Forum: Platinen Rätselhafte Aussparungen auf Platine. Erklärung gesucht.


von Walter (wsz)



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Hallo!

Ich bin quasi Anfänger und Hobbyist beim Thema Platinenlayout. Vor mir 
liegt eine Platine einer Kamera vom Typ Canon EOS 550D.
Dort haben einige SMD auf der Platine - nahe der Lötstellen - eine Art 
Strich, meist einseitig.
Eine Vermutung war, dass es auf die Polarität hinweisen soll. Was aber 
durch einzelne Bauteile, die beidseitig diese Markierung haben, nicht 
passen will.

Was ist der Sinn und Zweck dieser Striche? Und wie nennt man so was im 
Jargon?

Dank im Voraus!

Walter

von Patrick (dereine)


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Sieht interessant aus. Hab ich auch noch nicht gesehen.
Meine Vermutung wäre jetzt, die thermische Wärmeabfuhr durch die großen
Kupferflächen zu verringern, um die Lötergebnisse zu verbessern.

Bin gespannt, was die Profis dazu sagen.

: Bearbeitet durch User
von Ingo W. (uebrig) Benutzerseite


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Patrick schrieb:
> Meine Vermutung wäre jetzt, die thermische Wärmeabfuhr durch die großen
> Kupferflächen zu verringern,

Der deutsche Suchbegriff dazu wäre "Wärmefalle".

https://de.wikipedia.org/wiki/Thermal_Pad

Edit: Link zugefügt.

: Bearbeitet durch User
von Walter (wsz)



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Danke für die Antworten
Und wieder was gelernt: Wärmefalle.

In diesem Fall vermute ich, dass die Layout-Software diese automatisch 
verteilt. Siehe Bild. <g> Solche Scherze kommen aber nicht zu häufig 
vor.

von Simon L. (simon_l)


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Moin,

ich glaube eher, es geht hier um die Stromsteuerung, man versucht die 
Ströme durch den Kondensator zu "leiten" anstatt drumherum durch die 
Fläche,
das wäre meine Annahme, aber Wärmefallen sind genau so möglich und auch 
eher hier der wahrscheinlichere Grund.
Die Schaltung im Anhang soll genau das machen, ich will den Strom durch 
die TVS Diode und den ESD Kondensator zwingen, habe auch auch 
Wärmefallen im Layout.

Gruß Simon

von F. (radarange)


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Thermals verbessern die Lötbarkeit: Die großen Kupferflächen heizen sich 
langsamer auf, dadurch schmilzt potentiell das Lot auf den Pads, die an 
den dünnen Verbindungsleitungen hängen, schneller. Wenn du jetzt Pech 
hast, zieht das geschmolzene Lot durch seine hohe Oberflächenspannung 
das Bauteil in die Vertikale, was gerade dann gern passiert, wenn es auf 
der anderen Seite noch nicht geschmolzen ist. Der Effekt nennt sich 
"tombstoning" und ist natürlich ein echtes Problem.
Daher werden gerne für Bauteile, die nicht warm werden und keine 
besondere Wärmeableitung benötigen, entsprechende thermal pads 
verwendet. Der Stromfluß wird dadurch natürlich auch ein wenig 
eingeschränkt, das ist aber in den meisten Anwendungen egal.

Die Idee, durch absichtlich schlechtes Layout den Strom irgendwohin zu 
"zwingen," um irgendwelche Aspekte zu verbessern, sollte man aber direkt 
wieder vergessen.

von Enrico E. (pussy_brauser)


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Walter schrieb:
> Und wie nennt man so was im Jargon?

Es gibt Thermalpads. Die werden eingesetzt, wenn THT-Bauteile einseitig 
direkt mit GND verbunden werden. Und es gibt Thermalvias für 
Leiterbahnen die als Durchkontaktierung von der Oberseite mit der 
GND-Fläche auf der Bottom-Seite verbunden werden.

von Falk B. (falk)


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Walter schrieb:
> Danke für die Antworten
> Und wieder was gelernt: Wärmefalle.

Das sind aber keine, denn dafür ist die Kupferverbindung zwischen Pad 
und Kupferfläche viel zu breit.

> In diesem Fall vermute ich, dass die Layout-Software diese automatisch
> verteilt. Siehe Bild. <g> Solche Scherze kommen aber nicht zu häufig

Wenn es Wärmefallen sein sollten, hat der Layouter vermutlich die 
Parameter für die automatische Erzeugung falsch eingestellt.

: Bearbeitet durch User
von Walter T. (nicolas)


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Naja, ich würde annehmen, dass wenn wir das innere einer Kamera sehen, 
das Baugröße 0102 ist. Dort sehen alle Proportionen etwas anders aus.

von Gregor J. (Firma: Jasinski) (gregor_jasinski)


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Walter schrieb:
> Was ist der Sinn und Zweck dieser Striche? Und wie nennt man so was im
> Jargon?

Sieht sehr merkwürdig aus – ich mache manchmal auch ein paar wenige 
Thermale von Hand auf meinen Platinen, weil es besser in das 
Gesamtkonzept passt, diese sehen aber etwas anders aus.

von F. (radarange)


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Falk B. schrieb:
> Walter schrieb:
>> Danke für die Antworten
>> Und wieder was gelernt: Wärmefalle.
>
> Das sind aber keine, denn dafür ist die Kupferverbindung zwischen Pad
> und Kupferfläche viel zu breit.
>
>> In diesem Fall vermute ich, dass die Layout-Software diese automatisch
>> verteilt. Siehe Bild. <g> Solche Scherze kommen aber nicht zu häufig
>
> Wenn es Wärmefallen sein sollten, hat der Layouter vermutlich die
> Parameter für die automatische Erzeugung falsch eingestellt.

Lass dir gesagt sein, daß dein Eagle nicht der Weisheit letzter Schluß 
ist. Wärmefallen stören die Wärmeabfuhr der Bauteile und sind auch 
hinsichtlich der elektrischen Anbindung nicht vorteilhaft. Daher ist es 
eigentlich sinnvoll, die nicht überall möglich aggressiv hinzuklatschen, 
sondern genau so zu verwenden und zu dimensionieren, daß sich mit dem 
gewählten Prozeß die Lötbarkeit sicherstellen läßt.
Beachte, daß in Kameras viele Flex- und Rigid-Flex-Boards eingesetzt 
werden mit entsprechend dünner Kupferschicht, deren Wärmeleitung 
dementsprechend nicht so gut ist. Dort sieht das Layout dann vielleicht 
ein wenig anders aus als dir dein Eagle das mit Standard-Einstellung 
macht.

Du kannst schon davon ausgehen, daß in diesen Produkten entsprechende 
Optimierung stattgefunden hat, um sie zuverlässig und mit möglichst 
wenig Ausschuß zu fertigen. Der Layouter hat also entgegen deiner 
Behauptung sehr viel Ahnung.

von Gregor J. (Firma: Jasinski) (gregor_jasinski)


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Noch etwas:

Es könnte auch um Strombarrieren und niedrige Impedanzen gehen, es 
könnte aber auch einfach nur von einem China-Möchtegern-Designer 
stammen, dem nichts anderes eingefallen ist, oder die Ausgeburt eines 
Programms sein, das solche relativ simplen Thermale, die nur aus Linien 
erstellt werden, auf die Platine automatisch setzt. Bei abgerundeten 
Formen mit Stegen und möglichen Rundungsfehlern ist das nämlich alles 
gar nicht so einfach, es später in die Gerberdaten vernünftig 
einzubetten – die Software muss hier sehr viel beachten und optimieren, 
schafft es trotzdem nicht immer gut – der Mensch kann bei manchen 
Aufgaben besser eine Entscheidung treffen oder eine triviale Lösung 
finden. Ohne weitere Informationen sind das aber alles nur Spekulationen 
und werden es vermutlich auch bleiben – die Zeit, die man für dieses 
dann sinnlose „Rätseln” opfert, sollte man lieber für wichtigere Sachen 
beim Entwerfen einer Platine für normale Anwendungen einsetzen und da 
gibt es so einiges, was man lernen und beachten könnte und auch sollte – 
es lohnt sich und wird mit der Zeit auch entsprechend belohnt, wenn man 
an den richtigen, fundierten Informationsquellen dranbleibt.

von Jens M. (schuchkleisser)


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F. schrieb:
> Die großen Kupferflächen heizen sich
> langsamer auf, dadurch schmilzt potentiell das Lot auf den Pads, die an
> den dünnen Verbindungsleitungen hängen, schneller. Wenn du jetzt Pech
> hast, zieht das geschmolzene Lot durch seine hohe Oberflächenspannung
> das Bauteil in die Vertikale, was gerade dann gern passiert, wenn es auf
> der anderen Seite noch nicht geschmolzen ist. Der Effekt nennt sich
> "tombstoning" und ist natürlich ein echtes Problem.

Komisch. Was mach ich falsch, wenn ich Tombstones nur in der anderen 
Richtung habe, das Teil also auf der (Thermals-Freien) Massefläche 
sitzt?
Ca. 1% aller LPs, mehrere hundert 0402er Kondensatoren pro LP, und 
entweder liegen alle oder ein Großteil steht hoch. Sehr spezielle LP, 
recht dick, viele Lagen, dickes Kupfer. Gefertigt alles direkt 
hintereinander.

Enrico E. schrieb:
> Es gibt Thermalpads.
Die Dinger heißen im Englischen "Thermals", und es geht dabei um die 
Löcher um das Loch bzw. Pad, bzw. genauer die kurzen Stege, die als 
Wärmebremse funktionieren.
Ein Thermal-Pad ist meist unter einem Chip und dient der Wärmeabfuhr aus 
eben diesem, z.B. bei QFN oder PowerSO8.

F. schrieb:
> Der Layouter hat also entgegen deiner
> Behauptung sehr viel Ahnung.

Ich kenne diese Löcher aber auch von LPs, bei denen der Layouter Flächen 
nicht mit einem Polygon automatisch vollmalen lässt, sondern aus 
Unwissen selber Flächen zeichnet, mit endlosen Mengen an Rechtecken und 
Linien.
Oder: Teile setzen, Leiterbahnen machen (auch für GND), dann 
Massepolygon drüberlegen. Durch die "Ekeleinstellung" (oder falschen 
Netznamen) hält sich das Polygon von Leiterbahnen fern, auch eigenen, 
und nachher bleiben ganz viele Gummilinien über, die von GND-Pads und 
Leiterbahnen in die GND-Polygone zeigen. Die verbindet man dann noch 
eben mit übergelegten Linien, und dann kommt auch sowas dabei raus.

Walter schrieb:
> In diesem Fall vermute ich, dass die Layout-Software diese automatisch
> verteilt.

Ich denke, in diesem Fall sind die Freiflächen in der Bauteillibrary des 
Layouters hinterlegt und werden so automatisch mitgesetzt.
Z.B. als Abstandshalter bei Kopf-an-Kopf-Bestückung, damit sich keine 
Brücken bilden können oder Teile sich verziehen.
Ich würde daher auch drauf tippen, das da in vielen Iterationen ein 
System gefunden wurde, das den Ausschuss minimiert.

von Falk B. (falk)


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Walter T. schrieb:
> Naja, ich würde annehmen, dass wenn wir das innere einer Kamera sehen,
> das Baugröße 0102 ist. Dort sehen alle Proportionen etwas anders aus.

Der große, schwarze IC ist SOT23, bestenfalls SC70.

von Gregor J. (Firma: Jasinski) (gregor_jasinski)


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Jens M. schrieb:
> Ich würde daher auch drauf tippen, das da in vielen Iterationen ein
> System gefunden wurde, das den Ausschuss minimiert.

Wer darin eine 'Hochwissenschaft' oder einen Picasso sehen möchte, 
darauf stundenlang beeindruckt schauen und dabei den Kopf verdrehen 
möchte, um den tieferen Sinn des ganzen zu erkennen, dem sei das 
gegönnt. Viel Spaß!

von Jens M. (schuchkleisser)


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Gregor J. schrieb:
> Wer darin eine 'Hochwissenschaft' oder einen Picasso sehen möchte,
> darauf stundenlang beeindruckt schauen und dabei den Kopf verdrehen
> möchte, um den tieferen Sinn des ganzen zu erkennen, dem sei das
> gegönnt.

Tja, aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen das es Designer gibt, die 
ein Teil so bauen können das es bei 20 Millionen Teilen unter 1 Promille 
fehlerhaft sind, und es gibt welche die ultrasuperdringende 3 Prototypen 
dreimal bestellen müssen weil die es nicht hinbekommen Teile nicht zu 
überlappen, Layer nicht exportieren oder die Massefläche vergessen.

von Rainer W. (rawi)


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Jens M. schrieb:
> Tja, aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen das es Designer gibt, die
> ein Teil so bauen können das es bei 20 Millionen Teilen unter 1 Promille
> fehlerhaft sind ...

Warum sollte die Fehlerrate von der Stückzahl abhängen?
Wenn die Fertigung läuft, ist es für die Fehlerrate, bis auf 
statistische Schwankungen, egal, ob 1000 oder 20000000 Stück 
drüberlaufen. 1 Promille bleibt 1 Promille.

: Bearbeitet durch User
von Jens M. (schuchkleisser)


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Weil die 20 Millionen Teile über Jahrzehnte in tausenden Losen mit 
unterschiedlichen Maschinen, Pasten, Schablonen, Öfen, Bauteil- und 
LP-herstellerwechseln, klimatischen Bedingungen, leichten Revisionen und 
was weiß ich noch gefertigt wurden.
Meint: Das Ding kann man einfach machen, es klappt "immer".

Außerdem kann man bei kleinen Mengen nur schlecht auf die Fehlerquote 
extrapolieren.
Wenn ich nur 3 Muster machen muss/kann, aber mehr Versuche brauche um 
den Prozess zu stabilisieren, kann ich aus dem Verlauf "1. Muster 
scheiße, 2. Muster besser, 3. Muster geht so" nicht sagen ob es mit 
tausend Teilen dann 995 gute gibt, oder 999 oder nur 17.

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