Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Bezugsquelle Sicherungswiderstand und wellengelöteten TO-3 demontieren


von Björn D. (bjdick)


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Hallo,

ich repariere gerade eine Yorkville AP6020 Audio-Endstufe. Der Defekt 
äußert sich darin, dass die Endstufe nach Verlassen des Protect-Status 
(auch ohne Eingangssignal) einen kurzen Impuls am Ausgang ausgibt und 
sofort wieder in den Protect-Status übergeht. Das wiederholt sich dann 
alle ca. 3s (gemäß Service Manual soll Letzteres auch so sein).


Die Fehlersuche hat gezeigt, dass ein Sicherungswiderstand durchgebrannt 
ist, der die Spannungsverstärkerstufe mit +145V versorgt. Vor diesem 
Hintergrund stellen sich mir folgende Fragen:

1) Hat zufällig jemand eine Idee wo man solche Sicherungswiderstände (10 
Ohm, 1%, 1/6W und insb. "flame proof"!, also z.B. FMF-Serie von Yageo) 
noch bekommt? Was die üblichen Versandhändler angeht, so bin ich nur bei 
Mouser fündig geworden. Allerdings mit 20 Wochen prognostizierter 
Lieferzeit ...

2) Ich würde natürlich auch gerne die Ursache ausfindig machen. Hat 
jemand Erfahrungswerte bzw. einen Tipp in welche Richtung man da suchen 
sollte?

Was in diesem Zusammenhang relevant sein könnte: Bei der Suche nach dem 
Fehler (Gerät ohne angeschlossene Lautsprecher oftmals ein- und wieder 
ausgeschaltet, um nicht massenhaft Relais-Zyklen zu generieren) ist der 
korrespondierende Widerstand im anderen Kanal auch abgeraucht. Könnte es 
sein, dass der Verstärker den Betrieb an einem Leerlauf doch nicht so 
gut verträgt wie man das bei Transistorverstärkern eigentlich erwarten 
würde? Zu dieser These würde passen, dass einer der Kanäle aufgrund 
eines Wackelkontakts in einem Lautsprecher-Kabel beim letzten Einsatz 
längere Zeit gegen einen Leerlauf gearbeitet haben dürfte.


Des Weiteren hat sich gezeigt, dass einer der NPN-Leistungstransistoren, 
der für die Umschaltung der Versorgungsspannung von +55V auf +145V 
(Class-H-Endstufe) zuständig ist, ebenfalls defekt ist 
(nahezu-Kurzschluss auf beiden pn-Übergängen). Da die verbauten MJ21196 
nicht mehr aufzutreiben sind, werde ich wohl einen MJ21196G verwenden 
müssen, dessen Datenblatt mit dem des MJ21196 jedoch quasi identisch ist 
(lediglich kleinere Änderungen im Text, vermutlich von der 
Marketing-Abteilung angeregt). In diesem Zusammenhang stellen sich mir 
folgende Fragen:

3) Sollte der korrespondierende (Gegentakt-Endstufe) 
PNP-Leistungstransistor in diesem Fall ebenfalls getauscht werden? Man 
würde ja hoffen, dass die Umschaltung der Versorgungsspannung mit etwas 
Sicherheit ausgelegt ist, sodass minimale Unterschiede keinen Einfluss 
haben, oder?

4) Besagter defekter Transistor hat ein TO-3- aka TO-204AA-Gehäuse. 
Durch das Wellenlöten sind die Muttern der Verschraubung mit den 
Leiterbahnen partiell verlötet. Welches Vorgehen bietet sich an, um die 
Leiterbahnen bei der Demontage möglichst nicht zu beschädigen? Vorher 
mit Entlötlitze so weit es geht "entlöten"? Oder lieber so lassen wie es 
ist, gegenhalten, vorsichtig lösen und hoffen dass nichts kaputt geht?


Beste Grüße,
Björn

von MaWin (Gast)


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Björn D. schrieb:
> Da die verbauten MJ21196 nicht mehr aufzutreiben sind, werde ich wohl
> einen MJ21196G verwenden müssen,

Uff, 'green' RoHS statt Blei, ist doch nicht schlechter und kaum 
überraschend.

Björn D. schrieb:
> hoffen dass nichts kaputt geht?

Schraube oben abfräsen, dann Transistor demontieren, dann Mutter 
entlöten.

Björn D. schrieb:
> Sicherungswiderstände (10 Ohm, 1%, 1/6W und insb. "flame proof"

1% fusible, nie gesehen.

von Björn D. (bjdick)


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MaWin schrieb:
> Björn D. schrieb:
>> Da die verbauten MJ21196 nicht mehr aufzutreiben sind, werde ich wohl
>> einen MJ21196G verwenden müssen,
>
> Uff, 'green' RoHS statt Blei, ist doch nicht schlechter und kaum
> überraschend.
Stimmt, die RoHS-Kompatibilität ist dann vermutlich der einzige 
Unterschied.


>
> Björn D. schrieb:
>> hoffen dass nichts kaputt geht?
>
> Schraube oben abfräsen
Um die Lötverbindung zwischen Schraube und Mutter zu entfernen und damit 
auch das zusätzliche Drehmoment loszuwerden, das beim Demontieren auf 
die Leiterbahn wirkt? Oder die komplette Schraube rausfräsen?
Erfreulicherweise scheint "oben" zwischen Schraube und Mutter nur 
minimal Lot angekommen zu sein. Mutter und Leiterbahn sind hingegen 
massiv durch Lot verbunden.


>
> Björn D. schrieb:
>> Sicherungswiderstände (10 Ohm, 1%, 1/6W und insb. "flame proof"
>
> 1% fusible, nie gesehen.
Im Zweifel wäre auch eine größere Toleranz akzeptabel. Würde dann 
einfach ne Hand voll bestellen und hoffen, dass einer darunter ist, der 
nahe an den Nennwert ran kommt.

von MaWin (Gast)


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Björn D. schrieb:
> Um die Lötverbindung zwischen Schraube und Mutter zu entfernen

Um den Transistor auch ohne Lösen der Schraube auslöten zu können und 
damit dessen Kühlwirkung los zu werden um die Mutter mit dem 
Schraubenrest ablöten zu können.

von Björn D. (bjdick)


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Ah, jetzt hat's geklingelt! Den Schraubenkopf abfräsen (mein "oben" 
war bis eben auf der anderen Seite ;-)).
Ich vermute der Rest der Platine sollte dabei pingelichst abgedeckt 
werden, um nicht hinterher Metallspäne an Stellen zu haben, wo man sie 
definitiv nicht haben möchte?
Die mechanische Belastung durch das Fräsen sollte die Platine abkönnen?

Grüße und schon mal vielen vielen Dank!
Björn

von Gerald B. (gerald_b)


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Björn D. schrieb:
> Hat zufällig jemand eine Idee wo man solche Sicherungswiderstände (10
> Ohm, 1%, 1/6W und insb. "flame proof"!, also z.B. FMF-Serie von Yageo)
> noch bekommt?

TME hat sowas
https://www.tme.eu/de/katalog/sicherungswiderstande_100298/?id_category=100298&mapped_params=38%3A1436601%3B
Sind zwar nicht 1% und dann 1 Watt, aber passender, als garnichts und 
davon über 2000 Stck lagernd und sofort lieferbar.
Wenn dir die 10% Toleranz nicht passen, dann musste halt die 8,2 Ohm 
Variante kaufen und mit einem Glashaarpinsel abgleichen :-P

von Peter D. (peda)


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Björn D. schrieb:
> Die Fehlersuche hat gezeigt, dass ein Sicherungswiderstand durchgebrannt
> ist, der die Spannungsverstärkerstufe mit +145V versorgt.

Der Widerstand wird nicht ohne Grund abgeraucht sein, ist also nicht die 
Fehlerursache. Er soll nur verhindern, daß es zu einem Totalschaden 
kommt (verbrannte Platine).

Björn D. schrieb:
> Des Weiteren hat sich gezeigt, dass einer der NPN-Leistungstransistoren,
> der für die Umschaltung der Versorgungsspannung von +55V auf +145V
> (Class-H-Endstufe) zuständig ist, ebenfalls defekt ist

Der wird auch nicht die eigentliche Ursache sein. Man müßte genau alle 
Signalkreise verfolgen und auch alle Schutzschaltungen überprüfen. 
Typisch speist man dazu erstmal mit kleineren Spannungen aus 
Labornetzteilen mit einstellbarer Strombegrenzung. Die Strombegrenzung 
sorgt dafür, daß man nicht kiloweise die Transistoren wechseln muß.
Transistoren wechselt man immer paarweise, bzw. bei ner H-Brücke alle 4. 
In der Regel haben alle nen Schlag weg.

Bei einem so kräftigen Gerät (4kW) würde ich einen Fachmann ranlassen. 
Zappelt man an den 290V, wird bestimmt keine Sicherung ansprechen.
Und ein RCD spricht nur bei Netzverbindung an, nicht aber bei internen 
Spannungen.

von Björn D. (bjdick)


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Gerald B. schrieb:
> TME hat sowas
> 
https://www.tme.eu/de/katalog/sicherungswiderstande_100298/?id_category=100298&mapped_params=38%3A1436601%3B
> Sind zwar nicht 1% und dann 1 Watt, aber passender, als garnichts
Ja, aber das Ding ist ja nicht ohne Grund ein Sicherungswiderstand. 
Von daher wär's glaub keine gute Idee wenn der erst bei 1W abraucht ...

von oszi40 (Gast)


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Peter D. schrieb:
> Der Widerstand wird nicht ohne Grund abgeraucht sein, ist also nicht die
> Fehlerursache. Er soll nur verhindern, daß es zu einem Totalschaden
> kommt (verbrannte Platine).

Wie Peter schon schrieb, wird der R nur ein Kollateralschaden sein. Da 
wahre Übel sind sicher einige kranke Transistoren (die bestimmt noch 
*ausgesucht/ausgemessen* waren um sie gleichmäßig zu belasten)! Das wird 
nicht so einfach wie das Lösen der Schrauben.

von Rainer Z. (netzbeschmutzer)


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Björn D. schrieb:
> Die mechanische Belastung durch das Fräsen sollte die Platine abkönnen?

Du musst nicht die große Flex mit den 230-er Scheiben nehmen. Dremel und 
vielleicht Proxxon haben da recht niedliche Werkzeuge.

von Björn D. (bjdick)


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Peter D. schrieb:
> Björn D. schrieb:
>> Die Fehlersuche hat gezeigt, dass ein Sicherungswiderstand durchgebrannt
>> ist, der die Spannungsverstärkerstufe mit +145V versorgt.
>
> Der Widerstand wird nicht ohne Grund abgeraucht sein, ist also nicht die
> Fehlerursache. Er soll nur verhindern, daß es zu einem Totalschaden
> kommt (verbrannte Platine).
Ja, daher die Frage ob es Tipps zur Suche nach der eigentlichen 
Ursache gibt. Der zunächst beobachtete Fehler (DC am Ausgang und 
konsequenterweise Auslösen der Schutzschaltung) ist zwar weg wenn man 
den Sicherungswiderstand testweise durch einen normalen 10R ersetzt 
(der Leerlauf über dem 10R führt zu einer Offsetverschiebung in der 
Spannungsverstärkerstufe, sodass sich auch der Offset am Ausgang der 
nachfolgenden H-Brücke entsprechend verschiebt), aber die Natur des 
Sicherungswiderstands sagt natürlich, dass da noch irgendwo was nicht 
stimmt.


>
> Björn D. schrieb:
>> Des Weiteren hat sich gezeigt, dass einer der NPN-Leistungstransistoren,
>> der für die Umschaltung der Versorgungsspannung von +55V auf +145V
>> (Class-H-Endstufe) zuständig ist, ebenfalls defekt ist
>
> Der wird auch nicht die eigentliche Ursache sein.
Es könnte noch sein, dass der Treiber (Q32A) für den defekten NPN (Q38A) 
defekt ist (hab letzteren noch nicht ausgebaut, insofern lässt sich noch 
nicht unterscheiden ob der gemessene (Nahezu-)Kurzschluss zwischen 
Kollektor und Basis von Q38A durch eine kurzgeschlossene 
Drain-Source-Strecke von Q32A zu Stande kommt) und somit zu viel Strom 
zieht. Der hängt aber Gate-seitig an der +55V-Schiene und mit Drain an 
einer anderen Zuführung der +145V-Schiene als der Teil, der durch den 
Sicherungswiderstand versorgt wird und sollte daher zumindest DC-mäßig 
nicht die Ursache sein.
Außerdem ist der korrespondierende Sicherungswiderstand im anderen 
Endstufenkanal wie gesagt während der Untersuchung auch abgeraucht, 
während zumindest die dicken Transistoren dort alle noch gut aussehen 
(in der Schaltung gemessen, insofern natürlich nur bedingt 
aussagekräftig).


> Man müßte genau alle
> Signalkreise verfolgen und auch alle Schutzschaltungen überprüfen.
Werde ich machen und mit dem anderen Kanal bzw. der PNP-Seite 
vergleichen.


> Typisch speist man dazu erstmal mit kleineren Spannungen aus
> Labornetzteilen mit einstellbarer Strombegrenzung. Die Strombegrenzung
> sorgt dafür, daß man nicht kiloweise die Transistoren wechseln muß.
> Transistoren wechselt man immer paarweise, bzw. bei ner H-Brücke alle 4.
> In der Regel haben alle nen Schlag weg.
Ja, so kenne ich das auch. Da hier aber mehrere Stränge parallel auf den 
Ausgang arbeiten, gibt es PNP-seitig nicht wirklich einen 
korrespondierenden. Daher die Frage.


>
> Bei einem so kräftigen Gerät (4kW) würde ich einen Fachmann ranlassen.
> Zappelt man an den 290V, wird bestimmt keine Sicherung ansprechen.
> Und ein RCD spricht nur bei Netzverbindung an, nicht aber bei internen
> Spannungen.
Der Amp hängt natürlich an nem Trenntrafo und eine Hand bleibt in der 
Hosentasche. In der Regel sogar beide, da man gut mit Klammern messen 
kann, die im spannungsfreien Zustand angelegt werden. Hab da keine Eile 
und nehme mir die Zeit.

von Peter D. (peda)


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Früher hat man für sowas Einpreßmuttern genommen, die saßen bombenfest. 
Auch wenn etwas Zinn auf dem Schraubengewinde war, konnte man die 
rausdrehen, ohne daß der Leiterzug abreißt.

von Björn D. (bjdick)


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Peter D. schrieb:
> Früher hat man für sowas Einpreßmuttern genommen, die saßen bombenfest.
> Auch wenn etwas Zinn auf dem Schraubengewinde war, konnte man die
> rausdrehen, ohne daß der Leiterzug abreißt.
Gut zu wissen! Werde mir die Muttern vor dem Hintergrund nochmal genau 
anschauen (wenn ich das richtig im Kopf hab gibt es ein paar Stellen an 
die das Lot nicht ran kam, da könnte man evtl. was sehen). Laut den 
Zeichnungen im Service Manual wurde der Amp ab ca. 1999 gebaut.

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