Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Welligkeit vs Sprungantwort


von Ferdl15 (Gast)


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Hallo,

eine Frage zu Welligkeit und Sprungantworten bei Filtern:

Es gibt eine Welligkeit im Frequenzgang - z.B. bei Tschebyscheff Filtern 
im Durchlassbereich. Je höher die Welligkeit, desto stärker kann dann 
der Abfall nach der Grenzfrequenz sein (z.b. bei TIefpass, man geht hier 
einen Kompromiss ein).

Wie unterscheidet sich diese Welligkeit aber von der Welligkeit in der 
Sprungantwort? Es ist klar, dass die Sprungantwort im Zeitbereich ist, 
d.h. verhalten auf ein sprunghaftes Eingangssignal im Ausgangssignal. 
Hier kann es zu Schwingungen kommen (über die Zeit). Haben diese 
Schwingungen irgendetwas mit den oben genannten Amplitudenschwingungen 
im Frequenzgang zu tun? Gibt es hier einen Zusammenhang oder ist das 
vollkommen unabhängig?

Was sind grundsätzlich die Nachteile von schwingenden Sprungantworten 
bei Filtern?

Thx,

von ArnoR (Gast)


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Ferdl15 schrieb:
> Wie unterscheidet sich diese Welligkeit aber von der Welligkeit in der
> Sprungantwort? ... Gibt es hier einen Zusammenhang oder ist das
> vollkommen unabhängig?

Die Welligkeit im Frequenzbereich korrespondiert mit der Welligkeit im 
Zeitbereich.

Bildquelle: Tietze/Schenk, Halbleiter-Schaltungstechnik

von Lutz V. (lvw)


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Ferdl15 schrieb:
> Hallo,
>
> eine Frage zu Welligkeit und Sprungantworten bei Filtern:
>
> Es gibt eine Welligkeit im Frequenzgang - z.B. bei Tschebyscheff Filtern
> im Durchlassbereich. Je höher die Welligkeit, desto stärker kann dann
> der Abfall nach der Grenzfrequenz sein (z.b. bei TIefpass, man geht hier
> einen Kompromiss ein).

Dabei muss man unterscheiden, ob man den Abfall im Übergangsbereich 
(gleich nach der Polfrequenz) oder fernab davon meint. Der letztere ist 
NUR von der Ordnung des Filters und nicht von der Welligkeit (ripple) 
abhängig.

>
> Wie unterscheidet sich diese Welligkeit aber von der Welligkeit in der
> Sprungantwort? Es ist klar, dass die Sprungantwort im Zeitbereich ist,
> d.h. verhalten auf ein sprunghaftes Eingangssignal im Ausgangssignal.
> Hier kann es zu Schwingungen kommen (über die Zeit). Haben diese
> Schwingungen irgendetwas mit den oben genannten Amplitudenschwingungen
> im Frequenzgang zu tun? Gibt es hier einen Zusammenhang oder ist das
> vollkommen unabhängig?

Normalerweise spricht man im Zeitbereich eher vom Einschwingvorgang, um 
diesen nicht mit der Welligkeit der Übertragungsfunktion im 
Frequenzbereich zu verwechseln.
Ja, es gibt einen Zusammenhang - der mathematisch aber schwer zu 
formulieren ist. Das gilt jedenfalls für Filter höherer Ordnung. 
Einfacher ist es bei Filtern zweiter Ordnung.
Systemtechnisch ist dieser Zusammenhang gegeben über die Polanordnung in 
der s-Ebene.
Bei höheren Polgüten liegen die (konjugiert-komplexen) Pole dichter an 
der Im-Achse (größerer Winkel der Verbindungslinie zur negativen 
Re-Achse). Das ist verbunden mit größerer Welligkeit (ripple) und auch 
mit stärker ausgeprägtem Einschwingvorgang, denn wenn ein Polpaar auf 
der Im-Achse liegt, schwingt die Schaltung ungebremst.
>
> Was sind grundsätzlich die Nachteile von schwingenden Sprungantworten
> bei Filtern?

Wenn man auf das Zeitverhalten Wert legt (Rechteckfilterung), dann stört 
natürlich jedes Überschwingen über den Endwert und erst recht ein 
längerer Schwingungsvorgang - ABER: Man muss auch die Anstiegszeit im 
Blick haben, die nämlich bei kleinerem Überschwingen größer wird.
Das ist ein schönes Beispiel für die Grundregel in der (analogen) 
Elektronik:
Ales läuft auf einen Kompromiss hinaus - die Verbesserung eines 
Parameters führt unweigerlich zu einer Verschlechterung eines 
anderen....

PS: Für Tiefpässe 2.Ordnung gilt:

1) Überschwingen (Sprungantwort in Prozent):
a=100*exp[-Pi/(SQRT(4Qp²-1)] mit Polgüte Qp.

2) Welligkeit (peaking): Max. Amplitude Amax=Ao*Qp/SQRT[1-(1/4Qp²)] .
Die Wellikeit ist dann w=Amax-Ao (mit Ao=Wert bei w=0).

: Bearbeitet durch User
von Ferdl15 (Gast)


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Lutz V. schrieb:
> Ferdl15 schrieb:
>> Hallo,
>>
>> eine Frage zu Welligkeit und Sprungantworten bei Filtern:
>>
>> Es gibt eine Welligkeit im Frequenzgang - z.B. bei Tschebyscheff Filtern
>> im Durchlassbereich. Je höher die Welligkeit, desto stärker kann dann
>> der Abfall nach der Grenzfrequenz sein (z.b. bei TIefpass, man geht hier
>> einen Kompromiss ein).
>
> Dabei muss man unterscheiden, ob man den Abfall im Übergangsbereich
> (gleich nach der Polfrequenz) oder fernab davon meint. Der letztere ist
> NUR von der Ordnung des Filters und nicht von der Welligkeit (ripple)
> abhängig.

Ah, das bringt mich auf einen entscheidenden Hinweis: ich habe mich 
nämlich auch schon gefragt, warum der Abfall nach der Grenzfrequenz 
stärker als n*20dB/Dekade sein kann (n ist die Ordnung), für 
verschiedene Filtercharakteristiken. Ist es tatsächlich so, dass man 
fernab der Grenzfrequenz immer die -n*20dB/Dekade hat, und nahe der 
Grenzfrequenz kann der Abfall stärker sein, damit der "Übergang" 
schärfer ist. D.h. die Amplitudenfunktion ist nach der Grenzfrequenz 
teilweise steil abfallend, wird aber dann später bei höheren f wieder zu 
n*20dB (als Beispiel für einen Tiefpass? Habe ich das richtig 
verstanden? Ich habe mich schon gefragt, warum -n*20dB/Dekade nicht 
immer g
Gültigkeit hat, aber anscheinend ist es im Bereich der fg anders, das 
würde es zumindest erklären, damit man schärfere Übergänge z.B. bei 
Tschebyscheff hatm, was ja auch Sinn macht. Hab ich das richtig 
verstanden?

von Wolfgang (Gast)


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Lutz V. schrieb:
> Wenn man auf das Zeitverhalten Wert legt (Rechteckfilterung), dann stört
> natürlich jedes Überschwingen über den Endwert und erst recht ein
> längerer Schwingungsvorgang - ABER: Man muss auch die Anstiegszeit im
> Blick haben, die nämlich bei kleinerem Überschwingen größer wird.

> Ales läuft auf einen Kompromiss hinaus - die Verbesserung eines
> Parameters führt unweigerlich zu einer Verschlechterung eines
> anderen....

Wenn du Überschwingen verhindern und gleichzeitig steile Flanken haben 
willst, lässt sich das kompromisslos erreichen, indem du das Filter 
einfach weglässt. Das ist keine höhere Mathematik.

Ansonsten ist die Übertragungsfunktion die Fouriertransformierte der 
Pulsantwort - ganz einfach.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Zu den Filtergeschichten findet man hier einige Abhandlungen:

https://www.eit.hs-karlsruhe.de/mesysto/teil-a-zeitkontinuierliche-signale-und-systeme/grundlagen-des-filterentwurfs/standardisierte-entwurfsverfahren-fuer-tiefpass-filter/tschebyscheff-filter.html

> Ist es tatsächlich so, dass man
>fernab der Grenzfrequenz immer die -n*20dB/Dekade hat, und nahe der
>Grenzfrequenz kann der Abfall stärker sein, damit der "Übergang"
>schärfer ist. D.h. die Amplitudenfunktion ist nach der Grenzfrequenz
>teilweise steil abfallend, wird aber dann später bei höheren f wieder zu
>n*20dB (

"An der Grenzfrequenz weisen die Amplitudengänge erwartungsgemäß den 
Wert a(ωG) = - 3 dB auf. Mit steigender Ordnung N fällt der 
Amplitudengang stärker. Für sehr große Frequenzen fällt der 
Amplitudengang a(ω) mit einer Steigung von - N⋅20 dB. Der 
Tschebyscheff-Filter fällt zwischen Durchlass- und Sperrbereich noch 
steiler als der Butterworth-Filter."

mfg

von Wolfgang (Gast)


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Christian S. schrieb:
> "An der Grenzfrequenz weisen die Amplitudengänge erwartungsgemäß den
> Wert a(ωG) = - 3 dB auf.

Das hat nichts mit Erwartung zu tun, sondern ist die Definition der 
Grenzfrequenz.

von Lutz V. (lvw)


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Wolfgang schrieb:
> Christian S. schrieb:
>> "An der Grenzfrequenz weisen die Amplitudengänge erwartungsgemäß den
>> Wert a(ωG) = - 3 dB auf.
>
> Das hat nichts mit Erwartung zu tun, sondern ist die Definition der
> Grenzfrequenz.

Aber allenfalls für Filter 1. Ordnung und Butterworth- bzw. 
Thomson-Bessel-Verhalten.
Bei Tschebyscheff ist die Grenzfrequenz üblicherweise definiert über den 
Bereich der zugelassenen ripple - das kann durchaus auch bei 0,1dB ode 
1dB liegen.
Aber es spricht auch nichts dagegen, bei Butterworth die Durchlassgrenze 
für eine bestimmte Anwendung zu definieren bei -1dB - oder auch anders.

von Lutz V. (lvw)


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Ferdl15 schrieb:

> Ich habe mich schon gefragt, warum -n*20dB/Dekade nicht
> immer Gültigkeit hat, aber anscheinend ist es im Bereich der fg anders, das
> würde es zumindest erklären, damit man schärfere Übergänge z.B. bei
> Tschebyscheff hatm, was ja auch Sinn macht. Hab ich das richtig
> verstanden?

Ja, ich denke schon.

von Jester (Gast)


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Wolfgang schrieb:
> Ansonsten ist die Übertragungsfunktion die Fouriertransformierte der
> Pulsantwort - ganz einfach.

Kurz und prägnant formuliert -- das ist der entscheidende Hinweis!

Oder in anderen Worten: die Transformation zwischen Zeit- und 
Frequenzbereich.

Die Fouriertransformation ist heutzutage durch Zugang zu entsprechende 
Messtechnik anschaulicher zu erfassen als noch vor wenigen 10 Jahren: 
Oszilloskope stellen den Zeitbereich dar (Y-Achse = Zeit), 
Spektrum/FFT-Analyzer den Frequenzbereich (Y-Achse = Frequenz).

Durch entsprechende „Mathe-Programme“ wie z.B. „octave“ lassen sich 
diese Zusammenhänge ebenso anschaulich darstellen. 
http://schwingungsanalyse.com/Schwingungsanalyse/Frequenzanalyse_files/12_DFT_FFT.pdf 
geht etwas auf die numerischen Verfahren ein.

Vorsicht: Lernkurve!

von blubdidup (Gast)


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> Wenn du Überschwingen verhindern und gleichzeitig steile Flanken haben
> willst, lässt sich das kompromisslos erreichen, indem du das Filter
> einfach weglässt. Das ist keine höhere Mathematik.

Nein, dann ist das Filter nur falsch dimensioniert.
Weglassen ist ueberhaupt keine vernuenftige Option.

Praktisches Denkbeispiel:

Ein AD-Wandler soll bis zu einer Grenzfrequenz von 50 MHz mit
einer Samplerate von 200 Msps Werte umsetzen.
Laesst man das Filter weg, hat man Aliasing von Komponenten
> 50 MHz im Wandlerergebnis. Und nicht nur ein "steileres" Rechteck.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Jester schrieb:
> Oszilloskope stellen den Zeitbereich dar (Y-Achse = Zeit),
> Spektrum/FFT-Analyzer den Frequenzbereich (Y-Achse = Frequenz).

Nö.

Das Richtige gemeint, aber X und Y verwechselt. Bei mir war Y immer die 
senkrechte Achse.

mfg

von Jester (Gast)


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Christian S. schrieb:
> Das Richtige gemeint, aber X und Y verwechselt. Bei mir war Y immer die
> senkrechte Achse.

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Mindesten 99.9% der Weltbevölkerung macht das wohl so - ausgenommen 
soche Torfnasen wie ich, um 3 Uhr morgens ...

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