperaturmessung der Spule und dann etwas rechnen oder wie im Papier 
von Würth mit zwei Leistungsmessungen.

von Blu (Gast)


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Das kannst du mehr oder weniger komplett vergessen, da deine Messung von 
den Messfehlern dominiert sein wird und du alles mögliche an Ergebnis 
kriegen kannst. Die Bestimmung der Spulenverluste kann im Allgemeinen 
schwierig bis unmöglich sein, wenn nicht die ohmschen Verluste 
dominieren.

Die Spulenverluste setzen sich aus Wicklungs und Kernverlusten zusammen. 
Letztere akkurat zu beschreiben ist fast unmöglich da man die 
physikalischen Mechanismen der Kernverluste bis heute nicht komplett 
verstanden hat. Wenn man Glück hat findet man zum Kernmaterial irgendwo 
eine "Loss Map", also tabellierte Verluste unter bestimmten Bedingungen 
und mit sehr viel Glück passen diese Bedingungen dann noch zufällig zur 
Anwendung. Die Steinmetzgleichung taugt nur sehr sehr grob und kannst du 
eigentlich vergessen da sie die Abhängigkeit vom DC Offset nicht 
abbildet, die Parameter oft unbekannt und sehr schwer zu bestimmen und 
temperaturabhängig sind und sie nur für Sinusgrössen gilt (und 
Überlagerung aufgrund der Nichtlinearität nicht gilt). Verallgemeinerte 
Formen der Steinmetzgleichung für nicht sinusförmige Flussdichten gibt 
es, die sind aber kaum besser. Fehler von deutlich mehr als 100 % sind 
eher die Regel.


Bei den Wicklungsverlusten sieht es nur wenig besser aus, hier kann man 
den ohmschen Widerstand messen. Allerdings spielen bei höheren 
Frequenzen oft auch die AC Verluste (bedingt durch Proximity und 
Skineffekt) eine nicht unerhebliche Rolle. Diese könnte man theoretisch 
berechnen wenn man den Widerstand über die Frequenz misst und die 
einzelnen Verlustanteile bei den verschiedenen Stromharmonischen 
addiert. Allerdings ist es wiederum fast unmöglich den ohmschen 
Widerstand bei hohen Freqzenzen zu messen, da bei diesen der induktive 
Anteil die Impedanzmessung massiv dominiert. Den HF Widerstand aus der 
Spulengeometrie berechnen kann man bei Transformatoren einigermassem 
machen, bei Spulen ist der Feldverlauf des Magnetfelds allerdings 
unmöglich zu bestimmen (ausser eventuell per FEM).

Eine Chance auf genaue Ergebnisse hat man eigentlich nur über eine 
Kalorimetrie, also direkte Bestimmung der entstehenden Wärmemenge. Diese 
liefert sehr genaue Ergebnisse, ist allerdings massiv aufwändig.

von Harald W. (wilhelms)


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Markus B. schrieb:

> Boost - Konverter: Verlustmessung der Drossel

Da Du anscheinend kein Serienprodukt entwickkeln willst, sollte
es reichen, die Drossel so zu dimensionieren, das deren Sätti-
gungsstrom deutlich über dem fliessenden Strom liegt. Dann sind
die Drosselverluste meist zu vernachlässigen.

von Markus B. (buxel_159)


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Blu schrieb:
......
Danke für die ausführliche Antwort. Das Kernmaterial ist leider nicht 
bekannt, hab auch keine Möglichkeit das herauszufinden. Somit wird eine 
Berechnung wahrscheinlich auch eher ungenau sein. Aber danke für die 
tolle und Zusammenfassung des Themas :)

Harald W. schrieb:
> Markus B. schrieb:
>
>> Boost - Konverter: Verlustmessung der Drossel
>
> Da Du anscheinend kein Serienprodukt entwickkeln willst, sollte
> es reichen, die Drossel so zu dimensionieren, das deren Sätti-
> gungsstrom deutlich über dem fliessenden Strom liegt. Dann sind
> die Drosselverluste meist zu vernachlässigen.

Werd ich mir fürs nächste Mal merken. Danke :)

noreply@noreply.com schrieb:
> Temperaturmessung der Spule und dann etwas rechnen oder wie im
> Papier von Würth mit zwei Leistungsmessungen.

Werde ich versuchen. Danke!

von Der müde Joe (Gast)


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Im Grunde brauchst du zwei Messungen: a) den Realteil des Widerstandes 
(bei Gleichspannung) und den Imaginärteil des Widerstandes. Die 
Phasenverschiebung ist recht klein, wie von dir schon richtig gesehen. 
Man kann die Phasenverschiebung messen; je höher die Frequenz, desto 
höher ist die Phasenverschiebung. Nur leider nicht linear. Es wird eine 
Frequenz geben, bei der die Induktivität besser arbeitet, als darunter 
oder darüber. So ein Wandler ist immer ein Kompromiss zwischen 
Schaltfrequenz, angestrebte Effizienz, und Größe der Bauteile. Je höher 
die Frequenz, desto kleiner die Bauteile, insbesondere die Induktivität. 
Desto größer aber gleichzeitig auch die Verluste. Man kann das 
Kernmaterial herausbekommen, wenn man die Messungen macht, Spule 
abwickelt und Windungen zählt, etc. Habe ich mal gemacht; bei mir kam 
dann das Kernmaterial "N27" heraus.

von Eektrofan (Gast)


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> Im Grunde brauchst du zwei Messungen: a) den Realteil des Widerstandes
> (bei Gleichspannung) und den Imaginärteil des Widerstandes.
> Blöderweise ist hier keine einzelne Betriebsfrequenz angebbar.
...
> Man kann die Phasenverschiebung messen; ...

Leider ist hier keine einzelne Betriebsfrequenz gegeben.

---

Anderer Weg:
Bei konst. Raumtemperatur messen, wie warm die Spule im Betrieb
wird.
Dann die Spule ausbauen und aus Labornetzteil mit solchem Strom 
beaufschlagen, dass sie gleich warm wird.

von Michael H. (michael-h)


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Harald W. schrieb:
> Da Du anscheinend kein Serienprodukt entwickkeln willst, sollte
> es reichen, die Drossel so zu dimensionieren, das deren Sätti-
> gungsstrom deutlich über dem fliessenden Strom liegt. Dann sind
> die Drosselverluste meist zu vernachlässigen.

Trotzdem kann man genau dann die Kernverluste nicht vernachlässigen. Je 
nach verwendeter Spule, Frequenz und Stromripple tragen die AC-Verluste 
maßgeblich zu den Gesamtverlusten im Discontinuous Conduction Mode bei.

von bn (Gast)


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Eektrofan schrieb:
> Anderer Weg:
> Bei konst. Raumtemperatur messen, wie warm die Spule im Betrieb
> wird.

Vor so einigen Jahren (noch zu "mostly THT" Zeiten) haben wir das
mal so gemacht, allerdings wurden gleich Kontakte miteingelötet,
um durch Schalter + Spule jeweils DC-Konstantstrom fließen lassen
zu können.

(Also "in Circuit", und tatsächlich auch mit mehreren KSQs, damit
die gegenseitige Beeinflussung nahe des realen Betriebs war. Aber
wie gesagt mit THT Leistungs-BE, und auch nur knapp 60kHz.)

Gemessen wurde jeweils die Temperatur der BE nach gut 15 Minuten
(das war damals der empirisch ermittelte Zeitpunkt, in dem sich
in allen gem. Betriebspunkten, nämlich 10%, 25%, 75% und 100%,
das thermische Equilibrium ausr. eingestellt hatte), und dann
halt jeweils mit Konstantstrom "nachgestellt" und die abfallende
Spannung ermittelt. (I * U = P_tot)

Die Elkos wurden natürlich an einer AC-Quelle "aufgewärmt", ging
ja (und ginge auch heute noch) nicht anders.


So konnte man die Verluste der einzelnen BE einfach ermitteln -
kalorimetrisch würde man ja P_tot/Gesamtkonverter messen, oder?

von Mark S. (voltwide)


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Die Verluste in der Spule sind sind aus den bereits genannten Gründen 
mit Abstand am schwierigsten zu ermitteln. Alle anderen Bauteile sind 
einfacher zu bestimmen. Du könntest z.B. alle anderen Verluste 
aufsummieren und dann den Rest der Spule zuschreiben. Oder Du baust eine 
extrem verlustarme Spule und machst damit eine Vergleichsmessung. In der 
Praxis schaue ich deshalb vor allem auf Erwärmung der verschiedenen 
Bauteile.
Generell sind die meisten Eisenpulvertoroide eher schlecht aufgrund 
hoher Kernverluste. Deutlich besser dagegen Ferritkerne mit Luftspalt, 
bewickelt mit Litzdraht.

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