Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Sicherungen überbelasten


von Entsicherer (Gast)


Lesenswert?

Hi Leute,

mal so ne Frage in die Runde:
Angenommen ich hab ne SMD Sicherung für 0.5A.
Diese Sicherung ist eine stinknormale Schmelzsicherung, also sie 
schmilzt wenn ich dauerhaft 0.75A über sie fließen lasse.
Wenn kurzzeitig für einen kurzen Zeitraum deutlich mehr als 0.5A über 
sie fließen lasse, wird sie dies wahrscheinlich aushalten.

Also zum Beispiel 2A für 0.1s.

Haltet ihr dies für ein gutes Schaltungsdesign, wenn regelmäßig ein 
großer Strom über eine viel zu kleine Sicherung fließt?
Sagen wir mal 2A über die 0.5A Sicherung für 100ms?

Ich würde sagen, dass es zwar möglich ist einen so großen Strom über 
eine kleine Sicherung fließen zu lassen, jedoch nicht garantiert ist, 
dass diese Sicherung dann ewig leben wird?
Oder liege ich da falsch?

Mache grad nen Review über die Schaltung eines Kollegen...

: Verschoben durch Moderator
von mm (Gast)


Lesenswert?

Entsicherer schrieb:
> eine stinknormale Schmelzsicherung

Achso die...

Auch Sicherungen haben Datenblätter. Da sind so Diagramme und Tabellen 
drin, die könnten die Antwort geben. In dem Datenblatt, das ich hier 
habe, ist die Charakteristik "stinknormal" leider nicht aufgeführt - 
muss wohl ein anderer Hersteller sein.

von 0815 (Gast)


Lesenswert?

mm schrieb:
> Entsicherer schrieb:
>> eine stinknormale Schmelzsicherung
>
> Achso die...
>
> Auch Sicherungen haben Datenblätter. Da sind so Diagramme und Tabellen
> drin, die könnten die Antwort geben. In dem Datenblatt, das ich hier
> habe, ist die Charakteristik "stinknormal" leider nicht aufgeführt -
> muss wohl ein anderer Hersteller sein.

Ja dann guck mal richitg. Müsste unter Punkt 0815 stehen!

von Burning down the house (Gast)


Lesenswert?

Entsicherer schrieb:
> Haltet ihr dies für ein gutes Schaltungsdesign, wenn regelmäßig ein
> großer Strom über eine viel zu kleine Sicherung fließt?

Vermeintlich untedimensionierte Sicherungen koennen gewollt sein wenn 
man ein spezielles Ansprechverhalten moechte. Daher kann das ein sehr 
durchdachtes Design sein.

> Mache grad nen Review über die Schaltung eines Kollegen...

Schnapp dir das Datenblatt der Sicherung. Such dir die die Diagramme zum 
Ansprechverhalten (Zeit ueber Strom) und zum Temperaturverhalten raus. 
Vergleich das mit der Belastung in der Schaltung.

Dann rede mit deinem Kollegen warum er welches Ansprechverhalten 
moechte.

von Philippe B. (philippe27)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Hallo

Wie bereits gesagt -> Datenblatt

Im Anhang ein Beispiel einer SMD Fuse

Gruss

von Entsicherer (Gast)


Lesenswert?

Ansprechverhalten ist in diesem Fall egal.

Laut Datenblatt gehen 2A für 0.1s gerade noch so durch.
Ist ziemlich an der Grenze, aber noch gerade so okay.
In der Praxis hat es bis jetzt auch 20 bis 30 mal funktioniert.

Ich präzisiere meine Frage:
Wenn man eine Sicherung zyklisch überbelastet, kann es dann sein, dass 
diese von Zyklus zu Zyklus abbaut?
Wenn das Gerät in der Praxis im Einsatz ist, wäre es wünschenswert, dass 
dieses nicht nach 20k Zyklen kaputt geht.

von Entsicherer (Gast)


Lesenswert?

Es handelt sich um so eine:

https://docs.rs-online.com/0c57/0900766b816379b4.pdf

Dabei sei gesagt, dass der Strom in der Realität auch etwas über 2A 
liegen kann.

von AufArbeit (Gast)


Lesenswert?

Auch Sicherungen altern mit jedem Stromstoß, den sie aushalten müssen. 
Das hängt ganz wesentlich vom verwendeten Material ab. Das Ganze ist 
eigentlich gut untersucht und man könnte auf die Idee kommen, dass das 
für das vorzeitige Ableben von Baugruppen genutzt wird. Bei LittleFuse 
sollte man dazu was finden können.

von Michael B. (laberkopp)


Lesenswert?

Entsicherer schrieb:
> Haltet ihr dies für ein gutes Schaltungsdesign, wenn regelmäßig ein
> großer Strom über eine viel zu kleine Sicherung fließt

Nein.

Selbst wer eine 0.5A Sicherung dauerhaft mit 0.49A belastet, darf sich 
nicht wundern, wenn einzelne Exemplare vorzeitig auslösen.

Zum I2A Schmelzintegral hast du was gehört, wenn man das dauernd 
ausreizt ist die Sicherung bald hin, wenn man mit den Impulsen aber 
jedesmal deutlich drunter bleibt, z.B. 50%, darf man auch mit den 
Einzelpulsen jedesmal über dem Sicherungsnennwert bleiben.

Bei deiner 2A für 0.1s Sicherung hätte ich also keine Bedenken mit 
ständig 1A für 0.1s.

Impulsförmige Stromaufnahme kann man durch Kondensatoren (Elkos) 
zusammen mit dem Widerstand des Sicherungsdrahtes RC Glied verringern.

von Entsicherer (Gast)


Lesenswert?

AufArbeit schrieb:
> Auch Sicherungen altern mit jedem Stromstoß, den sie aushalten müssen.
> Das hängt ganz wesentlich vom verwendeten Material ab. Das Ganze ist
> eigentlich gut untersucht und man könnte auf die Idee kommen, dass das
> für das vorzeitige Ableben von Baugruppen genutzt wird. Bei LittleFuse
> sollte man dazu was finden können.

Okay, darauf wollte ich hinaus.
Bzw. hab mir schon sowas in der Art gedacht.
Hatte aber in Datenblättern bis jetzt noch nie den Fall einer 
regelmäßigen "Überlastung" gesehen und hatte daher auch keine Quelle.
Was vielleicht auch Sinn macht, da Sicherungen nicht immer über ihrem 
Limit betrieben werden sollen....

von Gerald B. (gerald_b)


Lesenswert?

AufArbeit schrieb:
> Auch Sicherungen altern mit jedem Stromstoß, den sie aushalten müssen.

Mit etwas Materialverständnis könnte man da auch selber daraufkommen. 
Wenn der Metalldraht kurzzeitig bis zur Rotglut erhitzt wird, oxidiert 
er an der Oberfläche. Die Oxidschicht wird beim mechanischen Stress bei 
den stoßweisen Belastungen spröde, der Draht oxidiert weiter...
Irgendwann ist Sense.

von Karl B. (gustav)


Lesenswert?

Hi,
ähnliche Versuche hier mit "Kleinstsicherungen" gemacht.
Dabei festgestellt, dass im unteren mA-Bereich diese trotz träger 
Charakteristik bereits genau bei Erreichen des aufgedruckten Nennstroms 
auslösen.
Hier half dann statt Einlöten direkt in die Schaltung eine Fassung dafür 
zum Austauschen.
Dann weitergehende Versuche gestartet, bei der die Sicherung genau das 
Verhalten zeigte, das ich wollte.
Dabei kann es schon mal bis zu zehn und mehr Versuchen kommen, bis ich 
die richtige Sicherung gefunden hatte.

https://www.reichelt.de/sortiment-kleinstsicherungen-traege-190-st-halter-eska-887-800-p279458.html?search=Kleinst

Komischerweise gibt es die 80mA Sicherungen nicht mehr im Sortiment.
Die lösten nämlich schon eher aus.

ciao
gustav

: Bearbeitet durch User
von Harry R. (harry_r2)


Lesenswert?

Entsicherer schrieb:
> Es handelt sich um so eine:
>
> https://docs.rs-online.com/0c57/0900766b816379b4.pdf

Aha, eine stinknormale Schmelzsicherung. Das Datenblatt sagt PTC. 
Hmmm...

Wenn es diese PTC-Sicherung ist: da würde mich vor allem der hohe 
Innenwiderstand nach einem Auslösevorgang stören. 1 Stunde danach darf 
sie bis zu 0,85 Ohm haben. Bei 2A sind dann also 1,7V "weg". OK?

Und: für <1h darf sie so viel Widerstand haben, wie sie will! Wie/wann 
startet eure Schaltung nach einem Überstromfehler?

von AufArbeit (Gast)


Lesenswert?

Gerald B. schrieb:
> Mit etwas Materialverständnis könnte man da auch selber daraufkommen.
> Wenn der Metalldraht kurzzeitig bis zur Rotglut erhitzt wird, oxidiert
> er an der Oberfläche. Die Oxidschicht wird beim mechanischen Stress bei
> den stoßweisen Belastungen spröde, der Draht oxidiert weiter...
> Irgendwann ist Sense.

Ja, das sollte jeder nachvollziehen können. Allerdings werden da auch 
Materialen verwenden, die das deutlich schlechter aushalten. Da hatte 
ich mal richtig Ärger mit. Der Hersteller hatte dann angegeben, dass die 
verwendeten Sicherungen für den Commercial Markt vorgesehen sind und man 
für industriellen Einsatz besser eine andere Serie verwendet, die sich 
durch bessere Zuverlässigkeit auszeichnet. Weitere Aussagen des 
Herstellers dazu fallen wohl unter NDA ;-)

von Entsicherer (Gast)


Lesenswert?

Harry R. schrieb:
> Aha, eine stinknormale Schmelzsicherung. Das Datenblatt sagt PTC.
> Hmmm...
>
> Wenn es diese PTC-Sicherung ist: da würde mich vor allem der hohe
> Innenwiderstand nach einem Auslösevorgang stören. 1 Stunde danach darf
> sie bis zu 0,85 Ohm haben. Bei 2A sind dann also 1,7V "weg". OK?
>
> Und: für <1h darf sie so viel Widerstand haben, wie sie will! Wie/wann
> startet eure Schaltung nach einem Überstromfehler?

Du hast recht.
Es ist das falsche Datenblatt.

In unserer Schaltung ist jedoch wirklich eine normale Schmelzsicherung 
verbaut.
Ich hab lediglich ein falsches Datenblatt verlinkt.
Die Graphen darin sehen so ähnlich aus wie in dem verlinkten 
Datenblatt...

von Monk (roehrmond)


Lesenswert?

Entsicherer schrieb:
> Haltet ihr dies für ein gutes Schaltungsdesign, wenn regelmäßig ein
> großer Strom über eine viel zu kleine Sicherung fließt?

In jedem Netzteil ist dass ein alltäglicher Anwendungsfall (Stromstoß 
beim Einschalten). Anstatt zu schätzen würde ich allerdings lieber die 
Angaben des Datenblattes benutzen.

: Bearbeitet durch User
von Andrew T. (marsufant)


Lesenswert?

Entsicherer schrieb:
> Ich präzisiere meine Frage:
> Wenn man eine Sicherung zyklisch überbelastet, kann es dann sein, dass
> diese von Zyklus zu Zyklus abbaut?


Wenn es eine SCHMELZsicherung ist:
Es gibt sicherungs-Typen aus mit dem Schmelzleiter aus Metalllegierung 
MIT Zinn Beimischung und OHNE Zinn.

MIT bewirkt ein wesentliches  degrading nach mehrfacher  Überlastung wie 
du sie schilderst.
OHNE sind stabil und degraden nicht wesentlich.

Konkrete Daten hat der Hersteller (in Deinem Fall Littlefuse?) , dort 
also anfragen beim FAE.


Polyfuse ist wieder ein anderes Thema, aber sagst ja das Du ein 
beliebiges DaBla reingeklinkt hast.

> Wenn das Gerät in der Praxis im Einsatz ist, wäre es wünschenswert, dass
> dieses nicht nach 20k Zyklen kaputt geht.

Wie oben beschrieben: Hersteller mit dme konkreten LAstprofil anfragen,
der weiss wie "sein" Produkt reagiert/altert/auslöst.

von Manfred (Gast)


Lesenswert?

Michael B. schrieb:
> Selbst wer eine 0.5A Sicherung dauerhaft mit 0.49A belastet, darf sich
> nicht wundern, wenn einzelne Exemplare vorzeitig auslösen.

Mir ist eine 500mA Sicherung im Multimeter gestorben, obwohl der Strom 
kurz unterhalb war. Aber es war für einen längeren Zeitraum!

In der Firma, Serienausfälle, mussten wir uns erklären lassen, dass der 
Nennstrom nur dann dauerhaft getragen wird, wenn eine normgerechte 
Wärmeableitung erfolgt.

von LDR (Gast)


Lesenswert?

Manfred schrieb:
> Michael B. schrieb:
>> Selbst wer eine 0.5A Sicherung dauerhaft mit 0.49A belastet, darf sich
>> nicht wundern, wenn einzelne Exemplare vorzeitig auslösen.
>
> Mir ist eine 500mA Sicherung im Multimeter gestorben, obwohl der Strom
> kurz unterhalb war. Aber es war für einen längeren Zeitraum!
>
> In der Firma, Serienausfälle, mussten wir uns erklären lassen, dass der
> Nennstrom nur dann dauerhaft getragen wird, wenn eine normgerechte
> Wärmeableitung erfolgt.

Nennstrom ist eben unter Nennbedingungen.

von Peter L. (oe6loe)


Lesenswert?

fuse aging ist dein Suchbegriff
Wenns quarzsandgefüllte (mit hohem Abschalltstrom) sind, altern sie sehr 
schnell.

von Alfred B. (alfred_b979)


Lesenswert?

Entsicherer schrieb:
> Ich hab lediglich ein falsches Datenblatt verlinkt.

Lediglich?

> Die Graphen darin

Worin?

> sehen so ähnlich aus wie in dem verlinkten Datenblatt

Was soll diese grobe opt. Einschätzung bringen/aussagen?
NUNMEHR das richtige zu verlinken war/ist unmöglich?

Etwa Bedenken, erkannt zu werden, wenn eine Bezeichnung
der orig. BOM suchmaschinenauffindbar hier auftaucht...?

Entsicherer schrieb:
> Mache grad nen Review über die Schaltung eines Kollegen...

Dann solltest Du bzgl. jedes einzelnen Schaltungsaspektes
fachlich m.o.w. überlegen sein... (hüstel).

von Manfred (Gast)


Lesenswert?

LDR schrieb:
>> In der Firma, Serienausfälle, mussten wir uns erklären lassen, dass der
>> Nennstrom nur dann dauerhaft getragen wird, wenn eine normgerechte
>> Wärmeableitung erfolgt.
> Nennstrom ist eben unter Nennbedingungen.

Dumm nur, dass wird diese Nennbedingungen nicht kennen, da steht 
bestenfalls im Datenblatt als Fußnote "Test nach IEC_irgendwas".

Peter L. schrieb:
> Wenns quarzsandgefüllte (mit hohem Abschalltstrom) sind, altern sie sehr
> schnell.

Ja, die Elektronen lassen den Sand schwingen und dieser schleift den 
Draht weiter ab.

von Hein (Gast)


Lesenswert?


von LDR (maximu)


Lesenswert?

Hein schrieb:
> Hier gibt's einige interessante Informationen, bei welchen
> Pulsbelastungen welche Lebensdauer der Sicherung zu erwarten ist:
>
> 
https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://siba.de/upload/Downloads/fuse-on-3-12_261012_DE-internet.pdf&ved=2ahUKEwjtzMmh98L8AhXSgv0HHS7qB18QFnoECCgQAQ&usg=AOvVaw1YxhgBJSpeOwxrRc2x8E6S

Bei anderen Herstellern steht sowas in der "Fuseology".

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Entsicherer schrieb:
> Haltet ihr dies für ein gutes Schaltungsdesign, wenn regelmäßig ein
> großer Strom über eine viel zu kleine Sicherung fließt?
> Sagen wir mal 2A über die 0.5A Sicherung für 100ms?
Wenn du das Schmelzintegral entsprechend hoch auslegst wie z.B. mit 
"super träge" aka. "TT", dann sind die 2A über 100ms kein Problem. Das 
klappt sogar garantiert bis zu 750mA:

https://www.eska-fuses.de/sicherungen-passive-bauelemente/sicherungen/feinsicherungen/5x20mm/522.400

von Peter L. (oe6loe)


Lesenswert?

@Manfred

> Ja, die Elektronen lassen den Sand schwingen und dieser schleift den
> Draht weiter ab.

der Draht dehnt sich beim Erhitzen aus und wird abgeschliffen, 
aufgerauht, oxydiert oder sonstwas, impulsbelastete Sicherungen brennen 
definitiv früher durch.

von oszi40 (Gast)


Lesenswert?

Die obige technische Hintergrundinfo der Hersteller ist ja schön für die 
ERSTausstattung mit dieser Sicherung. Hat jeder dahergelaufene Techniker 
genau die passende Ersatzsicherung xxx mA in F oder T dabei? Deswegen 
kann es nützlich sein, die richtigen Ersatzsicherungen im Gerät 
mitzuliefern!

Gut erinnere ich mich an einen Typ Netzteil mit knapp dimensionierter 
Feinsicherung, die bei jedem Einschaltvorgang kurz leuchtete und durch 
Verzunderung des Sicherungsdrahts in regelmäßigen Abständen defekt 
war...

von Peter L. (oe6loe)


Lesenswert?

da hats jemand gut beschrieben, dass Sicherungen sogar bei Nennstrom 
schnell altern:
https://electronics.stackexchange.com/questions/209255/why-did-my-fuse-blow-after-3-years-of-no-problems

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.