Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Mysteriöser Mosfet-Tod und der Spirito-Effekt


von Fritz G. (fritz65)


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Für ein Solarsystem benötigen wir einen elektronischen Schalter, der 
einen Verbraucher mit 50V und 10A ein- und ausschalten kann. Als 
Schalter dient ein Mosfet vom Typ IRFS3607, der mit Imax = 80A, Umax = 
75V und Pmax = 140W eigentlich dafür locker ausreichen sollte. Der RDSOn 
von maximal 9mOhm sollte im eingeschalteten Zustand eine Verlustleistung 
von < 0.5W verursachen, die über die unter dem Mosfet liegende 
Kupferfläche eigentlich problemlos abgeführt werden kann.

https://www.infineon.com/dgdl/Infineon-IRFS3607-DataSheet-v01_01-EN.pdf?fileId=5546d462533600a401535636a42b2176

Der Verbraucher ist mit einer bis zu 10m langen Leitung mit dem Schalter 
verbunden, die Leitungsinduktivität muss daher berücksichtigt werden, 
damit es beim Abschalten nicht zu Überschwingern kommt, die die 
Sperrspannung des Fets überschreiten könnten. Deshalb wird der Mosfet 
über ein RC-Glied am Gate langsam geschaltet, so dass die Schaltflanke 
etwa 1ms dauert.  Natürlich entshen beim Ein- und Ausschalten jetzt 
temporär Verluste, die jedoch hier tolerabel sind, da es sich um 
einzelne Schaltvorgänge handelt, die sich frühestens nach ca. 10s 
wiederholen. Die Maximalverlustleistung
beträgt rechnerisch 125W, was bei 1ms einer Energie von 0.125J 
entspricht. Die mittleren Schaltverluste sind also vernachlässigbar 
gering.

Die Schaltung wurde in einem Versuchsaufbau getestet. Das funktionierte 
zunächst wie erwartet, mit dem Oszilloskop sind nur minimale 
Überschwinger von unter 1V sichtbar. Die Infrarotkamera zeigt eine 
Erwärmung des Mosfets auf ca. 35°C.

Merkwürdigerweise sterben jedoch gelegentlich die Mosfets sang- und 
klanglos und schalten dann nicht mehr ab. Überspannung konnte ich als 
Ursache ausschließen, da die Testschaltung von einem geregelten 
Labornetzgerät versorgt wird. Da ich keine Erklärung für dieses Phänomen 
hatte, denn die Grenzen von Umax, Imax, Pmax und Temperatur sind zu 
jedem Zeitpunkt eingehalten, schaute ich noch mal ins Datenblatt. Da 
fällt auf, dass die Begrenzung der SOA für Pulse von 1ms bei Spannungen 
>20V steil nach unten abknickt. Das sieht so ähnlich aus wie bei 
Bipolartransistoren, bei denen bei höheren Spannungen ein sogenannter 
"zweiter Durchbruch" eintreten kann. Ich war bisher davon ausgegangen, 
dass Mosfets dagegen immun sind, weil bei ihnen die 
Temperaturabhängigkeit des differentiellen Widerstands immer positiv 
ist. Anscheinend ist das jedoch nicht der Fall, wie dieser Artikel 
erläutert:

https://www.nexperia.com/applications/interactive-app-notes/IAN50006_Power_MOSFETs_in_linear_mode

Der Grund für die Instabilität ist, dass die Schwellenspannung im 
Abschnürbereich mit der Temperatur sinkt. Ein wärmerer Bereich auf dem 
Chip zieht also mehr Strom an sich, erwärmt sich dadurch weiter, wodurch 
wiederum der Strom ansteigt. Es entsteht ein sich selbst verstärkender 
Mechanismus, der letztendlich den Chip surch lokale Überhitzung 
zerstört.

Wie könnte man diesen Spirito-Effekt vermeiden? Anscheinend hilft nur 
schnelleres Schalten. Um die induktiven Seiteneffekte muss man sich dann 
wohl oder übel mit Snubbern etc. kümmern.

von Uwe B. (uwe_beis)


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Fritz G. schrieb:
> Die Maximalverlustleistung
> beträgt rechnerisch 125W, was bei 1ms einer Energie von 0.125J
> entspricht.
Spontan fällt mir folgender Widerspruch, aber keine Lösung ein:
Das Labornetzgerät, wie deine angegebene Quelle mit 50 V / 10 A 
(Solarpanels angenommen), haben keinen ohmschen Ausgangswiderstand mit 
25 V und 5 A im Maximum, sondern liefern 50 V und 10 A im Maximum. 500 
W, aber natürlich über  wesentlich weniger als 1 ms.

Es gibt auch MOS-FETs, die mühelos bei 50 V keinen Spirito-Effekt 
zeigen.

U. A. zum Thema Spirito und wie das Phänomen entsteht, hat Marci W. 
einen interessanten Artikel verlinkt:
Beitrag "nexperia MOSFET & GaN Application Handbook"

: Bearbeitet durch User
von Mark S. (voltwide)


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Langsmes Schalten würde ich vermeiden. Alternativ schnell abschalten und 
die Überspannung im avalanche-festen MOSFET verheizen. Bei angenommenen 
10uH Leitungsinduktivität und 10A kommen da gerade mal
E=0,5* L * I² = 0,5  10u  100 = 500uJ Pulsenergie zustande.
Die RDSon-Verluste sind auch zu optimistisch angesetzt, ich komme da auf 
>0,8W (25C).

: Bearbeitet durch User
von Jens G. (jensig)


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Fritz G. schrieb:
> Wie könnte man diesen Spirito-Effekt vermeiden? Anscheinend hilft nur
> schnelleres Schalten. Um die induktiven Seiteneffekte muss man sich dann
> wohl oder übel mit Snubbern etc. kümmern.

Ja, genau das ist die Lösung. Oder dessen Avalanche-Festigkeit 
ausnutzen. Wie sonst willst Du diesen Effekt vermeiden, wenn Du ihn ja 
gerade durch langsames Schalten in diesen Modus zwingst?
Alternativ kannst Du natürlich auch einen dickeren Mossfet nehmen, 
besser gesagt, einen mit größerem SOA-Bereich.

Mark S. schrieb:
> Die RDSon-Verluste sind auch zu optimistisch angesetzt, ich komme da auf
> 0,8W (25C).

Ja, hatte mich auch gewundert, wie er auf diesen Wert kommt.

: Bearbeitet durch User
von Bauform B. (bauformb)


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Fritz G. schrieb:
> mit dem Oszilloskop sind nur minimale
> Überschwinger von unter 1V sichtbar.

Man kann auch alles übertreiben. Unter den Umständen kannst du doch 
bequem den goldenen Mittelweg gehen, etwas schneller schalten und 10V 
Überschwinger erlauben.

> Die Infrarotkamera zeigt eine Erwärmung des Mosfets auf ca. 35°C.

Nach welcher Einschaltzeit? Mit einem ausgesucht niederohmigen Exemplar? 
Und wie heiß ist dann die Sperrschicht?

Der PSMN3R7-100BSE z.B. hat 4 statt 9mΩ, das könnte gerade so knapp 
passen. Der kann aber auch wirklich langsam schalten, vergleich mal die 
SOA.

von Roland E. (roland0815)


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Infineon hat auch schöne Smartfets. Die sind mbMn besser für so was 
geeignet.

von Michael B. (laberkopp)


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Fritz G. schrieb:
> Wie könnte man diesen Spirito-Effekt vermeiden?

Geeignetere MOSFETs nehmen mit grösserem SOA.

> Anscheinend hilft nur schnelleres Schalten.

Das hilft.

Gegen die (von euch vermutlich überschätzte) Leitungsinduktivität hilft 
eine Freilaufdiode, ein Snubber oder ein Avalanche-rated MOSFET.

Man muss nicht gnadenlos langsam umschalten. Man soll nur so langsam 
umschalten, dass man die EMI Effekte in Griff hat. 1000V/100ns sind 
sonst irgendwie doof.

von Flip B. (frickelfreak)


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Auf der Leitungslänge sind auch schnell induktive überspannungen zu 
erwarten. Es muss also sicherlich eine TVS diode an den Mosfet ausgang. 
Welche zu ladenden kapazitäten sind zu erwarten, wie wird deren 
Ladestrom begrenzt? Wie ist der Ausgang gegen kurzschluss gesichert? Bei 
50V nehme ich an wir reden über eine Anwendung mit Batterie und damit 
sehr niederimpedante Quelle.

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