Hallo zusammen,
ich bin gerade dabei, eine (kurze) USB2.0 Leitung auszulegen und wollte
die von der USB Spezifikation genannte Impedanz (90Ohm+-15% differential
und 30Ohm +-30% common mode) nachrechnen. Schon hat mich meine alte
Begeisterung für Kreuzvergleiche in ein Rabbit hole stürzen lassen.
Diese Rechner sagen nämlich alle derbst etwas anderes.
Ausgehend vom "defined layer buildup" vom Multi-CB (siehe
https://www.multi-circuit-boards.eu/en/pcb-design-aid/layer-buildup/impedance-examples.html)
wollte ich nachrechnen, ob die vorgeschlagenen Dimensionen von 180µm -
120µm - 180µm (Breite - Abstand - Breite) auch die Common Mode
Spezifikation erfüllt. EpsilonR = 4 und der Prepreg ist 140µm dick.
Folgend meine Ergebnisse, für den gleichen Input:
Multi-CB Rechner
(https://www.multi-circuit-boards.eu/en/pcb-design-aid/impedance-calculation.html):
Hab die Screenshots von meinen Eingaben angehängt, nicht dass ich einen
Fehler übersehen habe.
Also ganz ehrlich, ich bin ratlos. Wenn man da genau was auslegen muss,
dann kann man ja gleich raten auch. Habt ihr Erfahrungen damit? Wie
rechnet ihr sowas? Bestellt ihr die Platine als impedance controlled und
kümmert euch nicht mehr darum? Ich hab auf meiner ganzen großen Platine
eine 5cm lange USB2.0 Leitung drauf. Da dann die ganze große impedance
controlled bestellen kommt mir ein wenig vor wie mit Kanonen auf Spatzen
zu schießen.
lg
one_wheeler schrieb:> Ich hab auf meiner ganzen großen Platine> eine 5cm lange USB2.0 Leitung drauf.
Fünf Zentimeter sind totaler Pipifax. Nimm irgendeine Rechnung
als Grundlage und gut is. Wer wird sich denn bei 6 MHz
Rechteck so in etwas hineinsteigern? Echt Pipifax.
one_wheeler schrieb:> Also ganz ehrlich, ich bin ratlos. Wenn man da genau was auslegen muss,> dann kann man ja gleich raten auch.
Hast du mal ausgerechnet, wie groß der Toleranzbereich sein darf, ohne
dass dein Signal störend beeinflusst wird.
hard werker schrieb:> Fünf Zentimeter sind totaler Pipifax. Nimm irgendeine Rechnung> als Grundlage und gut is. Wer wird sich denn bei 6 MHz> Rechteck so in etwas hineinsteigern? Echt Pipifax.
das stimmt schon. Für die 5cm USB2 ist es wirklich gänzlich egal.
Trotzdem ist die Fragestellung vom TO sehr interessant.
Wenn die Theorie schon auseinander geht, wie sieht's dann erst mit der
Praxis aus.
Die SW von Polar Instruments (https://www.polarinstruments.com) benutzt
zum Beispiel eine FEM Analyse zum Berechnen der Impedanz.
Zudem kommt real noch hinzu, dass die Geometrie alles andere als Ideal
ist. Der Querschnitt einer Leiterbahn ist weniger Rechtechförmig, sie
ist eher Trapezförmig. Auch sowas man betrachtet werden. Abgesehen
davon, dass der Untergrund einer FR4 Platine auch nicht immer gleich ist
(Glasfasergewebe).
Wenn man es wirklich richtig machen will, dann darf man sich echt schön
einarbeiten, und man kommt auch um die Messmethodik nicht herum.
tja schrieb:> Für die 5cm USB2 ist es wirklich gänzlich egal.
Zumal in einem USB Kabel noch ganz andere Abweichungen von "der
idealen Impedanz" herrschen können. Dann kommen noch die
lästigen Störstellen der USB-Platinensteckverbinder zur Platine
und selbige an USB Stecker und Kabel-Crimpung hinzu.
Gretchenfrage: wozu wohl verwendet man auf dem USB Signalweg
ein differentielles Signal?
hard werker schrieb:> one_wheeler schrieb:>> Ich hab auf meiner ganzen großen Platine>> eine 5cm lange USB2.0 Leitung drauf.>> Fünf Zentimeter sind totaler Pipifax. Nimm irgendeine Rechnung> als Grundlage und gut is. Wer wird sich denn bei 6 MHz> Rechteck so in etwas hineinsteigern? Echt Pipifax.
USB2.0 -> 480MHz (Grundfrequenz 240MHz). Nach diesem Artkel
(https://www.elektronikpraxis.vogel.de/die-masse-gibt-den-takt-an-usb-20-signale-uebertragen-a-980421/)
sind ungematche Leitungslängen bis gut ~40mm unproblematisch, wo ich mit
meinen 50mm zwar nicht massiv drüber bin, aber doch. Genaue Wissenschaft
ist das nicht, das ist mir klar. Noch dazu kommt, dass die vorherige
Version dieser Platine (da hab ich mich nicht "so hineingesteigert"),
intermittierend nicht funktioniert hat. Grund dieser Funktionsausfälle
ist nicht zu 100% geklärt, darum würd ichs gern diesem Mal besser machen
;)
tja schrieb:> Wenn die Theorie schon auseinander geht, wie sieht's dann erst mit der> Praxis aus.
Genau das fürchte ich auch.
Wolfgang schrieb:> Hast du mal ausgerechnet, wie groß der Toleranzbereich sein darf, ohne> dass dein Signal störend beeinflusst wird.
Wie oder was würdest du dir das denn ausrechnen? Neben dem bereits
verlinkten Artikel, der auf die Leitungslänge eingeht, die
vernachlässigbar ist, hätte ich keinen Ansatz, der mir sagt, wie viel
Impendanzsprung (=wie viel Reflexion auf er Leitung) für mich OK sein
könnte. Darum gibts ja die USB Spec, die sagt +-15%. Über die sind wir
ja allein schon in der Theorie mit diesen Rechnungen.
one_wheeler schrieb:> Noch dazu kommt, dass die vorherige> Version dieser Platine (da hab ich mich nicht "so hineingesteigert"),> intermittierend nicht funktioniert hat.
Liegt garantiert an schlechter Stromversorgung oder schlechter
Abblockung durch Kondensatoren (abgesehen davon dass die Soft-
ware mistig sein kann).
Nur weil ich schon dabei war und es euch nicht vorenthalten will:
Saturn PCB Design tool stimmt ganz gut mit der Rechnung von Multi-CB
überein. Siehe angehängtes Foto.
tja schrieb:> Zudem kommt real noch hinzu, dass die Geometrie alles andere als Ideal> ist. Der Querschnitt einer Leiterbahn ist weniger Rechtechförmig, sie> ist eher Trapezförmig. Auch sowas man betrachtet werden. Abgesehen> davon, dass der Untergrund einer FR4 Platine auch nicht immer gleich ist> (Glasfasergewebe)
Machen "Kleinigkeiten" wie die Auswirkung der Solder Mask oder
trapezförmige Traces so viel aus, dass sich das Ergebnisses da um über
30% unterscheidet?
hard werker schrieb:> Gretchenfrage: wozu wohl verwendet man auf dem USB Signalweg> ein differentielles Signal?
Robustere Übertragung, besser gegenüber Störungen. Hat nach meinem
Verständnis gar nix damit zu tun, dass es irgendwie robuster gegenüber
Impendanzsprünge ist. Ganz im Gegenteil, die Anforderungen gegenüber
Reflexionen ist (meiner nicht-Spezialisten) Meinung nach relativ strikt
(Eye-Diagramm, Stetigkeitanforderung). Lass mich aber gern eines
besseren belehren :)
tja schrieb:> Wenn die Theorie schon auseinander geht, wie sieht's dann erst mit der> Praxis aus.
Geht sie nicht. Es gibt für diese Berechnung keine triviale analytische
Lösung. Man könnte etwas genauer mit finiten Elementen rechnen, aber
meist werden handliche Näherungsformeln benutzt. Bitte auch bedenken,
dass mit unterschiedlichen Dielektrika (Luft u. FR4) auch eine
Dispersion vorhanden ist. Das Feld in der Luft ist zwar unterlegen, aber
präzise rechnen will das keiner. Eher werden magische Korrekturfaktoren
den einzelnen Termen vorangesetzt.
Lässt man ein SWR von 2 zu (11 % Leistungsreflexion), wäre man mit 45 Ω
oder 180 Ω statt der geforderten 90 Ω gut bedient.
dfIas schrieb:> Lässt man ein SWR von 2 zu (11 % Leistungsreflexion), wäre man mit 45 Ω> oder 180 Ω statt der geforderten 90 Ω gut bedient.
Auf dem USB interessiert ja mehr der Spannungsverlauf. Das entspräche
einer ersten Überlagerung mit +1/3 oder -1/3 der hinlaufenden Spannung.
Im Vergleich: Bei differentieller Übertragung liegt die Umschaltschwelle
in der Mitte bei 1/2 (bis auf eine meist kleinere Hysterese). Aber so
weit daneben liegt man nicht so schnell - da hilft in der Logarithmus
der Gemetrie.
Wichtiger als die Homogenität ist somit, dass die Leitung senderseitig
(beim bidirektionalen Betrieb beidseitg) terminiert ist.
Es gibt genug freie FEM solver, die sowas recht leicht lösen können.
Denk aber dran, dass die oft nur mit idealen Materialien arbeiten und
Fiber eben nicht ideal ist.
one_wheeler schrieb:> Wie oder was würdest du dir das denn ausrechnen?
Na, dort wo sich die Impedanz ändert, bekommst du eine Signalreflektion,
deren Amplitude und Phase von der Änderung abhängt. Integriert über die
Leitung ergibt sich daraus eine Störsignalamplitude, die am Ende nicht
so groß sein darf, dass sich der Empfänger daran stört.
Olaf P. schrieb:> Denk aber dran, dass die oft nur mit idealen Materialien arbeiten und> Fiber eben nicht ideal ist.
Bei FR4 hilft es schon mal, die Leiterbahnen diagonal zur Gelegerichtung
laufen zu lassen.
Wolfgang schrieb:> Bei FR4 hilft es schon mal, die Leiterbahnen diagonal zur Gelegerichtung> laufen zu lassen.
Wieso? Wird dadurch das Basis-Material homogener?
Nö, nicht wirklich .....
Wolfgang schrieb:> Bei FR4 hilft es schon mal, die Leiterbahnen diagonal zur Gelegerichtung> laufen zu lassen.
Ist denn die Gelegerichtung irgendwie definiert?
hard werker schrieb:> Wieso? Wird dadurch das Basis-Material homogener?> Nö, nicht wirklich .....
Es passiert nicht, dass eine Leitung zufällig längere Strecken über
Glasfaser und die andere über Epoxy läuft, d.h. die Inhomogenität
mittelt sich schon über wenige Millimeter weg. Wenn die Signalflanken
nicht gerade mit 100GHz-Frequenzanteilen daher kommen, heben sich die
Reflektionen entsprechend gut auf.