Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik MOSFET kurzzeitig zu viel Strom


von Bob E. (embedded_bob)


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Hallo zusammen,
ich würde gerne eine H-Brücke zur Ansteuerung von einem Motor verwenden. 
Der Motor zieht für etwa 20ms 22A. Meine Frage: Kann ich die MOSFET der 
H-Brücke "unterdimensionieren", z.B. Id(max) = 15A?
Da der Strom nur sehr kurz fließt und dann längere Zeit nicht mehr 
dachte ich wäre es evtl. kein Problem.
Wie seht ihr das?
Danke vorab,
Bob

: Verschoben durch Moderator
von Sascha S. (dec)


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Hallo,

was meint das SOA Diagramm deines Mosfets dazu?

Grüße

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Bob E. schrieb:
> Wie seht ihr das?
Wenn dieser Wert bei den Absolute Maximum Ratings steht und damit der 
"maximale Maximalwert" 15A ist, dann ist das eigentlich schon eine klare 
Aussage.

Aber du kannst dir natürlich auch noch die SOA des unbekannten Mosfets 
näher ansehen:
- 
https://www.analog-praxis.de/mosfet-datenblaetter-richtig-lesen-angaben-zum-impulsstrom-teil-4-a-786960/

Dazu solltest du dann aber auch für die nötige Kühlung sorgen. Denn 
diese zusätzliche Puls-Energie muss erst mal im Mosfet eingelagert und 
dann an den KK abgegeben werden können.

: Bearbeitet durch Moderator
von Ulf L. (ulf_l)


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22 ms ist für Mosfets meißt schon recht nahe am DC-Betrieb. Aber wie 
schon geschrieben, genau erfährt man es am besten aus dem Datenblatt.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Ulf L. schrieb:
> 22 ms ist für Mosfets meißt schon recht nahe am DC-Betrieb.
Und eines Tages schafft es der Motor "aus Gründe" nicht mehr, in 20ms 
anzulaufen, sondern er braucht 100ms dafür.

Oder der Motor wird ganz einfach irgendwie blockiert. Dann fließt der 
hohe Strom ebenfalls. Dauerhaft.

Wenn schon, dann sollte man den Motorstrom überwadchen und mit einer 
PWM-dafür sorgen, dass er im Bereich des Erlaubten bleibt und reduziert 
wird, wenn es knapp hergeht.

Aber vermutlich ist es billiger und einfacher, vernünftige Mosfets dafür 
zu nehmen. Und eben nicht versuchen, irgendwelche spannungs- und 
strommäßig völlig unterdimensionierten SOT23-Bauteile bis aufs Blut 
auszureizen.

: Bearbeitet durch Moderator
von Michael B. (laberkopp)


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Bob E. schrieb:
> ich die MOSFET der H-Brücke "unterdimensionieren", z.B. Id(max) = 15A?

Nein.
20ms sind eine Ewigkeit für Elektronik.
Die meisten SOA Diagramme sagen nur was zu 10, 1, 0.1ms.

Du kannst in deiner H-Brücke den Strom messen und bei Erreichen von 15A 
in Mikrosekunden für z.B. Millisekunden abschalten.
So bekommt der Motor weniger Anlaufstrom, zum Anlaufen wird es aber 
immer noch reichen, und du schützt deine Elektronik.

Bei sattem Kurzschluss ist aber die Stromanstiegsgeschwindigkeit zu 
gross, da reicht es nicht in us abzuschalten.

von M. K. (sylaina)


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Bob E. schrieb:
> Wie seht ihr das?

Keine Reserve, kein Mitleid. Wusste nicht, dass es an der 
Stromtragfähigkeit heutiger Mosfets so mangelt, dass man ernsthaft 
drüber nachdenkt einen FET gezielt zu überlasten. Ganz ehrlich, 22A sind 
doch nichts. Ist dir die Aufgabe, einen passende FET heraus zu suchen 
mit den Filterfunktionen einschlägiger Distributorenseiten, jetzt zu 
leicht oder wie?

von Peter K. (Gast)


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vermutlich kein Problem, ABER das hängt von der gewünschten zu 
erwartenden Lebensdauer ab.
Da du aber gezielt überlasten willst, geht es vermutlich nicht darum, 
dass das Gerät länger als 10 Jahre halten soll

von Sebastian S. (dsebastian)


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Peter K. schrieb:
> vermutlich kein Problem, ABER das hängt von der gewünschten zu
> erwartenden Lebensdauer ab.
> Da du aber gezielt überlasten willst, geht es vermutlich nicht darum,
> dass das Gerät länger als 10 Jahre halten soll

Also ich lese die SOA=Diagramme eher so, dass innerhalb der SOA das 
Bauteil wie spezifiziert funktioniert und heile bleibt. Und knapp 
außerhalb steht da schon ein fettes vielleicht, und etwas weiter weg ein 
unmißverständliches kaputt.

von Stephan (stephan_h623)


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Sebastian S. schrieb:
> Also ich lese die SOA=Diagramme eher so, dass innerhalb der SOA das
> Bauteil wie spezifiziert funktioniert und heile bleibt. Und knapp
> außerhalb steht da schon ein fettes vielleicht, und etwas weiter weg ein
> unmißverständliches kaputt.

Richtig.
Allerdings ist die SOA oft für praktisch nicht erreichbare 
Randbedingungen spezifiziert.
Und für die Schaltvorgänge liegen meistens auch keine exakten Daten vor. 
Also lieber ein Stück vom Limit wegbleiben.

Und Id(max) ist da auch reichlich vager Wert. Fehlen mindestens die 
Randbedingungen: Temperatur, ob Ta/Tc, Peak/Continuous, ...
Und teilweise gibt es dann noch versteckt nen weiteren Max-Wert mit 
Fußnote "Case Limit".

von Falk B. (falk)


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Es gibt zwei solide Möglichkeiten, so ein Problem zu lösen.

1.) Die H-Brücke und deren MOSFETs wird so dimensioniert, daß sie den 
BLOCKIERSTROM = Anlaufstrom des Motors DAUERHAFT aushält.
2.) Die H-Brücke bekommt eine schnelle Stromregelung per PWM. D.h. sie 
erkennt einen Überstrom deutlich unterhalb einer PWM-Periode und 
schaltet die PWM dann kurzzeitig bis zur nächsten Periode ab. Dann kann 
man die MOSFETs deutlich kleiner dimensionieren, weil der Anlauf- und 
Blockierstrom nie erreicht wird. Dann ist aber auch kurzfristig weniger 
Drehmoment vorhanden.

von Stefan F. (Gast)


Angehängte Dateien:

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Als Beispiel nehme ich mal den IRL3705.

Er verträgt die 89 Ampere nur bei 25°C. Diese Bedingung einzuhalten 
erfordert aber extreme Kühl-Maßnahmen weil man ja schon von 40°C 
Umgebungstemperatur ausgehen muss. Dazu kommt die Eigenerwärmung des 
Transistors.

Der "Pulsed Drain Current" gilt nur für den Bruchteil einer 
Millisekunde.

von Peter D. (peda)


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Bob E. schrieb:
> Kann ich die MOSFET der
> H-Brücke "unterdimensionieren", z.B. Id(max) = 15A?

Warum sollte man sowas tun?
Ein knapper MOSFET hat einen hohen RDSON, d.h. man braucht einen großen 
Kühlkörper.
Ich dimensioniere MOSFETs immer fett über, dann fällt nur wenig Leistung 
ab. Oft reicht die Kühlung über die Platine aus und man spart sich den 
teuren Kühlkörper. Ein Kühlkörper bedeutet auch einen hohen 
Montageaufwand, d.h. die Fertigungskosten steigen. Die wegzukühlende 
Leistung belastet auch das Netzteil zusätzlich.
In einer Anwendung mit max 6A setze ich einen MOSFET für 60A Dauerstrom 
ein.

von Harald W. (wilhelms)


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M. K. schrieb:

> dass man ernsthaft drüber nachdenkt einen FET gezielt zu überlasten.

Nunja, das passt doch zu der heute üblichen Tendenz, das Geräte
nur 24 Monate plus 1 halten. Dann ist die Garantie abgelaufen,
und der Kunde muss ein neues Gerät kaufen.

von Sebastian S. (dsebastian)


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Stephan schrieb:
>
> Allerdings ist die SOA oft für praktisch nicht erreichbare
> Randbedingungen spezifiziert.
> Und für die Schaltvorgänge liegen meistens auch keine exakten Daten vor.
> Also lieber ein Stück vom Limit wegbleiben.
>

Ich hatte vor kurzen ein Bericht in der Hand (aber jetzt gerade nicht 
zur Hand), in dem ein Hersteller sein Vorgehen bei der Ermittlung der 
SOA darlegte. Letztendlich eine Mischung aus Berechnungen, Messungen 
(oft nicht zerstörungsfrei) und Begradigungen, damit das SOA - Diagramm 
so aussieht wie es aussieht. Was darüberhinaus geht ist eben 
„vielleicht“ oder „kaputt“.
Das zudem die Bedingungen, für die das SOA-Diagramm angegeben, recht 
ideal sind führt, das man das nicht blind zur Auslegung verwenden 
sollte. Einverstanden.

Somit, für den TO, zwei handfeste Gründe den MOSFET nicht(!) 
unterzudimensionieren.

von Harald W. (wilhelms)


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Peter D. schrieb:

> Ich dimensioniere MOSFETs immer fett über, dann fällt nur wenig Leistung
> ab.

Das klappt aber nicht immer, weil "fette" Fets
meist auch fette Gatekapazitäten haben und des-
halb auch "fette" Gatetreiber benötigen, damit
sie schnell genug schalten.

von M. K. (sylaina)


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Harald W. schrieb:
> Das klappt aber nicht immer, weil "fette" Fets
> meist auch fette Gatekapazitäten haben und des-
> halb auch "fette" Gatetreiber benötigen, damit
> sie schnell genug schalten.

Man muss natürlich auch das bedenken. Es ist halt meist komplexer, als 
man zunächst denkt ;)

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Harald W. schrieb:
> damit sie schnell genug schalten.
Das dürfte hier eher kein Problem sein, weil die Brücke offenbar nur 
statisch geschaltet und nicht mit hoher PWM-Frequenz getaktet wird.

von Peter D. (peda)


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Peter D. schrieb:
> In einer Anwendung mit max 6A setze ich einen MOSFET für 60A Dauerstrom
> ein.

Ich hab nochmal nachgeschaut. Ich hab den PSMN4R0-30YLDX für 95A 
verwendet.
RDSON ist typisch 3.4mΩ, d.h. bei 6A fallen 20mV ab und ich muß nur 
120mW wegkühlen. Mit 0,84€ ist er auch nicht zu teuer.

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