Hallo, beim Auswuchten von Rotoren wird eine Unwuchtmessung durchgeführt, indem ein Beschleunigungsaufnehmer radial zur Lagerstelle angebracht wird. Dazu wird noch Drehzahl und Phasenlage gemessen, meistens über eine Lichtschranke. Nun kann ich mathematisch noch nachvollziehen, wie eine Unwucht eine Fliehkraft erzeugt. Diese kann man aber leider in den wenigsten Fällen direkt messen. Stimm ihr mit zu, dass die Beschleunigungsmessung nicht geeignet ist, direkte Rückschlüsse auf die Höhe der Fliehkraft und damit die Unwucht zu ziehen? Schließlich müsste man dazu ja noch die Masse des schwingenden Teils wissen, in dem der Rotor gelagert ist, und welche "Rückstellkräfte" es gibt, die das schwingende Teil in seine Ruhelage bringen wollen. Das kann man aber noch schlechter ermitteln. Kann es also sein, dass eine Unwuchtmessung mittels Beschleunigungsaufnehmer nur geeignet ist, die Phasenlage der Unwucht festzustellen, und allenfalls eine vergleichende Betrachtung der Größe der Unwucht? Man müsste bei dieser Methode dann also quasi eine bekannte, zusätzliche Unwucht erzeugen, um die nötigen Auswucht-Massen zu berechnen, richtig? Oder übersehe ich da etwas?
Sobald mit einem Beschleunigungssensor eine Unwucht gemessen wird, ist es sowieso schon zu spät, weil die Unwucht dann bereits voll aktiv ist.
Michael M. schrieb: > Sobald mit einem Beschleunigungssensor eine Unwucht gemessen wird, ist > es sowieso schon zu spät Also ist es völlig sinnlos eine Reifenwuchtmaschine zu benutzen? Denn die macht genau das: Quantitativ Unwucht messen. Gerhard schrieb: > Man müsste bei dieser Methode dann also quasi eine > bekannte, zusätzliche Unwucht erzeugen, um die nötigen Auswucht-Massen > zu berechnen, richtig? Sehe ich auch so. Es wäre interessant zu wissen wie das z.B. Reifenauswuchtmaschinen machen.
Gerhard schrieb: > dass die Beschleunigungsmessung nicht geeignet ist, direkte Rückschlüsse > auf die Höhe der Fliehkraft und damit die Unwucht zu ziehen Na ja, wenn man die Masse des drehenden Teils kennt und weiss wie flexibel die Aufhängung ist, könnte man schon was ausrechnen, was dann aber noch vom Abstand der unwuchtigen Masse vom Achsmittelpunkt abhängt. Also ja: im Prinzip kann man es Berechnen, aber in der Praxis kennt man die Bedingungen nicht so genau. Ausser bei Reifenauswuchtmaschinen, die wissen ja auch was sie wuchten.
Gerhard schrieb: > Hallo, > > beim Auswuchten von Rotoren wird eine Unwuchtmessung durchgeführt, indem > ein Beschleunigungsaufnehmer radial zur Lagerstelle angebracht wird. > Dazu wird noch Drehzahl und Phasenlage gemessen, meistens über eine > Lichtschranke. > > Nun kann ich mathematisch noch nachvollziehen, wie eine Unwucht eine > Fliehkraft erzeugt. Diese kann man aber leider in den wenigsten Fällen > direkt messen. > > Stimm ihr mit zu, dass die Beschleunigungsmessung nicht geeignet ist, > direkte Rückschlüsse auf die Höhe der Fliehkraft und damit die Unwucht > zu ziehen? Schließlich müsste man dazu ja noch die Masse des > schwingenden Teils wissen, in dem der Rotor gelagert ist, und welche > "Rückstellkräfte" es gibt, die das schwingende Teil in seine Ruhelage > bringen wollen. Das kann man aber noch schlechter ermitteln. > > Kann es also sein, dass eine Unwuchtmessung mittels > Beschleunigungsaufnehmer nur geeignet ist, die Phasenlage der Unwucht > festzustellen, und allenfalls eine vergleichende Betrachtung der Größe > der Unwucht? Man müsste bei dieser Methode dann also quasi eine > bekannte, zusätzliche Unwucht erzeugen, um die nötigen Auswucht-Massen > zu berechnen, richtig? Oder übersehe ich da etwas? Dass man grundsätzlich mehrere Sensoren/Messaufnehmer braucht, ist schon einmal klar und in jedem Fall einen Drehzahlmesser und Phasenwinkel, zu dem die auftretenden Kräfte in Bezug gesetzt werden. Bei einer flachen, rotierenden Scheibe braucht es bei der Rotationsmessung mindestens einen Druck- oder Beschleunigungssensor, bei einem "Körper" (Rad, zylindrischer Rotor, etc.) mindestens zwei. Die von den Druck- oder Beschleunigungssensoren gelieferten Werte hängen selbstverständlich auch von der gesamten Konstruktion der "Messmaschinerie" ab. Und aus den dann einschliesslich des Prüflings aufgenommenen Daten kann man errechnen, an welcher Stelle (Winkel) in welcher Entfernung von Achsmitte und Körpermitte das oder die passenden Ausgleichsmassen/Bohrungen anzubringen sind. Um den Ausgleich möglichst gering zu halten, findet der i.d.R. in möglichst grossem Abstand von der Achsmitte an einem geeigneten Ort statt, beim Kfz-Rad mit Stahlfelge an den äussersten Felgenrändern. Das ganze ist alles relativ und sagt nichts darüber aus, wie gross die Masse ist, die an unbekanntem Abstand von der Mitte die Unwucht verursacht. Aber wieso sollte man eine zweite (erzwungene?) Unwucht zur Messung brauchen?
MaWin schrieb: > Gerhard schrieb: >> dass die Beschleunigungsmessung nicht geeignet ist, direkte Rückschlüsse >> auf die Höhe der Fliehkraft und damit die Unwucht zu ziehen > > Na ja, wenn man die Masse des drehenden Teils kennt und weiss wie > flexibel die Aufhängung ist, könnte man schon was ausrechnen, was dann > aber noch vom Abstand der unwuchtigen Masse vom Achsmittelpunkt abhängt. Nö, wuchten lässt sich ein Rotationsteil unabhängig der Kenntnis der Gesamtmasse des zu wuchtenden Teils, ggf. erfordert es aber Mehrfachmessung mit Annäherung. Theoretisch reichen zwei Messungen. > Also ja: im Prinzip kann man es Berechnen, aber in der Praxis kennt man > die Bedingungen nicht so genau. Nach zwei Messungen (die zweite mit "geschätztem" Ausgleichsgewicht) sollte es aber klappen > Ausser bei Reifenauswuchtmaschinen, die wissen ja auch was sie wuchten. Nö, das brauchen die auch nicht zu wissen. Die kennen aber den Einfluss der "Messmaschine" und kommen daher mit einer Messung aus.
Gerhard schrieb: > Nun kann ich mathematisch noch nachvollziehen, wie eine Unwucht eine > Fliehkraft erzeugt. Statt Spekulation empfehle ich die Aneignung von Wissen. Elastisches Wuchten: Modale Verfahren, E.K.-Technik, Sondertechniken, automatisches und thermisches Wuchten Taschenbuch – 1. Januar 1987 Springer-Verlag Berlin and Heidelberg GmbH & Co. KG (31. Juli 2012)
Udo S. schrieb: > Also ist es völlig sinnlos eine Reifenwuchtmaschine zu benutzen? Denn > die macht genau das: Quantitativ Unwucht messen. Ich fing zuerst an meine Motorrad Reifen nicht mehr zu wuchten da ich selber montiere. (hab eine Sammlung von mittlerweile 17 Stück) Jetzt wuchte ich auch keine Autoreifen mehr und bemerke keine Vibrationen. Die Zeiten sind wohl vorbei wo man bei Neureifen krumme Bananen aufgezogen bekommt. Vielleicht habe ich bei meinen Alufelgen + Niederquerschnitt auch einfach immer nur Glück.
Christian M. schrieb: > Jetzt > wuchte ich auch keine Autoreifen mehr und bemerke keine Vibrationen. Das wird wohl eher Glück sein. Ich habe bisher sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Autoreifen gemacht. Schon mehrmals hatte ich neue Reifen aufziehen (und auswuchten) lassen, und trotzdem liefen sie nicht rund. Meistens bei einer bestimmten Geschwindigkeit spürbar. Die jetzigen Reifen (Ganzjahresreifen) haben eine sehr gute Laufruhe. Die besten bisher. Ich vermute, dass auch die Sorgfalt des Mitarbeiters an der Auswuchtmaschine eine große Rolle spielt. Es gibt ja auch noch den "Höhenschlag". Wie das beseitigt wird, weiss ich nicht.
Stefan M. schrieb: > Meistens bei einer bestimmten Geschwindigkeit spürbar. Das hat aber nichts mit der Unwucht, sondern mit Eigenresonanzen der Aufhängung zu tun. Die Unwucht ist unabhängig von der Geschwindigkeit.
um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Jawohl, das Wucht-System muss bei Messbeginn kalibriert werden, indem am rotierenden Werkstück (das noch nicht ausgewuchtet sein muss), an definierter Stelle eine bekannte Masse befestigt wird. Dann wird ein Kalibrierlauf gestartet, anschliessend die Zusatzmasse entfernt und der Kalibrierlauf wiederholt. Anhand der Differenzen am Signal errechnet die Wuchtmaschine die erforderlichen Parameter. Bei nicht scheibenförmigen Werkstücken von "erheblicher" axialer Ausdehnung muss die Kalibrierung an beiden Enden durchgeführt werden.
Meine Gedanken dazu... Die Unwucht kann man im Prinzip als Massepunkt betrachten, der sich innerhalb eines ansonsten vollkommen homogenen und rotationssymmetrischen Rotors befindet. Dieser Punkt hat eine Masse m (wie der Name schon sagt) und befindet sich im Abstand r von der Drehachse des Rotors. Er erzeugt also bei Rotation eine umlaufende Fliehkraft F_zf = m*v²/r, die das ganze System in Schwingungen versetzt. Mit dem Beschleunigungsaufnehmer des Auswuchtsystems, der ja an der Lagerung befestigt wird und nicht am Rotor, kann man also nur die dadurch resultierende Beschleunigung (Schwingung) der Lagerung aufnehmen. Um diese Beschleunigung gemäß F=m*a in eine Kraft umzurechnen, bräuchte man die Masse des Systems und vor allem alle Gegenkräfte, die der Schwingung entgegenwirken (zum Beispiel viskoelastische Motorlager). Das geht also nicht. Also nimmt man an, dass a irgendwie proportional zu der Fliehkraft der Unwucht ist, was ja auch plausibel ist. Dann bräuchte man aber irgendwie eine Referenz, um diesen Proportionalitätsfaktor zu berechnen. Deshalb meine kühne Behauptung: Berechnung der Ausgleichmasse geht nur mittels Vergleich der Messungen von zwei Konfigurationen, von denen eine bekannt sein muss - zum Beispiel ein Lauf ohne Ausgleichmasse und ein Lauf mit einer bekannten Referenz-Unwucht durch Anbringen einer zusätzlichen Masse. Oder übersehe ich da etwas?!
Danke tuctuc, da warst du wohl schneller mit dem Tippen :)
tuctuc schrieb: > um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Jawohl, das Wucht-System > muss bei Messbeginn kalibriert werden, indem am rotierenden Werkstück > (das noch nicht ausgewuchtet sein muss), an definierter Stelle eine > bekannte Masse befestigt wird. > Dann wird ein Kalibrierlauf gestartet, anschliessend die Zusatzmasse > entfernt und der Kalibrierlauf wiederholt. Anhand der Differenzen am > Signal errechnet die Wuchtmaschine die erforderlichen Parameter. Wie soll das beim Betriebswuchten funktionieren? Stationäre Wuchtbänke werden mit einem Prüfkörper kalibriert, in den definierte Massen eingeschraubt werden können (auch axial versetzt, um beide Lagerstellen zu kalibrieren).
Gerhard schrieb: > Meine Gedanken dazu... Die Unwucht kann man im Prinzip als Massepunkt > betrachten, der sich innerhalb eines ansonsten vollkommen homogenen und > rotationssymmetrischen Rotors befindet. Kann man nicht. Der Trägheitstensor hat sechs voneinander unabhängige Komponenten, mit einem Massenpunkt kann man nur drei (vier) davon beeinflussen. Mit zweien auf unterschiedlichen Ebenen geht es. Deswegen auch die zwei Ausgleichsgewichte am Autorad. (Lassen wir mal das statische Moment außen vor. Und es müssen ja auch nicht alle Achsen ausgeglichen sein.)
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