Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug Werkstoffkunde verpasst?


von Thomas R. (thomasr)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Diese Spenglerschrauben waren bei einer PV Installation dabei und wurden 
nicht benötigt. Ich wollte die schon entsorgen, war dann aber doch 
neugierig aus welchem Material die denn wären.

Zu meinem Erstaunen sind die Köpfe komplett unmagnetisch („Edelstahl“), 
das „Gewinde“ jedoch magnetisch und ziemlich hart 😳

Sind da zwei Werkstoffe kaltverschweißt oder kann man bestimmte 
nichtrostende Stähle teilweise härten und dadurch im Gefüge magnetisch 
machen?

von Thomas B. (thombde)


Lesenswert?

Thomas R. schrieb:
> Zu meinem Erstaunen sind die Köpfe komplett unmagnetisch („Edelstahl“),
> das „Gewinde“ jedoch magnetisch und ziemlich hart 😳

Wie läst sich das bei einer so kurzen Schraube feststellen?

Naja, gibt es schon.
Gilt nicht als Edelstahl, aber ist hoch legiert.
2085/2083
Läst sich auch härten.
Aber scheiße zu bearbeiten.

: Bearbeitet durch User
von C. D. (derschmied)


Lesenswert?

Thomas R. schrieb:
> Sind da zwei Werkstoffe kaltverschweißt oder kann man bestimmte
> nichtrostende Stähle teilweise härten und dadurch im Gefüge magnetisch
> machen?

Ist mir in der Kombination noch nicht untergekommen / aufgefallen.

Grundsätzlich gibt es eine ganze Reihe an "edlen" Stählen, die wenigsten 
davon sind nichtrostende Legierungen. Und selbst bei diesen gibt es noch 
welche die ferromagnetisch sind, und andere wieder nicht. Geh mal mit 
dem Magnet durch die Küchenschubladen, aller Wahrscheinlichkeit findest 
Du wovon ich schreibe.

Härtbar sind wiederum nur Stähle mit einem mindestgehalt an Kohlenstoff, 
dessen Anteil man in nichtrostenden Stählen eher gering halten möchte.

Nun haben aber Schrauben aus nichtrostenden Stahl die unangenehme 
Eigenschaft sich zu "fressen", dh beim Einschrauben findet eine 
Kaltverschweißung statt. Dreht man trotzdem am Kopf weiter hat man ihn 
schnell in der Hand, oder das Gewinde reist völlig aus.

Schrauben kommen zunehmend aus Fernost, und kein Aas weiß aus welcher 
Legierung und mit welcher Methode sie hergestellt wurden. Vorstellbar 
ist aber durchaus dass durch Reibschweißen oä ein rostfreier Kopf auf 
eine härtbare Schraube aufgebracht wurde.

Werde da mal meine Rüssel hineinstecken, ad hoc habe ich keine Erklärung 
parat. Werd morgen in meinem Fundus wühlen und prüfen, hab etliche 
Pakete solcher mit Bohrspitze. Laut Aufdruck rostfrei....

Gruß, DerSchmied

: Bearbeitet durch User
von Thomas R. (thomasr)


Lesenswert?

Danke, dann bin ich nicht der einzig neugierige👍😎

von Thomas R. (thomasr)


Lesenswert?

C. D. schrieb:
>
> Nun haben aber Schrauben aus nichtrostenden Stahl die unangenehme
> Eigenschaft sich zu "fressen", dh beim Einschrauben findet eine
> Kaltverschweißung statt. Dreht man trotzdem am Kopf weiter hat man ihn
> schnell in der Hand, oder das Gewinde reist völlig aus.
>
Jo, kenne ich gut; Molykote Paste ist dein Freund😎

von C. D. (derschmied)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Aaalso...:

Die Schrauben auf dem Bild sind von Würth, Ausführung in V2A, Hersteller 
unbekannt...

Habe heute morgen am Schleifbock eine Funkenprobe genommen, und siehe 
da: Die Schraube selbst sprüht wie eine Wunderkerze, der Kopf hingegen 
so gut wie gar nicht. Ergo: zweierlei Materialien, der Kopf hat kaum 
Kohlenstoff, also der tatsächlich rostfreie Teil. Die Legierung der 
Schraube selbst - keine Ahnung. Aber bretthart, weil Bohrspitze.

Der Magnettest zeigt das selbe Resultat wie bei Dir, Gewindeteil 
magnetisch, der Kopf nicht. Es sind also in der Tat aus zwei Teilen 
zusammengesetze Schrauben, was auch den exorbitant hohen Preis erklärt, 
da ziehts einem die Schuhe aus.

Silbrig beschichtet sind sie wie Deine auch, ich vermute einen 
galvanischen Zinküberzug um eine einheitliche Oberfläche zu erzeugen.

Wird Dir auch nicht viel weiterhelfen, aber zumindest meine Neugierde 
ist erstmal befriedigt. Wieder was gelernt.

Gruß, DerSchmied

von Jack V. (jackv)


Lesenswert?

C. D. schrieb:
> Silbrig beschichtet sind sie wie Deine auch, ich vermute einen
> galvanischen Zinküberzug um eine einheitliche Oberfläche zu erzeugen.

Hast du etwas Salzsäure im Haus? Damit ließe sich eine Zinkschicht 
entfernen – vielleicht erkennt man dann mehr?

von C. D. (derschmied)


Lesenswert?

Jack V. schrieb:
> Hast du etwas Salzsäure im Haus? Damit ließe sich eine Zinkschicht
> entfernen – vielleicht erkennt man dann mehr?

Im Haus nicht, aber in meiner Giftküche auf der Arbeit.  Hähäha...

Guter Tipp, Werd ich testen. Melde mich.
Gruß, DerSchmied

: Bearbeitet durch User
von Frere J. (frere_jacques)


Lesenswert?

Aus der kleinen Werkstoffkunde...

Wird Edelstahl durch Umformen mit großer Krafteinwirkung in Form 
gebracht, so besteht immer die Möglichkeit, dass sich in dem umgeformten 
Bereich die Gefügestruktur verändert. Normalerweise handelt es sich bei 
dem genannten Edelstahl um einen Austenitischen Stahl. Austenitischer 
Stahl ist nicht magnetisch. Wird ein Teil also umgeformt, so kann es in 
diesem Bereich zu einer Gefügeänderung kommen und die Struktur geht von 
einem Austenit in einen Martensit über. Da Martensitischer Stahl 
magnetisch ist, haben wir nun einen Edelstahl der magnetisch, aber nicht 
unrein ist. Es ändert jedoch nicht das komplette Teil seine 
Gefügestruktur, sondern nur der Bereich in dem die Krafteinwirkung 
stattgefunden hat.

von Tobias S. (tobias_s)


Lesenswert?


: Bearbeitet durch User
von C. D. (derschmied)


Lesenswert?

Frere J. schrieb:
> Aus der kleinen Werkstoffkunde...
> Wird Edelstahl durch Umformen mit großer Krafteinwirkung in Form
> gebracht, so besteht immer die Möglichkeit, dass sich in dem umgeformten
> Bereich die Gefügestruktur verändert.

Soso. Und welcher Teil der Schraube wurde nun NICHT umgeformt?

Guck mal aufs Foto, bemühe YouTube, kombiniere das mit Kohlenstoff, und 
vergiß den Denkansatz...

Gruß, DerSchmied

: Bearbeitet durch User
von Frere J. (frere_jacques)


Lesenswert?

C. D. schrieb:
> Soso. Und welcher Teil der Schraube wurde nun NICHT umgeformt?
>
> Guck mal aufs Foto, bemühe YouTube, kombiniere das mit Kohlenstoff, und
> vergiß den Denkansatz...

Mal abgesehen davon, dass tobias_s mit der Bimetallschraube hier 
ziemlich sicher die beste Erklärung gegeben hat, spielt der Grad der 
Verformung bezüglicher der resultierenden Gefügeveränderung eine große 
Rolle. Und der ist im Kopfbereich geringer als am Gewindeteil, würde ich 
mal behaupten.
Werde das morgen spaßeshalber mal in der Werkstatt ausprobieren. Von 
wegen Denkansatz vergessen ;)

von C. D. (derschmied)


Lesenswert?

Frere J. schrieb:
> Und der ist im Kopfbereich geringer als am Gewindeteil, würde ich mal
> behaupten.

Guck Dir auf meinem Bild mal die Bohrspitze an, oder die auf dem des TO, 
mehr durchkneten geht kaum noch.

Gefügeveränderung hin oder her, die ändert nichts an C-Gehalt. Mach mal 
die Funkenprobe, das sind definitiv zweierlei Stähle.

Gruß, DerSchmied

von Frere J. (frere_jacques)


Lesenswert?

C. D. schrieb:
> Guck Dir auf meinem Bild mal die Bohrspitze an, oder die auf dem des TO,
> mehr durchkneten geht kaum noch.

sag ich doch...

von C. D. (derschmied)


Lesenswert?

Frere J. schrieb:
> sag ich doch...

...ausgehend vom üblichen Draht als Rohling nimmt sich das nicht viel, 
ob nun Kopf oder der Gewindeteil; Umgeformt wird beiderlei.

Das kann also nicht des Rätsels Lösung sein.

Gruß, DerSchmied

von Enrico E. (pussy_brauser)


Lesenswert?

C. D. schrieb:
> Und welcher Teil der Schraube wurde nun NICHT umgeformt?

Wenn die Schraube aus zwei verschiedenen Materialien bestünde, dann 
würde der Schraubenkopf beim festziehen der Schraube abreißen.

Schleif die Schraube doch mal am Schleifstein in Längsrichtung bis zur 
Hälfte ab, dann müsste man auf dem Schliffbild eine Trennfuge zwischen 
Kopf und Gewinde erkennen können.

Durch das Erwärmen beim Schleifen, dürfte der Kopf jetzt ebenfalls 
ferromagnetisch geworden sein. Das Gewinde wurde entweder angeschnitten 
oder angewalzt. Beides führt zu einer Erwärmung des Gewindes und somit 
zu einer Gefügeveränderung, die den Gewindeteil dann ferromagnetisch 
machen.

Ich gebe zu bedenken, dass es mehrere Sorten von Chrom-Nickel (V2A) 
Stählen gibt: Minderwertigere magnetische und hochwertigere 
unmagnetische Chrom-Nickel Legierungen.

von C. D. (derschmied)


Lesenswert?

Enrico E. schrieb:
> Ich gebe zu bedenken, dass es mehrere Sorten von Chrom-Nickel (V2A)
> Stählen gibt: Minderwertigere magnetische und hochwertigere
> unmagnetische Chrom-Nickel Legierungen.

Nö. Ferromagnetisch oder nicht ist kein Qualitätsmerkmal. Vgl. gute 
Küchenmesser, hängt vom Einsatzzweck alleine ab.

Enrico E. schrieb:
> Das Gewinde wurde entweder angeschnitten oder angewalzt.

Nö. Ersteres in der Massenproduktion ganz sicher nicht.

Enrico E. schrieb:
> Beides führt zu einer Erwärmung des Gewindes und somit zu einer
> Gefügeveränderung, die den Gewindeteil dann ferromagnetisch machen.

Nö. Auch der Kopf wird aufgestaucht und guuut warm.

Enrico E. schrieb:
> Wenn die Schraube aus zwei verschiedenen Materialien bestünde, dann
> würde der Schraubenkopf beim festziehen der Schraube abreißen.

Nö. Man muß es nur richtig machen.

Enrico E. schrieb:
> Beides führt zu einer Erwärmung des Gewindes und somit zu einer
> Gefügeveränderung, die den Gewindeteil dann ferromagnetisch machen.

Nö. Dann wären alle VA-Schrauben ferromagnetisch.

Enrico E. schrieb:
> Schleif die Schraube doch mal am Schleifstein in Längsrichtung bis zur
> Hälfte ab, dann müsste man auf dem Schliffbild eine Trennfuge zwischen
> Kopf und Gewinde erkennen können.

Nö. Ohne Ätzen mit bloßem Auge nicht erkennbar.

Und nein, Gefügeveränderung ändert nichts am C-Gehalt (Funkenprobe)

Nichts für ungut,

Gruß, DerSchmied

: Bearbeitet durch User
von Enrico E. (pussy_brauser)


Lesenswert?

C. D. schrieb:
> Nö. Nö. Nö. Nö. Nö. Und nochmal Nö.

6 mal Nö! Na gut, ich würde sagen, wir beide sprechen uns morgen in 
gewohnter Frische wieder und dann gilt folgendes Sprichwort:

Wer zuletzt lacht, lacht als letztes.

von C. D. (derschmied)


Lesenswert?

Frere J. schrieb:
> Werde das morgen spaßeshalber mal in der Werkstatt ausprobieren.

Na, Bruder Jakob, Ergebnis?

Enrico E. schrieb:
> Wer zuletzt lacht, lacht als letztes.

Hat was von der weiten Prärie Nordamerikas hier, außer rollender Büsche 
nichts mehr los.

Gruß, DerSchmied

: Bearbeitet durch User
Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.