Forum: HF, Funk und Felder Risikoanalyse für CE-Konformität nach 2014/30/EU schreiben


von Paule (Gast)


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Hallo!
Ich muss für die CE-Konformität eine Risikoanalyse (auch 
Risikobeurteilung genannt) erstellen, wenn ich mich korrekt informiert 
habe. Wie schreibt man sowas?

Wo/Wie finde ich Beispiele? EMV-Prüfberichte werden von manchen 
Herstellern veröffentlicht aber Risikoanalysen kann ich irgendwie 
überhaupt nicht finden. Ist das auch so eine Geheimsache wie die 
gesetzlichen Normen, die man nur gegen Bezahlung sehen darf?

von P. S. (namnyef)


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Das "Problem" ist, dass die EMV-Richtlinie keinerlei Angaben macht, wie 
eine solche Risikoanalyse aussehen könnte. Es wird lediglich eine solche 
gefordert.
Es ist sicher nicht verkehrt sich zumindest methodisch an Risikoanalysen 
für z. B. die Maschinensicherheit zu orientieren. Aber bei der 
EMV-Richtlinie geht es halt ausschließlich um Störaussendung und 
Störempfindlichkeit. Und eben nicht um die Gefährdung von Personen.

von MaWin (Gast)


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Paule schrieb:
> Wie schreibt man sowas?

Besteht die Möglichkeit, dass Menschen verletzt oder getötet werden, 
oder Kleinkinder ein Zeil verschlucken  oder zumindest Säugetiere ums 
Leben kommen ?

Ist ein Motor drin ? Wenn es im Haushalt und nicht in der Industrie 
eingesetzt werden soll ist es damit noch immer keine Maschine, keine 
Maschinenrichtlinie.

Reicht die Energie, damit im Fehlerfall das Haus abbrennt oder man sich 
einen elektrischen Schlag holt.

Ist es doof, wenn das Gerät gestört wird ? Kann es andere stören ?

Alles mit Nein beantwortet, oder bei denen mit Ja: wurde in der 
Bedienungsanleitung drauf hingewiesen, der bestimmungsgemässe Gebrauch 
definiert, und hat man sich (Niederspannung, EMV) an die aktuellen 
Regeln gehalten ?

Dann gibt es kein Problem

von Paule (Gast)


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Das Gerät ist eigentlich völlig ungefährlich, im Prinzip ist es nur ein 
Messgerät. Was ich mir schon gedacht hatte war, dass das Gehäuse nicht 
beschädigt sein darf oder dass das Gerät nicht bei Nässe genutzt werden 
darf. Also solche Dinge die in üblichen Anleitungen stehen, 
Schutzmaßnahmen gegen einen elektrischen Schlag.

Ansonsten ist hier keine Gefahr durch hohe Hitze, Laser, offene 
Zahnräder etc. Wenn es irgendwie gestört wird dann macht es im 
schlimmsten Fall einfach nichts.

von P. S. (namnyef)


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Nochmal: Bei der Risikoanalyse nach EMV-Richtlinie (wir gehen jetzt mal 
davon aus, dass die EMV-Richtlinie Anwendung findet) geht es NICHT um 
die Gefährdung von Menschen. Darum geht es z. B. in der 
Maschinenrichtlinie. Das ist aber eine andere Baustelle.

Bei der Risikoanalyse nach EMV-Richtlinie geht es um das Risiko, dass 
das Gerät durch elektromagnetische Störaussendungen den 
bestimmungsgemäßen Betrieb von anderen Geräten gefährdet bzw. unter 
Einfluss von elektromagnetischen Störungen selbst nicht mehr 
bestimmungsgemäß funktioniert.

von Paule (Gast)


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Also schreibe was durch elektromagnetische Störungen passieren könnte 
(Bildschirm geht aus, MCU bleibt hängen) und dass das Gerät dadurch 
nicht mehr richtig funktioniert aber auch keinen Schaden nach außen 
anrichten kann. Das Extremszenario wäre ein Strahlungsniveau wie in 
einer Mikrowelle, wo dünne Leitungen einfach durchglühen.

Und gefährlich ausstrahlen darf das Gerät ohnehin nicht, wie bei der 
EMV-Messung festgestellt werden muss.

von P. S. (namnyef)


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Ja, aber bitte löse dich von den Begriffen "gefährlich" und "Schaden". 
Bei der EMV-Richtlinie geht es lediglich um den schönen Begriff des 
"bestimmungsgemäßen Betriebs".

Beispiel: Du überlegst dir als Teil der Risikoanalyse, dass dein Gerät 
seine interne Spannung mit einem Schaltregler erzeugt. Und du 
identifizierst daher ein Risiko, dass dein Gerät durch leitungsgebundene 
Störaussendungen Einfluss auf den bestimmungsgemäßen Betrieb anderer 
Geräte haben könnte, die aus dem selben Versorgungsnetz gespeist werden. 
Eine geeignete Maßnahme um dieses Risiko zu reduzieren könnte dann 
beispielsweise ein Netzfilter sein.

Oder dein Gerät hat berührbare Steckkontakte und du identifizierst ein 
Risiko, dass ein durch eine Berührung hervorgerufenes ESD-Ereignis 
Einfluss auf den bestimmungsgemäßen Betrieb deines Geräts haben könnte. 
Eine Maßnahme könnte sein das Gerät mit Schutzkappen auf diesen 
Steckkontakten auszuliefern und/oder eine interne Schutzbeschaltung 
vorzusehen.

: Bearbeitet durch User
von Paule (Gast)


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Danke, die zwei Beispiele machen mir die Sache viel verständlicher.

von Purzel H. (hacky)


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Eine Risikoanalyse basiert eigentlich immer auf moeglichen Fehlern, 
welche auftreten koennen.
Die zur CE gehoerende Risikoanalyse ist die Produktesicherheit. Du 
zeigst, dass du alles unternommen hast, um Beschaedigungen von Sachen 
und Gefaerdung von Personen zu verhindern.

Natuerlich hat du kein Netz in deinem Geraet, sondern verwendest ein 
externes Netzgeraet. Das Geraet faellt runter, weil der Benutzer ueber 
das Kabel stolpert. Was kann dann geschehen.Nach viele Jahren trocknet 
der Elko aus, was geschieht dann.

Du verwendest ein Metallgehaeuse, welches bei Netzanschluss geerdet sein 
muss, das Netz muss durchgehend doppelt isoliert sein. Sonst lieber ein 
Plastikgehaeuse verwenden. Das Plastikgehaeuse sollte dann nicht 
abstrahlen koennen, und auch nicht empfindlich auf Einstrahlung sein.

Ueblicherweise verwenden Industriegeraete ein Metallgehaeuse, und 
Consumergeraete ein Plastikgehaeuse. Immer ein Plastikgehaeuse zu 
verwenden loest die Isolationsprobleme, handelt dafuer EMV Probleme ein. 
Wie geht das mit metallischen Buchsen..

Einfach alles wegzubedingen kann Probleme einhandeln.

: Bearbeitet durch User
von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Eine RM-Akte ohne Vorlage zu schreiben, welche die Normkonformität 
erfüllt geht 100% gegen den Baum. Ich war vor genau einem Jahr auch der 
Annahme, das mit „gesundem“ Menschenverstand lösen zu können. Erst unter 
Zuhilfenahme meiner Benannten Stelle konnte das Problem leidlich gelöst 
werden. Setzte dich also wenn möglich mit ihnen in Verbindung und 
bespreche die notwendigen Schritte.

von Hans W. (Firma: Wilhelm.Consulting) (hans-)


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Joe G. schrieb:
> Eine RM-Akte ohne Vorlage zu schreiben, welche die Normkonformität
> erfüllt geht 100% gegen den Baum. Ich war vor genau einem Jahr auch der
> Annahme, das mit „gesundem“ Menschenverstand lösen zu können. Erst unter
> Zuhilfenahme meiner Benannten Stelle konnte das Problem leidlich gelöst
> werden. Setzte dich also wenn möglich mit ihnen in Verbindung und
> bespreche die notwendigen Schritte.

Du hast ja alles, was du brauchst... In den Basic Publications 
(61000-2-x) der IEC (bzw Cenelec) hast du alle Phänomene beschrieben.
Dann hast du bei den Grenzwerten/Prüfschärfegraden beschrieben, was du 
wann brauchst/anwenden sollst/musst.

Ggf. hast du dann noch einen Produkt/Produktfamilienstandard, der dir 
noch mehr Anforderungen und/oder genauere Angaben zu Betriebspunkten und 
Messaufbauten gibt.

Da liegt das Problem eher im Geld für die Normen und die Zeit das zu 
sichten...

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von Hans W. (Firma: Wilhelm.Consulting) (hans-)


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Purzel H. schrieb:
> Eine Risikoanalyse basiert eigentlich immer auf moeglichen Fehlern,
> welche auftreten koennen.
> Die zur CE gehoerende Risikoanalyse ist die Produktesicherheit. Du
> zeigst, dass du alles unternommen hast, um Beschaedigungen von Sachen
> und Gefaerdung von Personen zu verhindern.

Das ist in der LVD, MD und (für den Safety Teil der) RED so.
In der EMCD hast du explizit nur die Störaussendung und Störfestigkeit 
als grundlegende Anforderung.

Das sollte man wirklich nicht vermischen!

Schwierig wird's dagegen, wenn du funktionelle Sicherheit betrachten 
darfst.... dann gebe ich dem Vorposter Recht, dass das ohne benannter 
Stelle wirklich fast unlösbar wird...

Im Extremfall darfst du dann nämlich bewerten, ob der Prüfaufbau bei der 
Prüfung deines Not-Aus-Eingangs auf deiner "Sicherheits-SPS" auch 
tatsächlich deiner Einbausituation entspricht...

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