Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnisfrage zu BLDC-Motoren und Steuerungen, PWM


von Raphael Z. (raphaelz)


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Hallo zusammen,

ich bin Neuling im Bereich von BLDC-Motoren und befasse mich erstmals im 
Rahmen einer Projektarbeit damit. Ich habe mir schon viele Infos 
ergoogelt, habe aber noch ein paar Verständnisschwierigkeiten bezüglich 
der genauen Funktionsweise der Steuerungen (ESCs) und der 
Leistungsregelung.

Um ein konkretes Beispiel zu haben - folgende Hardware soll verwendet 
werden:

- Motor: E50-XL 3D kv700, Innenläufer, ca. 135A bei 51,8V unter Last 
laut Beschreibung
- ESC: SPIN 200 Pro OPTO (Modellbauregler)
- Spannungsversorgung: 16S LiFePo4 Akku ... 52,8V Nennspannung

Meine Fragen - ich hoffe, ihr könnt mir etwas auf die Sprünge helfen:

1. Man gibt den Sollwert den der ESC umsetzt, im Modellbarbereich ja als 
„Servosignal“ rein (also diese 1 bis 2ms alle 20ms). Welchen Sollwert 
regeln typische Modellbau-ESCs? Ist das ein Drehzahl-Sollwert? Oder etwa 
ein Drehmomentwert?

2. Meine zweite Frage bezieht sich vor allem darauf, wie sich die 
elektrische Leistung eingestellt, die im Motor umgesetzt wird. Die sechs 
MOSFETs der (3-Phasen) ESCs werden ja intern per PWM angesteuert. Bei 
unterschiedlichen Lasten sind ja unterschiedliche Drehmomente notwendig, 
um eine bestimmte Drehzahl zu erreichen. Heißt das, das der ESC ständig 
die aktuelle Drehzahl überwacht und dementsprechend das PWM-Verhältnis 
nachregelt?

3. Angenommen der ESC betreibt seine Leistungshalbleiter mit Vollast 
(PWM 100%, also Drehfeld vollständig) – der Motor hätte aber fast keine 
Last (z.B. nur sehr kleiner Propeller). Würde der Motor dann trotzdem 
die volle elektrische Leistung ziehen (135A bei 51,8V = ca. 7kW) oder 
würde er sich ähnlich wie ein bürstenbehafteter Motor verhalten und 
einen geringeren Strom ziehen, trotz anliegender 51,8V?

Sorry für die eventuell doofen Fragen. Ich freu mich über jeden Hinweis 
:-)

von Obelix X. (obelix)


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Es gibt unterschiedliche ESC. Bei einigen gibst du mit dem Servosignal 
das PWM Verhältnis vor.
Es gibt aber auch welche, bei dehnen du die Drehzahl vorgibst und der 
ESC versucht die Drehzahl konstant zu halten. Dies kenne ich im 
Modellbau vom Heli. Es gibt z.B. einen Schalter mit dem du zwischen 3 
Drehzahlen wählen kannst und der ESC versuch die Drehzahl in der 
entsprechenden Stufe konstant zu halten.

Raphael Z. schrieb:
> Würde der Motor dann trotzdem die volle elektrische Leistung ziehen

nein

von Chris V. (nagut)


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Schau Dir mal die Bedienungsanleitung des "SPIN 200 Pro OPTO" an: Das 
Ding lässt sich programmieren.

Der Normalfall für solche Regler ist, dass das Steuersignal nur das 
PWM-Verhältnis verändert. Das wäre eine reine Steuerung (keine 
Regelung). Die Drehzahl des Motors bleibt damit abhängig von der 
Belastung.

Lt. Bedienungsanleitung kann an an diesem Regler aber auch einige 
"Heli-Modi" aktivieren, bei denen dann das Steuersignal dann offenbar 
den Sollwert für die Drehzahl vorgibt. D.h. im Regler arbeitet eine 
Regelung, die man dann auch normalerweise mit einigen Parametern an das 
ganze Antriebssystem anpassen muss.

von Michael B. (laberkopp)


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Raphael Z. schrieb:
> Ist das ein Drehzahl-Sollwert

Ja. Bei Modellbau beliebig schlecht.

Raphael Z. schrieb:
> das der ESC ständig die aktuelle Drehzahl überwacht und dementsprechend
> das PWM-Verhältnis nachregelt?

Ja.

Raphael Z. schrieb:
> würde er sich ähnlich wie ein bürstenbehafteter Motor verhalten

Nein, er würde immer weiter beschleunigen, bis der Strom in den 
Wicklungen wegen der hohen Kommutationsgeschwindigkeit gegen die 
Wicklungsinduktivitât nicht weiter ansteigen kann bis das dann schwächer 
gewordene Drehmoment zum Lastmoment passt.

Siehe: https://dse-faq.elektronik-kompendium.de/dse-faq.htm#F.10.1

von Stephan (stephan_h623)


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Michael B. schrieb:
> Nein, er würde immer weiter beschleunigen, bis der Strom in den
> Wicklungen wegen der hohen Kommutationsgeschwindigkeit gegen die
> Wicklungsinduktivitât nicht weiter ansteigen kann bis das dann schwächer
> gewordene Drehmoment zum Lastmoment passt.

Nein. Maximal geht es bis zum KV-Wert des Motors. Sobald die durch die 
Drehung generierte Spannung der Betriebsspannung entspricht fließt kein 
Strom mehr und es kann auch nicht schneller werden. Praktisch passiert 
das schon vorher wegen der Verluste.

von Michael B. (laberkopp)


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Stephan schrieb:
> Nein.

Doch

> Maximal geht es bis zum KV-Wert des Motors.

Der KV Wert ist die Leerlaufdrehzahl, der Punkt an dem das wegen 
steigender Drehzahl nachlassende Drehmoment des Motors es gegen das 
Lastmoment (nur im Leerlauffall 0) nicht mehr schafft kommt früher, bei 
geringerer Drehzahl.

von Jens M. (schuchkleisser)


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Raphael Z. schrieb:
> Welchen Sollwert
> regeln typische Modellbau-ESCs? Ist das ein Drehzahl-Sollwert? Oder etwa
> ein Drehmomentwert?

Gar nix. Das ist eine prozentuale Reduzierung der verfügbaren Leistung.
Also "Hebel in der Mitte" = keine Leistung, "Hebel am angelernten 
Endpunkt" = Volle Leistung, im Sinne einer 100%-PWM.
Dazwischen wird einfach die PWM verstellt, eine reine Stellung, keine 
Regelung.
Manche "Regler" (die nennen das alle so obwohl 99% keine Regler sind) 
erlauben Gaskurven, um das an die Finger und die Hebel anzupassen, aber 
das Prinzip ist einfach.

Heli-ESCs können einen Governor haben, das ist dann tatsächlich ein 
Drehzahlregler, dessen Sollwert per Servosignal reinkommt.

Raphael Z. schrieb:
> Heißt das, das der ESC ständig
> die aktuelle Drehzahl überwacht und dementsprechend das PWM-Verhältnis
> nachregelt?

Ohne Governor: Nein. Mit Gov: Ja, genau das.

Beschäftige dich mit einem ESC, was er kann und wie man ihn 
programmiert.
Denke beim Rest deiner Maschine dran, das du eine Möglichkeit brauchst, 
den ESC auf das Servosignal anzulernen, und das er eine bestimmte 
Signalsequenz braucht um den Motor scharf zu schalten. Probiere vorher 
aus, ob man beliebige Servowerte anlernen kann: manche ESCs mögen nur 
eine Richtung und/oder für die Rück/Stop/Vor-Position nur bestimmte 
Wertefenster.

von Raphael Z. (raphaelz)


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Servus,
vielen Dank für eure Beiträge. Jetzt bin ich schon ein Stück schlauer.

@Jens M: Weist du genaueres über diese Signalsequenz, die die ESC 
braucht um den Motor "freizugeben"? ich habe im Handbuch des Jeti SPIN 
200 Pro nichts dazu gefunden...
Kann es sein, dass manche Regler auch ohne diese Sequenz anlaufen?

@ Chris: Ah ja, habe eben gesehen, dass der SPIN 200 Pro nen Heli Modus 
hat, welcher auch als "Constand RPM" Modus bezeichnet wird.

: Bearbeitet durch User
von Michael H. (micha_22)


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Jens M. schrieb:
> Manche "Regler" (die nennen das alle so obwohl 99% keine Regler sind)
> erlauben Gaskurven

Der vollständige Begriff lautet im Modellbau "Fahrtenregler" und nicht 
Drehzahlregler ;)

Raphael Z. schrieb:
> @Jens M: Weist du genaueres über diese Signalsequenz, die die ESC
> braucht um den Motor "freizugeben"?

Ich denke er meint damit die Nullung. Beim Einschalten kalibriert sich 
ein ESC auf die Nullposition. Ist der Gashebel zu weit auserhalb dieser 
Position wird die Kalibrierung nicht durchgeführt und der Motor läuft 
nicht an. Manche ESC quittieren die Kalibrierung auch mit Piepsern die 
durch den Motor generiert werden.

Die Nullposition kann an der Fernsteuerung entweder ganz hinten (nur 
eine Fahrtrichtung) oder Mitte (Vor- und Rückwärts) sein.

von Jens M. (schuchkleisser)


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Michael H. schrieb:
> Fahrtenregler

Noch schlimmer.
Ja ich weiß, ich treibe mich auch in der Modellbauwelt rum, und mir 
klappts jedesmal die Zehennägel hoch wenn einer "Fahrtenregler" sagt.
Einfach nur "Regler" stellt nur noch Nackenhaare auf.
Manchmal werf ich dann auch ein das nur Heli-ESCs mit eingeschaltetem 
Governor und seit kurzem sog. FOC-ESCs tatsächlich Regler sind.
Selbst die sog. Tempomaten von den Truckern sind nur "PWM-Hold".

Michael H. schrieb:
> Ich denke er meint damit die Nullung. Beim Einschalten kalibriert sich
> ein ESC auf die Nullposition. Ist der Gashebel zu weit auserhalb dieser
> Position wird die Kalibrierung nicht durchgeführt und der Motor läuft
> nicht an. Manche ESC quittieren die Kalibrierung auch mit Piepsern die
> durch den Motor generiert werden.

Da wird nix genullt oder kalibriert aber ansonsten hast du Recht.
Der ESC "schaltet nicht scharf", d.h. die Motorendstufe wird nicht 
aktiviert, wenn der Gashebel nicht im Nullbereich steht, damit die Kiste 
nicht beim Akkuanstecken unvermittelt mit Vollgas losbraust.
Und das wird auch üblicherweise mittels Motorpiepser angezeigt, meist 
erst die erkannte Zellenzahl, dann eine "Melodie" die anzeigt "Vorsicht, 
jetzt gilts". Paradox: um den Motor piepsen zu lassen muss die 
Motorendstufe aktiv sein. Ist also nur ein Softwareproblem...
Die Kalibrierung auf das Servosignal sollte man normal manuell machen 
müssen, sog. Selbstlerner die bei jedem Einschalten einfach voraussetzen 
das der Gashebel in Nullstellung steht und den Wertebereich und die 
Signalrichtung nicht lernen können sind ein Garant für Schrott und Müll.

Michael H. schrieb:
> Die Nullposition kann an der Fernsteuerung entweder ganz hinten (nur
> eine Fahrtrichtung) oder Mitte (Vor- und Rückwärts) sein.

Das eine ist Flugzeug/Hubi/Boot, das andere Auto (und auch Boot, wenn es 
rückwärts fahren kann/darf). Auch da muss man aufpassen, welches Signal 
man generiert.
Die meisten Sender erzeugen 1ms für hinten (Bremse/Rückwärtsgas) und 2ms 
für vorne (Vorwärtsgas), 1,5ms ist dann die selbstrückstellende 
Mitte/"Stop".
Im Flugzeugmodus ist immer noch hinten 1ms, vorne 2ms, aber es gibt 
keine Selbstrückstellung, hier ist hinten = "Aus", vorne = "Vollgas".
Manche strecken aber im Flugzeugmodus auch einfach den Hebelweg, d.h. 
ganz hinten = 1,5ms = Stop, vorne = 2ms = Vollgas vor. Damit kann man 
mit der Hebelei eines Flugzeugs arbeiten, aber "alle" ESCs benutzen.
Beachte: die Werte 1ms und 2ms sind hier nicht fix, es gibt keine 
Vorschrift welcher Wert "vorne" ist, und es gibt auch keine Vorgabe, was 
"100% Hebelweg" erzeugt, das kann 1,8, 2 oder 2,2ms sein, bis zu 2,5ms 
sind üblich, und in der anderen Richtung ist das dann 0,5, 0,8, 1 oder 
1,2ms für vollen Hebelweg.

Raphael Z. schrieb:
> ich habe im Handbuch des Jeti SPIN
> 200 Pro nichts dazu gefunden...

Ich auch nicht.
Wäre für mich ein Grund, auf keinen Fall die 450€ für den Schrott zu 
bezahlen, und dazu brauchts ja auch noch die Progbox, ansonsten tuts 
auch ein anderer ESC.
So ist das leider im Modellbau, die Benutzer sind meist elektronisch 
völlig unbegabt, und die Hersteller der Klamotten machen sich dann halt 
auch keinen Kopp. Mundpropaganda ist alles, "du musst Hacker-Akkus und 
Jeti Sender und EScs nutzen, das ist das beste was man kaufen kann!!!" 
und woanders bekommt man gleiche oder bessere Qualität für weniger Geld.
Aber ich würde davon ausgehen das ein ESC für 200A bei 50V einen 
Anlaufschutz hat, denn im Fehlstartfall sind dann auch direkt die 
Stecker kaputt, und vor Schreck die Finger ab noch dazu.

Was mir übrigens noch eingegangen ist: 16S Lipo haben gepflegte 67V, nur 
geringfügig über den 59 für den Jeti erlaubten, da steht auch "bis 14S".
Du musst dir also eh vernünftige Hardware suchen, oder andere Akkus 
nutzen (oder nur leere).

: Bearbeitet durch User
von Raphael Z. (raphaelz)


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@micha22: Danke für die Antwort. Ah, wenn der Regler beim Einschalten 
die Nullposition checkt und danach anläuft, wenn sich das Servosignal 
verändern, dann sollte ich das hinbekommen.

@schuchkleisser: Danke für den kritischen Beitrag ;-) Ich werde das mit 
dem Anlaufen wohl ausprobieren müssen. Zur Not schließ ich irgendnen 
Empfänger an, mit dem es funktioniert und zapfe das Signal per Oszi an.

Ich verwende 16x LiFePo4-Zellen - die haben ja ne geringere 
Nennspannung/Ladeschlussspannung. Das absolute Maximum sind hier 3,6V 
pro Zelle - also 57,6V.

von Jens M. (schuchkleisser)


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Raphael Z. schrieb:
> Ich verwende 16x LiFePo4-Zellen - die haben ja ne geringere
> Nennspannung/Ladeschlussspannung. Das absolute Maximum sind hier 3,6V
> pro Zelle - also 57,6V.

Ah, sorry, hatte ich übersehen.
Auch wenn mir 58 statt 59 etwas knapp wären, andersrum ist die Angabe 
"59V erlaubt" eh gelogen weil einfach aufgerundet aus 14*4,2=58,8...

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