Hallo! Ich hätte ein Frage zur Gruppenlaufzeit bei verschiedenen Filtern. Mir ist klar was die Gruppenlaufzeit ist und dass die phasenlaufzeit über einen bestimmten frequenzbereich konstant sein soll (= Gruppenlaufzeit), damit es zu keinen Signalverzerrungen kommt. Jetzt besitzen z.B. TSchebyscheff Filter stark unkonstante Gruppenlaufzeiten, d.h es wird zu Signalverzerrungen kommen. Was gibt es für Anwendungen, wo diese Signalverzerrungen keine Rolle spielen? Warum kann man solche Filter überhaupt verwenden, man will doch nie Verzerrungen haben? Welche Anwendungsbeispiele gibt es, wo dies egal ist? Und welche Anwendungsfälle gibt es, wo dies definitiv wichtig ist, dass es keine Verzerrungen gibt? Ich verstehe den Unterschied, mit fehlen aber die Anwendungen dahinter - falls jemand einen Input hat bitte um Info :) Danke!
Heinz St. schrieb: > Was gibt es > für Anwendungen, wo diese Signalverzerrungen keine Rolle spielen? alle, bei denen kein Frequenzgemisch unverfälscht übertragen werden soll, wie z.B. bei Musik oder nicht sinusförmigen Signalen. > Warum > kann man solche Filter überhaupt verwenden, man will doch nie > Verzerrungen haben? Es gibt keine idealen Filter, also muß man mit den realisierbaren Systemen klar kommen, indem man von den störenden Bereichen nur weit genug weg bleibt. Beim oben genannten Filter also weit genug weg von der Grenzfrequenz. >Welche Anwendungsbeispiele gibt es, wo dies egal > ist? Wenn nur ein sinusförmiges Signal übertragen wird. Oder: Bei nur geringen Anforderungen an die Übertragungsgüte, z.B. Telefon. Und welche Anwendungsfälle gibt es, wo dies definitiv wichtig ist, > dass es keine Verzerrungen gibt? Wenn Impulse und/oder steile Flanken nach dem Übertragungsweg/Filter wieder genauso aussehen sollen im Zeitbereich wie vorher. Wer möchte, kann hier noch ein paar Häppchen Mathematik zu sich nehmen: https://www.eit.hs-karlsruhe.de/mesysto/teil-b-zeitdiskrete-signale-und-systeme/frequenzgang-zeitdiskreter-systeme/interpretation-des-phasengangs-eines-systems-und-linearer-phasengang/gruppenlaufzeit-eines-systems.html hier noch am Beispiel Audio: https://www.felusch.de/?p=2153 mfg
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@Heinz: Ich störe mich ein wenig an der Verwendung des Ausdrucks „Verzerrung“. Von nichtlinearer Verzerrung spricht man, wenn durch nichtlineare Effekte neue Frequenzen, i.A. Harmonische (Klirr) oder Mischprodukte, entstehen. Bei Filtern, auch solche mit nichtkonstanter Gruppenlaufzeit, passiert primär eben dies nicht. Die Gruppenlaufzeit wird interessant in der Impulstechnik. Gruppenlaufzeit-Effekte können die Kurvenform eines Signals verändern, ohne dass neue Frequenzen entstehen.
Gruppenlaufzeitverzerrungen spielen dann eine Rolle, wenn in dem zu übertragenen Signal eine Frequenz oder Phasenmodulation enthalten ist. Eine reine Amplitudenmodulation ist hingegen unkritisch. Also SSB und AM Signale können auch Filter eingesetzt werden, welche keine konstante Gruppenlaufzeit im Durchlassbereich besitzen. Allerdings verursachen Gruppenlaufzeitverzerrungen bei Morsesignale Klingeln Bei FM oder bei AM erhöhen Gruppenlaufzeitschwankungen die Verzerrungen des demodulierten Signals. FBAS Signale mögen auch keine Gruppenlaufzeitverzerrungen, weil der Farbton in der Phase des Farbhilfträgers gegenüber dem Burst versteckt ist. Bei NF Signale streiten sich die Götter ob man Gruppenlaufzeitverzerrungen hört oder nicht. Ralph Berres
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Heinz St. schrieb: > Was gibt es für Anwendungen, wo diese Signalverzerrungen keine Rolle > spielen? Bei Sinussignalen führt das nicht zu Signalverzerrungen. Immer wenn du daran interessiert bist, spektral zu filtern, die steile Flanke im Frequenzgang wichtig ist und die Welligkeit im Durchlassbereich nicht stört, kann ein Tschebyscheff-Filter die passende Wahl sein. Für Pulse ist eher ein Bessel-Filter angesagt.
Heinz St. schrieb: > Ich verstehe den Unterschied, mit fehlen aber die Anwendungen dahinter - Wenn Du mit einem Audiosignal ein Schaltsignal erzeugen willst, und willst dafür nur eine bestimmte Frequenz aus einem Signalgemisch ausfiltern und schalten lassen, dann ist die Qualität des Signals vollkommen wurscht.
Grob gesagt ist für Audioanwendungen die Gruppenlaufzeit egal. Digitale Übertragungen oder Video können dagegen empfindlich reagieren. Unser Gehör kann sehr genau Phasenunterschiede zwischen beiden Ohren feststellen. Das ist für das Richtungshören entscheidend. Ob der Säbelzahntiger hinter dem rechten oder linken Gebüsch lauert war für unsere Vorfahren überlebenswichtig. Phasenverläufe über der Frequenz sind dazu unwichtig.
Vielen Dank für all eure Antworten! Ich verstehe es aber trotzdem noch nicht ganz: Warum sollten bei Sinussignalen die "Verzerrungen" keine Rolle spielen? Wenn ich z.B. ein beliebiges, analoges Audiosignal habe, das sich aus etlichen Frequenzen zusammensetzt, und ich schicke das durch ein Filter mit nicht konstanter Gruppenlaufzeit, dann werden doch die unterschiedlichen Frequenzen unterschiedlich schnell durch das Filter gehen - d.h. das Ausgangssignal sieht am Ausgang anders aus. Das muss sich doch im Signal auswirken, oder nicht?
Christoph db1uq K. schrieb: > Grob gesagt ist für Audioanwendungen die Gruppenlaufzeit egal och nö! Laufzeiten, und damit auch Gruppenlaufzeiten spielen in der Mehrkanaltontechnik (z.B. Stereophonie) eine wichtige Rolle. Die Diskussion wird eher bei Gruppenlaufzeitverzerrungen interessant. Zu deren Hörbarkeit siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppenlaufzeit#Akustik
Kutte R. schrieb: > Christoph db1uq K. schrieb: >> Grob gesagt ist für Audioanwendungen die Gruppenlaufzeit egal > > och nö! Bitte nicht schon wieder Sandförmchen! Ich jedenfalls bin raus.
Heinz St. schrieb: > Warum sollten bei > Sinussignalen die "Verzerrungen" keine Rolle spielen? Dasda hat keine "Gruppe" und nicht viele Frequenzen als Gemisch. Die Verzerrungen sind "linear". > Wenn ich z.B. ein > beliebiges, analoges Audiosignal habe, das sich aus etlichen Frequenzen > zusammensetzt, Dasda ist eine "Gruppe" und hat viele Frequenzen. Dazu ist es nicht statisch und hat viele Amplituden und Frequenzen inne. _______________________________ Du wirfst alles durcheinander. Ein Sinussignal hat nur die eine Frequenz, die auf der Verpackung des Sinus drauf steht, bevor man ihn raus läßt. z.B. steht auf der Verpackung drauf: Sinus mit 780 Hz, dann hat der Sinus genau 780 Hz, wenn er raus kommt und nichts was noch hinzu kommt. Nicht hier gucken, denn da wird erklärt, wie man ein Rechtechsignal aus vielen überlagerten Sinussignalen zusammen setzen kann (unteres Drittel): https://de.wikipedia.org/wiki/Fourierreihe oder: https://www.youtube.com/results?search_query=fourier+rechteck mfg
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Christian S. schrieb: > Dasda ist eine "Gruppe" und hat viele Frequenzen. Dazu ist es nicht > statisch und hat viele Amplituden und Frequenzen inne. Hallo Christian, genau darauf will ich ja hinaus - mir ist schon klar dass einzelne Sinussignale keine Frequenz"gruppen" sind und nur aus einer Frequenz bestehen. Ich meine aber analoge Signale, die sich aus vielen Sinussignalen zusammensetzen (z.B. auch ein beliebiges, analoges Audiosignal). D.h. das Signal ist ein Gemisch aus sehr vielen Frequenzen und Amplituden, wie du schon beschrieben hast - meine Frage ist, warum sollten bei so einem Audiosignal unkonstante Gruppenlaufzeiten egal sein? Das Signal wird doch ganz anders aussehen (und wohl auch klingen), wenn es durch einen Filter geht, der eine nicht konstante Gruppenlaufzeit in diesem Frequenzbereich besitzt - oder etwa nicht? Danke!
Heinz St. schrieb: > Das Signal > wird doch ganz anders aussehen (und wohl auch klingen), wenn es durch > einen Filter geht, der eine nicht konstante Gruppenlaufzeit in diesem > Frequenzbereich besitzt - oder etwa nicht? Ja, es sieht ganz anders aus. Aber zumindest in Mono hörst bei Audiosignalen du keinen Unterschied. Mach mal einen Versuch mit einer DAW-Software. Generiere mehrfach drei oder fünf Oberwellen eines Sinussignals mit unterschiedlichem Delay und hänge die aneinander. Wenn zwischen den Schnipseln eine Pause ist, wirst du keinen Klangunterschied wahrnehmen. Die beiden Screenshots entstanden durch Sinussynthese eines Rechtecks bis zur 13. Oberwelle. Beim zweiten wurden einfach die Oberwellen unterschiedlich in der Phase geschoben; beim Anhören gibt es keinen Unterschied.
Hallo Hilde! Perfekt, danke für diese Info! Es war mir nicht klar, dass sich das Signal trotzdem gleich anhört, obwohl es anders aussieht (zumindest bei Mono)... und dadurch es tatsächlich egal ist für solche Anwendungen... mir fehlte hier der Anwendungsfall... Danke! Un dim anderen Fall, wenn eine konstante Gruppenlaufzeit gefordert ist (z.B. Bessel filter) - hier wären die Anwendungen bei Impulsen bzw digitaler Modulation... Wenn man hier Filter mit nicht konstanter Gruppenlaufzeit verwendet, entsteht ein Fehler in den Daten, ist das korrekt?
Heinz St. schrieb: > Es war mir nicht klar, dass sich das > Signal trotzdem gleich anhört, obwohl es anders aussieht Das ist so, weil das Ohr wie ein biologischer Spektrumanalysator funktioniert und nur die spektralen Anteile wahrnimmt, mal abgesehen vom Richtungshören. Liegen sie in der gleichen Amplitudenverteilung an, hört sich das gleich an, auch wenn die Phasenlage der einzelnen Anteile sich geändert hat. Das Signal sieht im Zeitbereich anders aus, im Freqenzbereich aber gleich. mfg
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Heinz St. schrieb: > mir fehlte hier der Anwendungsfall... Wo es Probleme gibt wurde schon genannt: Wenn du die beiden Bilder vergleichst, dann wäre das zweite als Datensignal problematisch. In den Anfängen, früher®, hat z.B. der ZX81 seine Programme auf einem billigen Kassettenrecorder gespeichert - 300Bd. In der c't wurde damals ein Patch veröffentlicht, der die Datenrate bis 4800Bd (?) möglich machte. Hat funktioniert, wenn man am Kassettenrecorder die HF-Vormagentisierung verstellt hat, so dass man wieder ordentliche Pulsformen auf dem Audiosignal sah. Heinz St. schrieb: > Hallo Hilde! Bleib bei HildeK!
Man kann keine absolute Phase messen, die Angaben sind immer auf eine Referenzphase bezogen. Wie schon angedeutet war das Richtungshören ein darwinistischer Vorteil, daher können wir das sehr genau. Das ist immer ein Phasenvergleich zwischen linkem und rechtem Ohr. Wir können aber keinen Phasenbezug zwischen einem Grundton und seinen Harmonischen hören, wie von HildeK gezeigt. Wenn Stereosignale zwei identische Filter durchlaufen, sollte die Phase an deren Ausgängen ebenfalls identisch herauskommen. Gruppenlaufzeitunterschiede zwischen beiden Filtern können wir dann natürlich hören. Das ist wohl auch im verlinkten Wikipediaartikel gemeint. "beispielsweise die Lautsprecher-Frequenzweichen (Crossover), verändern die Gruppenlaufzeit des Signals".
Christoph db1uq K. schrieb: > Wenn Stereosignale zwei identische Filter durchlaufen, sollte die Phase > an deren Ausgängen ebenfalls identisch herauskommen. > > Gruppenlaufzeitunterschiede zwischen beiden Filtern können wir dann > natürlich hören. Ich habe dazu zwar noch keine Versuche gemacht, gehe aber davon aus, dass hauptsächlich die Ortung im Stereobild sich verändert, frequenzabhängig. Bei gleichen Filtern im Pfad wird man nichts bemerken. Kritischer wird sein, wenn bei Mehrweglautsprecheren nahe der Übergangsfrequenz vom z.B. Mittel- und Hochtöner von den Trennfiltern unterschiedliche Phasenverschiebungen produziert werden. Da kann es für einzelne Frequenzen zu Verstärkungen oder Auslöschung kommen. Wobei dieses Problem auch schon bei der Mikrofonierung auftreten kann.
HildeK schrieb: > Kritischer wird sein, wenn bei Mehrweglautsprecheren nahe der > Übergangsfrequenz vom z.B. Mittel- und Hochtöner von den Trennfiltern > unterschiedliche Phasenverschiebungen produziert werden. Da kann es für > einzelne Frequenzen zu Verstärkungen oder Auslöschung kommen. Es gibt die Linkwitz Filter und auch die Lipshitz/Vanderkooyfilter, welches im Übergangsbereich einen exakt gleichen Phasenverlauf zwischen den einzelnen Lautsprecherpfaden garantiert. Diese Filter haben aber keine konstante Gruppenlaufzeit. Linkwitzfilter sind 2 hintereinandergeschaltete Buttertworthfilter zweiter Ordnung Das Lipshitz/Vanderkooyfilter ist ein Subtraktionsfilter welches vor dem Subtraierer einen Allpass angeodnet hat, damit nicht eine 6db Weiche rauskommt. https://www.aktives-hoeren.de/viewtopic.php?t=830 Bei einen Allpass im Subtraierer hat man gleiche Phasenverläufe in den Wegen aber eine schlechte Gruppenlaufzeit. Nimmt man statt Allpassglieder echte Verzögerungsleitungen dann decken sich die Phasenverläufe der Wege nicht mehr, dafür ist die Gruppenlaufzeit konstant. Beides unter einen Hut bekommt man nur mit FIR-Filtern. Ralph Berres
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> Die beiden Screenshots von "HildeK vom 06.11.2022 09:18" entstanden durch Sinussynthese eines Rechtecks > bis zur 13. Oberwelle. Beim zweiten wurden einfach die Oberwellen > unterschiedlich in der Phase geschoben; beim Anhören gibt es keinen > Unterschied. Für Audio mag der Einfluss der Gruppenlaufzeit klein sein. Nicht so bei Videosignalen. Die beiden Bilder der Signale, siehe den Thread, sehen am Bildschirm ganz anders aus. Um die Gruppenlaufzeit von Filtern zu korrigieren setzt man Allpässe ein. In jedem VCR sind mehrere vorhanden. Auch zum Ausgleich der Zeit-Differenzen zwischen Chroma und Y-Signal.
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Rudi D. schrieb: > In jedem VCR sind mehrere vorhanden. Auch zum Ausgleich der > Zeit-Differenzen zwischen Chroma und Y-Signal. auch in jeden Pal Farbfernseher. sonst laufen die roten Socken nämlich neben den Beinen des Fussballspielers. Insbesonders bei Fernsehsendern entstehen bei den Restseitenbandfiltern enorme Gruppenlaufzeitverzerungen, welche mit Allpässen korrigiert werden müssen. Der Abgleich sowohl des Restseitenbandfilters, als auch der Allpässe ist alles andere als trivial, auch wenn es nur auf der ZF-Ebene von 38,9MHz liegt. Ralph Berres
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Christoph db1uq K. schrieb: > Gruppenlaufzeitunterschiede zwischen beiden Filtern können wir dann > natürlich hören. Das ist wohl auch im verlinkten Wikipediaartikel > gemeint. Diese Darstellung bleibt unvollständig. Die im verlinkten Wikipediaartikel aufgeführte Tabelle der Hörbarkeit von Gruppenlaufzeitverzerrungen bezieht sich auf ein Mono-(einkanaliges) Signal. Das hat nichts mit Laufzeitunterschieden von mehreren Tonkanälen zu tun. Beachte den Unterschied von GruppenlaufzeitVERZERRUNGEN und Gruppenlaufzeiten. Das Problem gibt es grundsätzlich also nicht nur bei Bildsignalen.
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