Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Self-Heating bei einem NTC vs. Kalibriermessung


von Nicolai P. (worstchoice)


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Hallo zusammen,

sicher könnt ihr mir (Maschinenbauing. mit rudimentärem Etechnikwissen) 
beim Verständnis eines Problems helfen...

In der Firma, für die ich arbeite, kommen NTCs (kleine Glasperlen mit 
Draht) an, welche vom Lieferanten mit Steckern konfektioniert und in 
einem PTB-Geeichten Wasserbad bei mehreren Temperaturen zur Kalibrierung 
gemessen wurden.

Nun wurden die Sensoren "hier" nochmal bei den gleichen Temperaturen 
gemessen, auf einem Fluke Blockkalibrator - allerdings in kleinen 
Bohrungen des Blocks (also in Luft, ggf. auch mit Wandberührung) 
hängend.

Seltsamerweise kommen nun bei gleicher Referenztemperatur erheblich 
abweichende Werte raus, in der Größenordnung mehrerer kOhm (nominal 22k 
@25°C). Beispielsweise 26kOhm vs. 23kOhm beim Lieferanten.
Bei Wiederholungsmessung auf der gleichen Maschine sind es nur einige 
Ohm (also OK).

Nun wird der Grund gesucht...

Meine Vermutung ist nun, dass es evtl. ein Self-Heating-Problem sein 
könnte, dass also der Sensor sich in Wasser anders selbst erwärmt 
(weniger) als in Luft.

Der Fluke (Luft) arbeitet mit 100uA, was bei 22kOhm nominal in 2,2V und 
0,2mW resultiert.

Das Selfheating ist lt. Datenblatt 0,3°C/mW. Also schon deutlich (wenn 
kein peinlicher Rechenfehler drin steckt 😉)

Nun die etwas pauschale Frage... Kann das so sein, was ich mir da 
ausdenke? Oder ist Selfheating unabhängig von der Umgebung?

Oder evtl. gibt es andere Ideen, wie so eine Messabweichung zustande 
kommen kann...

Danke für Input 🙂

von ths (Gast)


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Welche Toleranz hat der Blockkalibrator und unter welchen Bedingungen 
wird das ermittelt?

von Patrick C. (pcrom)


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Self heating koennte sein, hast du die moeglichkeit mit weniger strom zu 
messen ? Oder zu messen direct nach einschalten der strom, dann messt 
man ohne selfheating. Auch kann man der strom vergroessern um zu checken 
ob es mehr wird

Vergiss auch nicht Seebeck effect (durch materialunterschiede). Messbar 
durch umpolen von strom.

Und natuerlich thermische kontakt widerstand. Ist es nicht gewoenlich 
mit Oel oder waermeleitpasta zu messen ?

Welches messgeraeten benutzt du ? Ich benutze
- Fluke/Hart Scientific 7008 oil bath
- Fluke/Hart Scientific Blackstack
- ES215 als referenzthermometer

Patrick aus die Niederlande

von Günni (Gast)


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Die Verwendung eines Wasserbades - ob geeicht oder nicht - verstehe ich 
nicht. Damit die NTC-Perle genügend Wärmekontakt hat, muss sie 
eingetaucht werden, wobei sich kaum vermeiden lässt, dass die 
Anschlussdrähte benetzt werden. Nun ist reines Wasser zwar ein 
schlechter elektrischer Leiter, aber so rein dürfte es in dem Bad kaum 
sein. Damit verfälscht die Leitfähigkeit des Wassers vermutlich die 
Messung. Ich habe für die Aufnahme von NTC-Kennlinien jedenfalls ein 
(gerührtes) Ölbad mit einem gut isolierenden Öl genommen.

von Anja (Gast)


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Nicolai P. schrieb:
> (nominal 22k
> @25°C). Beispielsweise 26kOhm vs. 23kOhm beim Lieferanten.

Höherer Widerstandswert = Kälter!
ca +10% sind ca 3 Grad weniger.
Also Selbsterwärmung als Ursace 0.2mW wären ja 0.015 Grad mehr würde ich 
nicht in Betracht ziehen.

Gruß Anja

von Frank D. (Firma: Spezialeinheit) (feuerstein7)


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Wasserbad bedeutet nicht, dass die Sensoren mit Wasser in Kontakt 
kommen. Die kommen z.B. in einen Einweghandschuh und dann ins Wasser.
Bei der Verwendung von Blockkalibratoren sind die Temperatuten oft 
ungenau. Deshalb wird oft im Block noch ein zweites Referenzthermometer 
eingesetzt.

von Anja (Gast)


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Mhm,

normalerweise wird die meiste Wärme bei solchen Sensoren über die 
Anschlußdrähte transportiert.
Wie dick sind die Drähte/Zuleitungen und wie (auf welcher Länge) im 
Blockkalibrator verlegt?

Gruß Anja

von Hp M. (nachtmix)


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Nicolai P. schrieb:
> 26kOhm vs. 23kOhm

Also etwa 12%, entsprechend ca. 2K bei der typischen Empfindlichkeit von 
ca. 5%/K.
Das ist schon einigermassen heftig.
Wenn das Wasserbad noch eine gültige Kakibrierung (oder Eichung?) hat, 
sollten beide mal mittels eines Präzisionswiderstandes ihre Ohmmeter 
kontrollieren.

von Nicolai P. (worstchoice)


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Danke für die schnellen Antworten, zu den Details muss ich noch 
schauen...

Die meisten nachfragen sind nachvollziehbar - dazu ist zu sagen, dass 
sich der zweite Kalibrator in einem Reinraum befindet. Wasser oder Öl 
haben hier keine Chance. Es werden da Halbleiterproduktionsmaschinen 
gebaut.

Der Sensor ist auch inkl. Leitern beschichtet (das ist ein winzig 
kleines 0,3mm-Ding mit Kabeln wie Haare (Typ liefere ich noch nach).

Daher ist die Idee der "Kurzzeitmessung" auch kaum umsetzbar. 
Zeitkonstante 200ms.

Beim ersten Kalibrator wird wohl nicht (bin mit aber nicht sicher) 
direkt eingetaucht, sondern in irgendwelchen Spezialtüten, die sich 
anschmiegen. Auf jeden Fall gibt es besseren Kontakt, als in stehender 
Luft.

Auch ist es ja so, dass die Abweichungen viel zu groß sind, um von einen 
"kleinen Störeffekt" zu stammen.

Die Idee mit dem niedrigeren Messstrom finde ich so trivial wie gut 😉 
wird auf jeden Falls angeregt; das andere auch.

Man muss auch dazu sagen, dass es an einfachsten wäre, sich mit dem 
Lieferanten auszutauschen (bekannter HighEnd-Hersteller mit zwei 
griechischen Buchstaben)... Es stehen halt politische Dinge dazwischen; 
die Bearbeiter sind neu, keiner will sich eine Blöße geben etc.. drum 
versuche ich das als Sidekick abzuschieben.

: Bearbeitet durch User
von Wolfgang (Gast)


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Nicolai P. schrieb:
> Oder ist Selfheating unabhängig von der Umgebung?

Natürlich nicht. Wenn du in den Sensor elektrisch eine bestimmte 
Heizleistung einbringst, muss im stationären Zustand genau die gleiche 
Leistung an die Umgebung abgegeben werden. Je nach Wärmeübergang 
zwischen Sensor und Umgebung, muss dafür die Temperatur des Sensors über 
der Umgebung liegen - sonst könnte er die Wärme nicht loswerden. Diese 
Temperaturdifferenz zur Umgebung nennt sich Eigenerwärmung oder hipper 
ausgedrückt - Selfheating.

von Peter M. (r2d3)


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Hallo Nicolai P.,

ich empfehle Dir, auf die Frage von ths zu antworten!
Bequemer kannst Du es nicht haben.

von Nicolai P. (worstchoice)


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Welche Toleranz hat der Blockkalibrator und unter welchen Bedingungen wird das ermittelt?

Sodele, hier zunächst technische Daten zum Euipment (Datenblatt-Links 
darf man hoffentlich?).
Welche "Toleranz / Bedingungen" das hat, kann ich selbst nicht 
beantworten, da dort so viele Angaben stehen... Auf jeden Fall ist auch 
ein Referenzsensor gekoppelt, der im Block steckt.

Zudem ist es auch so, dass diese mehrfachen Messung an verschiedenen 
Orten (glaube sogar, es sind 3) schon lange ohne solche Auffälligkeiten 
stattfinden. Aber immer mit Wasser. Nur diese Messung mit diesem 
Equipment ist neu. Entweder ein Denkfehler wie die o.g Mutmaßung, oder 
ein Bedienfehler, der so "blöd" sein muss, dass ihn keiner sieht (bin ja 
selbst daneben gestanden).

- Sensor: G22K7MCD419
http://www.te.com/commerce/DocumentDelivery/DDEController?Action=showdoc&DocId=Data+Sheet%7FG22K7MCD419%7FA%7Fpdf%7FEnglish%7FENG_DS_G22K7MCD419_A.pdf%7FGAG22K7MCD419

Daten:
Resistance @ +25°C Ohms 22,000
Resistance @ +37°C Ohms 14,004
Resistance tolerance @ 37°C % ± 15
Alpha Value @ 25°C %/°C - 3.87
Beta Value 25/85 K 3499
Time response in Liquids milliseconds 30
Dissipation Constant in still air mW/°C 0.3

Die Drähte sind nicht angegeben; es sind ca. [b]80-100µm 
Nickeldrähte[b].

- Messung: Super-DAQ 1586A + Präzisions-Blockkalibrator 9142
https://eu.flukecal.com/de/products/temperature-calibration/industrial-calibrators/field-metrology-wells/pr%C3%A4zisions-blockkalibr?quicktabs_product_details=2

https://eu.flukecal.com/products/data-acquisition-test-equipment/data-acquisition/1586a-super-daq-precision-temperature-scan


Zusatzfrage zum Sensor:
Es stehen dort +- 15% @37°C als Toleranz. Für mich war das bisher die 
"Serienstreuung" - sprich verschiedene Sensoren messen +-15% 
unterschiedlich bei 37°C. Hervorgerufen durch Schwankungen im Sensor 
(Schichtdicken, Maße, etc.). Darum macht man ja das Spiel mit der 
Kalibrierung.

Nun kam jemand und meinte, das sei die Abweichung eines Sensors (also 
quasi die Wiederholgenauigkeit). Würde für mich die Frage aufwerfen, 
wieso der gleiche Sensor sich anders verhalten sollte...  Kann das sein?

Und... wenn die Abweichung [TBC] tatsächlich ein "Self-Cooling wäre", 
dann nehme ich alles zurück und bin noch ratloser ;)

: Bearbeitet durch User
von asd (Gast)


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Ich kenne NTC eher als billige Temperatur-Schätzeisen. Z.B. wenn man 
eine Übertemperatur-Abschaltschwelle bei 80°C haben will und einem 
+/-5°C egal sind.
Also kläre mal wie viel Abweichung der Hersteller im Datenblatt stehen 
hat, und ob das was ihr gemessen habt vielleicht ok ist. Wenn ich das 
richtig verstanden habe habt ihr ja nur 2°C Abweichung.

von Patrick C. (pcrom)


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Danke fuer die extra informationen.

Nicolai P. schrieb:
> Der Fluke (Luft) arbeitet mit 100uA, was bei 22kOhm nominal in 2,2V und
> 0,2mW resultiert.

Kannst du nicht mit 10uA messen ? 100uA ist recht viel. Laut datasheet 
kann  Fluke 1586a auch messen mit 10uA, aber vielleicht nur bei 10k ?

Gibt es eine moeglichkeit mit Seebeck compensation zu messen (umpolen) 
beim Fluke 1586a ?

Dabei kann ich mich noch nicht vorstellen wie das gute thermisches 
kontakt mit dem calibration block gemacht werden kann ohne oel oder 
paste, hast du da ein foto oder so von ?

von Patrick C. (pcrom)


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asd schrieb:
> Ich kenne NTC eher als billige Temperatur-Schätzeisen.

Es gibt soviel verschiedene NTC typen als autos auf dem Weg.
zB 
https://www.amphenol-sensors.com/hubfs/Documents/AAS-930-223A-Thermometrics-Lab-CalibrationSTDS-101018-web.pdf

von Petra (Gast)


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Alternativ würde ich eine Kupferstange (wie in der Elektroinstallation 
>500A) nehmen, mehrere Löcher die etwas größer als der Sensor sind 
bohren, und zwei Klasse A PT 100 oder PT1000 Sensoren als Referenz 
montieren. In die Löcher gute Wärmeleitpaste und die NTC hinein. Dann 
das Ganze in einen Klimaschrank und einen Stufentemperaturtest mit 
längeren Haltezeiten fahren. Mit einem Scanner die Widerstandswerte 
aufnehmen und anschließend umrechnen.

von Purzel H. (hacky)


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Wie Anja schon sagte ... die Anschlussdraehte. Wenn man die von Hand 
anfasst ist man schon dort.

von ths (Gast)


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Die mir bekannten Blockkalibratoren sind hinsichtlich ihrer Präzision 
kritisch zu betrachten. Die Fluke kenne ich nicht.

Viele verfügen über Bohrungen mit verschiedenen Durchmessern. In jeder 
Bohrung herrschen anderen Verhältnisse, abhängig von der Eintauchtiefe 
und von dem Medium. Luft ist ganz schlecht. Da kommen schnell ein paar K 
Abweichung zusammen.

Im vorliegenden Fall ist es nicht verkehrt, sich einen größtmöglichen 
Kupferzylinder mit zwei naheliegenden Bohrungen zu besorgen. Eine 
Bohrung für ein Pt100 (aktive Länge beachten), eine weitere Bohrung für 
den Prüfling. Die Anschlüsse des Prüflings isolieren (z.B. 
Silikonschlauch) und die Bohrung mit einem Stopfen (Evtl Watte) 
verschliessen, wobei die Schläuche an die Bohrungswand gedrückt 
werden.Damit haben die Anschlussdrähte eine definierte Temperatur.

Den Kupferzylinder im Kalibrator versenken und los gehts.

von Günni (Gast)


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Frank D. schrieb:
> Wasserbad bedeutet nicht, dass die Sensoren mit Wasser in Kontakt
> kommen. Die kommen z.B. in einen Einweghandschuh und dann ins Wasser.
Bei einem solchen "Handschuh" ist der Kontakt so schlecht, dass keine 
Messung, die diesen Namen verdient, mehr möglich ist. Dann hat der von 
Anja erwähnte Temperatureinfluss der Anschlussdrähte einen wesentlichen 
Einfluss auf das Ergebnis.

asd schrieb:
> Ich kenne NTC eher als billige Temperatur-Schätzeisen. Z.B. wenn man
> eine Übertemperatur-Abschaltschwelle bei 80°C haben will und einem
> +/-5°C egal sind.
Das hängt vom Einsatzbereich und von dem Temperaturbereich ab, der 
gemessen werden soll. Mit vorgealterten NTCs können Raumtemperaturen auf 
0,5° genau gemessen werden und -mit einem guten A/D-Wandler - sogar 
Temperaturbereiche von -20°C bis +40°C mit einer Abweichung von unter 1° 
gemessen werden. Die hat man so für Heizungssteuerungen verwendet, wobei 
die Messungen mehr als 15 Jahre lang diese Genauigkeit ohne Nachjustage 
eingehalten haben. Wenn man allerdings schlecht gesinterte NTCs 
eingesetzt hat oder diese mit simplen A/D-Wandlern ausgewertet hat, war 
die Genauigkeit sehr schnell dahin.

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