Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik IGBT-Audioendstufe mit 600V/400A-Modulen möglich?


von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Ich plage mich gerade mit der Frage herum, ob man mit solchen 
IGBT-Blöcken Audio-Endstufen bauen kann oder ob das zum Scheitern 
verurteilt ist.

In der Jugend habe ich bereits Endstufen gebaut, aber das waren alles 
rein bipolare Aufbauten und später dann Class-D-Endstufen (mit den 
Tripath-ICs und eine mit Sigma-Delta-Modulator). Die Class-D-Endstufen 
waren mit MOSFETs bestückt, aber eine lineare (Class A/B) Endstufe mit 
MOSFETs war nicht dabei.

Diese Blöcke bieten eigentlich alles was man braucht, 
Spannungsfestigkeit, Stromtragfähigkeit, 1,25kW maximale 
Verlustleistung.

Eigentlich müsste das doch möglich sein, es gab ja auch 
MOSFET-Endstufen, die zwei gleiche N-Kanal-Typen eingesetzt haben bevor 
leistungsstarke P-Kanal-Typen verfügbar wurden.

Was ich nicht weiß, wie schneiden diese Leistungsmodule, die beide IGBTs 
für eine Halbbrücke beinhalten, im Linearbetrieb ab? Kriegt man die 
irgendwie kaputt oder ist die Gatespannung das einzige, wo sie nicht 
sonderlich robust sind? Kann man die überhaupt linear steuern oder 
verhalten sie sich dann zickig? Hat jemand Erfahrung damit?

Für eine gute Fullrange Class-D-Endstufe sind sie leider zu langsam, für 
eine reine Subwoofer-Endstufe würde es reichen.

von Christian M. (likeme)


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Mit solchen Modulen wirst du keine Klangwunder hinbekommen, dich eher 
wundern wie scheiße die klingen können, solltest du es hinbekommen diese 
analog in Betrieb zu nehmen.

von H. H. (Gast)


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Das geht durchaus, BTDT.

Die Ansteuerung ist etwas aufwändig, und man kämpft mit der 
Schwingneigung. Die IGBTs haben ja für den Schaltbetrieb eine Recht 
große Steilheit und ordentlich Gatekapazität. Ich muss mal schauen, ob 
ich noch Aufzeichnungen hab.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Kannst Du Gründe für Deine Vermutung nennen? Die würden mich 
interessieren bzw. falls sie linear schlecht steuerbar sein sollten, 
wieso die Vorstufe/Feedback-Loop das nicht bis 20kHz glattgebügelt 
bekommen sollte.

MOSFETs haben diesbezüglich die gleichen miesen Eigenschaften - hohe 
Gate-Threshold-Spannung und wenn man für Strom und Leistung viele davon 
parallel schaltet, gibt's zusätzliche Probleme mit der Stromaufteilung.

> und man kämpft mit der Schwingneigung
Die Probleme hatte ich mit einem meiner eher kleinen bipolaren 
Aufbauten. Keine Ahnung wie das möglich war, aber der fing unter 
argwöhnischem Brummen des Netztrafos so gewaltig an zu schwingen, daß 
der gute Röhrenfernseher 2..3 Meter vom Basteltisch entfernt nur noch 
ein komplett weißes Bild zeigte. Hat das Ding aber überlebt, ist nichts 
abgefackelt und kein Transistor hat den Deckel aufgeklappt.

: Bearbeitet durch User
von Peter D. (peda)


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Ben B. schrieb:
> aber eine lineare (Class A/B) Endstufe mit
> MOSFETs war nicht dabei.

Durch die hohe Schwellspannung und Temperaturabhängigkeit, ist es recht 
tricky, eine analoge MOSFET-Endstufe stabil zu betreiben. Daher hat sich 
das in der Praxis nicht durchgesetzt, sondern blieb im 
Experimentalstadium.

von Franz F. (franz111222333)


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In der Elektor 09/95 wurde mal eine IGBT-Endstufe vorgestellt (90W/8Ohm 
und 160W/4Ohm) mit den IGBTs  GT20D101/GT20D201.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Naja es gab durchaus einige gute Endstufen mit V-MOSFETs... also ich 
würde schon sagen, daß das weit über ein reines Experimental-Stadium 
herausgekommen ist. Allerdings haben die Hersteller da unter Umständen 
"geschummelt" und gematchte FETs eingesetzt. Dann wird die Sache 
einfacher.

Für mich hat sich nie die Notwendigkeit für MOSFETs im Stromverstärker 
ergeben, da die Leistung des treibenden Spannungsverstärkers mit in die 
Ausgangsleistung einfließt. MOSFETs bringen hier keine Verbesserung, für 
den Wirkungsgrad einer Class A/B Endstufe ist egal ob der Ausgangsstrom 
durch den Spannungs- oder Stromverstärker geht, der heizt in beiden 
genau gleich - mit Ausnahme der Schaltungen, die den Stromverstärker mit 
10V weniger Spannung betreiben oder auf die Spitze getrieben Class H 
Endstufen.

Die größeren "meiner" Class A/B Endstufen hätten ~100W direkt nach dem 
Spannungsverstärker gemacht und nach dem Stromverstärker waren's so um 
1000W. Class H Endstufen (Endstufe mit abgestufter Spannungsversorgung) 
waren zu Zeiten meiner größeren Bauten schon leicht aus der Mode 
gekommen... zuviel Aufwand für etwas, was Class D damals schon viel 
besser konnte.

> ordentlich Gatekapazität
Dazu wollte ich noch schreiben: Wenn man eine Packung FETs 
parallelschaltet, dann bekommt man die genau so. Das fette IGBT-Modul 
hat dafür keine Probleme mit der Stromaufteilung, da es ja nur ein 
einzelner dicker Transistor ist, der den kompletten Ausgangsstrom 
alleine macht - wofür "normale" Endstufen viele parallelgeschaltete 
Transistoren brauchen.

Was mich interessieren würde: Ich habe was davon gelesen, daß IGBTs im 
Schaltbetrieb gerne mit negativer Gate-Spannung abgeschaltet werden. 
Werden die dadurch nur schneller oder sperren sie erst dann sicher? Kann 
man diese großen IGBTs problemlos auch nur mit positiver Gate-Spannung 
steuern oder führt das zu Problemen, schlimmstenfalls sowas wie LatchUp 
oder solchem sicherungsmordenden Kram, den man nicht brauchen kann? Die 
Dinger haben ja alle einen parasitären Transistor, der aus dem Ding 
einen Thyristor macht sobald er einmal leitend wird.

Edit:
> In der Elektor 09/95 wurde mal eine IGBT-Endstufe vorgestellt
> (90W/8Ohm und 160W/4Ohm) mit den IGBTs  GT20D101/GT20D201.
Die kenne ich, allerdings sind das komplementäre IGBTs, die soweit ich 
weiß sogar speziell für Audio-Schaltungen entwickelt wurden. 
P-Kanal-IGBTs sind aber selten, die dicken Halbbrücken-Module, die ich 
im Blick habe, bestehen aus zwei gleichen N-Kanal-IGBTs.

Nochmal Edit:
Man könnte ja auch einfach mal einen IRS2092 dranbauen und schauen was 
passiert. Ich vermute aber, daß 800kHz Schaltfrequenz um den Faktor 4 zu 
viel sind und das eine Ampere, was der IRS2092 zum Treiben von FETs 
kann, auch nicht reichen wird.

: Bearbeitet durch User
von J. S. (engineer) Benutzerseite


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Ben B. schrieb:
> ob man mit solchen
> IGBT-Blöcken Audio-Endstufen bauen kann
Das grundsätzliche Problem ist, dass viele Module nicht für einen 
präzisen Schaltbetrieb entwickelt sind, sondern auf Leistung getrimmt 
wurden. Für Audiostufen brauchst du sehr genaue Schaltvorgänge, 
insbesondere bei Multi-Stage-Verstärkern, die heute eigentlich Standard 
sind, weil du sonst zu sehr die Schaltphasen dynamisch anpassen musst, 
was zu einem schlecht filterbaren Frequenzgemisch führt.

Der Schaltvorgang muss nicht beliebig steil sein, Homogenität ist 
wichtiger. Daher ist da die Temperaturabhängigkeit noch eher ein 
Problem.

> Ich vermute aber, daß 800kHz Schaltfrequenz um den Faktor 4 zu viel
Aus Sicht einer guten HF-Repräsentation wäre sogar noch mehr 
wünschenswert, praktisch laufen die typischen Stufen eher auf der Hälfte 
und darunter. Die Schaltverluste nehmen sonst überhand. Ein Problem 
dabei ist, dass viele Module direkt in den Lautsprechern verbaut werden 
(aktive Monitore haben einige Vorteile), die entstehende Wärme im System 
aber akustische Probleme macht. Power-Amps mit 1kW und mehr findet man 
daher eher in externen Gehäusen, hauptsächlich im PA-Bereich. Dort 
treiben sie die Lautsprecher auch meistens allein. Für hochwertige 
Anwendungen sitzen bei den Hochtönern immer noch lineare AB-Stufen. Z.T 
sitzen die auch parallel als Kompensation für die "grobe" 
Class-D-Technik.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Ursprünglich hatte ich an eine Class A/B Endstufe mit solchen IGBTs 
gedacht, kein Class D weil mir diese IGBTs dafür zu langsam erscheinen.

Die Treiberverlustleistung bei Class-D ist ein Problem, die Tripath-ICs 
gingen mit der PWM-Frequenz bis in den MHz-Bereich, was mehrere Watt 
Verlustleistung erzeugte. Allerdings haben die dafür auch einen guten 
Klang und mit besseren FETs erreicht man mit wenigen Bauteilen richtig 
viel Bumms.

Mal schauen, ich muss mal nachsehen was ich noch an geeigneten 
Transistoren für eine kleine Vorstufe in der Kiste zu liegen habe. 
Vielleicht einfach mal sowas zusammenbauen, das IGBT-Modul dran und mal 
sehen was passiert.

: Bearbeitet durch User
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