Forum: Haus & Smart Home Doku: Hausanschluss von 1922 - wie neu!


von Helge (Gast)


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Anfang des Jahres war ich in einem ehemals ÖBB-Bahnarbeiter-Wohnhaus, 
die Elektrik sollte neu gemacht werden. Den Auftrag hat zwar jemand 
anderes gemacht, aber diesen Hausanschlußkasten knnte ich zur 
Dokumentation retten.

Die Zuleitung war Cu 50mm², Ölpapier, Stahl, Bleimantel. Die wurde in 
den unteren Deckel mit Panzerrohr eingeführt, dann hatte jemand 
Zeitungspapier reingestopft und den Unterteil mit Teer vergossen.  Auf 
einem Stückchen des Zeitungspapiers war noch das Datum zu erkennen, 
26.5.1922. Das paßt auch ganz gut, diese Strecke wurde 1922-1923 
elektrifiziert.

Das gehäuse ist Bakelit, alle Einbauten Porzellan, Stahlschrauben, 
Messing, und die Kabelanschlüsse aus Kupfer. Presshülsen waren wohl noch 
nicht erfunden.

Vermutlich als Rostschutz sind sämtliche Metallteile mit einer dünnen 
Fettschicht überzogen, auch die Dichtung des Bakelitgehäuses ist leicht 
fettig, sieht ansonsten aus wie Ofendichtung.

Im mittleren der 3 Häuschen war neben diesem HAK noch ein kleiner in 
gleicher Bauart, enthielt 3x4A Sicherungen. In den Zählerkästen konnte 
man die Lichtleitung umschalten, Hauptnetz - 0 - Ersatznetz.

Das ganze war Anfang des Jahres noch in Betrieb. :-)

von Musik og F. (musikog_f)


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Helge schrieb:
> Das ganze war Anfang des Jahres noch in Betrieb. :-)

Wenn der Deckel des Sicherungskasten noch IP20 genügt hätte, hätte das 
auch noch weiter in Betrieb bleiben können.
Papierisoliert, Bleikappe, mit Teer vergossene Hausanschlüsse habe ich 
in meinem Haus auch - BJ 1929. Das läuft. Modernere Sicherungstechnik 
ist davor und dahinter.

So What? Wenn du mehr Installationen aus den 20ern und 30ern sehen 
willst, darfst du gerne mit mir auf die Baustellen kommen.
Schalttafeln aus Marmor finde ich auch ab und an. Hier kam WW2 nicht 
vorbei.

Wenn du solche Teile in Neu haben willst: https://ifoelectric.com
made in Sweden since 1934.

: Bearbeitet durch User
von (prx) A. K. (prx)


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Ich hatte in den 90ern einen Lichtschalter eines Vorkriegs-Hauses 
ausgewechselt. Der Schalter sah zwar nicht nach Vorkriegszeit aus, aber 
die Isolation der Leitungen war hoffnungslos versprödete Bröselware. 
Jede Bewegung der Kabel musste vermieden werden. Weshalb der Schalter 
danach horizontal schaltete, statt wie üblich vertikal.

: Bearbeitet durch User
von Helge (Gast)


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Musik og F. schrieb:
> IP20

Der Deckel wurde erst von den Jungs zerbrochen, die das von der Wand 
rissen. Die anderen drei haben sie gleich ganz zerschlagen, weil sich 
Zement, Holzblock und eisengewinde in der Wand zu einem unlösbaren 
Gemisch entwickelt hatten.

Interessant übrigens die Schraubkappen mit 42mm Durchmesser Feingewinde. 
Die hatte ich noch nie.

von Manfred (Gast)


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Helge schrieb:
> Interessant übrigens die Schraubkappen mit 42mm Durchmesser Feingewinde.

Das Feingewinde fiel mir auch auf. Eigenbrötlerei der Österreicher oder 
Sonderstrick der Bahn?

Ansonsten zeigen Deine Bilder grundsolide Technik, an der sich manch 
aktueller Kram gerne ein Beispiel nehmen dürfte.

von Sven L. (sven_rvbg)


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Bei aller Romantik:

Netzbetreiber sind i.d.R. froh, wenn alte Hausanschlusskäsen, mit Diazed 
Sicherungen aus dem Netz verschwinden. Wenn man nämlich eine 
Kabelfehlerordnung macht und das Kabel eventuell auch mal mit 
Hochspannung zu Prüfzwecken beaufschlagt, reicht es nicht, wenn die 
Sicherungen entfernt sind, es müssen Abgänge komplett abegklemmt werden.

Weiterhin habe ich nicht nur einmal gesehen, das es in solchen Kästen 
auf Grund hoher Übergangswiderstände sehr warm geworden war.

Die heute üblichen NH-Hausanschlusskästen sind da besser.

Aber in der Schweiz werden teilweise Anschlusskästen mit 
Schraubsicherungen nach wie vor verwendet.

von Wühlhase (Gast)


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Danke für die Bilder...solche alte Technik mag ich ja. :)

von Helge (Gast)


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Manfred schrieb:
> Das Feingewinde fiel mir auch auf.

Vermutlich hatte sich noch kein Standard etabliert. Immerhin schon 
220/380V und 50Hz, ein paar Jahre vorher gabs noch ein wildes Gemisch. 
zum Beispiel in Gries am Brenner war das erste Stromnetz +/-80V. Der HAK 
unter der Freileitung hatte nur 2 Sicherungen, etwas größer als D02 aber 
kleiner als D03.

von Wollvieh W. (wollvieh)


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Ich habe auch schon gelegentlich so alte Sachen gesehen und hätte sie 
gerne gerettet. Bakelitverteilerdosen, sogar teils mit Doppelabgängen, 
an Panzerrohr. Häufig in Bestzustand, weil eher trockener Dachboden oder 
nicht besonders feuchter Keller.

Ein Teil habe ich mir dann doch mal ausgebaut, einen Dickhäuter 
Drehschalter von 1938-1939, mit einem halben Meter pechisoliertes Kabel 
mit stoffumsponnenem Alumantel dran. Besonderheit: Das Kabel ist mit 
Leuchtfarbe angemalt, weil das Ganze aus einem Gewölbekeller von 1880 
stammt, der ziemlich genau in den erwähnten Jahren zu einem 
Luftschutzbunker umgebaut wurde. Dabei hat jemand sehr großzügig die 
Schalter und auch die Lattenverschläge mit der noch immer 
funktionierenden Farbe bemalt.

von Sven L. (sven_rvbg)


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Wollvieh W. schrieb:
> abei hat jemand sehr großzügig die
> Schalter und auch die Lattenverschläge mit der noch immer
> funktionierenden Farbe bemalt.
Wie war das mit solcher Farbe, aus dieser Zeit... war da nicht was mit 
radioaktiv?

Btw: Solches Elektromaterial erfreut sich großer Beliebtheit, sodass 
Firmen wieder solches Material herstellen.

Wenn man die passende Immobilie hat, dann kann man so ja auch die 
Elektroinstallation in Szene setzen.

von ●DesIntegrator ●. (Firma: FULL PALATINSK) (desinfector) Benutzerseite


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Sven L. schrieb:
> Wenn man die passende Immobilie hat, dann kann man so ja auch die
> Elektroinstallation in Szene setzen.

und die Kabel alle in Aufputzverlegung.
Die Wasserrohre am besten auch, so bohrt man niemals wieder etwas an

;-]

von michael_ (Gast)


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Wollvieh W. schrieb:
> mit einem halben Meter pechisoliertes Kabel
> mit stoffumsponnenem Alumantel dran. Besonderheit: Das Kabel ist mit
> Leuchtfarbe angemalt, weil das Ganze aus einem Gewölbekeller von 1880
> stammt, der ziemlich genau in den erwähnten Jahren zu einem
> Luftschutzbunker umgebaut wurde.

Wenn es das orangene Bleimantelkabel ist, dann ist die Beschichtung 
gegen Rattenfraß.

von Sven L. (sven_rvbg)


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●DesIntegrator ●. schrieb:
> und die Kabel alle in Aufputzverlegung.
> Die Wasserrohre am besten auch, so bohrt man niemals wieder etwas an

Klar, wenn man ein altes Fachwerkhaus hat oder etwas aus Klinker im 
Loftstil.

Ich habe alte Elektroinstalltionen gesehen, die ich estetisch nennen 
würde.

von Helge (Gast)


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Bringe ich solche alten Dinge (in unversehrt) auf den Flohmarkt, ist das 
recht schnell in neuen Händen. Hier gibts genug Neureiche, die die 
Preise z.B. von Manufaktum kennen. Verteilerdose, Steckdose, Schalter 
bringen schnell 20€ pro Stück.

von ●DesIntegrator ●. (Firma: FULL PALATINSK) (desinfector) Benutzerseite


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hier stand mal eine Zementfabrik lange Zeit leer.
Da hätte man dutzende, wenn nicht sogar hunderte alter Bakelitschalter
und Steckdosen ernten können.
Da wurde, bevor ich mich dort das erste mal umgesehen hatte,
ausnahmslos ALLES stumpf zerkloppt.

: Bearbeitet durch User
von H. H. (Gast)


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●DesIntegrator ●. schrieb:
> hier stand mal eine Zementfabrik lange Zeit leer.
> Da hätte man dutzende, wenn nicht sogar hunderte alter Bakelitschalter
> und Steckdosen ernten können.

Dann wären die ja nicht mehr selten, also der Marktwert nahe Null.

von Wollvieh W. (wollvieh)


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Sven L. schrieb:

> Wie war das mit solcher Farbe, aus dieser Zeit... war da nicht was mit
> radioaktiv?

Das war eher in den 1920er Jahren. Meine Farbe muß im Dunkeln erst 
aufgeladen werden.

Helge schrieb:
> Bringe ich solche alten Dinge (in unversehrt) auf den Flohmarkt, ist das
> recht schnell in neuen Händen. Hier gibts genug Neureiche, die die
> Preise z.B. von Manufaktum kennen. Verteilerdose, Steckdose, Schalter
> bringen schnell 20€ pro Stück.

Schön wärs. Beim toten Ebay gingen ganze Konvolute für 1 oder 10 Euro 
weg. Ich habe daraufhin mal einen ganzen Umzugskarton mit Schaltern und 
Dosen im Bestzustand in den Müll geworfen. Drecksland. Die Leute kaufen 
ja nicht bei Manufactum, weil ihnen die Sachen gefallen, sondern weil 
sie damit angeben wollen, daß sie viel Geld ausgeben können.

Dasselbe mit Opalglas-auf-Porzellan-Lampen, oder auch 
Emailleschirm-an-Porzellanfassung: Angeblich die super hippen Stücke, es 
zahlt aber niemand was dafür, außer eben bei Manufactum. Mit Lindner und 
RZB (das ist dann schon 70er) könnte ich ein ganzes Hochhaus beleuchten.

von Ex-Fernmelder (Gast)


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>> Wie war das mit solcher Farbe, aus dieser Zeit... war da nicht was mit
>> radioaktiv?
>
> Das war eher in den 1920er Jahren.

Bei der BW nutzte man Radium-Leuchtfarbe noch in den 1980er-Jahren.
So wurde damit etwa in meiner Einheit beim Nachtschiessen Kimme
und Korn des G3 (automatisches Sturmgewehr) markiert.

von Wollvieh W. (wollvieh)


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Ex-Fernmelder schrieb:
>>> Wie war das mit solcher Farbe, aus dieser Zeit... war da nicht was mit
>>> radioaktiv?
>>
>> Das war eher in den 1920er Jahren.
>
> Bei der BW nutzte man Radium-Leuchtfarbe noch in den 1980er-Jahren.
> So wurde damit etwa in meiner Einheit beim Nachtschiessen Kimme
> und Korn des G3 (automatisches Sturmgewehr) markiert.

Ich hab das auch mal gerüchtehalber beim MatUffz gehört, aber das 
Töpfchen nie zu sehen bekommen. Sonst hätte ich mir was abgefüllt. :)

Damit die Decke angemalt und man spart erheblich Stromkosten. Von der 
Lichtsicherheit bei Stromausfall ganz abgesehen.

Es gibt kleine Ex-Sowjetbunker, die tatsächlich radioaktiv leuchten. 
Bzw. geleuchtet haben, weil das Pigment von der Strahlung zerstört 
wurde. Und irgendwo in Berlin gibt es einen alten OP-Bunker aus 
Wehrmachtszeiten mit der ungefährlich posphoreszierenden Farbe an der 
Decke. Für beides gibts Filmchen und Bilder im Netz.

von michael_ (Gast)


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Wollvieh W. schrieb:
> Schön wärs. Beim toten Ebay gingen ganze Konvolute für 1 oder 10 Euro
> weg. Ich habe daraufhin mal einen ganzen Umzugskarton mit Schaltern und
> Dosen im Bestzustand in den Müll geworfen.

Hättest lieber jedes einzelne Stück für 1 EUR angeboten.
Kleinvieh macht auch Mist.

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