Forum: Platinen Arbeiten mit Heissluft


von Tim (tb01)


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Hallo Leute,

wie kann man es verhindern, z. B. beim Lösen einer USB-C-Buchse mit 
Heissluft umliegende Bauteile wegfliegen?

Einserseits natürlich nicht zu lange rumbrutzeln, aber auch nichts 
abreissen.

Und andererseits die Luftstromgeschwindigkeit niedrig halten.

Was kann man zusätzlich noch machen?

Z. B. die umliegenden Bauteile mit einem hitzebeständigen Klebestreifen 
sichern?

Bin auf eure Ideen gespannt.

Danke...

von olaf (Gast)


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> Bin auf eure Ideen gespannt.

Hast du schonmal bei deiner Blinddarmoperation zugeschaut?

Alles bis auf das Operationsgebiet abdecken. Also Platine in Alufolie 
einwickeln, fest andruecken und nur ein kleines Loch an der Stelle
machen wo du operierst.

Olaf

von GHz N. (ghz-nerd)


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Das allerwichtigste: Ganze Platine vorheizen bzw. mit Heizplatte 
arbeiten. Wenn du fest mit Masse verlötete Teile alleine mit der Luft 
heiss machen willst ist Brutzeln vorprogrammiert. Die Ground plane zieht 
einfachbzuviel Wärme ab.
Die Ausnahme sind kleine Platinchen, da diese mit lange genug warten 
sich ohnehin als Ganzes aufheizen

von Andre (Gast)


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Tim schrieb:
> … mit
> Heissluft umliegende Bauteile wegfliegen?
> …

Die Kohäsionskräfte des Zinns verhindern dies eigentlich sehr gut.

Beitrag #7334235 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Stefan F. (Gast)


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Man kann den Schmelzpunkt des Zinns mit Bismut reduzieren. Das 
kombiniert mit eine Heizplatte und Heißluft sollte die Operation möglich 
machen.

von Harald A. (embedded)


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Ist auch eine Frage der Leistungsfähigkeit der Heißluftstation. Die 
allseits beliebte China-Heißluftstation für wenige 10€ (Typ gerade 
vergessen) braucht halt schon einen ziemlichen Luftdurchsatz, um die 
Energie zu transferieren. Eine bessere Heißluftstation hat einfach mehr 
Dampf und kommt mit geringeren Windgeschwindigkeiten aus. Ein weiterer 
Fehler kann auch sein, dass man die Düse zu klein wählt.
Ansonsten kann ich bei der Vorheizplatte ebenfalls zustimmen. Das wirkt 
Wunder!

: Bearbeitet durch User
von xxxx (Gast)


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> Ist auch eine Frage der Leistungsfähigkeit der Heißluftstation. Die
> allseits beliebte China-Heißluftstation für wenige 10€ (Typ gerade
> vergessen) braucht halt schon einen ziemlichen Luftdurchsatz, um die
> Energie zu transferieren. Eine bessere Heißluftstation hat einfach mehr
> Dampf und kommt mit geringeren Windgeschwindigkeiten aus. Ein weiterer
> Fehler kann auch sein, dass man die Düse zu klein wählt.

Hallo. Sehr interessant. Ich hab die Quick 861DW, und alle möglichen 
Düsendurchmesser.

Welcher wäre denn geeignet?


> Man kann den Schmelzpunkt des Zinns mit Bismut reduzieren. Das
> kombiniert mit eine Heizplatte und Heißluft sollte die Operation möglich
> machen.

Hab gelesen, manche nehme dafür auch anderen Lötzinn. Ist Bismut besser 
geeignet?

> Das allerwichtigste: Ganze Platine vorheizen bzw. mit Heizplatte
arbeiten.

Ich hab mit paar Technikern (teilweise renomierte lokale 
Reparaturfirmen) gesprochen, die heizen die Platine nicht vor. (Es geht 
in diesem Fall um eine Nintendo Switch).

Wäre nicht nötig, das kleine Mainboard wäre auch ungeeignet.

Also aufheizen macht meiner Meinung nach echt Sinn. Ihr könnt ja nochmal 
was dazu sagen.

> Also Platine in Alufolie
einwickeln, fest andruecken und nur ein kleines Loch an der Stelle
machen wo du operierst.

Ist das wirklich ernst gemeint? Gibt es hierzu Alternativen?

von Stefan F. (Gast)


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xxxx schrieb:
> Hab gelesen, manche nehme dafür auch anderen Lötzinn. Ist Bismut besser
> geeignet?

Wie willst du denn das vorhandene Lötzinn (das weg muss) durch anderes 
ersetzen?

Der Trick mit Bismut besteht darin, dass fast von alleine mit dem Zinn 
eine Legierung bildet.

von flip (Gast)


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xxxx schrieb:
> alle möglichen
> Düsendurchmesser.
>
> Welcher wäre denn geeignet?

Bei einer USB Buchse: Keine düse. Ich arbeite grundsätzlich ohne düse 
mit 370C, dann ist der luftstrom für die Bauelemente erträglich. Auch 
kurz mal angeblasener Kunststoff wirft dann nicht gleich blasen.  Selbst 
mit der 10mm düse ist mir der strahl viel zu fokkusiert.

Abdecken mit folie mache ich nicht. Ein wichtiger trick ist das 
vorheizen, bzw aufheizen der Leiterplatte von unten. Die Leiterplatte 
hat im einflussbereich der lötstelle ein vielfaches der thermischen 
masse einer buchse und somit ist abdecken bis zum letzten millimeter 
neben der buchse ggf kontraproduktiv.

Und nicht zu vergessen: Keine kraft beim anheben der buchse verwenden. 
Warmes platinenmaterial erweicht etwas, die pads sollen sich nicht 
ablösen. Erst prüfen ob das zinn an allen pads geschmolzen ist, dann 
vorsichtig abheben. Damit sind wir beim nächsten punkt: gedult! Ein 
reflowprofil läuft auch nicht in 30s ab. Ruhig mal den groben bereich um 
die buchse 60 oder 90s erwärmen, dann die wärme mehr auf die buchse 
konzentrieren. So werden auch innenliegende Kupferflächen schön warm.

von Harald A. (embedded)


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Die Quick 861DW ist absolut in Ordnung, die hat genug Power. Mit „zu 
klein“ meinte ich diesen „858D+“ Moppel für 40€.

von Harald A. (embedded)


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Apropos Vorheizen: Auch geringere Temperaturen auf der Vorheizplatte 
ergeben durch aus Sinn, z.B. wenn doppelseitig bestückt ist. Ich habe 
auch schon mal bei besonders verbauter Situation eine weitere Person von 
unten mit einer weiteren Heißluftquelle vorheizen lassen.

Und ja, es kann auch ganz ohne Vorheizen funktionieren, es kommt immer 
drauf an, wie die Wärme am gewünschten Punkt ankommt oder eben 
anderweitig verteilt wird.

von Manfred (Gast)


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Harald A. schrieb:
> Die Quick 861DW ist absolut in Ordnung, die hat genug Power. Mit „zu
> klein“ meinte ich diesen „858D+“ Moppel für 40€.

Hier steht die bekannte ZD-939L auf dem Tisch, die mir direkt alles von 
der Platine geblasen hat. Wärmeleistung hat sie genug, aber meistens 
dürfte es etwas weniger Luft sein:

https://hobbyelektronik.org/w/index.php/K%C3%BChlung_f%C3%BCr_Zhongdi_ZD-939L

von Mitleser (Gast)


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Arbeitsfeld ringsherum mit Kapton-Klebeband abkleben.
Von unten vorheizen 120-150 Grad.
Von oben Warmluft gezielt auf das Bauteil.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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FR4 Platinenmaterial sollte die Hitze eigentlich aushalten. Ich habe so 
ein TQFP144 ausgelötet. Alle 144 Pins dick mit Lötzinn gefüllt und von 
oben mit dem Heißluftfön gepustet. Den hatte ich an einem Bohrständer 
befestigt. Mitten auf dem IC eine quadratische Epoxy-Platine, dann 
bekommen die Pins das meiste ab. Mit einem Spatel konnte ich das IC 
wegschubsen.

von Olaf (Gast)


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> FR4 Platinenmaterial sollte die Hitze eigentlich aushalten.

Es wird schon etwas weicher. Besonders wenn man lange nachheizen muss 
wenn viel Waerme ins Kupfer fliesst. Es haengt halt sehr von der Platine 
und dem Bauteil ab. Wenn es etwas mit exposed Pad auf einer Platine mit 
guter Waermeableitung ist dann wird man eine Vorwaermeplatte (bei mir 
altes Buegeleisen) brauchen. Bei sehr vielen anderen Platinen geht es 
auch einfach so.

Olaf

von Tim (tb01)


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ok, wenn man vorheizen möchte und kein Bügeleisen o. Ä. nehmen möchte, 
was könnte man anschaffen? Was man am besten auch noch für andere Sachen 
verwenden kann...

Gibt es zu dem Kapton-Klebeband auch noch Alternativen?

Was kann man außer Bismut noch verwenden, um die Schmelztemp. 
herunterzubekommen?

von Teo D. (teoderix)


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Tim schrieb:
> ok, wenn man vorheizen möchte und kein Bügeleisen o. Ä. nehmen möchte,
> was könnte man anschaffen? Was man am besten auch noch für andere Sachen
> verwenden kann...

Toaster/Herdplatte .... Da würd ich aber erstmal 1-2 dutzendmal üben. ;)

Tim schrieb:
> Gibt es zu dem Kapton-Klebeband auch noch Alternativen?

Alufoliesat, dann wird das schon stabil genug... hoffe ich.
Also ne, nicht das ich wüste.

Tim schrieb:
> Was kann man außer Bismut noch verwenden, um die Schmelztemp.
> herunterzubekommen?

Nichts und so wirklich kann das ja nicht funktionieren, das alte Lot 
muss ja erstmal schmelzen, damit es sich mischen kann.
Bismut-Lot kann dir nur wirklich, beim anbringen der neuen Buchse 
helfen.

von Eichenknicker (Gast)


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Tim schrieb:
> Bin auf eure Ideen gespannt.

Zu bequem sich profesionell ausbilden zu lassen?

Schau dir mal auf ner Messe ne reworkstation an. Da wird von unten 
vorgeheizt, von oben gibts eine Heissluft Dusche aus ne 
Platzlimitierenden Düse und dann wird mit ner unterdruckpipette das 
Bauteil abgezogen.

Und wenn man Wert auf rework der Buchs legt hat man beim PCB-Design 
schon KeepOut vorgesehen. Aber da Komplettwechsel heute günstiger ist 
als Rework ...

von Uli S. (uli12us)


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Auf Duröhre gibts Filme, da entfernt jemand die Bauteile mit 
Quecksilber, das funzt fast ohne Temperaturerhöhung. Achtung, auf keinen 
Fall nachmachen. Die Dämpfe sind hochgiftig. Zu der Zeit, wo man das 
noch zum Fotografieren brauchte haben auf die Methode viele Fotografen 
ihr Leben vorzeitig beendet.
Es geht auch ohne Gebläse, es gibt Vorheizplatten mit nem drüber 
angeordneten Infrarotgrill. Da lässt sich bei einigen sogar der Bereich 
der erwärmt wird, schön begrenzen. Alternativ könnte man einen 
KFZ-Zigarettenanzünder verwenden.
Muss man sich halt was überlegen, wie man das Teil passend überm Bauteil 
plaziert.

: Bearbeitet durch User
von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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>Was kann man außer Bismut noch verwenden

Drewanz hatte in den letzten Jahren einen Stand auf der Weinheimer 
UKW-Tagung:
https://rexin-loettechnik.de/universal-lot_118.php

Universal-Lot 118 - d = 1,0 mm
Niedrig-Temperatur-Lot mit Indium ohne Blei ohne Cadmium ohne Bismut 
ohne Zink
Schmelztemperatur : 118° C ( Solidus 118° C, Liquidus 118° C)
Zugfestigkeit : 25 N/mm²
Durchmesser : 1,0 mm
Arbeitstemperatur : 170 °C

Aber das hilft wie schon gesagt wurde nur zum Einlöten nicht zum 
Auslöten.

von olaf (Gast)


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> Bismut-Lot kann dir nur wirklich, beim anbringen der neuen Buchse
> helfen.

Ich frag mich ob die Leute die sowas propagieren das schon mal selber
gemacht haben oder nur Internet nachplappern.

Ich hab hier eine Rolle Wismuthaltiges Loetzinn mit 165Grad Schmelzpunkt
das ich mal in einem Elektronikgeschaeft in Tokyo abgegriffen habe und 
auch
einen Tube Alpha OM-520 (42Sn, 57.6Bi,0.4Ag). Das mag ja fuer 
irgendwelche exotischen Spezialaufgaben sinnvoll sein. Aber loeten damit 
ist erstmal ganz grosse Kacke weil das Zeug ein sehr schlechte 
Fliessverhalten hat.
Freiwillig wuerde ich das nicht verwenden.

Olaf

von Harald A. (embedded)


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Tim schrieb:
> Was kann man außer Bismut noch verwenden, um die Schmelztemp.
> herunterzubekommen?

ChipQuick, gibt es bei sogar bei Amazon. Am Ende auch ein Bismuthlot , 
aber eben fertig für Endanwender. Kann man auch schön an der Lötstelle 
beimengen für besonders hartnäckige Fälle, z.B. Buchsen mit vielen Pins, 
die viel Wärme abführen.

Gibt auch schöne Videos über ChipQuick, es ist wirklich so einfach wie 
es dort gezeigt wird.

von Tim (tb01)


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Eichenknicker schrieb:
> Tim schrieb:
>> Bin auf eure Ideen gespannt.
>
> Zu bequem sich profesionell ausbilden zu lassen?
>

Also um ehrlich zu sein würde ich das sehr gerne machen. Ich habe dazu 
in den vergangenen Monaten bereits im Internet gesucht, aber nicht das 
für mich passende gefunden.

Ich habe sogar verschiedenen Annoncen diesbezüglich aufgegeben.

Im Internet habe ich zwar Firmen gefunden, die sowas anbieten. Aber ich 
fand den Gewinn den die damit machen vergleichsweise viel zu groß.

Ausserdem denke ich, dass vielleicht eine Einzelschulung (also nur ich 
und der Lehrer sozusagen) am Besten geeignet wäre.

Ich wohne im Großraum Hannover / Braunschweig und wäre auch bereit, nach 
Hamburg, Berlin oder ins Ruhrgebiet zu fahren. Kann das immer mit 
anderen Dingen dann verbinden und komme sowieso sehr viel rum.

Mir war bisher nicht bewusst, dass meine Fragen stören könnten. Ganz im 
Gegenteil, mir hatte bis zu der zitierten Nachricht jedenfalls die 
Unterhaltung sehr gut gefallen. Die Leute haben sich ja auch 
untereinander ausgetauscht.

: Bearbeitet durch User
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