Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Definition Einschaltstromdauer


von Felix (felix001)


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Guten Tag,

meine Aufgabe besteht darin, die Höhe und Dauer des Einschaltstromes 
eines elektronischen Gerätes zu bestimmen. Der Hintergrund ist, dass 
diese Informationen benötigt werden, um eine Sicherung auszulegen. In 
den Datenblättern von Sicherungen sind oft Strom-Zeit-Kennlinien 
angegeben, die angeben, wie lange die Sicherung einem bestimmten Strom 
standhalten kann.

Wie die Höhe des Einschaltstroms gemessen werden kann, ist mir bekannt. 
Meine Frage bezieht sich auf die Dauer des Einschaltstroms. Um diese 
messen zu können, muss ich zunächst wissen, was ich messen möchte. Gibt 
es eine allgemein anerkannte Definition für die Dauer des 
Einschaltstroms?

Wenn es keine solche gibt, muss ich eine eigene Definition aufstellen. 
Gibt es Vorschläge, wie die Dauer des Einschaltstroms sinnvoll definiert 
werden könnte?

Liebe Grüße
Felix

von Harald K. (kirnbichler)


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Sieh Dir den Verlauf der Stromaufnahme über die Zeit an. Wenn der Strom 
beim Einschalten einfach nur auf einen bestimmten Wert ansteigt, und 
sich dann nicht mehr verändert, dann gibt es keine Einschaltstromdauer.

Steigt der Strom aber beim Einschalten auf einen bestimmten Wert an, um 
dann auf einen anderen, dauerhaft beibehaltenen Wert abzufallen, dann 
gibt es eine Einschaltstromdauer, nämlich die Dauer der erhöhten 
Stromaufnahme.

So etwas hat man beispielsweise bei Motoren, solange die Solldrehzahl 
nicht erreicht ist, nimmt der Motor mehr Strom auf als er benötigt, um 
die Drehzahl zu halten.

Hier sieht man so etwas am Beispiel einer Festplatte:

http://209.68.14.80/ref/hdd/op/z_seagate_12Vprofile.gif

(Quelle: http://209.68.14.80/ref/hdd/op/spinPower-c.html)

von Peter D. (peda)


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Felix schrieb:
> Gibt
> es eine allgemein anerkannte Definition für die Dauer des
> Einschaltstroms?

Nein.
Hängt sehr von der Geräteart ab (Glühlampe, Motor, Trafonetzteil, 
Schaltnetzteil usw.).

: Bearbeitet durch User
von Klaus H. (hildek)


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Peter D. schrieb:
> Nein.

Ich denke, man kann schon die von Harald K. genannte Ausführung als 
Basis nehmen.
Der TO will ja nicht eine allgemeine Aussage über den Wert und die Dauer 
von erhöhten Einschaltströmen sondern, wie ich es verstehe, für sein 
Gerät bestimmen, wie lange der Strom erhöht ist um die passende 
Sicherung auszulegen. Dann den i²t-Wert bestimmen und mit der 
Sicherungspezifikation vergleichen.
Klar, dass jede Last hier einen eigenen Wert liefert.

von Felix (felix001)


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Ja, ich interessiere mich für eine Methode, um zu bestimmen, wie lange 
der Strom erhöht ist.

Ich bin soeben auf folgendes White Paper gestoßen: 
https://www.evg.de/media/images/content/pdf/Auswahl-Sicherung-DE.pdf 
Dort wird eine Zeitwert τ bestimmt, bei dem der Strom 37 % des 
Spitzenwertes erreicht hat. Der I2t-Wert mit dann mit folgender Formel 
berechnet werden:

Anbei ist ein Screenshot des Einschaltstromes in meinem Fall (CH1: 
Spannung über 200 mΩ Shunt-Widerstand, CH2: Am System anliegende 
Spannung) Wie man leicht erkennen kann, handelt es sich nicht um eine 
exponentielle Kurve wie im White Paper, sondern um eine kompliziertere 
Kurve. Daher kann ich die 37 %-Grenze nicht einfach auf meinen Fall 
übertragen. Gibt es eine Möglichkeit, einen solchen Zeitwert für diesen 
Fall zu bestimmen?

von Harald K. (kirnbichler)


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Mich würde der Nulldurchgang auf Kanal1 irgendwie beunruhigen.

von Klaus H. (hildek)


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Felix schrieb:
> ... sondern um eine kompliziertere Kurve.
Tu doch einfach so, als ob die Kurve den exponentiellen Verlauf bis zum 
Anfang hatte - als worst case Betrachtung - und berechne nach deinem 
geposteten Papier von schurter.com.

Harald K. schrieb:
> Mich würde der Nulldurchgang auf Kanal1 irgendwie beunruhigen.
Der TO hat nichts gesagt zur Art, wie er einschaltet. Kontaktprellen 
vielleicht? Dazu könnten die 20µs/div doch passen.

Vielleicht hat auch deshalb die Kurve den nicht erwarteten Verlauf.

von Felix (felix001)


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Klaus H. schrieb:

> Der TO hat nichts gesagt zur Art, wie er einschaltet. Kontaktprellen
> vielleicht? Dazu könnten die 20µs/div doch passen.

Ich habe einen elektronischen Schalter verwendet. Der Nulldurchgang ist 
zudem reproduzierbar. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass es sich um 
Prellen handelt. Eine Erklärung habe ich allerdings nicht.

von Klaus H. (hildek)


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Felix schrieb:
> Eine Erklärung habe ich allerdings nicht.

Dann sind irgendwo noch L und C beteiligt.

von Klaus R. (klara)


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Felix schrieb:
> Ich bin soeben auf folgendes White Paper gestoßen:
> https://www.evg.de/media/images/content/pdf/Auswahl-Sicherung-DE.pdf
> Dort wird eine Zeitwert τ bestimmt, bei dem der Strom 37 % des
> Spitzenwertes erreicht hat.

Ja und was sagt uns der Artikel?
Eine Stromspitze von 13 A hat bei 37% einen Wert von 4,81 A. Im Diagramm 
werden 5,4 A bei 6 ms ausgewiesen. Der Text passt nicht zum Diagramm.

Dies Diagramm ist die klassische Ausschaltfunktion eine Kondensators. 
Bei 37% hat man Tau erreicht. Solch eine Funktion gibt es auch bei 
Induktivitäten.
mfg klaus

von Manfred P. (pruckelfred)


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Felix schrieb:
> Spannung über 200 mΩ Shunt-Widerstand,

Felix schrieb:
> Ich habe einen elektronischen Schalter verwendet.

Ich mache mir Gedanken über deren Einfluß: Bei 5V Speisung und 0,2 Ohm 
können maximal 25 Ampere fließen.

Auf dem Scope 7,4 Volt an 0,2 Ohm gibt 37 Ampere, dazu der negative 
Überschwinger - ich bezweifele den Meßaufbau insgesamt.

von Klaus R. (klara)


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Manfred P. schrieb:
> Ich mache mir Gedanken über deren Einfluß: Bei 5V Speisung und 0,2 Ohm
> können maximal 25 Ampere fließen.

Wenn das die Quelle hergibt.
mfg Klaus

von Manfred P. (pruckelfred)


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Klaus R. schrieb:
> Wenn das die Quelle hergibt.

Ein weiterer Punkt auf meiner Bedenkenliste.

von Sebastian S. (amateur)


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Da ist nichts definiert.
Weder die Höhe des maximalen Stroms noch die Dauer bis zu dessen 
Stabilisierung noch die Form einer eventuellen Kurve.

Das ist vollständig vom gegebenen System abhängig. Meist von der Last im 
Anlaufzeitpunkt. Also von fast Null bis zu mehreren Minuten.

Die Gruppe Deep Purple hat mal das Geräusch eines anlaufenden Lüfters in 
den Beginn eines Stückes integriert. Der brauchte mehrere Sekunden bis 
er in die Gänge kam.

Auch kann es recht Stufig zugehen, wenn z.B. bei Geräten die unter 
Volllast anlaufen, eine Stern-/Dreieck-Umschaltung nötig ist.

Sogar die Gründe für das aktuelle Verhalten können Variieren.
Dicke Kondensatoren in der Stromversorgung – Thermische Abhängigkeiten 
(Klassische Glühlampe) – Massen die auf Touren kommen müssen usw.

: Bearbeitet durch User
von Andreas H. (signore_rossi)


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Manfred P. schrieb:
> Ich mache mir Gedanken über deren Einfluß: Bei 5V Speisung und 0,2 Ohm
> können maximal 25 Ampere fließen

Die Versorgung hat 15 V laut Scopebild. CH2 5V/Div.

von Andrew T. (marsufant)


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Klaus R. schrieb:
> Manfred P. schrieb:
>> Ich mache mir Gedanken über deren Einfluß: Bei 5V Speisung und 0,2 Ohm
>> können maximal 25 Ampere fließen.
>
> Wenn das die Quelle hergibt.
> mfg Klaus

pruckel irrt halt.

Es ist KEINE 5V sondern eine   15V Quelle.

Zu den 0,2 Ohm kommen noch Leitungs- und Kontaktübergangswiderstände, 
etc.

von Felix (felix001)


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Klaus H. schrieb:
> Dann sind irgendwo noch L und C beteiligt.

Das könnte gut sein. Anbei sind zwei Screenshots von Messungen mit 1 Ω 
(1Ohm.png) bzw. 5 Ω (5Ohm.png) Shunt-Widerstände. Durch den den größeren 
Widerstand wird die Schwingung stärker gedämpft. Die größeren 
Widerstände begrenzen jedoch auch die Höhe und verlängern die Dauer des 
Einschaltstroms.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Felix schrieb:
> Meine Frage bezieht sich auf die Dauer des Einschaltstroms. Um diese
> messen zu können, muss ich zunächst wissen, was ich messen möchte. Gibt
> es eine allgemein anerkannte Definition für die Dauer des
> Einschaltstroms?
Für eine thermische Sicherung gibt es vorrangig ein Stichwort: 
I²t-Integral.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Grenzlastintegral

Da kann man dann erkennen: je dicker der Sicherungsdraht ist, umso mehr 
"Überlast" kann er für längere Zeit in Wärme einlagern. Am meisten hält 
er aus, wenn er dick und gewendelt ist.

Felix schrieb:
> Ja, ich interessiere mich für eine Methode, um zu bestimmen, wie lange
> der Strom erhöht ist.
Für das Gerät: so lange, bis er auf dem Normalwert ist.

Für eine Sicherung: so lange, bis er unter dem Nennwert (also dem Strom, 
den sie dauerhaft "abkann") abgefallen ist.

: Bearbeitet durch Moderator
von Felix (felix001)


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Vielen Dank für Eure Hinweise auf den i²t-Wert. Ich entdeckte, dass sich 
die Werte der Kurven beim verwendeten digitalen Oszilloskop als 
csv-Datei exportieren lassen. Das ermöglicht das Grenzlastintegral durch 
numerische Integration zu berechnen.

Das Grenzlastintegral habe ich wieder für Messwiderstände 0,2 Ω, 1 Ω und 
5 Ω berechnet. Ich erwartete, dass das Grenzlastintegral in allen drei 
Fällen etwa gleich groß ist, da es proportional zur Arbeit an einer 
hypothetisch eingebauten Sicherung ist. Tatsächlich ist das 
Grenzlastintegral bei einem 0,2 Ω Messwiderstand etwa 10 mal so groß wie 
das bei einem 5 Ω Messwiderstand. Zusätzlich zum Grenzlastintegral 
berechnete ich auch die elektrische Ladung
Hier maß ich deutlich kleinere Unterschiede.

(bei 24 V Spannungsversorgung)
1
Shunt-Widerstand  |  Ladung Q    | Grenzlastintegral 
2
------------------|--------------|-------------------
3
0,2 Ω             |  6,0 mC      |   0,109 A²s       
4
1 Ω               |  8,6 mC      |   0,079 A²s       
5
5 Ω               |  5,3 mC      |   0,011 A²s

Mathematisch ist dieses Ergebnis nicht sonderlich verwunderlich. Wenn 
man als Beispiel die Dichtefunktion einer Normalverteilung betrachtet 
und die Standardabweichung σ variiert, so bleibt die Fläche unter der 
Kurve immer gleich 1, die Fläche unter der quadrierten Dichtefunktion 
ändert sich jedoch.
https://www.geogebra.org/calculator/mwrtxhzx

Doch wie ist diese Beobachtung elektrotechnisch zu interpretieren?

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