Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Was ist dieser Teil beim Röhrenfernseher?


von Julian D. (juli_elektronik)


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Ich habe hier einen Philips C1461A-C Farbfernseher, aber es sieht meiner 
Erfahrung nach eh bei allen CRTs ähnlich aus.
Das rote Kabel kommt vom oben aus dem Zeilentrafo und ist ein 
Hochspannungskabel, führt also ziemlich sicher Hochspannung. Es ist aber 
nicht der der Haupt-HV-Ausgang. Mich interessiert das seltsame gebilde 
an dem sockel der röhre, in das das Kabel mündet. Was für einen Zweck 
hat das und was für eine spannung liefert das Kabel? Ist das auch für 
die anode oder so? Ich habe den Verlauf der Leitung in einem Bild 
markiert.

Und wo wir schon bei CRTs sind - hat jemand eine Ahnung von den 
Spannungen und strömen für Heizung, Spulen und Gitter?

Schon mal im voraus danke!

LG Julian

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Ich hänge dir mal einen Auszug aus dem Schaltplan des Philips CM8833 
Monitors an, in dem Spannungen stehen. Der Anschluss 'Focus' ist der von 
dir angefragte. Du wirst da einen TV mit Focus und Screen Potis haben, 
die im Zeilentrafo integriert sind. Das rote Kabel in deinem Bild führt 
dann so etwa 4-5kV, die mit dem Focus Poti einstellbar sind.
Die Ablenkeinheit ist nicht abgebildet - also nix mit Spulen.

: Bearbeitet durch User
von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Julian D. schrieb:
> hat jemand eine Ahnung von den
> Spannungen und strömen für Heizung, Spulen und Gitter?

Hallo,

abgebildet ist eine Farbbildröhre, die bereits die "in-line" - Anordnung 
der Elektronenkanonen hat. Zum Heizen der drei Systeme bei etwa 6 Volt 
dürften 10 Watt bereits ausreichen. Oft kommt diese Spannung aus der 
Horizontalablenkung als Nebeneffekt.

mfg

von Hp M. (nachtmix)


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Julian D. schrieb:
> wo wir schon bei CRTs sind - hat jemand eine Ahnung von den
> Spannungen und strömen für Heizung, Spulen und Gitter?

Ich habe leider nur ein paar recht alte Daten von 1973.
Heizung der Bildröhren war wohl immer 6,3V und die anderen Spannungen 
siehst du ja im Schaltbild.
Gesamtbeschleunigung um 25-30kV und für die Fokussierung, wie bereits 
gesagt, ca. 4..5kV.
Die mittleren Katodenströme dürften um 0,5mA gelegen haben, 1000µA waren 
der zulässige Maximalwert.

3 * 1mA bei 27kV sind aber auch schon 81 Watt, die zum grössten Teil im 
Magnetfeld der H-Ablenkspulen zwischengespeichert wurden.

Die Ablenkspulen waren für H und V unterschiedlich ausgelegt und 
insbesondere die H-Spulen brauchten viel Blindleistung in der Gegend von 
100VA.

Die H-Spulen für Röhren mit 110° Ablenkwinkel hatten z.B. 4,4mH be 3,4 
Ohm Wicklungswiderstand und wurden mit 3,3Ass betrieben.
Überschlägig kann man sich dann leicht ausrechnen, dass dann für den 
Hinlauf ab Bildmitte (I=0) 1,65A Spitzenstrom benötigt wurden, die in 
etwa  27µs erreicht werden mussten.
Dafür war also gemäss U=L*dI/dt ein rechteckiger Spannungsimpuls von 
270V erforderlich.
Beim Rücklauf über die ganze Breite änderte sich der Strom dann von 
+1,65A auf -1,65A (die obigen 3,3Ass), aber das musste in höchstens 12µs 
erledigt sein.
Praktisch rechnete man mit max. 18% der Periodendauer von 64µs also 
11,5µs.

Daraus resultiert die Höhe der Impulsspannung beim Rücklauf zu 
mindestens 4,4mH * 3,3A / 11µs = 1320V.
Dieser Hochspannungsimpuls wird dann vom Zeilentrafo auf die für den 
Betrieb der Röhre erforderlichen Werte hochtransformiert.

Wenn man bedenkt, dass 1,65A in 4,4mH eine Energie von 6mJ 
repräsentieren, ergibt sich bei der Ablenkfrequenz von 15625Hz eine im 
Magnetfeld zirkulierende Blindleistung von 93W.
Also völlig ausreichend um damit den Leistungsbedarf der 
Elektronenkanone zu decken.
Unbenutzte Blindleistung wird über eine Diode an das Netzteil 
zurückgeliefert.



P.S.:

Julian D. schrieb:
> Mich interessiert das seltsame gebilde
> an dem sockel der röhre, in das das Kabel mündet.

Das dürfte eine Funkenstrecke sein.
Beim Betrieb der Bildröhren kommt es im Inneren gelegentlich zu 
Hochspannungsüberschlägen, und damit die nicht die gesamte 
Steuerelektronik zerstören, leitet man sie nach Masse ab.
Die sehr hochohmigen Potis für die Fokussierung befanden sich meist nahe 
oder im Verguss des Zeilentrafos.

: Bearbeitet durch User
von Rainer Z. (netzbeschmutzer)


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Hp M. schrieb:
> Das dürfte eine Funkenstrecke sein.

Ja, ist sie. In Schaltplänen anderer Geräte sieht man sie auch 
eingezeichnet (oft ein Kreis mit zwei Pfeilspitzen darin), Philips hat 
hier darauf verzichtet. Die Focusspannung beträgt - wie schon gesagt 
wurde - rund 5 kV, weshalb dieser Anschluss auf dem Bildröhrensockel 
gründlicher isoliert ist.

Das Einstellen der Focusspannung ist unkritisch, einfach nach Auge auf 
das subjektiv schärfste Bild einstellen.

von Thomas R. (thomasr)


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Vielen Dank für die fundierten Angaben über Ströme und Leistungen!

Das erinnert mich an meine ersten „Erfahrungen“ mit Fernsehern im Alter 
von ca. 10 Jahren. Der defekte Philips S/W wurde in den Keller gestellt 
und rottete da vor sich hin. Also wollte ich den reparieren ☠️

Dabei habe ich (nach Ziehen des Netzsteckers!) den HV Anschluß der Röhre 
abziehen wollen und dabei die volle Restladung abbekommen!

Ich weiß nur noch, daß ich eine gute halbe Stunde daneben gelegen habe 
und wie gelähmt war.

Welche Ladung das wohl war??

Das muß ca. 1970 gewesen sein und auf der Rückseite des FS waren 17kV 
angegeben.

Leider konnte ich den FS damals nicht reparieren. Einzelne Widerstände 
aus dem Gerät habe ich heute noch.

von Georg (Gast)


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Thomas R. schrieb:
> Ich weiß nur noch, daß ich eine gute halbe Stunde daneben gelegen habe
> und wie gelähmt war.

Das nennt man mehr Glück als Verstand. Ich habe da auch vor vielen 
vielen Jahren Lehrgeld bezahlt, weil ich netter-, aber dummerweise einem 
Nachbarn versprochen habe, seinen defekten Fernseher zu untersuchen - 
mein damals noch ziemlich teures Digitalmultimeter hat das nicht 
überlebt, weil es für 25 kV nicht ausgelegt war.

Wenn man nicht dafür eingerichtet ist sollte man die Finger von 
Spannungen im kV-Bereich lassen.

Georg

von Thomas R. (thomasr)


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So etwas konnte ich mir erst viele Jahre später leisten.🙂

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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In all den Jahren, als ich noch CRT repariert habe, war für mich das 
messen der hohen Spannungen unnötig. Entweder waren die Spannungen da 
und es war irgendwas anderes faul oder man hat sofort gesehen, das Focus 
oder Hochspannung nicht da oder aus dem Ruder gelaufen war. Einen 
HV-Tastkopf habe ich nie gebraucht.
Gut, wenn man heute damit anfängt, sich selber einen CRT zu bauen, kann 
das nötig werden, aber wer macht das schon? In diesem Fall ist es 
sowieso erst mal wichtiger, sich einen zur Röhre passenden H-Trafo zu 
beschaffen.

: Bearbeitet durch User
von Rainer Z. (netzbeschmutzer)


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Thomas R. schrieb:
> Dabei habe ich (nach Ziehen des Netzsteckers!) den HV Anschluß der Röhre
> abziehen wollen und dabei die volle Restladung abbekommen!
>
> Ich weiß nur noch, daß ich eine gute halbe Stunde daneben gelegen habe
> und wie gelähmt war.

Hier meinst Du vermutlich die Restladung der Bildröhre selbst, welche Du 
abbekommen hast. Die Bildröhre selber stellt einen Kondensator dar mit 
ihrer Metallisierung und dem Glas als Dielektrikum. Nach Abziehen der 
Anodenkappe muss die Röhre entladen werden, bevor man gefahrlos dran 
arbeiten kann.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Rainer Z. schrieb:
> Die Bildröhre selber stellt einen Kondensator dar mit
> ihrer Metallisierung

Das muss sie sogar. Man sieht ja im oberen Schaltbild, das nach dem 
HV-Gleichrichter kein Siebkondensator verbaut ist, den Job übernimmt die 
Röhre mit ihrer Anode selber (und ein wenig das Kabel). Das können 
durchaus einige dutzend nF sein.

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