Forum: Haus & Smart Home Anzugsmomente in Elektro-Klemmen


von Thor (Gast)


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Hallo,
ich habe mir mal aus Neugierde Datenblätter von LS und FIs angesehen und
dort zum Teil konkrete Anziehdrehmomente für die Klemmstellen gefunden:
Anziehdrehmoment z.B. für einen FI:
2,8 Nm <= 63 A
4,8 Nm > 63 A
Also nun bin ich echt neugierig, wie ein Elektriker diese
Anziehdrehmomente sicherstellt? Aus der KFZ-Werkstatt sind mir
Drehmoment-Schlüssel ja durchaus geläufig - bei Elektrikern habe ich die
aber bisher noch nie gesehen! Ist hier jemand Elektriker und kann mir
sagen, was es mit den vorgegebenen Anziehdrehmomenten auf sich hat bzw.
woher man weiß, ob eine nach Gefühl festgezogene Klemmstelle den Draht
ordentlich und dauerhaft fixiert? Es sind ja oft auch mehrere Adern in
einer Klemmstelle und soweit ich weiß, kann bei zu losen Klemmstellen
durchaus ein Brand im Sicherungskasten entstehen.
Thor

von Äh (Gast)


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Thor schrieb:
> Aus der KFZ-Werkstatt sind mir
> Drehmoment-Schlüssel ja durchaus geläufig - bei Elektrikern habe ich die
> aber bisher noch nie gesehen!

https://www.wiha.com/de/de/werkzeuge/drehmomentwerkzeuge/wiha-torquevario-s-vde/

Thor schrieb:
> Es sind ja oft auch mehrere Adern in
> einer Klemmstelle

Nein.

von MaWin (Gast)


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Thor schrieb:
> wie ein Elektriker diese
> Anziehdrehmomente sicherstellt

Gar nicht.

Es finden sich oft genug von Elektrikern errichtete Verteilungen in 
denen Schrauben locker sind.

Besonders gern passiert das bei starren Leitern, die nach dem 
festschrauben  auch gern auf's Nenndrehmoment, noch mal gewackelt 
werden. Die rutschen dann gern in eine Position in der sie locker sind. 
Kein Elektriker sucht durch mehrmaliges wackeln und festziehen die Lage 
in der Klemme, aus der sich der Draht nicht mehr loswackelt.

Früher, als Starrdrähte noch zu Ösen gebogen wurden bevor sie 
festgeschraubt wurden, da hielt das noch.

von Bestätigungsfluid (Gast)


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MaWin schrieb:
> Thor schrieb:
>> wie ein Elektriker diese
>> Anziehdrehmomente sicherstellt
>
> Gar nicht.
>
> Es finden sich oft genug von Elektrikern errichtete Verteilungen in
> denen Schrauben locker sind.
>
> Besonders gern passiert das bei starren Leitern, die nach dem
> festschrauben  auch gern auf's Nenndrehmoment, noch mal gewackelt
> werden. Die rutschen dann gern in eine Position in der sie locker sind.

Genau das ist mir 2021 passiert. Ein neu verbauter Treppenhauslichttimer 
tat erstmal seine Pflicht. Nach einigen Monaten dann nicht mehr.

Beim Ausbauen des Timers bemerkte ich dass ein Draht vom Lastkreis loose 
war (Schraubanschlüsse). Beim betrachten des ausgebauten Timermoduls 
(Hutschiene) stellte ich fest dass die KS-Seitenwand einen kleinen 
Buckel aufwies, der sicher nicht so aus der Fabrik kam; es sah nach 
thermischer Verformung aus.

Es muss also so gewesen sein, dass der fragliche Draht sich löste und 
bloss noch durch leichtes drücken kontaktierte, dies leider nicht 
niederohmig genug. Also wärmte es bis der Gekäuse-KS soweit nachgab, 
dass der Drahtaufnahmekäfig minimal aus seiner originalposition wich und 
der Kontakt endgültig nichtmalmehr zustande kam.

Ich bin kein Berufselektriker. Es kann also sein dass ich vergass diese 
Schraubklemme überhaupt anzuziehen, oder anzog und die Sache gem. 
Beschreibung MaWin (ev. einer der falschen...) Oder eine andere 
Reihenfolge.

Fazit: auch so scheinbar banale Sachen wie "Schraubklemme verdrahten" 
wollen mit dem Richtigen Sachverstand UND passender Sorgfalt ausgeführt 
sein, gerne auch nachkontrolliert. Andersweitig folgende Konsequenzen 
können nichtig bis lästig aber auch gravierend ausfallen!

Und sei es gewöhnliche el. Schraubanschlüsse mit (teurem) 
Drehmomentschraubenzieher anziehen, zumindest bis die "Kalibrierung ins 
Handgelenk herüberdiffundiert" ist. Routine hilft. Unterlassene Routine 
erfordert "Neukalibrierung".
--> richtige Fachkräfte.

Beitrag #7160306 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Penzke (Gast)


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Thor schrieb:
> Anziehdrehmoment z.B. für einen FI:
> 2,8 Nm <= 63 A
> 4,8 Nm > 63 A
> Also nun bin ich echt neugierig, wie ein Elektriker diese
> Anziehdrehmomente sicherstellt?

Warum schaust Du nicht mal auf den Herstellerseiten nach.
Für diese FI und auch die Klemmen gibt es Datenblätter,
da sollte auch was über die Befestigung der Leiter was drin stehen.

MaWin schrieb:
> Früher, als Starrdrähte noch zu Ösen gebogen wurden bevor sie
> festgeschraubt wurden, da hielt das noch.

Nur jetzt haben wir nicht mehr Früher!
Vielleicht auch ein Grund warum man immer mehr zu den Federklemmen über 
gegangen ist.
 Ob das mit den Ösen die jungen Installateure noch so hinbekommen?

von Penzke (Gast)


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Thor schrieb:
> Es sind ja oft auch mehrere Adern in
> einer Klemmstelle und soweit ich weiß,

Das kommt auf die Klemmen an, es kann auch passieren, das nach einiger 
Zeit die Drähte locker sind. Das kommt davon weil das Kupfer unter Druck 
wegfließt, aber auch durch ständige Temperaturänderungen.

Ich war mal in einem Altbau, da waren noch diese Klemmsteine verbaut.
Die Schrauben waren alle locker, das nach ca. 50 Jahren.

Deshalb haben manche Elektriker keine Klemmen verwendet, sondern die 
Drähte verdrillt, dann umgebogen und einen Isolierschlauch drüber 
geschoben.

von Joachim B. (jar)


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Penzke schrieb:
> Das kommt davon weil das Kupfer unter Druck
> wegfließt

du verwechselst was, das gilt für Zinn und verzinnte Litzen.

Ich schraube so fest ich kann.
Das reicht, wenn die Schraubstelle bricht war sie konstruktions- oder 
material- oder -altersbedingt vorgeschädigt,
wie die BG auch gerne mal bei Sehnenrissen feststellt und Annerkennung 
als Arbeitswegeunfall verweigert!

: Bearbeitet durch User
von Oliver S. (phetty)


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Wie sieht ein (nicht vorhandenes) Anzugsmoment bei den heutzutage meist 
üblichen Steckklemmen aus?

von Andre (Gast)


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MaWin schrieb:
> Früher, als Starrdrähte noch zu Ösen gebogen wurden bevor sie
> festgeschraubt wurden, da hielt das noch.

Früher™ hatte man auch genug Zeit eine sorgfältige Öse zu biegen, ohne 
dann gleich den Atem vom BWL Controlling Heini im Nacken zu spüren. Wäre 
das heute auch noch so, hätten viel mehr ausführende Elektriker 1. die 
Erlaubnis Drehmoment-Werkzeuge im Wagen zu haben und 2. die Zeit dazu.

Aber zurück zum Thema, ich baue gerade eine Verteilung. Da werden 
sämtliche Klemmstellen natürlich mit dem vorgegeben Drehmoment 
angezogen. Bei Aderendhülsen ziehe ich anfangs nur mit so ca. 70% an, 
weil sich die Hülse verformt und nachgibt. Bei der Endkontrolle ziehe 
ich die dann komplett an.
Im Bereich der Netzbetreiber muss man das auch alles protokollieren. Da 
rennt sicher nicht Elektro Horst umher und zieht die Hauptleitung mit 
dem Aldi Ratschenkasten an.

von Harald W. (wilhelms)


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Joachim B. schrieb:

>> Das kommt davon weil das Kupfer unter Druck wegfließt
>
> du verwechselst was, das gilt für Zinn und verzinnte Litzen.

So isses.

> Ich schraube so fest ich kann.

Aber nach fest kommt ab. Eigentlich gilt hier frei nach Loriot:
"Eine Hausfrau hat sowas im Gefüühl!"

von Paul Neumeier (Gast)


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Penzke schrieb:
> Deshalb haben manche Elektriker keine Klemmen verwendet, sondern die
> Drähte verdrillt, dann umgebogen und einen Isolierschlauch drüber
> geschoben.

Das wurde in Süd und Osteuropa so gemacht.
In DE wohl eher nicht.

von Oliver S. (phetty)


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Paul Neumeier schrieb:
> Das wurde in Süd und Osteuropa so gemacht.
> In DE wohl eher nicht.

In älteren Telefoninstallationen habe ich sowas auch in Deutschland 
gesehen.
Statt "Isolierschlauch" wurde allerdings da nur ein Schnipsel des 
Kabelisolierung drübergesteckt.

von MaWin (Gast)


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Joachim B. schrieb:
> Ich schraube so fest ich kann.
> Das reicht,

Irgendwann muss die Schraube auch wieder gelöst werden.

Da in der Zwischenzeit Strom geflossen ist und kleine Schweisspunkte 
gesetzt hat, geht das schwerer als beim Festschrauben.

Es geht also nicht mehr.

Besonders beliebt bei mir Keramikfassungen die dann einfach zerplatzen, 
Plastikgehäuse die aufbrechen, Gemansche mit WD40, oder die ruinierte 
Schraube gleich ausbohren und die Späne im ganzen Verteilerkasten 
rieseln lassen.

Ich hasse die Trottel die so fest wie ihnen moglich festziehen weil sie 
kein Drehmoment im Arm haben.

von Joachim B. (jar)


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MaWin schrieb:
> Ich hasse die Trottel

ich hasse die Trottel die so lose festschrauben das sich an der Schraube 
Anlassfarben bilden.

von Tilo R. (joey5337) Benutzerseite


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Joachim B. schrieb:
> MaWin schrieb:
>> Ich hasse die Trottel
>
> ich hasse die Trottel die so lose festschrauben das sich an der Schraube
> Anlassfarben bilden.

Zu viel ist schlecht, zu wenig ist schlecht.

Das Einzige was ich sicher weiß: 2.8Nm, wie bei einigen Geräten 
vorgegeben, fühlt sich verdammt wenig an.

von Onkel Hotte (Gast)


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Joachim B. schrieb:
> Penzke schrieb:
>> Das kommt davon weil das Kupfer unter Druck
>> wegfließt
>
> du verwechselst was, das gilt für Zinn und verzinnte Litzen.

Nein, das gilt auch für Kupfer, allerdings wesentlich geringer.

> Ich schraube so fest ich kann.

Hoffentlich kannst du nicht viel. Wenn ich bei einem B16-LSS bis 
Anschlag anziehe, bricht er kaputt.

Tilo R. schrieb:
> Das Einzige was ich sicher weiß: 2.8Nm, wie bei einigen Geräten
> vorgegeben, fühlt sich verdammt wenig an.

Das stimmt, ist aber völlig OK. Zuknallen erzeugt nur sinnlose und 
gefährliche Deformierung.

von michael_ (Gast)


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Joachim B. schrieb:
> Ich schraube so fest ich kann.

Das hat man doch im Gefühl.

Harald W. schrieb:
> Aber nach fest kommt ab.

Unsinn!
Ein Elektriker, der in 2. Runde die Kontakte nachzieht, benutzt dazu 
zwei Hände.
Die Schraube in einer Steckdose überdrehst du nicht.

von Onkel Ted (Gast)


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Thor schrieb:
> wie ein Elektriker diese
> Anziehdrehmomente sicherstellt?

Elektromeister hat mir beigebracht insbesondere die dicken Leiter am Fi 
anzuziehen (den Rest genauso) und am nächsten Tag nochmal nachzuziehen, 
das sei wichtig. Einerseits wird dadurch die Verbindung sichergestellt 
und auf der anderen Seite kann man dem Kunden dadurch noch mehr Stunden 
aufschreiben und früher Feierabend machen.

Und direkt danach immer eine kleine Flasche Korn, so zumindest 
beobachtet. Ich bin mehr so der visuelle Lerner, ggf ist das nicht 
zwingend erforderlich.

von A. S. (Gast)


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Tilo R. schrieb:
> Das Einzige was ich sicher weiß: 2.8Nm, wie bei einigen Geräten
> vorgegeben, fühlt sich verdammt wenig an.

Das hängt sehr vom Schraubenzieher-Satz ab. Ich erschrecke mich immer 
wieder, wie sehr ich mich mit ungewohntem Werkzeug vertue. Da reißt dann 
manchmal fast was ab, weil doppelt so dick oder lang.

von Onkel Hotte (Gast)


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michael_ schrieb:
> Ein Elektriker, der in 2. Runde die Kontakte nachzieht, benutzt dazu
> zwei Hände.

Pfuscher, Muskel-Minderleister oder Sehnenscheidenentzündung.

von A. S. (Gast)


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Tilo R. schrieb:
> 2.8Nm, wie bei einigen Geräten vorgegeben, fühlt sich verdammt wenig an.

Nur so die Größenordnung: mit einem Lügenstift ist das für mich (weil 
der Clip  stört) so grade nicht erreichbar.

Bei einem Schraubenzieher mit 2 Zoll griff reicht der 3-Finger 
pinzettengriff

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