Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Symmetrische Übertragung hier bei 5m-Leitung sinnvoll?


von Counter C. (clockdiv)


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Hallo zusammen,

ich habe hier ein Projekt bei dem mir empfohlen wurde, die Daten 
differentiell zu übertragen. Ich kenne die Vorteile, frage mich aber ob 
sich der Aufwand in diesem konkreten Fall lohnt.

Kurz gesagt werden 5V-Impulse zur Steuerung von Schrittmotortreibern 
über abgeschirmte Ethernet-Leitung geschickt. Die maximale Pulsfrequenz 
liegt bei 200KHz. Ebenfalls im Kabel ist eine 5V-Leitungen für die 
Richtungsanweisung des Motors und eine Signal-Leitung für den 
Endschalter (auf 3.3V). Desweiteren Stromversorgung für den den 
Endschalter (GND, 3.3V). Das Kabel ist 5m lang. (Die eigentlichen 
Schrittmotoren sind dann direkt am Treiber mit kurzen Leitungen 
angeschlossen).

Hier der Aufbau des Anschlusses im Überblick, GND liegt auch auf der 
Schirmung:
1
- PUL+  \
2
- GND    \
3
- DIR+    \
4
- GND      \------- 5 Meter shielded twisted pair-------
5
- ENA+     /---------- zu Schrittmotor-Treiber ---------
6
- 3.3V    /
7
- GND    /
8
- SIG   /

Mit einem weiteren 5m langen Ethernet-Kabel werden Dynamixel-Servos 
angesteuert. Das ist ein serielles Signal mit - hier - 2.000.000 Baud. 
Die Stromversorgung mit 12V läuft auch im Ethernet-Kabel. Der 
RJ45-Stecker ist wie folgt angeschlossen, GND ist wieder ebenfalls auf 
der Schirmung:
1
- 12V   \
2
- 12V    \
3
- 12V     \
4
- 12V      \------- 5 Meter shielded twisted pair-------
5
- 12V      /---------- zu Dynamixel-Servos -------------
6
- 12V     /
7
- GND    /
8
- DATA  /

(Hinweis: Die Dynamixel-Servos gibt es sogar mit RS485, haben wir aber 
leider nicht für dieses Projekt)

Nun die Frage: Wäre es eurer Meinung nach sinnvoll, überall symmetrische 
Datenübertragung einzusetzen? Oder sollten die 5V-Signale in einem 
abgeschirmten Kabel auf "nur" 5m stabil genug sein?

Vielen Dank für eure Einschätzung und viele Grüße!

: Verschoben durch Moderator
von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Counter C. schrieb:
> Die Stromversorgung mit 12V läuft auch im Ethernet-Kabel.
Das ist im Grunde eine arg ungeschickte Idee. Beleg das Kabel dann 
wenigstens so, dass nicht der Netzwerktrafo im Laptop abfackelt, wenn 
man dort zufällig diesen allseits bekannten RJ45 einsteckt.

Oder was passiert, wenn einer "zufällig" mal einen Backloop zwischen 
diesen beiden Steckern macht und 12V auf alle die Signale legt?

> Hier der Aufbau des Anschlusses im Überblick
Die Pärchen sind beim RJ45 aber anders belegt als 1-2, 3-4, 5-6 und 7-8. 
Sieh dir einfach mal ein übliches Kabel an:
- http://www.powerflyer.de/computernetze9.htm

> GND liegt auch auf der Schirmung
Für die meisten RJ45 Buchsen ist nicht spezifiziert, dass und wieviel 
Strom über den Schirm fließen kann. Zudem leiern die Kontaktfedern nach 
ein paarmal Einstecken aus.

Und auch die Kabel sind oft nur ein "Geflecht" aus 12 dünnen 
Eisendrähten und einem hauchdünnem Aluschirm.

: Bearbeitet durch Moderator
von Falk B. (falk)


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Counter C. schrieb:
> ich habe hier ein Projekt bei dem mir empfohlen wurde, die Daten
> differentiell zu übertragen. Ich kenne die Vorteile, frage mich aber ob
> sich der Aufwand in diesem konkreten Fall lohnt.

Vermutlich nicht, wenn man es richtig macht.

> Hier der Aufbau des Anschlusses im Überblick, GND liegt auch auf der
> Schirmung:- PUL+  \
> - GND    \
> - DIR+    \
> - GND      \------- 5 Meter shielded twisted pair-------
> - ENA+     /---------- zu Schrittmotor-Treiber ---------
> - 3.3V    /
> - GND    /
> - SIG   /

Wenn immer Signal + GND verdrillt sind, ist es OK. Deine naive Belegung 
tut das aber nicht, den Ethernet hat, warum auch immer, eine andere 
Belegung.
Siehe der Beitrag von Lothar.

> Mit einem weiteren 5m langen Ethernet-Kabel werden Dynamixel-Servos
> angesteuert. Das ist ein serielles Signal mit - hier - 2.000.000 Baud.

Das ist schon etwas anspruchsvoller. Hier ist eine Serienterminierung am 
Sender (Sensor) sinnvoll, siehe Wellenwiderstand.

> Die Stromversorgung mit 12V läuft auch im Ethernet-Kabel. Der
> RJ45-Stecker ist wie folgt angeschlossen, GND ist wieder ebenfalls auf
> der Schirmung:
> - 12V   \
> - 12V    \
> - 12V     \
> - 12V      \------- 5 Meter shielded twisted pair-------
> - 12V      /---------- zu Dynamixel-Servos -------------
> - 12V     /
> - GND    /
> - DATA  /

Hier ist die Belegung OK.

> Nun die Frage: Wäre es eurer Meinung nach sinnvoll, überall symmetrische
> Datenübertragung einzusetzen?

Nein

> Oder sollten die 5V-Signale in einem
> abgeschirmten Kabel auf "nur" 5m stabil genug sein?

Ja

von Gerald B. (gerald_b)


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Lothar M. schrieb:
> Das ist im Grunde eine arg ungeschickte Idee. Beleg das Kabel dann
> wenigstens so, dass nicht der Netzwerktrafo im Laptop abfackelt, wenn
> man dort zufällig diesen allseits bekannten RJ45 einsteckt.

Erinnert mich an ISDN Kabel, die ebenfalls RJ45 waren. Wenn man das ISDN 
Kabel versehentlich in die LAN Buchse gesteckt hat, wurde auch "die 
Hardwarefirewall" dauerhaft aktiviert.

von H. H. (Gast)


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Gerald B. schrieb:
> Lothar M. schrieb:
>> Das ist im Grunde eine arg ungeschickte Idee. Beleg das Kabel dann
>> wenigstens so, dass nicht der Netzwerktrafo im Laptop abfackelt, wenn
>> man dort zufällig diesen allseits bekannten RJ45 einsteckt.
>
> Erinnert mich an ISDN Kabel, die ebenfalls RJ45 waren. Wenn man das ISDN
> Kabel versehentlich in die LAN Buchse gesteckt hat, wurde auch "die
> Hardwarefirewall" dauerhaft aktiviert.

Kann ich nicht glauben. Die Fernspeisung bei S0 ist doch nicht 
wesentlich anders als PoE.

von Manfred P. (pruckelfred)


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Gerald B. schrieb:
> Erinnert mich an ISDN Kabel, die ebenfalls RJ45 waren. Wenn man das ISDN
> Kabel versehentlich in die LAN Buchse gesteckt hat, wurde auch "die
> Hardwarefirewall" dauerhaft aktiviert.

Die Gebrüder Grimm lassen grüßen.

H. H. schrieb:
> Kann ich nicht glauben. Die Fernspeisung bei S0 ist doch nicht
> wesentlich anders als PoE.

Na ja, S0 hat dauerhaft Spannung, im Gegensatz zu PoE wird da nichts 
verhandelt.

S0 nutzt die Paare 4-5 und 3-6, an beiden sitzt ein Übertrager mit 
Mittelanzapfung. Die Spannung wird über diese eingespeist, somit liegt 
die Speisung zwischen 4-5 und 3-6 und nicht auf dem jeweiligen Paar.

Ethernet nutzt 1-2, 3-6, 4-5 und 7-8, auch mit jeweils einem Übertrager 
drauf. Es gibt keinen Grund, dass der versehentlich angeschlossene S0 
Schaden verursachen könnte.

An einer Telefonanlage mit Up0 / UpN hat man nur zwei Adern, typisch 
4-5, wo dann auch die Speisung drauf liegt. Würde ich diese auf ein 
Ethernet klemmen, käme tatsächlich Strom durch deren Übertrager 
zustande. Passieren dürfte dennoch nichts, weil die Leistung begrenzt 
ist und die Tk-Anlage die Leitung wegen Überstrom abtrennt.

von Vanye R. (vanye_rijan)


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> Ich kenne die Vorteile, frage mich aber ob
> sich der Aufwand in diesem konkreten Fall lohnt.

Ich denke nein. Allerdings wuerde ich auch nicht unbedingt mit einem UHS 
Gatter direkt auf die Leitung gehen. Sorge dafuer das deine Flanken fuer 
200khz angemessen sind. Also noch eckig aber leicht verrundet. Ausserdem 
passenden Abschluss auf beiden Seiten.

Vanye

von Michi S. (mista_s)


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Counter C. schrieb:
> Die Stromversorgung mit 12V läuft auch im Ethernet-Kabel. Der
> RJ45-Stecker ist wie folgt angeschlossen,
> GND ist wieder ebenfalls auf der Schirmung:

Irgendwie frag ich mich, welchen Sinn die 6 Adern mit 12V hier haben? 
Ich mein, klar die Servos ziehen vermutlich ordentlich Strom, aber der 
muß ja nicht nur zu den Servos fließen, sondern klaraweise auch wieder 
retour und dabei muß er sich dann durch eine einzige (+Schirm) GND Ader 
durchquetschen; das Gedränge führt dann zu 'nem Spannungsabfall auf 
ebendieser einen GND-Ader und plötzlich kommt auf der Data-Leitung eine 
(relativ zu GND) negative Spannung beim Servo an. Keine Ahnung ob der 
das auch goutiert?

Kurz gesagt, z.B. 4 Adern mit 12V und 3 (+Schirm) mit GND würde da für 
ausgeglichenere Verhältnisse sorgen.

von Counter C. (clockdiv)


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Hallo zusammen und vielen Dank für eure Beiträge. Super, eure Tipps zu 
lesen.

Ich ändere auf jeden Fall die Belegung der Aderpaare zu 1-2, 3-6, 4-5, 
7-8 - jeweils eine Ader GND, die andere Signal.

Vanye R. schrieb:
> Sorge dafuer das deine Flanken fuer
> 200khz angemessen sind. Also noch eckig aber leicht verrundet.

Ich hab sie mit dem Oszi angeschaut und die sehen genau so aus - eckig 
aber leicht abgerundet.

Michi S. schrieb:
> Kurz gesagt, z.B. 4 Adern mit 12V und 3 (+Schirm) mit GND würde da für
> ausgeglichenere Verhältnisse sorgen.

Super, werde ich ändern. (Der Gedanke war, dass GND auch über den Schirm 
zurück fließt.)


Falk B. schrieb:
> Das ist schon etwas anspruchsvoller. Hier ist eine Serienterminierung am
> Sender (Sensor) sinnvoll, siehe Wellenwiderstand.

Vanye R. schrieb:
> Ausserdem passenden Abschluss auf beiden Seiten.

Serienterminierung, Wellenwiderstand und "passender Abschluss an beiden 
Seiten" meint das gleiche, oder? Danke für den Hinweis, ich werde mich 
einlesen. Ich kenne das nur noch aus den alten BNC-Netzwerkkabel-Zeiten.

Vanye R. schrieb:
> Allerdings wuerde ich auch nicht unbedingt mit einem UHS
> Gatter direkt auf die Leitung gehen.

Könntest du mir hier eine kurze Erklärung geben bzw. Stichworte, wie du 
es lösen würdest?

Vielen Dank und beste Grüße!

von Falk B. (falk)


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Counter C. schrieb:
>> Allerdings wuerde ich auch nicht unbedingt mit einem UHS
>> Gatter direkt auf die Leitung gehen.
>
> Könntest du mir hier eine kurze Erklärung geben bzw. Stichworte, wie du
> es lösen würdest?

Man sollte ein Logikgatter aus einer eher langsamen Familien nehmen, 
damit die Anstiegszeiten nicht unötig kurz sind und damit die 
HF-Probleme mit Reflektionen etc. unnötig hoch. Ein HC Gatter oder ein 
kleiner AVR sind OK.

von Counter C. (clockdiv)


Angehängte Dateien:

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Falk B. schrieb:
> Counter C. schrieb:
>>> Allerdings wuerde ich auch nicht unbedingt mit einem UHS
>>> Gatter direkt auf die Leitung gehen.
>>
>> Könntest du mir hier eine kurze Erklärung geben bzw. Stichworte, wie du
>> es lösen würdest?
>
> Man sollte ein Logikgatter aus einer eher langsamen Familien nehmen,
> damit die Anstiegszeiten nicht unötig kurz sind und damit die
> HF-Probleme mit Reflektionen etc. unnötig hoch. Ein HC Gatter oder ein
> kleiner AVR sind OK.

Danke für die Erläuterung, Falk. Super spannend, ich beginne zu 
verstehen...
Ich nutze den _SN74AHCT125_ als Logic Level Shifter um die Pulse von 
3.3V auf 5V zu setzen. Diese gehen dann durch besagtes Ethernet-Kabel an 
die Schrittmotor-Treiber.

Im Datenblatt (https://www.ti.com/lit/ds/symlink/sn74ahct125.pdf) finde 
ich auf Seite 6 die Information einer Switch-Zeit von 1 bis 6.5/8.5ns, 
siehe Screenshot im Anhang. Ist es das, was du meinst? - und, ist das in 
diesem Kontext "schnell"?

von Falk B. (falk)


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Counter C. schrieb:
> Danke für die Erläuterung, Falk. Super spannend, ich beginne zu
> verstehen...
> Ich nutze den SN74AHCT125 als Logic Level Shifter um die Pulse von
> 3.3V auf 5V zu setzen. Diese gehen dann durch besagtes Ethernet-Kabel an
> die Schrittmotor-Treiber.

Ist gerade noch OK, auch wenn die schon deutlich schneller als HCT sind.

> Im Datenblatt (https://www.ti.com/lit/ds/symlink/sn74ahct125.pdf) finde
> ich auf Seite 6 die Information einer Switch-Zeit von 1 bis 6.5/8.5ns,
> siehe Screenshot im Anhang. Ist es das, was du meinst?

Nicht ganz. Das sind alles nur Verzögerungszeiten zwischen Ein- und 
Ausgang.
Die Anstiegszeiten sind nicht angegeben, lieben aber in der gleichen 
Größenordung, eher sogar noch darunter.

>- und, ist das in
> diesem Kontext "schnell"?

Ja, ist schon recht schnell. Nimm lieber HCT, ohne A.

von (prx) A. K. (prx)


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Hier gibts eine Übersicht über die Anstiegs- und Abfallzeiten diverser 
Logikfamilien: 
https://www.oreilly.com/library/view/complete-pcb-design/9780128176856/xhtml/app003.xhtml

: Bearbeitet durch User
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