Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik MSPM0L-Familie als Nachfolger von MSP430


von Beat B. (elaf)


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Ultra Low Power MCU's der neuesten Generation.

Ich bin erstaunt, hier nicht bereits mehr über TI's MSP430-Nachfolger 
MSPM0L zu lesen und möchte das ändern.
TI bietet seit rund einem Jahr unter der MCU-Familie MSPM0L verschiedene 
neue Arm Cortex-M0+ Ultra Low Power MCU's an.
UltraLowPower bedeutet, dass die MCU MSPM0L1306 im Betrieb gerade mal 71 
µA/MHz verbraucht (Atmega328P 1.5mA), im SHUTDOWN gerade mal 61 nA 
(Atmega328P 1µA)
Die MCU kann aus dem Shutdown innert 3.2µs über IO wieder geweckt 
werden. In der kleinsten Ausführung benötigt die MCU ca 8mm2 auf dem 
PCB.
Weitere Infos: https://www.ti.com/product/de-de/MSPM0L1306

TI macht den Einstieg in die Welt der MC's leicht. Für etwa 15 Euro gibt 
es eine komplette Entwicklungsumgebung mit Entwicklerboard 'LaunchPad' 
inklusive integriertem Prozessor und eine umfangreiche 
Entwicklerplatform mit Dokumentationen,
Videos und Codebeispielen. Das Entwicklerboard 'LaunchPad' ist in zwei 
Teile aufgeteilt: Der eine Teil ist der komplette Programmer (XDS110 
debug probe),
der zweite Teil die eigentliche MCU mit den herausgeführten PIN's, die 
sich über Jumper komplett vom Programmer abtrennen lässt.
Wer sich traut kann so selbst ein Breakout-Board entwerfen, bei einem 
der PCB-Anbieter fertigen lassen und an das LaunchPad anschliessen.

Die neuen MSPM0L MCU's sind mit 1 Euro/Stück etwas günstiger als die 
Atmega328P (1.40 Euro/Stück) und können auch einzel direkt bei TI 
bestellt werden.
Ich habe mir zum Aufbau eines Prototyps selbst ein Pin-Breakout für den 
MSPM0L1306 in der 16-Pin SOT-23-THN (DYY)-Version erstellt 
(KiCad/JLCPCB) und mir gleich mal 10 MCU's bestellt, falls beim Löten 
etwas schiefgeht ;-)
Die SOT-23-THN Variante bietet für meine Zwecke (Ansteuerung eines 
RFM95) alles notwendige, braucht fast keinen Platz und lässt sich mit 
einer LR1632-Batterie komfortabel betreiben.

von Harald K. (kirnbichler)


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Beat B. schrieb:
> Die neuen MSPM0L MCU's sind mit 1 Euro/Stück etwas günstiger als die
> Atmega328P (1.40 Euro/Stück) und können auch einzel direkt bei TI
> bestellt werden.

Viele Bastler hängen am DIP-Gehäuse und an der 5V-Fähigkeit der AVRs. 
Dagegen können auch andere ARMe nicht anstinken.
(Immerhin hat das Ding hier 5V-tolerante I/Os, aber das ist immer noch 
was anderes als echter 5V-Betrieb).

TI hat schon vor Jahren versucht, die MSP430-Gemeinde zum Umzug auf 
einen ARM zu bewegen, indem sie anfingen, zur MSP430-Peripherie 
kompatible oder zumindest hinreichend ähnliche Peripherie mit einem 
Cortex-Kern zu verknüpfen, aber viel Begeisterung konnten die damit wohl 
nicht hervorrufen. Das Angebot an MSP432-Controllern ist jedenfalls 
überschaubar.

Ob das mit dieser Serie hier anders ablaufen wird? Ich bin etwas 
skeptisch.

von Uwe B. (Firma: TU Darmstadt) (uwebonnes)


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Die Marketingwerte von Ti sind schlechter als die Merketingwerte von STM 
fuer die STM32U0 Serie. M.e.a. hat(te?) TI auch eine sehr erratische 
Politik mit den Cortex-M. Und dazu lange Zeit eine unmoegliche 
Lizenzpolitik fuer die Device Header Files...

von Jens M. (schuchkleisser)


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Haben die Cortexe immer noch so wahnsinnig aufgeblasene IDEs und 
Betriebssysteme nötig?
Ich hab mal irgendwann ein NXP-Testset geschenkt bekommen, bei dem der 
Flash des Demoboards mit dem Blinky-Code ausgelastet war.
Erst knapp ein Gigabyte an Software installieren, dann die ultrakomplexe 
Runtime kompilieren, plus "while(1), pin high, delay, pin low, delay, 
do" und das Ding sagt locker "98% flash used". 2 LEDs abwechselnd 
blinken lassen ging nicht mehr weil Flash voll. Gut, waren nur wenige kB 
in nem 8pinner aber trotzdem.
Das war keine gute Demo und ist daher sofort im Schrott gelandet...

Effektiv schreibt man auf solch leistungsfähigen Maschinen dann Code, 
der auf "ich hab Arduino für mich entdeckt"-Maker-Level leistet, weil 
man einen riesigen Wasserkopp mit sich rumschleppen muss, denn für 
direkten Zugriff ohne Api gibt's keine Doku.

von Motopick (motopick)


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Beat B. schrieb:
> Ultra Low Power MCU's der neuesten Generation.

> Die neuen MSPM0L MCU's sind mit 1 Euro/Stück etwas günstiger als die
> Atmega328P (1.40 Euro/Stück) und können auch einzel direkt bei TI
> bestellt werden.

Etwas komplexere Exemplare werden wohl auch teurer sein.
Oder womoeglich gar nicht verfuegbar?
Bei den MSP430 war das ja auch nicht anders, wenn ich z.B. an die
MSP430FG4616/17/18 etc. denke.
Aber mancher ist vielleicht mit den MSP430 einfach zufrieden.


Jens M. schrieb:
> Haben die Cortexe immer noch so wahnsinnig aufgeblasene IDEs und
> Betriebssysteme nötig?

Ei sicher.
Das stoert mich aber weniger. Weil es "setup.exe" gibt.

> Ich hab mal irgendwann ein NXP-Testset geschenkt bekommen, bei dem der
> Flash des Demoboards mit dem Blinky-Code ausgelastet war.
> Erst knapp ein Gigabyte an Software installieren, dann die ultrakomplexe
> Runtime kompilieren, plus "while(1), pin high, delay, pin low, delay,
> do" und das Ding sagt locker "98% flash used". 2 LEDs abwechselnd
> blinken lassen ging nicht mehr weil Flash voll.

Auch legendaer: Der unter das Volk geworfende 16 Pin BGA ARM.
Natuerlich nur der Chip, mit nichts drunter. :)

Nur Infineon konnte es bei den ARMs noch schlimmer.
"Betreutes Programmieren" faellt einem da nur ein.

Uwe B. schrieb:
> Die Marketingwerte von Ti sind schlechter als die Merketingwerte von STM
> fuer die STM32U0 Serie. M.e.a. hat(te?) TI auch eine sehr erratische
> Politik mit den Cortex-M. Und dazu lange Zeit eine unmoegliche
> Lizenzpolitik fuer die Device Header Files...

Meinst du die Stellaris? Das war sicher ein Fehler, die so "hart"
abzukuendigen.

: Bearbeitet durch User
von Beat B. (elaf)


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Motopick schrieb:
> Etwas komplexere Exemplare werden wohl auch teurer sein.
> Oder womoeglich gar nicht verfuegbar?
> Bei den MSP430 war das ja auch nicht anders, wenn ich z.B. an die
> MSP430FG4616/17/18 etc. denke.
> Aber mancher ist vielleicht mit den MSP430 einfach zufrieden.

Nun, ich möchte keine Werbung machen, die gesamte MSPM0 - Familie ist 
bewusst auf Low-Cost getrimmt. So kostet auch die derzeit üppigste 
80MHZ-Ausführung mit 60 5V toleranten GPIO's, 4 UARTS 2 I2C und 2 SPI's 
(https://www.ti.com/product/de-de/MSPM0G3507) gerade mal 1.6 Euro und 
wird innert 3 Arbeitstagen mit DHL geliefert.

Jens M. schrieb:
> Haben die Cortexe immer noch so wahnsinnig aufgeblasene IDEs und
> Betriebssysteme nötig?
> Ich hab mal irgendwann ein NXP-Testset geschenkt bekommen, bei dem der
> Flash des Demoboards mit dem Blinky-Code ausgelastet war.
> Erst knapp ein Gigabyte an Software installieren, dann die ultrakomplexe
> Runtime kompilieren, plus "while(1), pin high, delay, pin low, delay,
> do" und das Ding sagt locker "98% flash used". 2 LEDs abwechselnd
> blinken lassen ging nicht mehr weil Flash voll. Gut, waren nur wenige kB
> in nem 8pinner aber trotzdem.
> Das war keine gute Demo und ist daher sofort im Schrott gelandet...

Das komplette Blink-Demo-Image für MSPM0L1306 ist so 1.2 KB und lässt 
sich wahlweise auch direkt über UART aufspielen.
Die 'fette' IDE braucht es ja nur um den C/C++ Code in ein effizientes 
Binary zu kompilieren. Man kann das auch mit einem HEX-Editor schreiben 
und dann über UART aufspielen... - Die IDE (CCS) bietet aber nebst dem 
CLANG - Compiler auch eine Konfiguration der MCU (Sysconfig) und 
Realtime-Debugging.

Für mein einfaches kleines Projekt, eine RFM95-LORA-Node, die alle paar 
Sekunden einige Bytes versendet, suchte ich nach einem einfachen MC der 
mindestens ein SPI, einen UART und 2 GPIO's bietet, dafür aber extrem 
sparsam ist, da die Node autark 3 Monate mit einer LR1632 senden muss.
Das Ganze dann auch noch möglichst klein da die Endgrösse der Node inkl. 
Gehäuse, Sender und Batterie 15x20x10mm nicht übersteigen darf. RFM95 
ist bereits 15x15, da bleiben noch 5mm ...

Nach einiger Suche, ausgehend von den Atmel's war meine Präferenz dann 
der MSP430FR2422. Aber der ist leider etwas gross und auch nicht so 
sparsam.
TI bietet mittlerweile auch gute Unterstützung, detaillierte 
Dokumentationen der MC's (1780 Seiten...) und ein paar interessante 
Lernvideos.

Damit dies nun nicht in einer Werbeveranstaltung endet ;-) gibt es aber 
auch ein paar Probleme. Mit den LaunchPad's geht ja alles flott und auch 
die Beispiele aus der SDK sind als Basis gut zu verwenden.
Aber: Fertigen Code, der wie bei den Arduino's ab der Stange mal schnell 
installiert werden kann, ist noch Mangelware. Dies ist bei allen MC's 
dasselbe. Obschon der MSP430 mittlerweile über 30 Jahre alt ist und auch 
bei einigen Ausbildungen Verwendung fand, so gibt es doch nur einen 
Bruchteil der Literatur und Programmbeispiele wie für die Atmega's.

Und dann hat Harald natürlich recht:

Harald K. schrieb:
> Viele Bastler hängen am DIP-Gehäuse und an der 5V-Fähigkeit der AVRs.
> Dagegen können auch andere ARMe nicht anstinken.

Um nicht immer die Launchpad's zu verwenden, muss man zum Lötkolben 
greifen um die Dinger irgendwie Breadboard-tauglich zu machen. Zuvor 
braucht es aber ein Breakout-Board auf das die MC's gelötet werden 
können. Da die SOT23-THN MC's recht neu sind, gibt es nichts anderes, 
als KiCad zu lernen und sich selbst ein GERBR-File zu erstellen. - Die 
Platine selber lässt man sich dann besser extern bei einer PCB-Schmide 
herstellen (SOT-23-THN hat 0.5mm Pinabstand)

Nicht jeder hat einen Reflow-Ofen unterm Schreibtisch. Ich auch nicht. 
Und so habe ich meine ersten MSPM0L'er beim Löten verheizt oder das 
Flussmittel war leider nicht NoClean und so gab es Probleme mit 
Kurzschlüssen. Als ich die Boards brav mit Alkohol reinigte, erzeugte 
das offenbar eine statische Aufladung... was wiederum zum Ausfall führte 
- Reflow in der Bratpfanne :-) habe ich ebenfalls probiert und das 
scheint mit Lötpaste nun zu klappen.

Hier wären findige Köpfe gefragt, die fertig verlötete Breakout-Boards 
in China herstellen und hier in der Bastlerszene günstig anbieten.

Die MSPM0L-Familie wird bei TI nicht so schnell verschwinden. Da die 
MC's klein und sparsam sind und (in grossen Mengen) günstig zu erhalten 
sind, werden sie auch in der Industrie öfter verbaut werden.
Es wäre also schön, hier mehr über die MSPM0-er und die Erfahrungen 
damit zu lesen.

: Bearbeitet durch User
von Andreas B. (abm)


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Harald K. schrieb:
> (Immerhin hat das Ding hier 5V-tolerante I/Os, aber das ist immer noch
> was anderes als echter 5V-Betrieb).

Naja, nach einem ersten Blick in die Datenblätter musste ich schon 
herzhaft lachen:

"Flexible I/O features
– Up to 60 GPIOs
• Two 5-V tolerant IOs
..."

In Worten: Zwei (2!!!) Pins sind 5V-tolerant. Wenn man 5V-tolerante Pins 
wirklich braucht, ist man mit zwei (2!!!) Stück aber schon etwas arm 
dran.
Auf den ersten Blick dachte ich, etwas mißverstanden zu haben, aber 
nein, auch der gründlichere Blick ins Datenblatt bestätigt genau das ... 
Und auch bei Verwendung als Eingänge wirklich nur die zwei.

Was durchaus nicht heißt, dass die nicht interessant scheinen. Aber die 
zwei Pins so herauszukehren, ist doch nun wirklich ein schlechter 
Scherz.

von Clemens L. (c_l)


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Andreas B. schrieb:
> Zwei (2!!!) Pins sind 5V-tolerant. Wenn man 5V-tolerante Pins wirklich
> braucht, ist man mit zwei (2!!!) Stück aber schon etwas arm dran.

Diese beiden Pins sind immer Open Drain; für alle Pins würde man das 
nicht haben wollen. Und das sind die einzigen Pins, bei denen I²C mit 1 
Mbps läuft. Naja, eine offensichtliche Anwendung ist besser als gar 
keine.

von Roland E. (roland0815)


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Dieses ganze Gehampel einen ARM32 für die Aufgaben eines 8- oder 
16-Bitters anzupreisen ist lächerlich.

Die 8Bitter brauchen beim rechnen weniger Strom als der ARM beim 
schlafen. Und wenn die bisher gereicht haben, tun sie das heute auch 
noch. Für den 16-Bitter sieht es evtl etwas differenzierter aus, aber 
warum soll man da einen (potentiellen) Stromfresser einbauen, wenn es 
der MSP430 bisher auch getan hat.

Bei dem Beitrag geht es um den Ersatz der MSP430er gegen einen ARM32. Da 
auf einer 5V-Kopatibilität eines Atmels rumzureiten ist witzlos. Die 
MSP430 waren schon immer 3,3V. Bei den MSP430-DIPs haben einige den 
Vorteil, dass sie mit einer R3/R6/R14/R20 Rundzelle funktionieren, ohne 
eine interne Ladungspumpe zu haben/brauchen. Das kann wimre weder Atmel 
noch ARM...

Letztlich entscheidet der Markt, was er will. Die hersteller haben da 
nur sehr begrenzt Steuermöglichkeiten, zumindest so lange es noch 
Alternativen gibt. Gut, der Z80 ist jetzt doch Geschichte, aber dessen 
Derivate werden noch produziert.

von Andreas B. (abm)


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Clemens L. schrieb:
> Andreas B. schrieb:
>> Zwei (2!!!) Pins sind 5V-tolerant. Wenn man 5V-tolerante Pins wirklich
>> braucht, ist man mit zwei (2!!!) Stück aber schon etwas arm dran.
>
> Diese beiden Pins sind immer Open Drain; für alle Pins würde man das
> nicht haben wollen. Und das sind die einzigen Pins, bei denen I²C mit 1
> Mbps läuft. Naja, eine offensichtliche Anwendung ist besser als gar
> keine.

Klar, wenn als Ausgang, muss natürlich der "obere" FET stillgelegt 
werden. Aber das kann ja durchaus auch konfigurierbar sein, und 
insbesondere könnten Eingänge sehr wohl 5V-tolerant sein. Bei den STM32 
ist das ja auch wirklich bei den meisten Pins so (dass da das 
"5V-tolerant" nicht so ganz wörtlich zu nehmen ist und tatsächlich ja 
nur ein "VDD+4V-tolerant" ist, bleibe mal dahingestellt).

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