Forum: Fahrzeugelektronik Negative Spannung mit hoher Stromstärke - Stromschienen


von AMDFreak (amdfreak2006)


Lesenswert?

Hallo zusammen,

dass man für (sehr) kleine Leistungen mittels OPVs, DC-DC-Wandlern, 
Linearreglern oder Ladungspumpen und co und ähnlichem auch negative 
Ausgangsspannungen gegenüber einer gemeinsamen Masse mit weiteren 
positiven Ausgangsspannungen erzeugen kann, ist mir bewusst.

Mich würde aber folgendes interessieren:

Unter https://de.wikipedia.org/wiki/U-Bahn_Berlin#Fahrzeugtypen, 
https://de.wikipedia.org/wiki/U-Bahn_Berlin#Stromversorgung sowie 
einigen anderen Websites steht folgende Info:

"Die Polarität der Stromschienen beider Systeme ist unterschiedlich, 
beim Kleinprofil ist die Stromschiene der positive, die Fahrschienen 
sind der negative Pol, beim Großprofil ist es umgekehrt, wobei die 
Fahrschienen jeweils (natürlich) auf Erdpotential liegen. [...] 
[Negative Polarität:] technische Vorteile (die Korrosion der Metallteile 
im Tunnel ist durch die Polarität [...] geringer)."

sowie

"Der Fahrstrom der U-Bahn-Züge hat eine Nennspannung von 750 V 
(Gleichspannung). Die Züge beziehen den Strom aus einer seitlich 
angebrachten Stromschiene. Deren Polarität unterscheidet sich hierbei 
zwischen Groß- und Kleinprofil: Beim Kleinprofil ist die Stromschiene 
der positive und das Gleis der negative Pol, beim Großprofil ist es 
umgekehrt.

Der Energieverbrauch der Berliner U-Bahn pro Jahr beträgt knapp 200 GWh. 
Die BVG bezieht diese Energie aus dem öffentlichen Stromnetz mit 10 kV 
Wechselspannung und wandelt sie in 59 Gleichrichterwerken in 750 V 
Gleichspannung um."

Wie wird das technisch realisiert?
Trafo + normaler Brückengleichrichter machen aus dem 10 kV Drehstromnetz 
erst mal nur positive 750 V_peak DC-Halbwellen.
Während demzufolge [Stromschiene positiv] -> [Elektrolokomotive] -> 
[Gleis negativ (= GND)] sich mir natürlich erschließt, sind mir 2 Dinge 
unklar:

- Wie funktioniert das mit einer negativen Stromschiene? Einfache 
Verpolung kann es aus meiner Sicht nicht sein, schließlich läge dann das 
Gleis auf 750 V und die Stromschiene hätte GND. Sowohl laut den Zitaten 
oben als auch aus eigener Erfahrung (Führung der BVG) kann man die 
Gleise gefahrlos betreten. Ich habe diese Frage auch dort gestellt, 
technisch war das anwesende Personal aber leider nicht weit genug 
ausgebildet, dass es mir auf diese Frage eine Antwort hätte liefern 
können.

- Wie funktioniert in so einem DC-Bahnstromnetz die mehrfache 
Einspeisung (59 Gleichrichter wie oben beschrieben)? Wie erfolgt die 
Parallelschaltung der Brückengleichrichter, wenn doch absolut nicht 
davon ausgegangen werden kann, dass im gesamten Stadtgebiet von Berlin 
exakt der gleiche Spannungspegel und Phasenversatz pro Drehstromphase im 
10 kV-Netz anliegt? Da müssten doch riesige Ausgleichsströme fließen?

Beides können eigentlich keine hochkomplizierten Lösungen sein, da es 
das Netz (mit negativer Polarität) und die Technik dahinter gemäß 
https://de.wikipedia.org/wiki/U-Bahn_Berlin#Großprofil bereits seit 1923 
und somit seit 100 Jahren gibt.

Über Antworten freue ich mich :)

: Bearbeitet durch User
von Udo S. (urschmitt)


Lesenswert?

AMDFreak schrieb:
> Einfache
> Verpolung kann es aus meiner Sicht nicht sein, schließlich läge dann das
> Gleis auf 750 V und die Stromschiene hätte GND.

Eine Spannung auf einer Trafosekundärwicklung ist erst mal 
potentialfrei.
Wenn die gleichgerichtet ist hast du erst mal zwei Pole von der einer 
750V positiver als der andere ist.
Welchen Pol du jetzt mit der Erde verbindest ist unerheblich, je nachdem 
hat der andere dann +750V oder -750V gegenüber Erde.

AMDFreak schrieb:
> Wie erfolgt die
> Parallelschaltung der Brückengleichrichter, wenn doch absolut nicht
> davon ausgegangen werden kann, dass im gesamten Stadtgebiet von Berlin
> exakt der gleiche Spannungspegel und Phasenversatz pro Drehstromphase im
> 10 kV-Netz anliegt? Da müssten doch riesige Ausgleichsströme fließen?

Mal dir mal zwei Trafos und zwei GLeichrichter auf, die an den 
gleichgerichteten Ausgängen zusammengeschaltet werden. Dann überlege dir 
wie da Ausgleichsströme fliessen sollen.
Eine der Dioden ist immer in Sperrichtung.

von Sebastian R. (sebastian_r569)


Lesenswert?

AMDFreak schrieb:
> Wie funktioniert das mit einer negativen Stromschiene? Einfache
> Verpolung kann es aus meiner Sicht nicht sein, schließlich läge dann das
> Gleis auf 750 V und die Stromschiene hätte GND.

Der (gleichgerichtete) Trafo-Ausgang ist ja potentialfrei. Und du kannst 
ja die positive Seite als 0V definieren, dann ist die negative -750V 
davon entfernt.

AMDFreak schrieb:
> Wie funktioniert in so einem DC-Bahnstromnetz die mehrfache
> Einspeisung (59 Gleichrichter wie oben beschrieben)? Wie erfolgt die
> Parallelschaltung der Brückengleichrichter

Gar nicht. Die Strecke ist in Abschnitte unterteilt, die alle 
voneinander getrennt sind. Die Bahnen rollen entweder ein Stück mit 
Schwung von einem Abschnitt zum nächsten oder haben vorn und hinten 
Abnehmer um eine Lücke (auch bei Weichen) zu überbrücken.

Hier erklärt:
https://www.u-bahn-muenchen.de/betrieb/stromversorgung/

von H. H. (Gast)


Lesenswert?

AMDFreak schrieb:
> Wie wird das technisch realisiert?
> Trafo + normaler Brückengleichrichter machen aus dem 10 kV Drehstromnetz
> erst mal nur positive 750 V_peak DC-Halbwellen.

Drehstrom und B6-2S Gleichrichter!

https://de.wikipedia.org/wiki/Dreiphasengleichrichter

von Harald K. (kirnbichler)


Lesenswert?

AMDFreak schrieb:
> wenn doch absolut nicht
> davon ausgegangen werden kann, dass im gesamten Stadtgebiet von Berlin
> exakt der gleiche Spannungspegel und Phasenversatz pro Drehstromphase im
> 10 kV-Netz anliegt?

Phasenversatz bei Gleichstrom?

von H. H. (Gast)


Lesenswert?

Harald K. schrieb:
> Phasenversatz bei Gleichstrom?

Könnte die Brummspannung schon haben.

von AMDFreak (amdfreak2006)


Lesenswert?

Harald K. schrieb:
> AMDFreak schrieb:
>> wenn doch absolut nicht
>> davon ausgegangen werden kann, dass im gesamten Stadtgebiet von Berlin
>> exakt der gleiche Spannungspegel und Phasenversatz pro Drehstromphase im
>> 10 kV-Netz anliegt?
>
> Phasenversatz bei Gleichstrom?

Wer lesen kann ist klar im Vorteil ;) Da steht explizit 10 kV Drehstrom.
Und abhängig vom einspeisenden Netz liegen die jeweiligen Phasen ggf. 
minimal phasenverschoben zueinander (gegenüber 120° Normalfall). Auch 
kann deren Amplitude unterschiedlich hoch ausfallen. Insbesondere kann 
in unterschiedlichen Streckenabschnitten bzw. abhängig von der 
Auslastung der Gleise mit Zügen (Anfahren, Rekuperieren, etc.) der 
Ausgangsspannungspegel der Gleichrichter ja durchaus massiv 
unterschiedlich sein.

Demzufolge ist auch nach dem Gleichrichten der Ausgang 2er 
Brückengleichrichter nicht zwingend identisch. Selbst wenn sie am 
gleichen Trafo hängen würden, könnte durch reine Toleranzen der 
Gleichrichterdioden ein unterschiedlicher Spannungspegel hinten 
rauskommen. Von Restwelligkeit/Brummspannung ganz zu schweigen...

Udo S. schrieb:
> Mal dir mal zwei Trafos und zwei GLeichrichter auf, die an den
> gleichgerichteten Ausgängen zusammengeschaltet werden. Dann überlege dir
> wie da Ausgleichsströme fliessen sollen.
> Eine der Dioden ist immer in Sperrichtung.

Bei reiner Gleichrichtung mag das stimmen, in der heutigen Zeit sinds 
aber sicher IGBT-Umrichter die auch ins Drehstromnetz zurückspeisen 
können. Und da wären Ausgleichströme durchaus möglich. Aber unabhängig 
davon...

Wie verhält sich das dann überhaupt in Parallelschaltung? Regulär dürfte 
dann durch die unvermeidbaren Bauteiltoleranzen immer ein Gleichrichter 
mehr Spannung liefern als andere parallelgeschaltete und dieser dürfte 
dann quasi die alleinige Last tragen, was die Parallelschaltung zur 
Leistungserhöhung sinnfrei macht...

Sebastian R. schrieb:
> Der (gleichgerichtete) Trafo-Ausgang ist ja potentialfrei. Und du kannst
> ja die positive Seite als 0V definieren, dann ist die negative -750V
> davon entfernt.

Das ginge zwar, aber würde dann bei Parallelschaltung der Gleichrichter 
und Definition von +750 V als Erdpotential nicht eine Spannungsdifferenz 
zu den parallel geschalteten Gleichrichtern über Erde herrschen, die bei 
Defekt eines Gleichrichters ja durchaus böse, sprich ggf. tödliche Werte 
annehmen könnte?

Sebastian R. schrieb:
> Gar nicht. Die Strecke ist in Abschnitte unterteilt, die alle
> voneinander getrennt sind. Die Bahnen rollen entweder ein Stück mit
> Schwung von einem Abschnitt zum nächsten oder haben vorn und hinten
> Abnehmer um eine Lücke (auch bei Weichen) zu überbrücken.

Ersteres würde ich so unterschreiben. Im zweiten Fall, würde doch aber 
der Zug selbst dann die (ggf. schädliche) Parallelschaltung der 
Gleichrichter erzeugen!

: Bearbeitet durch User
von Rainer W. (rawi)


Lesenswert?

AMDFreak schrieb:
> dass man für (sehr) kleine Leistungen mittels OPVs, DC-DC-Wandlern,
> Linearreglern oder Ladungspumpen und co und ähnlichem auch negative
> Ausgangsspannungen gegenüber einer gemeinsamen Masse mit weiteren
> positiven Ausgangsspannungen erzeugen kann, ist mir bewusst.

Ein OPV kann keine Spannungen erzeugen, auch keine negativen.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.