Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Ausfallwahrscheinlichkeit MLCCs


von Third E. (third-eye)


Lesenswert?

Hallo zusammen,

hat jemand von euch Erfahrungen, wie hoch die Ausfallwahrscheinlichkeit 
von MLCCs ist?
Vorausgesetzt, sie werden fachgerecht gehandhabt und eingesetzt.

Habe gerade eine Anwendung, die langsamen aber häufigen 
Temperaturwechseln zwischen ca. 5 bis 60°C unterworfen ist. Habe da 
einen X7R mit 2,2µF/16V in 1206 in der Schaltung. Der Kondensator wird 
als Koppelkondensator zwischen zwei Schaltungsteilen eingesetzt. Er ist 
im Wohlfühlbereich, was Spannungs- und Strombelastung betrifft.
Aber ein Kurzschluss des Kondensators würde zum Totalausfall des 
Produkts führen.
Das Produkt wird in großen Stückzahlen hergestellt, deshalb wird über 
jedes Bauteil gestritten, das nicht zwingend notwendig ist.
Wenn ich die Wahl hätte, würde ich zwei 4,7µF-Kondensatoren in Reihe 
schalten. Dann wäre die resultierende Kapazität in Ordnung und der 
Kurzschluss eines Kondensators hätte keine Auswirkungen.
Das kann ich aber nur durchsetzen, wenn ich belastbare Zahlen zur 
Ausfallwahrscheinlichkeit zeigen kann.
Meine Vermutung ist, dass erwartbare Ausfälle durch 
Kondensatorkurzschluss im ppm-Bereich sind. Aber gibt es da irgendwelche 
Zahlen oder Studien dazu?

Grüße
Third-Eye

: Verschoben durch Moderator
von Jan (Gast)


Lesenswert?

Kurzschluss ist der harte Fehlerfall
Vorher hat man in der Regel Mikrorisse und damit einhergehend höhere 
Leckströme.

Bei der Baugröße kommt auch der Boardflex mit ins Spiel. Wie ist die PCB 
befestigt. Könnte sie sich wölben durch die Temperaturzyklen?

Im Automobilbereich werden, wie du schon schriebst, 2 Kondensatoren in 
Reihe verwendet und die dann noch rechtwinklig zueinander angeordnet. So 
bricht durch Boardflex hoffentlich nur einer der beiden.

von Third E. (third-eye)


Lesenswert?

Biegung der Platine ist nicht zu erwarten. Mechanischen Stress kriegt 
der Kondensator wenn dann nur durch die Lötstellen ab, wenn sich der 
Kondensator z.B. langsamer erwärmt als die Platine oder umgekehrt.

von Andrew T. (marsufant)


Lesenswert?

Third E. schrieb:
> Aber gibt es da irgendwelche
> Zahlen oder Studien dazu?

Üblich;: Findest Du in der Siemens Liste für Ausfallwahrscheinlichkeit.

Wenn Dir diese Zahlen zu konservativ (d.h. für Deine Anwendung wird es 
knapp) sind):

GGfs den Hersteller "Deines" Kondensators befragen, der hat ebenfalls 
die relevanten Daten.

Third E. schrieb:
> Biegung der Platine ist nicht zu erwarten.

Mikro-Biegung reicht im Extemfall --- also vom Kurzschluss mußt Du 
ausgehen.

: Bearbeitet durch User
von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


Lesenswert?

Third E. schrieb:
> Der Kondensator wird
> als Koppelkondensator zwischen zwei Schaltungsteilen eingesetzt.

Bist du sicher, das dieses Bauteil dafür geeignet ist?

von spy fly (Gast)


Lesenswert?

Third E. schrieb:
> Habe gerade eine Anwendung, die langsamen aber häufigen
> Temperaturwechseln zwischen ca. 5 bis 60°C unterworfen ist. Habe da
> einen X7R mit 2,2µF/16V in 1206 in der Schaltung. Der Kondensator wird
> als Koppelkondensator zwischen zwei Schaltungsteilen eingesetzt. Er ist
> im Wohlfühlbereich, was Spannungs- und Strombelastung betrifft.
> Aber ein Kurzschluss des Kondensators würde zum Totalausfall des
> Produkts führen.

Könnte irgendwie ein bedrahteter FolKo (MKT) an dessen Stelle?

von Nichtverzweifelter (Gast)


Lesenswert?

Mean Time Between Failure=MTBF, diese Zahl geben seriöse Hersteller für 
ihre Bauteile an. Tantal hatten früher die deutlich höchste Ausfallrate.

Fragen kostet nix.

von Max M. (Gast)


Lesenswert?

Jan schrieb:
> Kurzschluss ist der harte Fehlerfall
> Vorher hat man in der Regel Mikrorisse und damit einhergehend höhere
> Leckströme.

Hatte ich in einer Serie häufig bei 2,2uf/50V 1210 MLCC.
Der Ritznutzen wurde per Hand gebrochen und der MLCC bekam 
Biegebelastung dabei.
Oft Wochen Später defekt, mit Kurzschluss und ausgelöster Sicherung.
Die mit offenen Brüchen haben wir nicht mitbekommen.

Das war aber der einzige Fall und klar auf Misshandling zurückzuführen.
Flex term sind teurer
Elkos trocknen aus.
Irgendwas ist ja immer.
Ich würde mir das Layout nochmal auf Biegebelastung ansehen (Fertigung 
und im Gerät) und den MLCC nehmen.
Möglichst im kleineren FP.

spy fly schrieb:
> Könnte irgendwie ein bedrahteter FolKo (MKT) an dessen Stelle?
2,2uF/16V?
Das wird dann aber ganz ordentlich größer als 1206

von P. S. (namnyef)


Lesenswert?

Es gibt gängige Ausfallraten. Nennt sich "Failure in Time" (FIT). 
Üblicherweise zieht man da "die Siemens-Norm" zu Rate, wo Ausfallraten 
für diverse Bauteile unter diversen Bedingungen angegeben sind. Da 
spielen halt so Dinge rein wie nahe an der zulässigen Betriebsspannung 
ein Bauteil betrieben wird usw. Manchmal gibt auch der Hersteller eine 
FIT an.

Als konservativen Ansatzpunkt kannst du bei deinem MLCC mal von einer 
FIT von 10 ausgehen. Also 10 Ausfälle pro 1 Mrd. Betriebsstunden. Zudem 
kannst du davon ausgehen, dass das Bauteil in 40% der Fälle als 
Kurzschluss ausfällt. Das ergibt für den Fehler "Kurzschluss" also eine 
FIT von ca. 4.

Das Ding ist halt, dass das alles Werte sind, um die 
Ausfallwahrscheinlichkeiten ganzer Baugruppen und Anlagen abzuschätzen. 
Damit muss dein einzelnes Bauteil nicht unbedingt viel zu tun haben. 
Wenn der Kondensator z. B. an einer mechanisch stark beanspruchten 
Stelle sitzt, kannst du auch um Größenordnungen höhere FITs haben.

Aber als Einstiegspunkt und "Stand der Technik" sollte es wohl reichen, 
um zumindest mal eine ganz grobe Idee zu bekommen.

: Bearbeitet durch User
von Zero V. (Firma: Freelancer) (gnd)


Lesenswert?

https://de.wikipedia.org/wiki/Failure_In_Time

X7R Keramikkondensator hat 2 FIT @ 40°C

Die Fehlerarten teilen sich nach meiner Datenbank so auf:
50% Short
30% Open
10% Kapazitätsänderung bis 0.5x
10% Kapazitätsänderung bis 2x

Third E. schrieb:
> Wenn ich die Wahl hätte, würde ich zwei 4,7µF-Kondensatoren in Reihe
> schalten

Würde ich nicht machen, wozu auch? Wenn es aus Electrical/Functional 
Safety sicht nicht normativ gefordert wird. Ein Ausfall ist sehr 
unwahrscheinlich.

von Third E. (third-eye)


Lesenswert?

Danke für eure Antworten.
Hier noch die Rückmeldung, wie die Geschichte ausgegangen ist: Habe vom 
Hersteller des Kondensators FIT-Daten bekommen. Die sind so gut, dass 
ein Ausfall wirklich äußerst unwahrscheinlich sein dürfte. Ich belasse 
es also so, wie es ist.
Habe auch nochmal das Layout überprüft: Der Kondensator ist nach den 
üblichen Empfehlungen positioniert, nicht nah an einer Ritzkante oder 
Stellen mechanischer Belastung der Platine.

von Olaf (Gast)


Lesenswert?

> Habe gerade eine Anwendung, die langsamen aber häufigen
> Temperaturwechseln zwischen ca. 5 bis 60°C unterworfen ist.

Von -40 bis +80 ist Standard in der Industrie. Das halten die Bauteil
in Millionen von Geraeten aus.

Solltest du krasse Sonderannahmen haben dann haengt das nicht nur an
deinem Kondensator sondern auch an der Platine und wie sie befestigt
ist. Letztlich musst du halt ausgiebig im Klimaschrank testen.

Olaf

von Robert (Gast)


Lesenswert?

Ansonsten gibt es von Kemet MLCCs mit "flexible termination" 
(https://content.kemet.com/datasheets/KEM_C1015_X7R_FF-CAP_SMD.pdf)
oder ein zusätzlicher mechanischer Aufbau 
(https://content.kemet.com/datasheets/KEM_C1020_X7R_KPS_SMD.pdf).

Unter diesen Suchbegriffen gibt es diese Varianten sicher auch bei 
anderen Herstellern.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.