Forum: Offtopic Erfahrene Elektroniker finden Fehler, ohne zu wissen, warum.


von Kollege Tom (Gast)


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Moin,

als ich noch Berufsanfänger war, waren mir ältere Kollegen bisweilen 
suspekt, da sie aus einer geschilderten Fehlerbeschreibung häufig 
relativ gezielt die Fehlerursache benennen konnten. Man hat sich 
gefragt, wie man jemals auch einen solchen Stand erreichen könne. Hat 
man sie gefragt, wie sie auf die Fehlerursache kommen, bekam man keine 
befriedigende Antwort.

Heute bin ich einer der älteren Kollegen und verstehe: Man hat intiutiv 
eine Ahnung, woran es liegen könnte, hat aber selbst keine Begründung 
dafür. Man kann es den Jüngeren daher nicht erklären. Dennoch stimmt die 
Diagnose in vielen Fällen. Das ist natürlich nicht bei jedem Fehler so. 
Aber es werden immer mehr.

Man macht sich Gedanken darüber, sucht nach möglichen Ursachen und 
versucht dem jüngeren Kollegen zu begründen, warum man ihnen den Weg zur 
Diagnose nicht beschreiben kann. Ich will versuchen, dieses Phänomen mit 
Worten zu beschreiben und fragen, ob sich die Analyse mit der anderer 
erfahrener Elektroniker deckt?

Ich vergleiche das Ganze mit der Sprache. Lernt man eine Fremdsprache, 
so wird man mit der Grammatik konfrontiert. Über dieses Regelwerk sucht 
man, die Sprache nach und nach zu beherrschen. Bei der Muttersprache ist 
das anders. Ein Kleinkind würde grammatische Regeln nicht verstehen. Man 
lernt die Sprache intuitiv und entwickelt ein Sprachgefühl, mit dem man 
letztendlich Gedanken zu Gehör und später in der Schule zu Papier bzw. 
Computer bringt. Wenn man etwas z.B. in dieses Forum geschrieben hat, 
wird man nachher nicht mehr wissen, wie die richtige Grammatikform und 
Zeichensetzung zustande gekommen ist.

Man fasst einen Gedanken und er fließt dann über die Hände in die 
Tastatur. Tippfehler sieht man, ohne über Grammatikregeln nachzudenken. 
Dieser Zustand stellt sich mit zunehmender Übung ein, egal ob man die 
Sprache als Kind oder später als Fremdsprache anhand der Grammatikregeln 
gelernt hat, wobei mir der letztere Weg in der Nachbetrachtung als der 
mühsamere erscheint.

Zusammenfassend weiß man am Ende nicht, warum jetzt jeder der einzelnen 
Buchstaben und Worte so und nicht anders in den Text gekommen ist. Man 
wird einem Fragenden nicht begründen können, wieso man einen Tippfehler 
gesehen hat.

Ich vermute, dass dies bei der Fehlersuche in der Elektronik analog dazu 
funktioniert. Während man sich als Berufsanfänger bei einer Fehlersuche 
mühsam an den Regeln entlang hangelt, gehen diese mit der Erfahrung in 
Fleisch und Blut über und bewusste Gedanken werden immer mehr zu 
Reflexen. Bei Reflexen, die dann mit der Erfahrung eine immer größere 
Komplexität entwickeln, wird aber ein Gedankengang nicht mehr bewusst. 
Man hat daher manchmal - wie bei einem Tippfehler - intuitiv eine 
Ahnung, wo die Ursache für einen Fehler liegt, ohne es begründen zu 
können. Und mit längerer Erfahrung passt diese Intuition immer häufiger.

Was meint ihr?

: Verschoben durch Moderator
von Thomas (kosmos)


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der Laie staunt, der Profi wundert sich.

Nenne doch mal ein konkretes Beispiel.

von Gerhard O. (gerhard_)


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Erfolgreiche Fehlersuche ist oft aus Erfahrung ein Prozess der 
Elimination und Erfahrung und Intuition. Auch hier wird nur mit Wasser 
gekocht.

Zuerst: Prüfe die einfachen Dinge zuerst. Visuelle Inspektion nach 
ungewöhnlichen Veränderungen vom Normalbild. Sind verbrannte Komponenten 
ersichtlich. Riecht es nach verbrannter Elektronik,  Elkos mit gewölbten 
Köpfen. Dann Sicherungen, Netzschalter Steckverbinder. ICs mit Löchern 
(wo der Rauch entkam)

Falls so weit in Ordnung, einschalten. Netzteil oder Spannungsregler 
lassen sich leicht finden. Spannungen messen. Wenn Linearregler da sind, 
deren Ausgangsspannungen nachprüfen. Steht ja drauf welche Spannungen 
verwendet werden.

Wird etwas sehr heiß? Das deutet auf Kurzschlüsse hin. Am besten findet 
man kurzgeschlossene Komponenten durch gezielte Stromeinprägung. Z.B. 
bei einer 5V Versorgung ist ein satter Kurzschluss gegen Masse. Damit 
jetzt nicht wahllos Komponenten auslötet, kann man mit einem auf 1-2V 
eingestellten Labornetzgerät mit Strombegrenzung auf 1A die 5V 
Versorgung bestromen. Mit einem mV Meter geht man nun stratehgisch vom 
Regler aus in die Schaltung und verfolgt die Spannung. Wenn man am 
Eingang misst, ist die Spannung noch am größten. Je näher man an das 
schadhafte Teil kommt, desto geringer wird die Spannung. Meist wird auch 
das Teil dann etwas warm. Wenn man über den Kurzschlußpunkt hinausgeht, 
bleibt die gemessene mV Spannung konstant. Mit dieser Methode ist es 
relativ leicht solche Übeltäter zu lokalisieren. Auch die Nase ist ein 
vorzügliches Thermometer. Man fährt die ganze LP mit der Nase nahe daran 
ab und fühlt dann gleich erwärmte Stellen denen nachzugehen es dich 
lohnt.

Man könnte Bände schreiben.

Bei Schaltnetzteilen muß nan vorsichtig rangehen. Wenn jan keine 
Schaltungsuntetlagen hat, genügt es oft das Datenblatt wichtiger ICs 
runter zu laden. Meist wird ein Referenzschaltbild gegeben was schon 
etwas Anhaltspunkte gibt. Meist ist es zweckmässig mit dem Ohmmeter 
zuerst nach Kurzschlüssen zu suchen. Alle Halbleiter sollten nach 
Kurzschlüssen und Offenen Verhalten geprüft werden. Sicherungen nicht 
vergessen. Primär und Sekundärseitig. Verbrauchte Ausgangselko sind oft 
Übeltäter, die das ordnungsgemässe Funktionieren verhindern. Mit der 
Zeit bekommt man einen Riecher wo der Hase im Pfeffer sitzt.

Fürs erste reichts.

von Arben N. (Gast)


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Ich denke, das nennt sich Berufserfahrung.

Kannte ich als Nachrichtentechniker in Albanien auch. Bevor die U-matic 
Bänder Einzug ins Studio hielten, war Videoband noch auf offenen Spulen 
(System Ampex haben wir das genannt, keine Ahnung wie es wirklich 
heißt).

Da wusste ich auch bei jedem noch so kleinen Bildfehler:
- ah ok, Servo nachstellen
- Tracking daneben
- Bandvorschub zu schnell oder langsam
- Vakkum nicht ausreichend
- Band fehlerhaft oder zu oft überspielt
- sonstige Parameter verstellt (versehentlich oder durch defekte 
Bauteile)
- usw.

Und so wird es wohl auch jedem RFT gehen. Standardfehler kennt man und 
kommt meist ohne Schaltbild aus.

Mit Sprachen ist es ähnlich. Nicht nachdenken, sondern intuitiv 
antworten. Mein Deutsch ist auch nicht der Hit, da stimmt mal eine 
Zeitform nicht oder Grammatik oder ich verstehe Doppeldeutigkeiten 
nicht. Deutsch ist schwer für Albaner zu lernen, aber ich werde trotzdem 
meist irgendwie und oft auch korrekt verstanden.

Alles halb so wild ;)

Gute Nacht, Arben

von H. H. (Gast)


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Kollege Tom schrieb:
> Heute bin ich einer der älteren Kollegen und verstehe: Man hat intiutiv
> eine Ahnung, woran es liegen könnte, hat aber selbst keine Begründung
> dafür.

Besser geht es mit Wissen.

von A. S. (Gast)


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Kollege Tom schrieb:
> Man hat intiutiv eine Ahnung, woran es liegen könnte, hat aber selbst
> keine Begründung dafür. Man kann es den Jüngeren daher nicht erklären.

Kenne ich ehrlich gesagt nicht.

Oder meinst Du sowas wie "alle Elkos tauschen", "Warnungen einschalten" 
oder "offene Eingänge"? Das kann man schon benennen: Erfahrung, was 
bisher schief lief und was nicht. Wobei es am Anfang meist defekte ICs, 
Compilerfehler und Designfehler in Chips sind.

von Andrew T. (marsufant)


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Kollege Tom schrieb:
> Man hat intiutiv
> eine Ahnung, woran es liegen könnte, hat aber selbst keine Begründung
> dafür. Man kann es den Jüngeren daher nicht erklären.

Manchmal ist das "nicht erklären" auch dadurch bedingt, das das 
"didaktische" den erfahrenen Kollegen nicht so liegt, das sie sich groß 
auf Gespräche einlassen.

Und manchmal sind  es auch erfahrene Kolegen, die sich nicht ihre über 
lange Zeit erworbene "Fehlersuchkenntnis" (die teils mühevoll erreicht 
wurde)  einfach so von anderen abschauen lassen wollen. Stichwort 
"Herrschaftswissen".


Es gibt sicher viele Erkärungen, und manchmal auc hdie Kombination 
(s.o.)


> Man hat sich  gefragt, wie man jemals auch einen solchen Stand erreichen könne.

Einfacher Tip: Dranbleiben, lesen, lernen, probieren, diskutieren, 
nachbereiten. Und das immer und immer wieder.

Das hilft auch dabei, das der Beruf nach 30 Arbeitsjahren noch a bisserl 
Freude bereitet, und nicht nur langweilige Routine wird .-)

von Patrick L. (Firma: S-C-I DATA GbR) (pali64)


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Doch kenne ich gut.

Mitarbeiter sagen oft:
"Frag doch Patrick dem rufen die defekten Teilen aus der Schaltung 
Hier "

Und es ist wirklich so.

Habe ich eine defekte Schaltung vor mier liegen sagt mir mein Gefühl,
dort musst du suchen und lande auch auffällig meistens den Treffer.

Das geht sogar so weit daas mir auch oft von Privat Geräte mitgebracht 
werden, da ich mal schnell um Diagnose gebeten werde.

Das von [Thomas O. (kosmos)] geforderte Beispiel:

vor kurzem kam ein Mitarbeiter mit einem Autoradio aus seinem Mercedes,
nannte mir die Symptome, und legte das geöffnete gerät vor mich hin und 
sagte (Schau bitte schnell rein ich weiß du findest den Fehler, brauchst 
ja nur schnell rüber zu schauen.)

Gesagt, getan. und es war genau der Treffer.

Man muss dazu sagen dass ich seit 1972 mit leib und Sehle Elektroniker 
bin.
Und es meine Firma seit 1976 gibt.

So kann ich durchaus die aussage von [Kollege Tom (Gast)] unterstützen.

: Bearbeitet durch User
von Peter D. (peda)


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Kollege Tom schrieb:
> Man hat intiutiv
> eine Ahnung, woran es liegen könnte, hat aber selbst keine Begründung
> dafür.

Das ist mir noch nie passiert. Ich kann immer begründen, wie ich einen 
Fehler einkreise.
Bei Regelkreisen (Gegenkopplung) ist es manchmal schwer, da sich alles 
gegenseitig beeinflußt. In Software kann man dafür Befehle 
implementieren, z.B. I-Anteil auf 0 setzen.
Den oft propagierten globalen Elkotausch habe ich noch nie gemacht und 
bin auch dagegen. In meinen Schaltungen fallen keine Elkos aus.
Nur alte Tantalperlen haben sich gerne mal mit blauer Stichflamme 
verabschiedet. Die setze ich aber schon ewig nicht mehr ein.
Keramikscheiben >2000V machen manchmal Ärger. Entweder sie haben kleine 
schwarze Flecke oder werden warm. Typisch kann man sie dann im 20MΩ 
Bereich feststellen.

von Christian M. (likeme)


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> Heute bin ich einer der älteren Kollegen und verstehe: Man hat intiutiv
> eine Ahnung, woran es liegen könnte, hat aber selbst keine Begründung
> dafür. Man kann es den Jüngeren daher nicht erklären. Dennoch stimmt die
> Diagnose in vielen Fällen. Das ist natürlich nicht bei jedem Fehler so.
> Aber es werden immer mehr.

100% Zustimmung! Das ist auch meine Erfahrung, man entwickelt im Lauf 
der Zeit ein Gespür dafür, viele Elektroniker leider aber auch nicht. 
Bei mir ist Job und Hobby identisch, daher hab ich ein gutes "Gefühl". 
Andere Kollegen fahren lieber in Urlaub und wissen wo es toll ist ;-)

von Patrick L. (Firma: S-C-I DATA GbR) (pali64)


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Christian M. schrieb:
> 100% Zustimmung! Das ist auch meine Erfahrung, man entwickelt im Lauf
> der Zeit ein Gespür dafür, viele Elektroniker leider aber auch nicht.
> Bei mir ist Job und Hobby identisch, daher hab ich ein gutes "Gefühl".
> Andere Kollegen fahren lieber in Urlaub und wissen wo es toll ist ;-)

+1

von Cyblord -. (cyblord)


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Patrick L. schrieb:
> Man muss dazu sagen dass ich seit 1972 mit leib und Sehle Elektroniker
> bin.

Zum Glück. Als Deutschlehrer würdest du verhungern.

von Tim G. (gerbil)


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Die gleiche Erfahrung mache ich im Schaltanlagenbau. Ich bin 
Anlagenprüfer mit knapp 30 Jahren Berufserfahrung und muß über manchen 
Sachen gar nicht nachdenken um Probleme zu lösen oder Fehler zu finden. 
Das macht einfach die Berufserfahrung. Leider ist diese heute selten 
gefragt. Jeder kann alles und jeder ist ersetzbar. Morgen ist mein 
letzter Tag in der Firma. 24 Jahre habe ich da gearbeitet und KEINER 
kann mich ersetzen. Nachfolgen kann vielleicht jemand. Schon seit Wochen 
hör ich immer wieder "Was ist wenn Du nicht mehr da bist?". Wenn nur die 
Geschäftsleitungen das mal registrieren würden..Aber die agieren genauso 
realitätsfremd wie undsere Regierung.

von Christian M. (likeme)


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Tim G. schrieb:
> Schon seit Wochen
> hör ich immer wieder "Was ist wenn Du nicht mehr da bist?"

Der Nachfolger schafft es dann nicht in < 1 Stunde sondern in >10 oder 
gar nicht. Dann wird das Management ungeduldig, zückt die Geldbörse und 
stellt was neues für 100000 Euro hin. Oder man umschifft das Problem 
irgendwie...

von Christian M. (likeme)


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Cyblord -. schrieb:
> Zum Glück. Als Deutschlehrer würdest du verhungern.

Troll?

von A. S. (Gast)


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Cyblord -. schrieb:
> Zum Glück. Als Deutschlehrer würdest du verhungern.

Halt doch einfach die Klappe. Ja, Beiträge und Webseite wimmeln von 
Fehlern. Andere Leute sind groß, klein, dünn, dick oder moderesistent. 
Und wissen das auch. Und werden daher nicht Jockey, Basketballspieler, 
Sumo-Ringer oder Model, sondern Elektroniker oder was auch immer. Und 
manche gehen so darin auf, dass sie andere nicht herabsetzen müssen. 
(Und ja, wie man sieht bin ich leider eher wie Du)

von Patrick L. (Firma: S-C-I DATA GbR) (pali64)


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Cyblord -. schrieb:
> Zum Glück. Als Deutschlehrer würdest du verhungern.

Beitrag "Re: Bin neu hier und suche nach einem Ort mit Infos."

Wurde dazu, schon alles gesagt.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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> Zum Glück. Als Deutschlehrer würdest du verhungern.
So war's wenigstens für Dich mal wieder ein gefundenes Fressen.

von Arben N. (Gast)


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Ben B. schrieb:
>> Zum Glück. Als Deutschlehrer würdest du verhungern.
> So war's wenigstens für Dich mal wieder ein gefundenes Fressen.

Patrick ist Franzose (wie damals auch Serge bevor er starb) und schreibt 
sehr gut Deutsch. Ich bin Albaner und kann es nicht halb so gut.

Schonmal über den eigenen Tellerrand geschaut, Cybtroll?

von Werner H. (werner45)


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Dem bisher gesagten kann ich nach 33-jähriger Serviecerfahrung im 
Europäischen Außendienst völlig zustimmen.

Alternative Herangehensweise bei der Suche: Viele knifflige Fehler kann 
man "rückwärts" finden (Netzteile ok). Was muß kaputt sein, damit das 
Gerät genau so falsch reagiert, wie jetzt gerade? Oder: alle Module in 
Ordnung, Gerät geht aber nicht. Steckkontakte prüfen oder sonstiges, 
manchmal verzweifelt man fast an der Physik. Eine Kaffepause mit 
geistigem Abschalten kann da sehr hilfreich sein, danach Neustart von 
Vorne.

Es ist aber nicht das Tauchen in die Elektronik allein, man sollte auch 
das "UMFELD" im Auge behalten.

Fehler bei der Neuinstallation beim Kunden, nur einige Beispiele:

Klempner hatten die Gasleitungen bei der Montage vertauscht oder im 
schlimmsten Fall: Trotz lange bekanntem Verbot Kupferleitungen für 
Acetylen verwendet, weil die sich so schön biegen lassen. Falsche 
Absicherung der Steckdosen tritt sehr häufig auf. Im gesamten 
Laborneubau die Drehstromleitungen vergessen, war ein Landesamt. 
Sonneneinstrahlung ließ das Gerät mittags versagen, Aufstellung ohne 
Sonneneinstrahlung war vorgeschrieben.

Bei eingefahrenen Meßplätzen, auch nach Jahren:

Ein Spektrometer im Bretterschuppen eines Schrotthändlers funktionierte 
nicht mehr richtig. Ursache: Mäuse hatten einige Kabel im Baum 
durchgenagt und ein Nest darin gebaut.
Ein altes analoges Spektrometer driftete manchmal. Nach mehreren 
Besuchen mit Durchmessen der Elektronik ohne entdeckter Fehlerquelle 
fiel auf, daß das Gerät nur bei Regenwetter driftete. Der Platinenkäfig 
war hinten in Wirewraptechnik verdrahtet und die Lüfter hatten jahrelang 
Staub darauf geblasen. Ein dicker Staubpelz wurde bei Feuchtigkeit 
leitend und entlud Speicherkondensatoren im Integrator. Nach Entfernen 
des Pelzes alles in Ordnung.
Ein Fehler in einem Infrarotspektrometer brachte viele Fachleute zur 
Verzweiflung: Das Gerät zeigte unmotiviert Signalausschläge, manchmal 
war es wochenlang in Ordnung. Einer meiner Kollegen fand die Ursache: In 
der Blechhaube (!) der Spiegeloptik war eine lebende Spinne. Jedesmal, 
wenn die durch einen Lichtstrahl krabbelte, gab es einen Ausschlag.

Mitten in Köln gab es eine alteingesessene Fabrik, die Bleifarben 
herstellte (Lindgens?). Die bekamen In den 70ern für ihr Chemielabor ein 
Gerät zur Messung von Metallen in Lösungen, auch natürlich für Blei. Für 
die Kalibration des Meßbereichs dient reinstes Wasser und eine Lösung 
mit genau bekanntem Bleigehalt im ppm-Bereich. Eine gerade Eichkurve 
gelang einfach nicht. Ursache war das Reinstwasser aus der Flasche, wenn 
es in einem Becherglas offen stehen gelassen wurde. Innerhalb weniger 
Minuten stieg der Bleigehalt kontinuierlich an, das war eindeutig 
meßbar. Ein abgedecktes Becherglas blieb sauber! Fehlerquelle war ein 
tatsächlicher Fallout von Bleistaub, der so in der ganzen Firma 
feststellbar war. Und die Firma war in einem Wohngebiet in Köln! Der 
Laborant hat dann gekündigt, wie ich später erfuhr.

Abschließend noch ein Fall mit Quecksilbermessungen:
Bei Osram in München gab es im Forschungszentrum ein Großlabor über die 
ganze Etage (ca. 100m x 20m), in denen die Chemie und die Physik ohne 
Trennwand untergebracht war. Die Chemie bekam ein hochempfindliches 
Zusatzgerät für ein Spektrometer zur Messung von Quecksilber. Die 
Messungen gingen manchmal gut, manchmal gar nicht reproduzierbar. 
Mehrere Besuche für die Abklärung blieben erfolglos. Beim letzten, im 
kalten Winter, war es besonders schlimm. Mein Verdacht fiel auf einen 
schwankenden Quecksilbergehalt der Laborluft. Eine Anfrage in der 
Physikabteilung am anderen Etagenende ergab, daß manchmal einige 
Leuchstoffröhren zur Materialuntersuchung zerklopft wurden. Die 20 - 50 
mg Quecksilber pro Röhre verteilten sich dann in der Laborluft und 
konnten am anderen Ende des Raumes nachgewiesen werden (trotz 
Klimatisierung). Mit tatkräftiger Hilfe des Abteilungsleiters konnte 
eine 5-minütige Lüftung der gesamten Etage trotz des kalten Winters 
durchgesetzt werden. Das war der endgültige Beweis, die 
Quecksilbermessungen waren daraufhin anstandslos korrekt. Als 
Problemlösung zog der Meßplatz später in einen eigenen sauberen Raum um.

Soviel zum Einfluß der Umwelt auf Reparaturen.

von (prx) A. K. (prx)


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H. H. schrieb:
> Kollege Tom schrieb:
>> Heute bin ich einer der älteren Kollegen und verstehe: Man hat intiutiv
>> eine Ahnung, woran es liegen könnte, hat aber selbst keine Begründung
>> dafür.
>
> Besser geht es mit Wissen.

Nicht alle Denkprozesse finden auf bewusster Ebene statt, weshalb das 
Wissen, auf das du anspielst, nicht exakt und nicht bewusst abrufbar 
sein muss. Das kann mehrphasig ablaufen. Man hat eine Ahnung und geht 
ihr dann ggf nach. Ist nicht nur bei Elektronik so.

Die Fähigkeit, etwas erklären zu können, kann nicht bei jedem mit der 
Fähigkeit mithalten, Probleme lösen zu können. Erst recht nicht, obige 
intuitive Inspiration nachvollziehbar zu machen. Allerdings kann der 
Versuch, etwas zu erklären, nicht nur beim Zuhörer zum Erkenntnisgewinn 
beitragen, sondern auch beim Erklärenden.

: Bearbeitet durch User
von Andrew T. (marsufant)


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(prx) A. K. schrieb:
> Die Fähigkeit, etwas erklären zu können, kann nicht bei jedem mit der
> Fähigkeit mithalten, Probleme lösen zu können. Erst recht nicht, obige
> intuitive Inspiration nachvollziehbar zu machen. Allerdings kann der
> Versuch, etwas zu erklären, nicht nur beim Zuhörer zum Erkenntnisgewinn
> beitragen, sondern auch beim Erklärenden.

+1

von Peter D. (peda)


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Tim G. schrieb:
> Schon seit Wochen
> hör ich immer wieder "Was ist wenn Du nicht mehr da bist?".

Mach Dir keine Sorgen, das wird keiner merken. Reparaturkosten werden in 
der Regel nicht überwacht, die kommen aus nem großen Topf. Wenn Dein 
Nachfolger einfach nur Platinen wechselt, fällt das keinem auf. Da muß 
er schon sehr viel wegschmeißen, damit es auch weh tut.

Wenn mal ein Kollege ausscheidet, fällt plötzlich irgendne Kiste in der 
Ecke auf. Da liegen dann all die Leichen drin, die er nicht reparieren 
konnte. Die Kiste kommt dann ungesehen in den Schrott und die Sache ist 
erledigt.

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