Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Aktives Filter: spezielle Übertragungsfunktion


von Bastler (Gast)


Lesenswert?

Hallo zusammen

Kann mir jemand sagen, ob - und wie - man ein Filter mit der 
Übertragungsfunktion
als aktives Filter realisieren kann?

Diese Übertragungsfunktion scheint nicht derjenigen üblicher Filter 
zweiter Ordnung (Hochpass, Bandsperre,...?) zu entsprechen. Und beim 
Kaskadieren von üblichen Filtersektionen erhalte ich Terme (z.B. s^3), 
die nicht in der gesuchten Übertragungsfunktion vorkommen.

Hintergrund:
Ich arbeite an einem PLL-FM-Demodulator. Im Buch Phase-Locked and
Frequency-Feedback Systems von J. Klapper (*) wird ein Filter mit dieser 
Übertragungsfunktion zur Kompensation der Tiefpass-Wirkung der 
Phasenregelschleife verwendet. Dort ist dieses Filter mit einer 
RLC-Schaltung realisiert. Ich frage mich nun, ob eine Realisierung als 
aktives Filter möglich ist.

(*) siehe Buchausschnitt hier:
https://www.radiomuseum.org/forumdata/users/133/archive2019/FM_PLL_Dem_Block_Klapper_Frankle_600.png
(Kompensationsfilter oben rechts, Übertragsungsfunktion als R1(s) 
bezeichnet.)

Vielen Dank für alle Hinweise!

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


Lesenswert?

Bastler schrieb:
> Dort ist dieses Filter mit einer RLC-Schaltung realisiert. Ich frage
> mich nun, ob eine Realisierung als aktives Filter möglich ist.

Das Filter ist doch aktiv. In der ersten Variante kommt ein Opamp in der
zweiten ein BJT als verstärkendes Element zum Einsatz, ohne das das
Filter nicht realisierbar wäre. Geht man in der ersten Variante von
einem idealen Opamp aus, erhält man rein rechnerisch auch tatsächlich
die angegebene Übertragungsfunktion.

Streng genommen ist ein Filter mit der gegebenen Übertragungsfunktion
überhaupt nicht realisierbar, da das Zählerpolynom einen höheren Grad
als das Nennerpolynom hat und damit die Verstärkung für hohe Frequenzen
gegen unendlich gehen müsste. Im vorliegenden Fall haben wir es aber nur
mit einem endlichen Frequenzbereich (bis zur oberen Grenzfrequenz des
NF-Signals) zu tun, so dass das Filter auch mit einem realen Opamp
(endliche Verstärkung und Bandbreite) hinreichend genau umgesetzt werden
kann.

Wie der Autor auf diese Übertragungsfunktion kommt, ist mir nicht ganz
klar. Das wird aber vermutlich im erläuternden Text zu der Schaltung
erklärt.

von Lutz V. (lvw)


Lesenswert?

Die gezeigte Übertragungsfunktion ist das "Gegenstück" zur 
Phasen-Überragungsfunktion der geschlossenen PLL (inverses Filter) - das 
ist wohl der theoretische Hintergrund der vorgegebenen Funktion, die 
aber so in dieser Form nicht realisierbar (Zähler-Grad > Nenner-Grad.).
Die beiden gezeigten Schaltungen realisieren die Funktion nur annähernd 
- d.h. bis zu einer bestimmten oberen Frequenzgrenze.
Wenn man die Schaltungen durchrechnet, sieht man - was aber auch schon 
durch reines Betrachten der Schaltungen erkennbar ist, dass die 
Gesamt-Übertragungsfunktion natürlich nach oben zu höheren Frequenzen 
begrenzt ist umd damit nicht die genannte Funktion realisieren kann.
Dabei soll die OPV-Schaltung wohl auf dem invertierenden Prinzip beruhen 
- also ist die RLC-Kombination am inv. Eingang angeschlossen.

: Bearbeitet durch User
von Bastler (Gast)


Lesenswert?

Natürlich ist das Filter so nicht für beliebig hohe Frequenzen 
realisierbar - wie jeder aktive Hochpass oder jede aktive Bandsperre. 
Aber das stört nicht, da ohnehin ein Tiefpass folgt (Box gerade darunter 
in der Abbildung: "output baseband filter").

Yalu X. schrieb:
> Das Filter ist doch aktiv. In der ersten Variante kommt ein Opamp in der
> zweiten ein BJT als verstärkendes Element zum Einsatz, ohne das das
> Filter nicht realisierbar wäre.

In dem Sinn ist es ein aktives Filter, ja. Was ich jedoch gemeint habe: 
Kann man diese Übertragungsfunktion als aktives Filter realisieren, 
sodass keine Induktivität verwendet werden muss - dies ist ja ein 
wesentlicher (oder der wesentliche) Grund, dafür dass aktive Filter 
bei tieferen Frequenzen gerne verwendet werden.

Eine offensichtlich Lösung wäre, die Induktivität durch einen Gyrator zu 
ersetzen. Ich frage mich aber, ob man nicht gerade das ganze Filter dann 
aktiv realisieren kann. Kann eine übliche Topologie aktiver Filter (MFB, 
Sallen-Key, Biquad, usw.) so ausgelegt werden, dass sie die obige 
Übertragungsfunktion realisiert (unter Annahme eines idealen OpAmps mit 
unbeschränkter Bandbreite).

von Lutz V. (lvw)


Lesenswert?

Gyrator-Realisierung ist bei schwimmenden (nicht einseitig geerdeten) 
Induktivitäten sehr aufwändig. Das würde ich auf keinen Fall machen...
Deine Grund-Idee ist schon richtig und das vernünftigste:
Den wesentlichen und wichtigsten Teil der Übertragungsfunktion (bis zu 
einer bestimmten Frequenz-Obergrenze) als aktiven Filterblock zu 
realisieren.
Dazu würde ich zunächst mal die gewünschte (nicht realisierbare) 
Funktion mir plotten lassen (mit aktuellen Zahlen!) - und auf der 
Grundlage des Bode-Diagrams entscheiden, welche der bekannten 
Filterfunktionen (evtl. auch Überlagerung?) in dem zur Diskussion 
stehenden Frequenzbereich zwecks Realisierung in Frage kommt.

Es kommt hier ja scheinbar nicht auf eine klassische Filterung an 
(Tief-, Hoch-, Bandpass etc.), sondern doch wohl auf die Inversion der 
PLL-Übertragungsfunktion.
Prinzip-Verlauf: Hochpass 2. Ordnung, der in einen Hochpass erster 
Ordnung übergeht (und dann - aus Realisierungsgründen - wieder abfallen 
muss).
Stichwort: Inverses Filter.
Dazu gibt es viele Beiträge im Netz.

: Bearbeitet durch User
von Bastler (Gast)



Lesenswert?

Lutz V. schrieb:
> Gyrator-Realisierung ist bei schwimmenden (nicht einseitig geerdeten)
> Induktivitäten sehr aufwändig. Das würde ich auf keinen Fall machen...
Danke für den Hinweis. Hab noch nie was mit einem Gyrator gemacht, aber 
irgendwie kam mir das nicht als elegante Lösung vor - und Deine 
Bemerkung bestätigt dies.

Lutz V. schrieb:
> Dazu würde ich zunächst mal die gewünschte (nicht realisierbare)
> Funktion mir plotten lassen (mit aktuellen Zahlen!) - und auf der
> Grundlage des Bode-Diagrams entscheiden, welche der bekannten
> Filterfunktionen (evtl. auch Überlagerung?) in dem zur Diskussion
> stehenden Frequenzbereich zwecks Realisierung in Frage kommt.
Das habe ich tatsächlich bereits gemacht. Das Bode-Diagramm ist im 
angehängten Screenshot (Plot_Filter.png) gezeigt, die Simulation dazu in 
Simulation_Filter.png (outA ist von einer Realisierung als Schaltung, 
outB rein rechnerisch. Beide Ergebnisse sind praktisch identisch.) Wie 
man sieht, handelt es sich um einen Hochpass mit zusätzlicher "Delle".

Lutz V. schrieb:
> Es kommt hier ja scheinbar nicht auf eine klassische Filterung an
> (Tief-, Hoch-, Bandpass etc.), sondern doch wohl auf die Inversion der
> PLL-Übertragungsfunktion.
Genau. Und das tut das Filter auch recht gut. Ich hab mal den 
Frequenzgang einer Übertragungsstrecke (FM-Modulator und 
FM-PLL-Demodulator) simuliert (stark vereinfacht, Phasenkomparator und 
VCO sind nur als gesteuerte Quellen mit entsprechender 
Laplace-Transformation modelliert). Wie man sieht 
(Plot_FM-Mod-Demod.png), ist der Frequenzgang beinahe flach 
("out_compensated"), wohingegen das Signal direkt am PLL-Demodulator 
("out_uncompensated") - wie erwartet - einen starken Abfall zeigt mit 
zunehmender Frequenz.

Lutz V. schrieb:
> Stichwort: Inverses Filter.
> Dazu gibt es viele Beiträge im Netz.
Vielen Dank für das Stichwort!
Dieses Stichwort hat mir gefehlt. Ich werde mich darüber informieren!

von Old (Gast)


Lesenswert?

Bastler schrieb:
> … Wie
> man sieht, handelt es sich um einen Hochpass mit zusätzlicher "Delle".
> …

Das sieht man schon bei den beiden Schaltungen des Buchausschnitts. Den 
Hochpass bildet der Kondensator und die „Delle“, Dämpfung bei einer 
bestimmten Frequenz, entsteht durch den Parallelresonz-Kreis aus 
Kondensator und Induktivität, wobei die Dämpfung dann durch den 
Serienwiderstand zur Induktivität, der die Güte der Induktivität 
absenkt, bestimmt wird.

Sowas könnte man wahrscheinlich durch überbrückte RC T-Filter oder 
Doppel-T-Filter Schaltungen ohne Induktivität nachbilden.

von Lutz V. (lvw)


Lesenswert?

Lutz V. schrieb:
> Prinzip-Verlauf: Hochpass 2. Ordnung, der in einen Hochpass erster
> Ordnung übergeht (und dann - aus Realisierungsgründen - wieder abfallen
> muss).

Das ist natürlich Unsinn (ich darf das sagen, da es ja um meine 
Formulierungen geht).
Richtig ist: Konstanter Wert bei "kleinen" Frequenzen und danach 
Hochpass-Verhalten erster Ordnung. Das sieht man ja auch schon dem 
RLC-Block an, der bei kleinen Frequenzen primär durch den Widerstand 
bestimmt wird.

Die PLL-Phasen-Übertragungsfunktion (Kehrwert der in der Fragestellung 
gegebenen Funktion) ist die SUMME (siehe Zähler) von Tiefpass (2. 
Grades) und Bandpass. Man kann zeigen, dass das Ergebnis der 
Summenbildung UNGEFÄHR einem Tiefpass erster Ordnung ähnelt (also mit 
Abfall 20dB/Dek - verursacht durch den Bandpass), allerdings mit einer 
gewissen Erhöhung (peaking) im Bereich der Polfrequenz.

Damit würde durch die Inversion eine Funktion entstehen, die - ebenfalls 
ungefähr - einem Hochpass (n=1) gleicht für Frequenzen oberhalb der 
Polfrequenz. Aus der oben erwähnten Erhöhung wird dann eine kleine 
"Delle".
Alles wird sehr schön durch die gezeigten Bode-Diagramme bestätigt.

Zur Realisierung: Eine ungefähre Kompensation der 
PLL-Übertragungsfunktion (ohne die "Delle") könnte daher erfolgen durch 
eine invertierende OPV-Schaltung mit R2 in der Rückkopplung und (R1||C) 
im Vorwärtszweig.
Bei der gezeigten Realisierung mit dem Original-RLC-Block würde es mit 
sehr großer Wahrscheinlichkeit dynamische Stabilitätsprobleme 
(Oszillation) geben durch die Tiefpassfunktion des (realen) OPV.
In der Simulation wurde ja ein ideales OPV-Modell angesetzt.
Eventuelle Stabilitätsprobleme bei der hier vorgeschlagenen Realisierung 
mit (R1||C) können durch einen weiteren Widerstand in Reihe mit C 
verhindert werden, der aber dann im "kritischen" Bereich die 
Hochpassfunktion stört.

: Bearbeitet durch User
von Lutz V. (lvw)


Lesenswert?


von Bastler (Gast)


Lesenswert?

Lutz V. schrieb:
> Ich hoffe, der link funktioniert (Einführung Inverse Filter)

Danke für den Literatur-Tipp!
Tatsächlich habe ich diesen Artikel gestern Abend spät auch noch 
"er-googlet". Ich werde mich mal einlesen...

von Bastler (Gast)


Lesenswert?

So, nach einer Woche berufsbedingter Pause habe ich mir nun den oben 
verlinkten Artikel (und ein paar Referenzen darin) angesehen. Allerdings 
konnte ich keine Implementierung für die gesuchte Übertragungsfunktion 
finden.

Das Problem scheint erheblich komplizierter zu sein, als ich anfangs 
dachte.  Die Realisierung mit einer Spule ist wohl die einfachste 
Lösung. Und falls diese wirklich zu gross wird, wäre immer noch eine 
Gyrator-Lösung möglich: bei der BJT-Schaltung auf dem oben verlinkten 
Buchausschnitt ist die Spule ja auf der einen Seite geerdet.

Danke nochmals für die Hilfe und die Tipps!
Bastler

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.