Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik TVS gegen PE oder GND


von Dunkan (dunkane2e4)


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Guten Morgen alle Freunde der Elektronik,
ich habe die Aufgabe die Klemmeingänge an einer Karte zu Schützen und 
brauche eure Meinungen. Am besten, begründete.
Hier soll die TVS Diode gegen Spannungsspitzen schützen. Danach soll mit 
einfachem LC das Signal gefiltert werden.
Als Signal kann ein Digital-IO, Analog-IO (4..20mA, PT100), Serielle 
Schnittstelle, etc. eingesetzt werden. Nichts schneller, als 12kHz.

Nun die Frage: gegen welches Potential soll die TVS-Diode schützen?
Ist es besser gegen GND zu schützen, oder gegen PE?
Und wie verbinde ich GND mit PE? Auch über eine TVS-Diode?
Die Versorgung erfolgt über ein externes Netzteil. 230V an das Netzteil, 
Schutzleiter (meine PE) an das Gehäuse.

Die Schaltungen im Anhang funktionieren auf dem Labortisch, ist klar.
Mir ist aber wichtig die EMV und ESD Tests zu bestehen.

von Sebastian R. (sebastian_r569)


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Versetz sich mal in die Position der zu schützenden Elektronik und 
versuche, nachzuvollziehen, zwischen welchen Potentialen für die 
Elektronik Spannungsspitzen auftreten können und welche Bezugspotentiale 
dazu gehören.

Ich denke, dann dürfte sichtbar werden, weshalb eine Variante leider 
keine Auswirkungen haben wird ;)

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Dunkan schrieb:
> Ist es besser gegen GND zu schützen, oder gegen PE?
Die Diode soll einen Halbleiter(eingang) schützen. Wo ist dessen 
zugehöriger Bezugspin angeschlossen, auf den sich ja die komplette Spec 
im Datenblatt bezüglich Absolute Maximum Ratings bezieht?

von Dunkan (dunkane2e4)


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Danke, langsam wird es klarer.
Was ist mit dem zweiten Bild? Soll die Diode gegen "GND12" schützen, 
oder gegen "Klemme_GND12", was vor dem Filter sitzt?
Was ist mit dem dritten Bild? Muss man die Masse gegen PE schützen? 
Brauche ich an der Stelle Filter, oder ist es eh Quatch und Masse ist so 
ruhig, wie es nur geht?
Was passiert im EMV/ESD-Test, wenn auf die Masseleitung die Störung 
gegeben wird?

von ArnoNym (bergler)


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Dunkan schrieb:
> Nun die Frage: gegen welches Potential soll die TVS-Diode schützen?
> Ist es besser gegen GND zu schützen, oder gegen PE?

Das GND-Potential der Elektronik. Du willst ja verhindern, dass die eine 
Überspannung sieht.
Die Diode ist relativ winzig, aber ich weiß auch nicht wie groß das Netz 
ist, oder wogegen das schützen soll.
Bei einer Gleichspannung würde ich eine unidirektionale Diode nehmen, 
außer sie sitzt vor einem Verpolschutz.

Man kann sich sonst auch am SURGE-Test (EN61000-4-5) orientieren:
Es gibt Normen dafür, und da gibt es üblicherweise einen SURGE L<>N und 
einen L,N<>PE (asymmetrsisch).
Da braucht man beides. Oft ist es aber so, dass die Anbindung an PE nur 
über Y-Kondensatoren gemacht ist, die (oft) keinen Schutz brauchen.

von Peter D. (peda)


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Eine TVS alleine macht noch keinen Schutz, es fehlt die Strombegrenzung.
Ich nehme dazu vorzugsweise Widerstände, die bis 3kV impulsfest sind.

Drosseln würde ich meiden. Daran entstehen hohe Induktionsspannungen, 
wenn z.B. ein Funke erlischt.

von Christoph S. (mr9000)


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TVS vor dem Filter, da geht der größte Bumms durch.
Eine Einstreuung auf die Masse wird auch durch den Filter verhindert, 
die Diode lässt die Spannung auf der Signalleitung nicht negativ 
gegenüber dem Nullpotential werden.
Die Masse soll das ganze nach PE ableiten, kein Grund dem einen Filter 
dazwischenzubauen. Ist das Ganze am Gehäuse nicht eh verbunden?
Das Layout hat auch einen großen Einfluss, so nah wie möglich am Stecker 
verbauen, so weit wie möglich vom Bauteil entfernt. Wenn in der 
Entwicklung, kann es nicht schaden vorsorglich noch einen 
Längswiderstand vorzusehen.
Es gibt auch fertige Bauteile, ESD-Entstörerarrays.

von ArnoNym (bergler)


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Peter D. schrieb:
> Eine TVS alleine macht noch keinen Schutz, es fehlt die
> Strombegrenzung.

Das kommt darauf an, wogegen man schützen will. Alles ist ein breiter 
Bereich. Beim Surge ist oft die Quellimpedanz der Stoßspannung die 
Strombegrenzung.

Irgendeine SURGE-Diode so paarallel zur DC-Versorgung bringt meistens 
schon etwas. Die fallen bei Überspannung gern mit einem Kurschluss aus, 
und opfern sich so heldenhaft für das Überleben der Elektronik. Dafür 
ist allerdings eine vorgeschaltete Sicherung nötig.

-> Da brauchen wir erst mal Anforderungen, wie so oft ;-)

Ansonsten:
Üblicherweise gibt eine Produktnorm ein Schutzniveau vor (wie z.B. gegen 
1kV mit einem bestimmten Koppelnetzwerk), damit kann man einigermaßen 
fundiert in die Auswahl der Diode gehen. Man wird ja ungefähr wissen, 
was die Elektronik für eine Klemmspannung verkraftet, und Spitzenstrom 
und Quellimpedanz kennt man grob aus den Anforderungen und der 
EN61000-4-5.
Eine Serienimpedanz ist oft nicht nötig, und außerdem manchmal schwierig 
zu realisieren. Das L wird für den (langsamen) SURGE ziemlich groß, und 
ein R in einer Versorgung ist auch nicht ideal.

von Dunkan (dunkane2e4)


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Peter D. schrieb:
> Drosseln würde ich meiden.

Das sind Ferrit-Perlen, die ich verwenden will. 120Ohm bei 100MHz, 
Bourns MH1608-121Y

Christoph S. schrieb:
> TVS vor dem Filter, da geht der größte Bumms durch.

Den Satz habe ich nicht verstanden. Kannst Du bitte anders formulieren? 
Der Bumms geht durch die Filter an den Rest der Elektronik?

Christoph S. schrieb:
> Ist das Ganze am Gehäuse nicht eh verbunden?

Nein, GND und PE sollen getrennt bleiben.

Nur wie bringe ich PE und GND zusammen? Auch über TVS?
Y-Kondensator kenne ich von der 230V AC Versorgung. Sodass, zwei 
Y-Kondensatoren zwischen PE und L/N sitzen.
Hier soll die Schaltung mit 24V vom Netzteil versorgt werden.

von ArnoNym (bergler)


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Dunkan schrieb:
> Nur wie bringe ich PE und GND zusammen? Auch über TVS?
> Y-Kondensator kenne ich von der 230V AC Versorgung. Sodass, zwei
> Y-Kondensatoren zwischen PE und L/N sitzen.
> Hier soll die Schaltung mit 24V vom Netzteil versorgt werden.

Es kommt darauf an, zu welchem Zweck...

Man kann PE durchaus als Masse nutzen, wenn das ganze Gerät 
Schutzkleinspannung ist.
Ob das aus EMV-Sicht sinnvoll ist, ist nicht so einfach zu sagen. Ich 
habe das schon getan, und da geht es schon um vom TÜV abgenommene 
Geräte. PE ist dort nur Funktionserde, keine Schutzerde.
Das hat durchaus Probleme, man muss sicherstellen, dass kein Strom über 
PE fließen kann.

Wenn man die Elektronik isoliert braucht, und ein wegdriften des 
GND-Potentials vermeiden will (z.B. weil ein komplett isoliertes 
Netzteil verwendet wird), kann man einen hochohmigen Widerstand gegen PE 
verwenden.
Dazu eventuell Y-Kondensatoren als Strompfade für HF, falls nötig.
Beides muss den SURGE verkraften, wenn man dahingehend Anforderungen 
hat.

von Christoph S. (mr9000)


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Dunkan schrieb:
> Den Satz habe ich nicht verstanden. Kannst Du bitte anders formulieren?
> Der Bumms geht durch die Filter an den Rest der Elektronik?

Du hast einen riesigen ESD-Puls auf deiner Leitung, der will zurück zu 
Mama. Dafür bietet man ihm als erstes die TVS-Diode an, da wird ein 
Großteil der Energie dann schon abgeleitet. Mit Kondensatoren und 
Längswiderständen kann man dann die restliche Energie ableiten. So ein 
ESD-Puls macht zwar hohe Spannungen und große dI/dt, hat aber kaum 
Energie. Es geht um die Spannungsdifferenz, die an deinen Bauteilen 
ankommen können.

Ein bisschen Leselektüre:
https://www.microtype.io/esd-protection-circuit/

https://www.littelfuse.com/~/media/electronics_technical/application_notes/esd/littelfuse_esd_and_surge_circuit_protection_overview_application-note.pdf

https://www.infineon.com/dgdl/Infineon-AP2402635_General_PCB-AN-v03_05-EN.pdf?fileId=5546d46261ff5777016229f8523036f1

https://www.ti.com/lit/an/slvaex9b/slvaex9b.pdf?ts=1667814936055

file:///C:/Users/Christoph/Downloads/dm00670774-faq-esd-protection-stmic 
roelectronics.pdf

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Dunkan schrieb:
> Christoph S. schrieb:
>> TVS vor dem Filter, da geht der größte Bumms durch.
> Den Satz habe ich nicht verstanden. Kannst Du bitte anders formulieren?
Die Überspannungsspitze muss so dicht wie möglich an den 
Klemmen/Steckerpins abgefangen und (über GND) zur Quelle zurück 
abgeleitet werden. Diese TVS muss also den Bumms ableiten.

Dunkan schrieb:
> Nein, GND und PE sollen getrennt bleiben.
> Nur wie bringe ich PE und GND zusammen?
Gar nicht, weil sie ja getrennt bleiben sollen. Du bringst sie nur 
zusammen, wenn du sie zusammenbringen musst. Ich mache das dann mit 
einem 10n Kondensator parallel zu einem 10k Widerstand.

: Bearbeitet durch Moderator
von Dunkan (dunkane2e4)


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Vielen Dank für die Ratschläge und die Links.
Ich lese die Appnotes durch und versuche die Ideen umzusetzen.
Letzten Endes ist es ein Blindflug und nur der Test im Labor kann sagen, 
ob ich alles richtig gemacht habe oder nicht.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Dunkan schrieb:
> Letzten Endes ist es ein Blindflug und nur der Test im Labor kann sagen,
> ob ich alles richtig gemacht habe oder nicht.
Kann man so machen, aber ich habe da eher die Strategie, dass der Besuch 
im Messlabor nur noch die zuverlässige Funktion meiner Schaltung 
bestätigt. Oder andersrum: ich bin wirklich unangenehm überrascht, wenn 
meine Schaltung dort bei den Messungen durchfällt.

: Bearbeitet durch Moderator
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