Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Gate Trafos - Obsolete?


von PFC (pfc)


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Mir ist aufgefallen, dass in modernen Leistungselektronikdesigns 
praktisch keine Gatetrafos mehr verwendet werden.

Wie sieht es mit den Vor/Nachteilen der Gatetrafos aus(besonders bei 
Mosfetansteuering im 60+kHz Bereich)?

Also als Vorteile sehe ich:
-Können lediglich low side Treiber verwendet werden. Kein 
Hipot/levelshift etc.
-Kein Jitter oder Delay welches durch die Isolationsübertragung 
verursacht wird.
- Bei einer H-Brücke könnten die zusammengehörenden H und L fet über 
einen Trafo (unterschiedliche Wicklungen) angesteuert werden. Dies 
sollte diese perfekt balancen/timen.

Als nachteil sehe ich:
- Geringfügig höhere Kosten durch Trafo
- keine Daueransteuerung möglich (bei PWM nicht besonders ins Gewicht 
fallend, modulation halt 1-99% anstelle 0-100%)
- Was habe ich übersehen? Es muss vermutlich wesentlich mehr Gründe 
haben wieso das fast niemand mehr so macht (ausser das ein moderner 
Treiber ASIC cooler ist als ein altmodischer Trafo)?

von Falk B. (falk)


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PFC schrieb:
> Mir ist aufgefallen, dass in modernen Leistungselektronikdesigns
> praktisch keine Gatetrafos mehr verwendet werden.

Es gibt halt bessere Alternativen.

> Wie sieht es mit den Vor/Nachteilen der Gatetrafos aus(besonders bei
> Mosfetansteuering im 60+kHz Bereich)?
>
> Also als Vorteile sehe ich:
> -Können lediglich low side Treiber verwendet werden. Kein
> Hipot/levelshift etc.

Komische Formulierung. Sehr irritierend.
Schreib's doch einfach DIREKT!
Low Side Treiber für Ansteuerung ausreichend, kein Bedarf für 
Pegelwandler.

> -Kein Jitter oder Delay welches durch die Isolationsübertragung
> verursacht wird.

Auch ein Trafo hat eine Verzögerung.

> - Bei einer H-Brücke könnten die zusammengehörenden H und L fet über
> einen Trafo (unterschiedliche Wicklungen) angesteuert werden. Dies
> sollte diese perfekt balancen/timen.

Perfekt ist gar nichts, auch nicht bei einem Gatetrafo. Meistens eher 
gut, manchmal sehr gut.

> Als nachteil sehe ich:
> - Geringfügig höhere Kosten durch Trafo
> - keine Daueransteuerung möglich

Eben.

 (bei PWM nicht besonders ins Gewicht
> fallend, modulation halt 1-99% anstelle 0-100%)

Nicht ohne weiteres. Denn mit variablem Tastgrad verändert sich der 
LOW/HIGH Pegel der Sekundärwicklung, denn der Mittelwert ist immer 0. 
Erst mit diversen Zusatz- und Trickschaltungen kann man das wieder 
rückgängig machen.

> - Was habe ich übersehen? Es muss vermutlich wesentlich mehr Gründe
> haben wieso das fast niemand mehr so macht (ausser das ein moderner
> Treiber ASIC cooler ist als ein altmodischer Trafo)?

Ein begrenzendens Element dürfte der ewige Kompromiss aus kleiner 
Koppelkapazität und großer Streuinduktivität sein. Beides gleichzeitig 
zu minimieren geht nicht. Also muss man sich für einen der beiden 
Nachteile entscheiden.

Moderne Gate-Treiber mit galvansicher Trennung sind heute SEHR kompakt 
und preiswert, da muss man kaum Kompromisse eingehen. Man braucht 
lediglich eine Stromversorgung der Sekundärseite. Aber auch die kann man 
z.B. per Bootstrap-Schaltung sehr preiswert erzeugen.

von PFC (pfc)


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Falk B. schrieb:
> Ein begrenzendens Element dürfte der ewige Kompromiss aus kleiner
> Koppelkapazität und großer Streuinduktivität sein. Beides gleichzeitig
> zu minimieren geht nicht. Also muss man sich für einen der beiden
> Nachteile entscheiden.

Kannst du dies bitte etwas genauer ausführen?
Wie gravierend sind Streuinduktivität+Kapatzität auf 
Gateansteuergeschwindigkeit (grobe Einschätzung; also verglichen: 
Low-Side Treiber direkt zu Low-side Treiber an Trafo und an High-Side 
FET)?

Falk B. schrieb:
> Auch ein Trafo hat eine Verzögerung.

Aber doch vernachlässigbar gering verglichen mit einem Isolierenden 
Treiber?

Falk B. schrieb:
> Eben.

Naja so gravierend sehe ich jetzt die Nachteile noch nicht. Auch mit dem 
folgenden, ok dann ist halt die Modulationsbreite doch etwas 
eingeschränkter als 1-99%.

Falk B. schrieb:
> Moderne Gate-Treiber mit galvansicher Trennung sind heute SEHR kompakt
> und preiswert

Dafür mit Jitter versehen, delay, abweichungen untereinander. Benötigt 
daher von Design ein grosses Deadtime. High side ist besonders anfällig 
da zusätzlich noch die Pegelwandlung des Signals angegangen werden muss.

von Michael B. (laberkopp)


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PFC schrieb:
> Als nachteil sehe ich

Vor allem zu teuer.

von Falk B. (falk)


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PFC schrieb:
>> Ein begrenzendens Element dürfte der ewige Kompromiss aus kleiner
>> Koppelkapazität und großer Streuinduktivität sein. Beides gleichzeitig
>> zu minimieren geht nicht. Also muss man sich für einen der beiden
>> Nachteile entscheiden.
>
> Kannst du dies bitte etwas genauer ausführen?

In wiefern? Schau mal bei den "üblichen VErdächtigen" ala Coilcraft, 
Vakuumschmelze etc. nach, was die so anbieten. Da gibt es meist mehrere 
Familien. Eine auf minimal Streuinduktivität getrimmt (minimale 
Verzögerung und maximaler Stromanstieg) die andere auf minimale 
Koppelkapazitäten (bessere EMV).

> Wie gravierend sind Streuinduktivität+Kapatzität auf
> Gateansteuergeschwindigkeit (grobe Einschätzung; also verglichen:
> Low-Side Treiber direkt zu Low-side Treiber an Trafo und an High-Side
> FET)?

Kann ich dir in Zahlen jetzt nicht sagen, muss man mal was raussuchen 
und abschätzen, simulieren oder gar messen.

> Falk B. schrieb:
>> Auch ein Trafo hat eine Verzögerung.
>
> Aber doch vernachlässigbar gering verglichen mit einem Isolierenden
> Treiber?

Schon wieder so eine Luftnummer. Ohne konkrete Zahlen sinnlos, es sein 
denn, du bist Ausendienstler und willst was verkaufen.

> Falk B. schrieb:
>> Eben.
>
> Naja so gravierend sehe ich jetzt die Nachteile noch nicht.

Die Branche anscheinend schon.

> Auch mit dem
> folgenden, ok dann ist halt die Modulationsbreite doch etwas
> eingeschränkter als 1-99%.

Das kann man so allgemein gar nicht sagen, das kommt auch auf die 
Frequenz an. Je höher die PWM-Frequenz an der Grenzfrequenz des Trafos, 
umso größer die relative, minimale Pulsbreite. Da ist man auch mal 
schnell bei 20-80%. Kann reichen, muss nicht.

>> Moderne Gate-Treiber mit galvansicher Trennung sind heute SEHR kompakt
>> und preiswert
>
> Dafür mit Jitter versehen, delay, abweichungen untereinander.

Kann es sein, daß du ein nostalgischer Trafofan ist, der bei allen 
neuen, alternativen Lösungen nur die Nachteile sieht, bei deinen 
geliebten Trafos aber nur die Vorteile?

> Benötigt
> daher von Design ein grosses Deadtime. High side ist besonders anfällig
> da zusätzlich noch die Pegelwandlung des Signals angegangen werden muss.

Quark, denn die steckt in der galvanischen Trennung schon drin.

von Helge (Gast)


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Der Trend geht auch bei mittleren Leistungen in Richtung Sperrwandler. 
Steuerübertrager sind besser geeignet für push-pull.

von Harald W. (wilhelms)


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Falk B. schrieb:

> Kann es sein, daß du ein nostalgischer Trafofan bist,

Das bin ich z.B. auch, weil ich einem Trafo mehr Lebensdauer als
einer aufwändigen Elektronik zutraue. Für die Anwendungung Steuer-
trafo gibts aber m.E. inzwischen bessere Lösungen. Ich könnte mir
allerdings vorstellen, das bei den Wandlern für HGÜ nachwievor
Steuertrafos verwendet werden.

von Gabriel M. (gabse)


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Moderne Gate Treiber können so viel mehr als nur das Gate umzuladen.
Von ganz simplen ICs mal abgesehen haben viele Schutzbeschaltungen wie 
z.B. DeSAT Erkennung verbaut. Muss man nicht haben, rettet aber 
möglicherweise dem MosFet/IGBT das Leben.

: Bearbeitet durch User
von Alfred B. (alfred_b979)


Angehängte Dateien:

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Außerdem gibt es gewissermaßen "Mitteldinger":

https://www.google.com/search?q=Isolated+High+Side+Gate+Driver+Reinforced+Isolation

Den UCC20225 habe ich sogar kürzlich mal verbaut, für U_ZK 750VDC.
(Und ich vermute Dir geht es um dasselbe Projekt wie in Thread 1.)

100% Tastgrad geht aber auch, indem man was ähnliches "zu Fuß"
aufbaut, die letzte Schaltung auf dieser Seite::

https://www.joretronik.de/Driver/LevelShift.html

Oder etwas simpler gestrickt wie im Anhang, Quelle:

https://www.mikrocontroller.net/attachment/548348/TF.png

Bzw.

Beitrag "Re: Mosfet AC SSR, Trafo für Gateumladung (statisch schalten) - LTSpice"

(Streuung und Koppelkapazität des/der GDTs sind immer essentiell.)

Oder natürlich indem man z.B. HCPL31XX mit isol. DC-DC verheiratet,
zwar kein GDT dabei aber galvanische Trennung (nicht nur recht
spannungsfeste Transistoren, die auch mal kaputtgehen können). Ist
also eine Art modernes Äquivalent.

Signalübertragung über fast beliebige Entfernung via Lichtleiter
kennst Du? Geht geschmeidiger als mit längeren elektr. Leitungen.

GDTs haben durchaus noch ihre "Berechtigung", werden auch eingesetzt
- aber in diversen Bereichen wurden sie (zurecht) ersetzt/verdrängt.

: Bearbeitet durch User
von Peter D. (peda)


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PFC schrieb:
> Was habe ich übersehen?

Du bist vor mehreren Jahrzehnten stehen geblieben.
Moderne Digitaltrenner haben weder große Jitter noch Delay, die koppeln 
z.B. kapazitiv. Auch haben die Treiber-ICs die Stromversorgung oft 
integriert (Ladungspumpe), lediglich ein Stützkondensator muß noch 
drangepappt werden. Man hat damit ein rundum sorglos Paket in einem IC.

Mit Trafos hat man dagegen viele Probleme. Die Hersteller kündigen sie 
gerne mal ab und man muß für eine neue Bauform eine neue Platine 
entwickeln. Auch hat man mit Überschwingern zu kämpfen, die Signale sind 
nie richtig rechteckförmig. Man braucht auch noch eine 
Zusatzbeschaltung, der Trafo kann nicht einfach ans Gate gehen.

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Doch kann er, aber nicht immer.

Der Hauptgrund für integrierte Lösungen wird die automatische 
Bestückung, die Sorglosigkeit in der Entwicklung (kein Spezialwissen 
über Induktivitäten notwendig) und das flache Design sein.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Der einzige unter Sicherheitsgesichtspunkten wirklich interessante 
Vorteil eines GDT besteht darin, dass er niemals bei einem Fehler in der 
Steuerstufe oder Firmware den MOSFET/IGBT dauerhaft durchschalten kann, 
sondern die Gatespannung sehr schnell und zuverlässig abklingt. In 
Brückenschaltungen kann einem zwar ggf. auch schon bei einer einzigen 
Fehlansteuerung alles um die Ohren fliegen, aber zumindest wären auch 
Anwendungsfälle denkbar, in denen der o.a. Sicherheitsgewinn wichtig 
wäre.

Natürlich hilft das alles nichts gegen Durchlegieren des Transistors.

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