Forum: HF, Funk und Felder Unterschiedliche Ergebnisse bei Impedanzrechnern


von one_wheeler (Gast)


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Hallo zusammen,

ich bin gerade dabei, eine (kurze) USB2.0 Leitung auszulegen und wollte 
die von der USB Spezifikation genannte Impedanz (90Ohm+-15% differential 
und 30Ohm +-30% common mode) nachrechnen. Schon hat mich meine alte 
Begeisterung für Kreuzvergleiche in ein Rabbit hole stürzen lassen. 
Diese Rechner sagen nämlich alle derbst etwas anderes.

Ausgehend vom "defined layer buildup" vom Multi-CB (siehe 
https://www.multi-circuit-boards.eu/en/pcb-design-aid/layer-buildup/impedance-examples.html) 
wollte ich nachrechnen, ob die vorgeschlagenen Dimensionen von 180µm - 
120µm - 180µm (Breite - Abstand - Breite) auch die Common Mode 
Spezifikation erfüllt. EpsilonR = 4 und der Prepreg ist 140µm dick.

Folgend meine Ergebnisse, für den gleichen Input:

Multi-CB Rechner 
(https://www.multi-circuit-boards.eu/en/pcb-design-aid/impedance-calculation.html):
1
Z0: 57,7 Ohm
2
Zdiff: 91.1 Ohm
3
(Zodd: 45.5 Ohm)

Wcalc (http://wcalc.sourceforge.net/cgi-bin/coupled_microstrip.cgi)
1
Zeven: 75 Ohm
2
Zodd: 54 Ohm
3
Z0: 64 Ohm
4
(Zdiff: 108 Ohm)
5
(Zcommon: 37.5 Ohm)

Omni Calculator (https://www.omnicalculator.com/other/pcb-impedance)
1
Zodd: 61 Ohm
2
Zeven: 60 Ohm
3
Zdiff: 123 Ohm
4
Zcommon: 30 Ohm

PCBway Calculator 
(https://www.pcbway.com/pcb_prototype/impedance_calculator.html)
1
Z0: 56.8 Ohm
2
Zdiff: 113.6 Ohm
3
(Zodd: 56.8Ohm)

Die Umrechnungen (in Klammern dazugeschrieben) kommen von der Seite 
https://www.eeweb.com/tools/edge-coupled-microstrip-impedance/ und 
lauten wie folgt:
1
Zodd * 2 = Zdiff
2
Zeven = Zcommon * 2

Hab die Screenshots von meinen Eingaben angehängt, nicht dass ich einen 
Fehler übersehen habe.

Also ganz ehrlich, ich bin ratlos. Wenn man da genau was auslegen muss, 
dann kann man ja gleich raten auch. Habt ihr Erfahrungen damit? Wie 
rechnet ihr sowas? Bestellt ihr die Platine als impedance controlled und 
kümmert euch nicht mehr darum? Ich hab auf meiner ganzen großen Platine 
eine 5cm lange USB2.0 Leitung drauf. Da dann die ganze große impedance 
controlled bestellen kommt mir ein wenig vor wie mit Kanonen auf Spatzen 
zu schießen.

lg

von hard werker (Gast)


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one_wheeler schrieb:
> Ich hab auf meiner ganzen großen Platine
> eine 5cm lange USB2.0 Leitung drauf.

Fünf Zentimeter sind totaler Pipifax. Nimm irgendeine Rechnung
als Grundlage und gut is. Wer wird sich denn bei 6 MHz
Rechteck so in etwas hineinsteigern? Echt Pipifax.

von Wolfgang (Gast)


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one_wheeler schrieb:
> Also ganz ehrlich, ich bin ratlos. Wenn man da genau was auslegen muss,
> dann kann man ja gleich raten auch.

Hast du mal ausgerechnet, wie groß der Toleranzbereich sein darf, ohne 
dass dein Signal störend beeinflusst wird.

von tja (Gast)


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hard werker schrieb:
> Fünf Zentimeter sind totaler Pipifax. Nimm irgendeine Rechnung
> als Grundlage und gut is. Wer wird sich denn bei 6 MHz
> Rechteck so in etwas hineinsteigern? Echt Pipifax.

das stimmt schon. Für die 5cm USB2 ist es wirklich gänzlich egal.
Trotzdem ist die Fragestellung vom TO sehr interessant.

Wenn die Theorie schon auseinander geht, wie sieht's dann erst mit der 
Praxis aus.

Die SW von Polar Instruments (https://www.polarinstruments.com) benutzt 
zum Beispiel eine FEM Analyse zum Berechnen der Impedanz.

Zudem kommt real noch hinzu, dass die Geometrie alles andere als Ideal 
ist. Der Querschnitt einer Leiterbahn ist weniger Rechtechförmig, sie 
ist eher Trapezförmig. Auch sowas man betrachtet werden. Abgesehen 
davon, dass der Untergrund einer FR4 Platine auch nicht immer gleich ist 
(Glasfasergewebe).

Wenn man es wirklich richtig machen will, dann darf man sich echt schön 
einarbeiten, und man kommt auch um die Messmethodik nicht herum.

von hard werker (Gast)


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tja schrieb:
> Für die 5cm USB2 ist es wirklich gänzlich egal.

Zumal in einem USB Kabel noch ganz andere Abweichungen von "der
idealen Impedanz" herrschen können. Dann kommen noch die
lästigen Störstellen der USB-Platinensteckverbinder zur Platine
und selbige an USB Stecker und Kabel-Crimpung hinzu.

Gretchenfrage: wozu wohl verwendet man auf dem USB Signalweg
ein differentielles Signal?

von one_wheeler (Gast)


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hard werker schrieb:
> one_wheeler schrieb:
>> Ich hab auf meiner ganzen großen Platine
>> eine 5cm lange USB2.0 Leitung drauf.
>
> Fünf Zentimeter sind totaler Pipifax. Nimm irgendeine Rechnung
> als Grundlage und gut is. Wer wird sich denn bei 6 MHz
> Rechteck so in etwas hineinsteigern? Echt Pipifax.

USB2.0 -> 480MHz (Grundfrequenz 240MHz). Nach diesem Artkel 
(https://www.elektronikpraxis.vogel.de/die-masse-gibt-den-takt-an-usb-20-signale-uebertragen-a-980421/) 
sind ungematche Leitungslängen bis gut ~40mm unproblematisch, wo ich mit 
meinen 50mm zwar nicht massiv drüber bin, aber doch. Genaue Wissenschaft 
ist das nicht, das ist mir klar. Noch dazu kommt, dass die vorherige 
Version dieser Platine (da hab ich mich nicht "so hineingesteigert"), 
intermittierend nicht funktioniert hat. Grund dieser Funktionsausfälle 
ist nicht zu 100% geklärt, darum würd ichs gern diesem Mal besser machen 
;)

tja schrieb:
> Wenn die Theorie schon auseinander geht, wie sieht's dann erst mit der
> Praxis aus.

Genau das fürchte ich auch.

Wolfgang schrieb:
> Hast du mal ausgerechnet, wie groß der Toleranzbereich sein darf, ohne
> dass dein Signal störend beeinflusst wird.

Wie oder was würdest du dir das denn ausrechnen? Neben dem bereits 
verlinkten Artikel, der auf die Leitungslänge eingeht, die 
vernachlässigbar ist, hätte ich keinen Ansatz, der mir sagt, wie viel 
Impendanzsprung (=wie viel Reflexion auf er Leitung) für mich OK sein 
könnte. Darum gibts ja die USB Spec, die sagt +-15%. Über die sind wir 
ja allein schon in der Theorie mit diesen Rechnungen.

von hard werker (Gast)


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one_wheeler schrieb:
> Noch dazu kommt, dass die vorherige
> Version dieser Platine (da hab ich mich nicht "so hineingesteigert"),
> intermittierend nicht funktioniert hat.

Liegt garantiert an schlechter Stromversorgung oder schlechter
Abblockung durch Kondensatoren (abgesehen davon dass die Soft-
ware mistig sein kann).

von one_wheeler (Gast)


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Nur weil ich schon dabei war und es euch nicht vorenthalten will:
Saturn PCB Design tool stimmt ganz gut mit der Rechnung von Multi-CB 
überein. Siehe angehängtes Foto.

tja schrieb:
> Zudem kommt real noch hinzu, dass die Geometrie alles andere als Ideal
> ist. Der Querschnitt einer Leiterbahn ist weniger Rechtechförmig, sie
> ist eher Trapezförmig. Auch sowas man betrachtet werden. Abgesehen
> davon, dass der Untergrund einer FR4 Platine auch nicht immer gleich ist
> (Glasfasergewebe)

Machen "Kleinigkeiten" wie die Auswirkung der Solder Mask oder 
trapezförmige Traces so viel aus, dass sich das Ergebnisses da um über 
30% unterscheidet?

hard werker schrieb:
> Gretchenfrage: wozu wohl verwendet man auf dem USB Signalweg
> ein differentielles Signal?

Robustere Übertragung, besser gegenüber Störungen. Hat nach meinem 
Verständnis gar nix damit zu tun, dass es irgendwie robuster gegenüber 
Impendanzsprünge ist. Ganz im Gegenteil, die Anforderungen gegenüber 
Reflexionen ist (meiner nicht-Spezialisten) Meinung nach relativ strikt 
(Eye-Diagramm, Stetigkeitanforderung). Lass mich aber gern eines 
besseren belehren :)

von dfIas (Gast)


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tja schrieb:
> Wenn die Theorie schon auseinander geht, wie sieht's dann erst mit der
> Praxis aus.
Geht sie nicht. Es gibt für diese Berechnung keine triviale analytische 
Lösung. Man könnte etwas genauer mit finiten Elementen rechnen, aber 
meist werden handliche Näherungsformeln benutzt. Bitte auch bedenken, 
dass mit unterschiedlichen Dielektrika (Luft u. FR4) auch eine 
Dispersion vorhanden ist. Das Feld in der Luft ist zwar unterlegen, aber 
präzise rechnen will das keiner. Eher werden magische Korrekturfaktoren 
den einzelnen Termen vorangesetzt.
Lässt man ein SWR von 2 zu (11 % Leistungsreflexion), wäre man mit 45 Ω 
oder 180 Ω statt der geforderten 90 Ω gut bedient.

von dfIas (Gast)


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dfIas schrieb:
> Lässt man ein SWR von 2 zu (11 % Leistungsreflexion), wäre man mit 45 Ω
> oder 180 Ω statt der geforderten 90 Ω gut bedient.
Auf dem USB interessiert ja mehr der Spannungsverlauf. Das entspräche 
einer ersten Überlagerung mit +1/3 oder -1/3 der hinlaufenden Spannung. 
Im Vergleich: Bei differentieller Übertragung liegt die Umschaltschwelle 
in der Mitte bei 1/2 (bis auf eine meist kleinere Hysterese). Aber so 
weit daneben liegt man nicht so schnell - da hilft in der Logarithmus 
der Gemetrie.
Wichtiger als die Homogenität ist somit, dass die Leitung senderseitig 
(beim bidirektionalen Betrieb beidseitg) terminiert ist.

von Olaf P. (Gast)


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Es gibt genug freie FEM solver, die sowas recht leicht lösen können. 
Denk aber dran, dass die oft nur mit idealen Materialien arbeiten und 
Fiber eben nicht ideal ist.

von Markus (Gast)


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Olaf P. schrieb:
> Es gibt genug freie FEM solver, die sowas recht leicht lösen können.

Welche sollen das sein?

von Wolfgang (Gast)


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one_wheeler schrieb:
> Wie oder was würdest du dir das denn ausrechnen?

Na, dort wo sich die Impedanz ändert, bekommst du eine Signalreflektion, 
deren Amplitude und Phase von der Änderung abhängt. Integriert über die 
Leitung ergibt sich daraus eine Störsignalamplitude, die am Ende nicht 
so groß sein darf, dass sich der Empfänger daran stört.

von Wolfgang (Gast)


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Olaf P. schrieb:
> Denk aber dran, dass die oft nur mit idealen Materialien arbeiten und
> Fiber eben nicht ideal ist.

Bei FR4 hilft es schon mal, die Leiterbahnen diagonal zur Gelegerichtung 
laufen zu lassen.

von hard werker (Gast)


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Wolfgang schrieb:
> Bei FR4 hilft es schon mal, die Leiterbahnen diagonal zur Gelegerichtung
> laufen zu lassen.

Wieso? Wird dadurch das Basis-Material homogener?
Nö, nicht wirklich .....

von Bernd (Gast)


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Wolfgang schrieb:
> Bei FR4 hilft es schon mal, die Leiterbahnen diagonal zur Gelegerichtung
> laufen zu lassen.
Ist denn die Gelegerichtung irgendwie definiert?

von Wolfgang (Gast)


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hard werker schrieb:
> Wieso? Wird dadurch das Basis-Material homogener?
> Nö, nicht wirklich .....

Es passiert nicht, dass eine Leitung zufällig längere Strecken über 
Glasfaser und die andere über Epoxy läuft, d.h. die Inhomogenität 
mittelt sich schon über wenige Millimeter weg. Wenn die Signalflanken 
nicht gerade mit 100GHz-Frequenzanteilen daher kommen, heben sich die 
Reflektionen entsprechend gut auf.

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