Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnisfrage Brückenschaltung Leistungselektronik


von Luzian F. (luzian_f)


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Hallo zusammen,

beruflich setze ich mich aktuell mit der Leistungselektronik 
auseinander. Mein neuer Brötchengeber produziert Umrichter im mittleren 
Leistungsbereich. Parallel zur Einarbeitung versuche ich meine 
angestaubten Drehstromkenntnisse wieder auf Stand zu bringen und setze 
mich auch mit Schaltungstechnik auseinander (aktuell arbeite ich das 
Buch "Leistungselektronik" vom Vogel Fachbuch-Verlag durch).

Gerade als ich die B6-Brückschaltung mit Dioden kapiert habe, kommt zwei 
Seiten weiter die Schaltung eines lastgeführten Stromrichters für 
Synchronmaschinen auf mich zu und ich verstehe nur Bahnhof.

Ich versuch es mal in meinen Worten:

Die B6-Brücke (nennen wir sie B6L) auf der linken Seite Macht aus dem 
3-phasigen Wechselstrom einen Gleichstrom der über die Spule in die 
rechte B6-Brücke (B6R) fließt. Die Spule dient als Drossel zu Glättung 
des Gleichstroms, der von B6L zur Verfügung gestellt wird.

Jetzt will ich daraus ja wieder einen 3-phasigen Wechselstrom in der 
Synchronmaschine machen, aber die Frequenz ändern. Die Frequenz ist 
wiederum abhängig von den Schaltzeiten/Impulsen die von den Thyristoren 
in B6R ausgehen.

Jetzt kommt die Gretchenfrage:

Woher wissen die Thyristoren, wann sie schalten müssen (und ich rede von 
beiden Brücken!)? Der Thryistor braucht einen Gate-Strom, damit er 
durchsteuert.

Im Gegensatz zu Dioden müssen doch Thyristoen, IGBTs, MOSFETs usw. 
angesteuert werden.

Mal angenommen die Spannung an L1 ist positiv, L2 und L3 sind negativ. 
Der Strom fließt jetzt über T1 durch die Drosselspule L in die rechte 
Brücke. Und dann?

Um im Synchronmotor wiederum einen Drehstrom zu erhalten, muss ich den 
Strom dazu zwingen, dass er dann z.B.
- von T7 nach T12 nach T6 zu L3
- oder von T7 nach T11 nach T5 zu L2.

In welcher Frequenz der Stromfluss in B6R stattfindet ist wiederum davon 
abhängig, wie häufig die Thyristoren angesteuert werden.

Woher kommen also die Steuerimpulse für die Thyristoren in der 
Schaltung? So ganz klar ist mir das noch nicht...

Ich weiß, es ist ein Thema der Leistungselektronik - aber ich hoffe, 
dass ihr mir beim Lesen der Schaltung weiterhelfen könnt!

Beste Grüße

von Klaus (Gast)


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Luzian F. schrieb:
> Woher wissen die Thyristoren, wann sie schalten müssen (und ich rede von
> beiden Brücken!)? Der Thryistor braucht einen Gate-Strom, damit er
> durchsteuert.

Vom Steuergerät, was im Bild rot im Kästchen steht. Da sitzt 
normalerweise ein Microcontroller drinnen, der überall (vor dem 
Gleichrichter und hinter dem Wechselrichter) Strom und Spannung misst, 
und damit die Regelschleife schließt.
Diese Regelschleife gibt vor, welche Transistoren wie lange durchsteuern 
sollen, um das gewünschte Verhalten zu erreichen.

Die komplette Regelungstechnik deines Umrichters ist allerdings ein 
Thema für sich. Stichwort: Feldorientierte Regelung.

Gruß,

von Luzian F. (luzian_f)


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Klaus schrieb:
> Vom Steuergerät, was im Bild rot im Kästchen steht. Da sitzt
> normalerweise ein Microcontroller drinnen, der überall (vor dem
> Gleichrichter und hinter dem Wechselrichter) Strom und Spannung misst,
> und damit die Regelschleife schließt.
> Diese Regelschleife gibt vor, welche Transistoren wie lange durchsteuern
> sollen, um das gewünschte Verhalten zu erreichen.
>
> Die komplette Regelungstechnik deines Umrichters ist allerdings ein
> Thema für sich. Stichwort: Feldorientierte Regelung.
>
> Gruß,

Hi - danke für die schnelle Antwort! Ok, ich dachte schon, ich bin 
komplett neben der Spur...

Dann würde ich das Schalten der Tyhristoren (T)so erklären:

Die T's in der linken Brücke werden zwar auch von einem extern Gerät 
angesteuert, erhalten aber ihre Steuerimpulse direkt von den drei Phasen 
L1/2/3. Das wäre IMO die rationalste Lösung.

Auf der rechten Seiten werden die T's also von einem MC mit 
Treibersoftware angesteuert; je nachdem, welche ich Frequenz ich am 
Ausgang haben will. Das macht Sinn!

Für mich ergibt sich daraus aber noch einen Gegenfrage:

Was ist dann mit fremd- und selbstgeführten Stromrichtern gemeint? 
Brauche ich nicht IMMER ein "fremdes" Steuergerät, um die Halbleiter 
durchzuschalten?!

von Stefan F. (Gast)


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In der Linken Hälfte, dem Gleichrichter verwendet man Dioden. Ich kann 
nicht nachvollziehen, warum dein Buch dort Thyristoren verwenden will. 
Ohne Steuerung kann das jedenfalls nicht funktionieren.

Auf der rechten Seite kannst du keine Thyristoren verwenden, weil die 
nicht mehr aus gehen, wenn sie einmal eingeschaltet sind. Du brauchst 
dort Transistoren.

von H. H. (Gast)


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Stefan F. schrieb:
> In der Linken Hälfte, dem Gleichrichter verwendet man Dioden. Ich
> kann
> nicht nachvollziehen, warum dein Buch dort Thyristoren verwenden will.

Wegen der Rückspeisung.



> Auf der rechten Seite kannst du keine Thyristoren verwenden, weil die
> nicht mehr aus gehen, wenn sie einmal eingeschaltet sind. Du brauchst
> dort Transistoren.

Nö, man nimmt z.B. GTO-Thyristoren.

von Stefan F. (Gast)


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H. H. schrieb:
> Nö, man nimmt z.B. GTO-Thyristoren.

Interessante Bauteile, kannte ich noch nicht.

Nur schade, dass das Lehrbuch nicht die richtigen Schaltzeichen 
verwendet.

von H. H. (Gast)


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Stefan F. schrieb:
> Nur schade, dass das Lehrbuch nicht die richtigen Schaltzeichen
> verwendet.

Soll doch nur das Prinzip darstellen.

von Luzian F. (luzian_f)


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H. H. schrieb:
> Stefan F. schrieb:
>> In der Linken Hälfte, dem Gleichrichter verwendet man Dioden. Ich
>> kann
>> nicht nachvollziehen, warum dein Buch dort Thyristoren verwenden will.
>
> Wegen der Rückspeisung.
>
>> Auf der rechten Seite kannst du keine Thyristoren verwenden, weil die
>> nicht mehr aus gehen, wenn sie einmal eingeschaltet sind. Du brauchst
>> dort Transistoren.
>
> Nö, man nimmt z.B. GTO-Thyristoren.

Ok, danke erstmal hier für die Klärung. Trotzdem nochmal zurück zu 
meiner Nachfrage von oben:

> Was ist dann mit fremd- und selbstgeführten Stromrichtern gemeint?
> Brauche ich nicht IMMER ein "fremdes" Steuergerät, um die Halbleiter
> durchzuschalten?!

von Thyristor (Gast)


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Stefan F. schrieb:
> In der Linken Hälfte, dem Gleichrichter verwendet man Dioden. Ich kann
> nicht nachvollziehen, warum dein Buch dort Thyristoren verwenden will

Das ist ein netzgeführter Gleichrichter bei dem über den Zündwinkel der 
Ausgangsstrom geregelt werden kann.

Stefan F. schrieb:
> Ohne Steuerung kann das jedenfalls nicht funktionieren.

Die Steuerung wird in den seltesten Fällen explizit mit abgebildet. 
Natürlich muss man die Thyristoren ansteuern, sonst passiert nichts.

Stefan F. schrieb:
> Auf der rechten Seite kannst du keine Thyristoren verwenden, weil die
> nicht mehr aus gehen, wenn sie einmal eingeschaltet sind. Du brauchst
> dort Transistoren.

Nein, das ist ein Wechselrichter mit einem Stromzwischenkreis (nicht 
Spannungszwischenkreis) der von der Maschine geführt wird.

H. H. schrieb:
> Nö, man nimmt z.B. GTO-Thyristoren.

Das ist bei einem Stromzwischenkreisumrichter definitiv nicht zu 
empfehlen weil du dann den Strom in der Zwischenkreisinduktivität 
abschalten müsstest, was zur Zerstörung der Bauteile führen würde.

Was du vor dir hast ist ein Stromzwischenkreisumrichter (Current Source 
Converter) bei dem du keinen DC-link mit einem Kondensator hast, wie das 
bei den normalen Vollbrücken und Dreiphasenbrücken 
(Spannungszwischenkreisumrichter bzw. Voltage Source Converter) der Fall 
ist. Die Grundidee ist die, dass der Strom in der Spule konstant ist, du 
kannst sie daher durch eine Stromquelle ersetzen und die linke und die 
rechte Schaltungsseite unabhängig voneinander Betrachten. Ähnlich macht 
man das ja auch bei Umrichtern mit DC-link Kondensator, dort kann man 
z.B. eine netzseitige PFC unabhängig von einem maschinenseitinge 
Dreiphaseninverter betrachten und nimmt dazu eine konstante DC-link 
Spannung an.

Die Frequenz mit der die Bauteile schalten ist links immer die 
Netzfrequenz, rechts immer die Frequenz der Maschine, also 
drehzahlabhängig (daher "netzgeführ" bzw. "maschinengeführt"). Die 
Ansteuerung der Bauteile muss sich dabei natürlich mit dem Netz/der 
Maschine synchronisieren. Die Zündpulse zum Schalten der Thyristoren 
werden dabei relativ zum natürlichen Kommutierungspunkt verzögert.

Auf die schnelle sollte das hier weiterhelfen:

https://www.jade-hs.de/fileadmin/fb_ingenieurwissenschaften/Download/WE/Mechatronik/Elektronik/Renken/Download/LEK/Leistungselektronik_Kap3_V01.pdf

Ansonsten sind die Vorlesungsskripte der ETH Zürich sehr zu empfehlen, 
die finde ich aber mit Google grad nicht.

Luzian F. schrieb:
> Mein neuer Brötchengeber produziert Umrichter im mittleren
> Leistungsbereich.

Rein aus interesse: was verstehst du unter "mittlerem Leistungsbereich"? 
Mittlere Leistung fängt bei  mir irgendwo zwischen 100 kW und 1 MW an, 
ist aber arg kontextabhängig.
Thyristorumrichter werden heute eigentlich kaum mehr eingesetzt, heute 
sind fast alle Motorumrichter Zweilevel-Dreiphaseninverter. Die Gründe 
sind die viel niedrigeren Verluste, der reduzierte Filteraufwand und das 
bessere dynamische Verhalten.
Ausnahmen sind Bestandlösungen oder Umrichter am oberen Ende der 
Leistungsskala (> 10 MW), wobei man dort auch eher IGCTs mit 
Spannungszwischenkreis einsetzt.

von H. H. (Gast)


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von H. H. (Gast)


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Thyristor schrieb:
> Das ist bei einem Stromzwischenkreisumrichter definitiv nicht zu
> empfehlen weil du dann den Strom in der Zwischenkreisinduktivität
> abschalten müsstest, was zur Zerstörung der Bauteile führen würde.

Ist mir schon klar, aber auf den Unterschied im Zwischenkreis wollte ich 
nicht eingehen. Es ging nur um die Aussage Thyristoren seine nicht 
abschaltbar.

von Dieter (Gast)


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Luzian F. schrieb:
> Was ist dann mit fremd- und selbstgeführten Stromrichtern gemeint?

Die Freitagsantwort:
fremdgeführt, d.h. kommt aus Fernasien.
selbstgeführt, d.h. kommt aus GER

von Thyristor (Gast)


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H. H. schrieb:
> https://www.energie-lexikon.info/wechselrichter.html

Das hat leider mit dem obigen Umrichter nicht viel zu tun, der Begriff 
wird hier anders verwendet. Der englische Beriff "line commutated 
converter" wäre hier wohl eindeutiger.

von Dieter (Gast)


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Es gibt auch Schaltungen mit Löschthyristor, d.h. Löschkreis:
https://www.leybold-shop.de/735343.html

Im Schema ist aber häufig nur ein Thyristor eingezeichnet.

von Luzian F. (luzian_f)


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Hi - danke für die Antwort.

Zu deiner Frage zwecks Leistunsbereich:

V.A. Umrichter für Industrieanlagen (WKA, PVA, Produktionsanlagen,...) 
aber auch immer mehr Elektromobilität.

von H. H. (Gast)


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Luzian F. schrieb:
> V.A. Umrichter für Industrieanlagen (WKA, PVA, Produktionsanlagen,...)
> aber auch immer mehr Elektromobilität.

Klingt nicht nach Thyristoren, und auch nicht nach Stromzwischenkreis.

von Luzian F. (luzian_f)


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H. H. schrieb:
> https://www.energie-lexikon.info/wechselrichter.html

Super - danke für den Link! Ich habe es so verstanden, dass mit "fremd-" 
und  "selbstgeführt" die Ansteuerung der Halbleiter gemeint war (wobei 
der Gedankengang bei Dioden ja schon wieder hinfällig ist)...

Also Fazit für mich:

Umrichter mit Schaltern (MOSFETs, Thyristoren, IGBT's, ...) benötigen 
immer ein externes Steuermodul, dass die Halbleiter durchsteuert (je 
nachdem was gefordert ist).

Fremd- und selbstgeführte Umrichter unterscheiden sich nach ihrem 
Einsatzort (jetzt mal ganz abstrakt runtergebrochen)...

Ich denke, damit wären erstmal meine initialen Fragen geklärt - Danke 
euch!

Beim Thema "Löschen eines Thyristors" kommen ich nochmal auf euch zu - 
bestimmt :-D

von Luzian F. (luzian_f)


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H. H. schrieb:
> Luzian F. schrieb:
>> V.A. Umrichter für Industrieanlagen (WKA, PVA, Produktionsanlagen,...)
>> aber auch immer mehr Elektromobilität.
>
> Klingt nicht nach Thyristoren, und auch nicht nach Stromzwischenkreis.

Nein, dort werden auch IGBTs verbaut. Das Thema Stromzwischenkreis kam 
jetzt speziell von mir, da ich mich, wie erwähnt, aktuell durch 
Fachliteratur durchbeiße um mein Verständnis für die Themen aufzubauen.

von Thyristor (Gast)


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Luzian F. schrieb:
> H. H. schrieb:
>
>> https://www.energie-lexikon.info/wechselrichter.html
>
> Super - danke für den Link! Ich habe es so verstanden, dass mit "fremd-"
> und  "selbstgeführt" die Ansteuerung der Halbleiter gemeint war (wobei
> der Gedankengang bei Dioden ja schon wieder hinfällig ist)...

Luzian F. schrieb:
> Fremd- und selbstgeführte Umrichter unterscheiden sich nach ihrem
> Einsatzort (jetzt mal ganz abstrakt runtergebrochen)...

Siehe meine Antwort oben, das ist nicht das was in diesem Zusammenhang 
mit fremd/selbstgeführt gemeint ist.

Bei fremdgeführten Umrichtern ist die Schaltfrequenz der Halbleiter vom 
Netz (bzw. im Falle einer Maschine von der Maschine) vorgegeben. Der von 
dir eingangs gezeigte Umrichter kann die Thyristoren nicht selbst 
abschalten, das Abschalten passiert erst dann wenn der nächste Thyristor 
gezündet wird. Der Zeitpunkt wird aber vom Netz vorgegeben, d.h. er ist 
nicht frei wählbar (d.h. der Umrichter wird vom Netz geführt).

Bei den sonst üblichen Spannungszwischenkreisumrichtern ist das anders: 
dort werden die Halbleiter mit einer PWM angesteuert und können beliebig 
ein und ausgeschaltet werden. Insbesondere kann die Schaltfrequenz 
beliebig gewählt werden und muss nicht mit dem Netz synchronisiert 
werden.

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